"Prime Time" auf dem Betze, volle Hütte, vor der Brust ein "Kids-Glubb", in dem noch kaum einer die Hölle kennt. Ein Selbstläufer? Obacht: Schon im Hinspiel hat Nürnbergs Trainer gezeigt, dass er weiß, wie man dem FCK beikommt.
Das hat sich geändert: 0:0 trennten sich der 1. FC Kaiserslautern und der 1. FC Nürnberg vor fünf Monaten, und niemand wusste so recht, was er von diesem Ergebnis halten soll. Einerseits hatten die Franken über weite Strecken viel mehr vom Spiel, wirkten quicker in den Beinen und im Kopf und vergaben viele gute Einschussmöglichkeiten. Andererseits hatte Lauterns Top-Stürmer Ragnar Ache in der Schlussphase drei Torchancen auf dem Fuß, von denen er normalerweise mindestens eine reinmacht. Damit war die Partie aus Nürnberger Sicht in gewisser Weise sinnbildlich für die gesamte Spielzeit, die für sie nicht so richtig zu fassen ist. Einerseits wollte man nach dem gewaltigen Kaderumbruch im Sommer nichts weiter als "eine ruhige Saison". Das ist gelungen, der FCN rangiert aktuell auf Platz 9 und ist schon jetzt so gut wie aller Abstiegssorgen ledig. Andererseits gab es immer wieder Phasen, in denen mit Fug und Recht von "mehr" geträumt werden durfte. Vor nicht einmal zwei Wochen noch, vor dem Spiel gegen Regensburg, rechnete man sich aus, mit einem Sieg beim Tabellenletzten an die Aufstiegsränge andocken zu könnte. Der Trend schien zu stimmen: Zuvor hatte der "Glubb" 1:0 in Münster und gegen Fürth auch das zweite Franken-Derby der Spielzeit gewonnen, und das klar mit 3:0. Die Partie in Regensburg ging jedoch 1:2 verloren, ebenso das anschließende Heimspiel gegen den Hamburger SV (0:3). Jetzt redet niemand mehr von "mehr". Sportchef Joti Chatzialexiou ist mit Cheftrainer Miro Klose dennoch nach wie vor glücklich, schätzt ihn als detailversessenen Malocher und sieht ihm gerne nach, dass der WM-Rekordtorschütze vor Live-Mikros eher selten als rhetorisches Genie glänzt. An guten Tagen wird der "Klose-Ball" als "kombinationsfreudig, risikoreich und zielstrebig" beschrieben (Süddeutsche Zeitung). Wird das Team mal wieder Opfer seines jugendlichen Überschwangs, fallen Worte wie "zu hektisch, zu direkt, zu steil" - die sprach der Coach höchstselbst nach der 1:2-Niederlage gegen Hannover aus. Im Februar trennte sich der Club überraschend von Sportdirektor Olaf Rebbe. Ihn wird wohl Michael Bischof beerben, zuletzt Bereichsleiter für Entwicklung, Scouting und Analyse beim Karlsruher SC. Dafür wird Rebbe beim KSC vermutlich als Sportdirektor anheuern.
Das hat sich geändert: Bezüglich seiner Grundordnung ist Klose bei dem 3-4-1-2 geblieben, auf das er wenige Wochen nach dem Saisonstart umstellte. Über das taktische Verhalten auf dem Feld sagt das jedoch nicht viel. Da variiert der Trainer gerne, reagiert auf den jeweiligen Gegner, getreu seinem Grundsatz: "Im Fußball muss man sich immer verändern." Beim Hinspiel gegen den FCK ließ er seine Elf sich tief positionieren und schnell umschalten - das sah ein paar Mal richtig gut aus. In Münster unlängst agierte der FCN ebenfalls so und siegte 0:1. Mit einiger Wahrscheinlichkeit also wird der "Klose-Ball" am Betze dem ähneln, was dort als "Schuster-Ball" bekannt ist. Das Offensivspiel steht und fällt allerdings mit dem jungen Stefanos Tzimas (19), der bei den jüngsten beiden Niederlagen fehlte. Ob er am Samstagabend dabei sein kann, ist noch nicht raus, dem Vernehmen nach stehen die Chancen eher schlecht. Zwölf Mal hat der Stürmer bereits getroffen, drei Torvorlagen serviert. Als Senkrechtstarter dieser Saison bietet er zudem ein gutes Beispiel dafür, wie sich auch mit Leihspielern gutes Geld verdienen lässt. Vergangenen Sommer lieh Chatzialexiou ihn von PAOK Saloniki - mit einer festgeschriebenen Kaufoption über 18 Millionen Euro. Wofür ihn manche für verrückt erklärte: Wieso sollte der Club jemals eine solche Summe aufbringen? Im Winter jedoch trudelte ein Angebot vom englischen Erstligisten Brighton & Hove Albion über 25 Millionen ein. Darauf zog der Sportchef die Kaufoption, machte den Weiterverkauf für den kommenden Sommer fix und bescherte seinem Verein einen fetten Reibach.
Gewinner und Verlierer: Neben Tzimas dürfte Caspar Jander (22), der vor wenigen Tagen in der U21-Nationalmannschaft debütierte, der größte Gewinner sein. Bayer Leverkusen soll bereits an ihm dran sein. Aber: Auf dem Betzenberg fällt der Mittelfeldrenner aus, er sah gegen den HSV seine fünfte Gelbe Karte. Ebenso fehlen wird der Franzose Janis Antiste, der in der gleichen Partie Rot sah. Der Stürmer wurde in der Winterpause aus Sassuolo geliehen und war zuletzt Tzimas' regelmäßiger Sturmpartner. Somit fallen wohl beide Stürmer aus, so dass einige Reservisten die Chance bekommen könnten, die Verlierer-Rolle abzustreifen, die ihnen bislang zuteil ist. In Hamburg etwa durfte als Tzimas-Ersatz der Moselaner Lukas Schleimer (25) mal wieder ran, der letzte Saison in Lautern den Ehrentreffer für Nürnberg erzielte. Es war sein erster Startelf-Einsatz seit dem 7. Spieltag, empfehlen konnte er sich dabei nicht. Nächster Kandidat wäre Mahir Emreli (27), der ebenfalls viel mehr können soll, als er zeigte. Janni Serra (27) wäre auch noch da, er war in dieser Rückrunde aber erst einmal für eine einzige Minute im Einsatz. Benjamin Goller (25) ist ganz in der Versenkung verschwunden. Gewinner unter dem großen Jugendförderer Klose sind gleich mehrere Talente. Jens Castrop (21) etwa, der gegen Hamburg gelbgesperrt pausierte, in Lautern aber für den nun gesperrten Jander in die Startelf zurückkehren dürfte. Seit Mitte Februar beginnt Tim Janisch (19) regelmäßig auf der rechten Außenbahn, auf der Seite gegenüber der ebenfalls noch blutjunge Berkay Yılmaz (20). Da müssen sich die erfahrenen Danilo Soares (33) und Oliver Villadsen (23) hinten anstellen, ebenso der defensive Mittelfeldspieler Florian Flick (24), der dem jungen Rafael Lubach den Vortritt lassen muss. In Hamburg bestritt Innenverteidiger Nick Seidel (20) seinen vierten Startelf-Einsatz, Fabio Gruber (20), der Kapitän der Nürnberger U21, war zum zweiten Mal von Anfang an dabei. Zu den wenigen gesetzten Routiniers gehört Julian Justvan (27), der hinter den Spitzen zum Einsatz kommt.
Zahlenspiele: Dass die Nürnberger das mit Abstand jüngste Team der Liga stellen, ist Fakt. Angeblich stellen sie auch das kleinwüchsigste. Wir wollen jetzt nicht im Einzelnen nachmessen, stellen beim Blick in die Statistik aber fest: Vermehrt Gegentore aus der Luft, wie sie mit einem solchen Manko zu erwarten wären, kassiert der "Kids-Glubb" nicht. Siebenmal wurde er bislang per Kopf überwunden, das ist sogar einmal weniger, als beim FCK zu Buche stehen. Dass die Jungs flink auf den Beinen sind, ist in Lautern ja noch aus dem Hinspiel bekannt, aber auch durch "Wyscout"-Tabellen zu belegen. Was "progressive" und "Angriffsläufe" angeht, nehmen sie vordere Plätze in den entsprechenden Rankings ein. Ebenfalls vorne dabei sind sie bei den "smarten", also linienüberwindenden Pässen. Der Blick auf die "Passes per defensive Action" (PPDA) verrät, dass sie auch nicht nur im Hinspiel, sondern auch generell nicht sehr aggressiv pressen. Sie gestatten dem Gegner im Schnitt 13,26 Pässe bis zur ersten Attacke, das ist der drittschwächste Wert der Liga. Speziell auf dem Betzenberg könnte der Ausfall von Jander sogar noch schwerer wiegen als der wahrscheinliche von Tzimas. Jander ist nämlich nicht nur ihr laufstärkster, sondern auch ihr zweikampfstärkster Spieler. In beiden Liga-Rankings steht er auf Platz 2.
Fazit: "Prime Time" im Fritz-Walter-Stadion, das heißt, volle Hütte, Atmosphäre satt - und ein Gegner, der mit vielen grünen Jungs kommt, die noch nie durch die Hölle gingen und der zudem durch Ausfälle geschwächt ist. Da könnte man es sich fast schon wieder zu leicht machen und sagen, da ist ein Sieg ja wohl Pflicht. Aber Vorsicht: Die Betze-Buben müssen sich erst einmal selbst am Riemen reißen. Dass sich so ein uninspirierter Auftritt wie gegen Magdeburg nicht wiederholen darf, versteht sich von selbst. Die Partie zeigte aber auch, dass die Lautrer Hintermannschaft mit kleinen, quirligen Geistern nach wie vor so ihre Probleme hat. Gegen die auf Umschaltspiel ausgerichteten Nürnberger wird's daher sehr auf Kontersicherung ankommen. Unabhängig davon, wie Markus Anfang seine Offensive aufstellt. Daniel Hanslik steht nach seiner Gelbsperre wieder zur Verfügung, Daisuke Yokota gab in Magdeburg sein Startelf-Comeback, das Pressingmonster Kenny Redondo wäre wichtig, um die FCN-Abwehr früh unter Druck zu setzen, Marlon Ritters geniale Momente werden gebraucht und Ragnar Ache ist sowieso unverzichtbar. Mindestens einer wird zunächst auf der Bank Platz nehmen müssen. Schwere Entscheidung.
Quelle: Der Betze brennt
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