Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - VfL Bochum 0:0

Eiszeit in der Hölle

Eiszeit in der Hölle


Die Stimmung am Betzenberg ist auf dem Gefrierpunkt. Am Ende des Spiels Kaiserslautern gegen Bochum gab es wütende Pfiffe - nicht nur gegen die Mannschaft. „Der Betze Brennt“ macht eine Bestandsaufnahme.

- Fotogalerie: Spielszenen 1. FC Kaiserslautern - VfL Bochum
- Fotogalerie: Fanfotos 1. FC Kaiserslautern - VfL Bochum

Es hatte etwas symbolisches, als die Fans des 1. FC Kaiserslautern nach dem Spiel gegen den VfL Bochum aus dem Schatten ins Licht traten. Alles, was mit Fußball zu tun hat, lässt sie derzeit schaudern. Und bei den warmen Strahlen der März-Sonne wird der ein oder andere Anhänger wohl gedacht haben, wie er den Samstag besser hätte verbringen können.

Immerhin 26.896 Zuschauer - darunter 800 aus Bochum - sollen die Zweitligameisterschaftsbegegnung besucht haben. Netto waren es wohl nicht annähernd so viele. Schon in den letzten Heimspielen ist dem Vernehmen nach die tatsächliche Besucherzahl 5.000 und mehr unter dem Wert der verkauften Tickets gelegen, der letztlich in den Berichtsbogen geschrieben wurde. Die Schere geht weit auf, weil nicht alle Zuschauer mit (Dauer-)Karte den Weg ins Stadion finden (wollen).

Nur die Treuesten der Treuen kommen noch. Und auch die pfiffen sich nach der fröstelnden Nullnummer gegen Bochum die Seele aus dem Leib. Es waren die heftigsten Unmutsbekundungen in dieser Saison. Der VfL vergab zuvor drei Hundertprozentige, ein reguläres Tor wurde ihm durch einen Abseitspfiff geklaut. Viel mehr passierte nicht.

Gestörte Kommunikation

Schon in der 68. Minute verschafften die Fans ihrem Frust frische Luft: FCK-Trainer Foda nahm da Weiser und Fortounis vom Feld und brachte Borysiuk und Drazan. Fortounis hatte zuvor einen fast folgenschweren Fehler im Mittelfeld fabriziert. Was noch bemerkenswerter ist: Fortounis machte erst keine Anstalten den Rasen zu verlassen, fast hatte es den Anschein der FCK würde mit zwölf Leuten weiterspielen. Ob der junge Grieche die Zeichen der Bank nicht verstand oder er genervt von der (Straf-)Maßnahme war - unklar. Auf jeden Fall sah das nach Kommunikations-Panne aus. Nicht nur in dieser Szene.

Fortounis werden mangelnde Deutsch-Kenntnisse nachgesagt. Aber es scheint, als würde derzeit keiner mehr beim FCK die gleiche Sprache sprechen. Weder Vorstand, noch Trainer, noch Spieler, noch Fans. Foda stand gegen Bochum über weite Strecken der zweiten Halbzeit sprachlos in seiner Coachingzone, fast wie angefroren. Nach dem verlorenen Spiel bei der Hertha aus Berlin gab er einen Einblick in seine häufig verschlossene Trainerseele: Angefressen klagte er gegenüber der TV-Reporterin, dass seine Spieler viel zu wenig von dem umgesetzt hätten, was man sich vorgenommen habe. Ja, Foda sagte einen erstaunlichen Satz: Dem Spiel seiner Mannschaft hätte es wohl besser getan, wenn der Elfer von Berlin drin gewesen wäre. In der Tat waren die Roten Teufel von den Berlinern in den Anfangsminuten überrollt worden. Aber: Welche Störung liegt vor, wenn ein Torwart bei einem Spitzenspiel einen Elfer hält und das allein kein Signal für seine Mitspieler zur Attacke ist...

Den Mund zu voll genommen

Nach dem Bochum-Heimspiel analysierte Foda: „Der Druck ist groß, das hat man gemerkt.“ In der Tat konnte man bei der Partie nur schwer unterscheiden, was mehr lähmte, Aufstiegs- oder Abstiegs-Angst. Nur, Foda und seine Führungsspieler haben sich diesen Druck selbst auferlegt. „Wir sollten uns als 1. FC Kaiserslautern hohe Ziele stecken und die so schnell wie möglich erreichen. Der Wiederaufstieg ist mein Ziel“, kündigte Foda in seinen Anfangstagen an. Auch Torjäger Idrissou ließ keinen Zweifel daran, dass er nach Freiburg, Duisburg und Frankfurt auch Kaiserslautern in die erste Liga ballern werde - im Alleingang. Und Kollege Baumjohann präsentierte eine Formel, derzufolge er höchstens ein Jahr in der zweiten Liga spielen würde.

Man wird also in erster Linie den eigenen Ansprüchen nicht gerecht und zeigt Nerven: Baumjohann brannten in Berlin die Sicherungen bei seinem Revanche-Foul durch; Idrissou eilte an diesem Samstag nach einer peinlichen, arroganten Vorstellung schnurstracks in die Kabine.

Die engelsgeduldigen teuflischen Anhänger meint Foda mit dem Wort „Druck“ hoffentlich nicht. Nach der desaströsen Abstiegssaison war es für nicht wenige das primäre Ziel, ihren Frieden und ihre Identifikation mit dem FCK wiederzufinden. Und mit dem jungen Pfalz-Gemüse um Heintz und Zuck gelang das anfangs auch. Dass die Zweite Liga im Sturm erobert werden könnte, daran glaubten nicht mal die kühnsten Optimisten unter den FCK-Fans.

Foda war 15 Jahre in Graz tätig, steht für Kontinuität und Aufbau. Er ist eher ein Dauerläufer als ein Sprinter. In Lautern wollte er von Null auf 100 durchstarten. Und auch sein Boss Kuntz wollte wohl alles, was vorher in die Binsen ging, in Rekordzeit wieder gutmachen. Die prominenten Spielereinkäufe weckten Erwartungen. Aber selbst wenn man aus selbsternannten Aufstiegsgaranten und Bundesliga-erprobten Könnern eine Elf bastelt, ergibt das nicht zwangsläufig eine Aufstiegsmannschaft. Auch für Sprüche der Trainerkonkurrenz - dass manche Spieler beim FCK personifizierte Wettbewerbsverzerrung wären - kann sich keiner was kaufen. Dazu kommt, dass man beim FCK traditionell schon immer mehr Glück und Erfolg hat, wenn man aus der Position des Underdogs kommt und den Mund nicht zu voll nimmt. Das liegt in der Natur dieses Vereins. Es finden sich viele Beispiele. Als Marco Kurz hier aufschlug, gab niemand einen Cent auf ihn. Nie lagen die Nerven der Fans blanker als in dessen erstem Sommer - was folgte war eine sensationelle Saison, die Wiedergeburt des Betze-Fußballs. In seinem letzten Sommer kündigte Kurz spielerische Großtaten an, was daraus wurde ist bekannt.

Elf Spieler, aber nie eine Mannschaft

Dass heuer keine Mannschaft auf dem Feld steht, die lebt, die kommuniziert, in der einer für den anderen rennt, spürt und sieht jeder Fan. Der FCK profitierte anfangs von der individuellen Klasse eines Baumjohann, Bunjaku oder Idrissou. Aber in schwierigen Spielen, die nur im Kollektiv zu gewinnen waren (Regensburg, St. Pauli, Union Berlin), versagte man. Die Gegner wissen mittlerweile, wen man aus dem Spiel nehmen muss, um dem FCK den Stecker zu ziehen.

Eine Mannschaft muss wachsen - was bei der derzeitigen FCK-Fluktuation eine Herausforderung ist - und sie braucht vor allem einen Anführer. Hier machte Foda mit der Wahl von Bunjaku einen Fehler. Bunjaku kämpft mit seinem Körper, der in den letzten Jahren arg in Mitleidenschaft gezogen wurde und mit seiner Position. Auch gegen Bochum musste er wieder öfter als ihm lieb war die Eckfahne küssen - sein Blick als ihm eine Flanke vor der Westkurve misslang, sprach Bände. Foda entschied sich in der Kapitänsfrage gegen Florian Dick, der das Amt gerne in Anspruch genommen hätte und es wohl auch als verdient ansah. Jetzt ist er in vielen Spielen (u.a. das aktuelle) nur noch ein Schatten früherer Tage. Und einer, der mehr Verantwortung übernehmen wollte, Tobias Sippel, bekommt nicht die Rückendeckung, die ihm eigentlich zusteht. Sippel war einer der besten und beständigsten in der Vorrunde. Trotzdem kritisierte ihn der Vorstand - und der Trainer stellte ihn in Frage. Dass bei 1860 München die Null stand und auch gegen den VfL Bochum, ist besonders Sippel zu danken.

Der falsche FCK spielt mit Pfälzer Tugenden

„Bochum hat durchaus Qualität im Kader und steht eigentlich zu weit unten in der Tabelle. Das hat man auch heute gemerkt. Wir haben das Spiel ganz gut aufgebaut, im letzten Drittel des Spielfelds dann aber die falschen Entscheidungen getroffen. Da haben Kreativität und Ideen gefehlt“, sagte Foda auf der Pressekonferenz. Im Endeffekt sei es gerade nach vorne hin einfach zu wenig - was untertrieben ist, wenn man bedenkt, dass der FCK jetzt fast schon seit zweieinhalb Spielen praktisch ohne Torchance ist; wenn die beste Flanke gegen Bochum von Mo Idrissou kommt, der dann aber im Sturmzentrum fehlt, um sie reinzuköpfen. Da braucht man auch gar nicht erst über flache Vier oder Doppel-Sechs zu diskutieren. Derjenige, der den Ball hat, ist beim FCK derzeit die ärmste Sau. Mit den vielen Positionswechseln in der Offensive verunsichert man sich augenscheinlich selbst, aber nicht den Gegner. Und mit Standards, Kampf und Leidenschaft punktet derzeit nur ein „FCK“ in der Liga, der aus Köln-Müngersdorf.

„Wir müssen uns jetzt trotzdem in Ruhe auf das nächste Spiel (in Braunschweig) vorbereiten“, macht Foda klar. Er muss Personalfragen beantworten: Wie lange will er sich von Abseits-Gott Idrissou noch auf der Nase herumtanzen lassen? Ist Riedel im Moment der bessere Dick? Warum steht Köhler so dermaßen neben seinen Schuhen? Warum wurde Drazan eigentlich monatelang gejagt, wenn er keine Hauptrolle spielt... Foda muss (Offensiv-)Lösungen finden: Der FCK hat in den letzten acht Spielen sechs Mal kein Tor geschossen. In den vier Partien davor fiel auch nur jeweils ein FCK-Treffer. Und Foda muss liefern: Auf dem Papier ist sein Kader nicht schlechter als der in der Bundesliga-Saison 2011/12. Und Kuntz hat ihm Wunschspieler geholt, „schwierige Typen“ wie der FCK-Boss süffisant sagte.

Der Fehler im System

Foda als „Alleinschuldigen“ für die derzeitige Eiszeit in der Fußball-Hölle hinzustellen, erscheint zumindest fragwürdig. Der Fehler liegt offensichtlich im System. „Weniger Betze war nie“ hat „Der Betze Brennt“ in seiner Winteranalyse geschrieben - und die dortige Prognose hat sich bislang leider bewahrheitet (Artikel: „Alles wieder auf Null“). Auch wir Fans sind ein nicht zu unterschätzender Teil des FCK-Mechanismus. Dem sollten wir uns bewusst werden. Wir werfen Trainer und Vorstand vor, bei Neuzugängen den Charakter- und Betze-Eignungstest zu vernachlässigen. Und als potentielle Foda-Nachfolger nennen wir im gleichen Atemzug Büskens, Gross & Co. Oder vielleicht Sforza, nur weil er mal mit dem FCK als Spieler erfolgreich war - wie Wolf und Foda. Würde ein No-Name wie Torsten Lieberknecht, der nachhaltig arbeitet, von uns überhaupt Kredit bekommen? Wenn ja, sollten wir nicht so weit in die Ferne schauen, beim FCK gibt es so einen Mann, der mit seinem Konzept die Vereinsführung so überzeugt hat, dass er nicht nur Trainer, sondern auch Leiter des Nachwuchszentrums wurde.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

Kommentare 494 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken