Sie sind punktgleich. Doch der 1. FC Kaiserslautern hat gerade einen Lauf, während der Karlsruher SC zuletzt strauchelte. Dafür muss Lautern Ragnar Ache ersetzen. Das ist ein Nachteil, eröffnet aber auch Optionen zu überraschen.
Anspruch und Wirklichkeit: In die Spielzeit gerauscht sind die Karlsruher wie einst der legendäre Stier von Dudeldorf alias Edgar Schmitt beim 7:0 der Badener über den FC Valencia - damals, als Deutschland noch in D-Mark zahlte und es den Euro nur mit Eddys Namen gekoppelt gab. Fünf Siege, vier Remis bescherte die KSC-Elf ihrem Anhang zum Auftakt, stand nach neun Spieltagen auf Aufstiegsplatz 2. Weggeblasen war die sommerliche Skepsis nach Abgängen routinierter Stammkräfte wie Jerome Gondorf, Patrick Drewes, Philipp Heise oder Lars Stindl. Die sportliche Leitung um Ex-Profi Sebastian Freis hatte bei der Kaderzusammenstellung offenbar eine ideale Mischung aus Alt und Jung gefunden. Seit einer 1:3-Heimniederlage gegen Hertha BSC am 10. Spieltag aber hakt's ein wenig im Getriebe. Nur noch ein Sieg gegen Fürth (3:2), ein kaum zufriedenstellendes 1:1-Remis zuhause gegen Aufsteiger Münster, ansonsten nur Niederlagen. Das zwischenzeitlich die Hängepartie um Trainer Christian Eichner beendet wurde, der nun doch bis 2027 bleibt, vermochte an diesem Ergebnisknick auch nichts ändern. Zuletzt ein 1:3 vor eigenem Publikum gegen einen wiedererstarkten Hamburger SV. Das sicher von einigen unglücklichen Umständen begleitet war, unter anderem einem von VAR zurückgenommenen Treffer von Topscorer Marvin Wanitzek. Die mittlerweile wieder herbeigewehten Skeptiker aber monieren auch, dass den fußballerischen Nachkommen des Dudeldorfers das Stierhafte der ersten Saisonspiele abhanden gekommen ist. Konkret: die Wucht, die Spannung und die Konzentration. Am Mittwoch im DFB-Pokal gegen Erstligist Augsburg war davon aber wieder einiges zu sehen. Die Badener streckten erst im Elfmeterschießen (4:5) die Waffen.
Die Neuen: Offiziell teuerster Einkauf war Linksverteidiger David Herold (22) , für den der KSC 750.000 Euro an den FC Bayern überwies. Der aber war schon vergangene Saison aus München geliehen. Ansonsten erstaunt, dass sich von den Neuen noch keiner so richtig in der Stammelf festgespielt hat. Der ablösefrei geholte Mittelfeldspieler Robin Heußer (26) etwa, der 2023/24 bei Auf- und Wieder-Absteiger Wehen Wiesbaden so stark aufspielte, ist bislang nur als Einwechselspieler zum Zug gekommen. Nicht viel anders erging es Stürmer Luca Pfeiffer, eine Leihgabe des VfB Stuttgart, der vor zwei Jahren noch ein veritabler Zweitliga-Torjäger in Darmstadt war. Ebenfalls aus dem bayrischen Schwaben pumpten sich die Badener Lasse Günther (21). Der Linksverteidiger spielte in den ersten Saisonspielen vom Anpfiff weg, verletzte sich dann aber muss nun erst wieder an Herold vorbeikommen. In Hamburg durfte der aus Hoffenheim geleaste Bambasé Conté (21) mal von Beginn an ran, weil der etablierte Mittelfeld-Anker Leon Jensen (27) gelbgesperrt fehlte. Dass Torwart-Oldie Robin Himmelmann (35), der vom Betzenberg in den Wildpark weiterzog, bislang nur auf der Bank saß, war dagegen nicht anders zu erwarten.
Die Formation: Dass der KSC im ersten Saisondrittel eine stabilere Einheit stellte als seine Kontrahenten, lag womöglich auch daran, dass die Neuen erstmal außen vor blieben. Was ebenfalls erstaunt: Obwohl mit Drewes, Gondorf und den zu ihren Stammvereinen nach Mainz und Frankfurt zurückgekehrten Paul Nebel und Igor Matanović zentrale Elemente den Verein verließen, startete der KSC mit einer dennoch sehr gefestigt wirkenden Mittelachse in die Spielzeit. Im Tor präsentiert sich der junge Max Weiß (20) als würdiger Erbe Drewes', in der Innenverteidigung gibt Marcel Franke (31) mit Präsenz und Übersicht den Abwehrchef. An seiner Seite steht in der Regel Marcel Beifus (22). Im zentralen Mittelfeld agiert Jensen als zuverlässiges Bindeglied. Ihm assistiert Nicolai Rapp (27), der auch schon mal ein halbjähriges Gastspiel auf dem Betzenberg gab. Über die Scorer-Qualitäten Wanitzeks muss man an dieser Stelle wohl keine Worte mehr verlieren. Vorne ist Budu Zivzivadze (30) im Begriff, die bislang erfolgreichste Saison seiner Karriere zu spielen. Neunmal schon hat er getroffen und rangiert damit neben Ragnar Ache an der Spitze der Torjägerliste. Neben Zivzivadze strahlt Fabian Schleusener (33) noch immer Torgefahr aus. Gesetzt ist normalerweise auch Dzenis Burnic (26), er aber wird am Samstag gelbgesperrt fehlen. Für ihn könnten erneut Conté oder tatsächlich mal Heußer in die Startelf rücken. Als rechter Verteidiger tut nach wie vor Sebastian Jung (34) seinen Dienst. Der Ex-Lautrer Robin Bormuth (29) dagegen fällt wegen eines Kreuzbandrisses bis auf Weiteres aus. Eichner formiert seine Elf meist in einem 4-2-2-2, das vorne recht variabel ist. Ob er nach dem Mittwochsspiel gegen Augsburg viel wechseln wird? Nach dem DFB-Pokal-Auftritt in Offenbach (2:0) im Oktober änderte der Coach seine Startformation zum Ligaspiel in Hannover (1:2) nur auf zwei Positionen. Nach den Zusatzschichten gegen Augsburg ist es gut möglich, dass es diesmal mehr wird. Zumal Eichner immer für eine Überraschung gut ist. Das zeigte zuletzt die Einwechslung des 37-jährigen Dominik Salz in der Nachspielzeit des Fürth-Spiels. Der Methusalix gab damit sein Zweitliga-Debüt, normalerweise stürmt er für Karlsruhes Zweite in der Verbandsliga. Er muss sich dabei gefühlt haben wie Al Pacino, als er mit 83 nochmal Vater wurde.
Zahlenspiele: Wanitzek ist mit acht Assists gegenwärtig der beste Vorlagengeber, Zivzivadze mit neun Buden der beste Torjäger der Liga. Zivzivadze unternimmt zudem die meisten intensiven Läufe und liegt im "Sprints"-Ranking auf Rang 3. Und Wanitzek, man mag es kaum glauben, hat schon öfter Alu getroffen als Ragnar Ache. Umso erstaunlicher, dass der KSC nach xGoals eigentlich nur 20 Tore auf dem Konto haben müsste, tatsächlich aber schon 27 Mal traf, einmal mehr als der FCK. Zudem schlagen die Badener die meisten Flanken aus dem Spiel heraus, wobei sich neben Wanitzek insbesondere die Außenverteidiger Jung sowie Herold oder Günther hervortun. Im Pressing sind die Karlsruher augenscheinlich nicht sonderlich aggressiv, gestatten dem Gegner um Schnitt 13,04 Zuspiele bis zur Attacke. So viele "Passes per defensive Action" lässt der FCK nicht zu, mit einem Wert von 9,03 ist er gegenwärtig Drittbester im PPDA-Ranking. Wer sich allerdings die bereits erzielten KSC-Tore genauer anschaut, stellt fest, dass die Eichner-Elf schon öfter Tore nach Balleroberungen weit vorne erzielte. Womöglich gehen sie weniger oft oder kürzer als andere situativ ins Angriffspressing, dafür aber intensiver. Ebenfalls zu beachten: Auswärts hat der KSC bislang besser gepunktet als zuhause, hat erst einmal verloren.
Fazit: Die beiden Kontrahenten sind punktgleich, da einen "Favoriten" auszurufen, ergibt wenig Sinn. Auch wenn der Trend eher gegen den KSC spricht und die Zusatzbelastung der Gäste durch das Mittwochsspiel dem FCK in die Karten spielen sollte. Und dann muss es leider auch an dieser Stelle mal erwähnt werden. Im Februar bescherten die Badener den Pfälzern auf dem Betzenberg die vielleicht dunkelste Stunde der vergangenen Saison: 4:0 hieß es am Ende für die Gäste. Da fordert der gemeine Fan "Wiedergutmachung". Aber gestern war gestern, aktuell müssen die Roten Teufel schauen, wie sie Ragnar Ache und Filip Kaloc ersetzen. Der Torjäger fällt den Rest des Jahres aus, der zentrale Mittelfeldspieler fehlt gelbgesperrt. Als Kaloc-Ersatz wäre wohl auf Marlon Ritter zu tippen. Für Ache wäre Jannik Mause die 1:1-Lösung. Zuletzt in Schalke aber brachte Markus Anfang Kenny Redondo für Ache, und mit ihm wurde das Offensivspiel seiner Elf noch variabler. Daniel Hanslik rückte dafür in die Mitte. Eben diese ständigen Positionswechsel werden ja zunehmend signifikanter fürs FCK-Spiel. Beim Pokalkracher zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen am Dienstag agierten auch die beiden deutschen Topteams ohne echten Mittelstürmer. Vincent Kompany reagierte damit auf den Ausfall von Harry Kane, bei Xabi Alonso war's reine Taktik. Der Lautern-Coach orientiert sich ja gerne am fußballerischen State of the Art. Also spricht einiges für Redondo.
Quelle: Der Betze brennt
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