Welch ein Jubel auf dem Betzenberg! Erik Jendrisek köpft in der „allerneunzigsten“ Minute zum 1:0-Sieg des 1. FC Kaiserslautern gegen Schlusslicht SV Wehen-Wiesbaden ein und das Fritz-Walter-Stadion gleicht einem Tollhaus. Was früher relativ häufig vorkam, hatte man nun schon länger nicht mehr erlebt: Ein Sieg in der Nachspielzeit. Entsprechend groß war die Freude, und trotz des eher mauen Spiels wird sich kaum ein Fan unzufrieden auf den Heimweg gemacht haben.
FCK-Trainer Milan Sasic wechselte im Vergleich zum guten Auswärtsspiel in München nur einen Spieler, für den verletzten Sascha Kotysch rückte nach seiner Sperre Torjäger Srdjan Lakic wieder ins Team. Auf Wehener Seite stand mit Marcel Ziemer einer der „Helden des 18. Mai“ in der Startformation, der ebenso wie Fabian Schönheim überwiegend positiv empfangen wurde - beide Spieler wechselten in der Winterpause zu den Hessen, Ziemer allerdings nur auf Leihbasis.
31.054 Zuschauer sahen das Spiel des Aufstiegs- gegen den Abstiegskandidaten, darunter etwa 400 Gästefans, die für einen „Retortenverein“ durchaus gute Stimmung verbreiteten. In der Westkurve waren sie mangels Masse trotzdem nur selten zu hören. Hier herrschte zwar auch immer mal wieder Stillschweigen, was angesichts des schwachen Spiels aber insgesamt nachvollziehbar war.
Die erste halbe Stunde hätten sich die Zuschauer getrost schenken können - es passierte schlichtweg gar nichts. Keine einzige Torchance, nur wenige gelungene Kombinationen, kein Durchkommen gegen die Wehener Betonmischer. Erst als auf der Anzeigetafel der Rückstand von Aufstiegskonkurrent Mainz 05 durchgegeben wurde, wachten Fans und Mannschaft auf. Vom Publikum nach vorne gepeitscht, hatte zunächst Erik Jendrisek die Führung auf dem Fuß, vergab jedoch ebenso wie Josh Simpson kurz vor dem Pausenpfiff. Milan Sasic sprach später von einer der schlechtesten Halbzeiten in seiner Zeit als FCK-Trainer.
Im zweiten Abschnitt gingen die Roten Teufel dann endlich zielstrebiger zu Werke. Insbesondere mit der Einwechslung des heute starken Sidney Sam nach einer Stunde kam mehr Schwung ins Spiel der Lautrer. Für den 21-jährigen standen nach wenigen Sekunden bereits ein strammer Fernschuss und ein heraus geholter Freistoß, aus dem ebenfalls eine Torchance entstand, zu Buche. Nachdem in der 64. Minute auf der Anzeigetafel der erneute Rückstand der Mainzer, die zwischendurch in Ingolstadt in Führung gegangen waren, durchgegeben wurde, war der Schlussspurt endgültig eingeleitet. Vom lautstarken Publikum nicht nur in der Westkurve nach vorne gepeitscht, wollte der FCK nun den Sieg, wobei auch Wehen in der Endphase des Spiels zu vereinzelten Torchancen kam. Doch die Sekunden schienen immer schneller zu verrinnen, der Ball wollte einfach nicht ins Tor - die beste Chance hatte noch Sam, dessen Kopfball der starke SVWW-Keeper Walke parieren konnte. Jener Alexander Walke, der federführend das Zeitspiel der Gäste antrieb und sich nach einem vermeintlichen Zusammenprall mit Sam minutenlang behandeln ließ, ohne wirklich getroffen worden zu sein. Die „Zuneigung“ der Westkurve war ihm natürlich gewiss, wobei auch andere Wehener Spieler sich hier und da provokant viel Zeit ließen. Doch solche Spielereien wurden auf dem Betzenberg schon öfter bestraft...
Es lief bereits die zweite Minute der Nachspielzeit, als Martin Amedick eine Einwurfflanke von Florian Dick auf Höhe des Fünfmeterraums verlängerte - Erik Jendrisek stand am langen Pfosten bereit und köpfte gegen die Laufrichtung von Keeper Walke ein. „Neunzigste Minute plus zwei“, wie es im Jargon des modernen Fußballs heißt, wie oft gab es solche späten Entscheidungen im Fritz-Walter-Stadion schon. Der Betze explodierte nun, die Spieler rannten freudetrunken quer über den Platz und es war nur noch Party angesagt. Geil!
Wenige Sekunden später pfiff Schiedsrichter Florian Meyer das Spiel ab und der FCK bleibt weiterhin im Aufstiegsrennen. Zwar kamen die Mainzer doch noch zu einem glücklichen 4:3-Erfolg in Ingolstadt, aber immerhin verlor ein anderer Konkurrent, der 1. FC Nürnberg in Frankfurt. Freiburg dürfte der Aufstieg bei sieben Punkten Vorsprung kaum noch zu nehmen sein, dahinter kämpfen fünf Vereine um Aufstiegsrang 2 und Relegationsplatz 3. Und der FCK ist mittendrin, das Ziel und der Wunschtraum Aufstieg endlich auch offiziell ausgesprochen!
Doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt, und der muss bei den Roten Teufeln noch mindestens fünf Spiele lang fließen, im Falle der Relegation sogar noch sieben mal. Eine schwere Aufgabe steht dabei am Freitag in Rostock an, wo der FCK auf einen aufstrebenden Abstiegskandidaten trifft. Packen wir's an!
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas