Neues vom Betzenberg

Gegner-Check: Minimalisten treffen Spektakel-Fans

Gegner-Check: Minimalisten treffen Spektakel-Fans

Foto: Imago Images

Nach der ersten Saisonniederlage geht es für den 1. FC Kaiserslautern gegen Hannover 96 darum, nach einem zuvor guten Start keinen Abwärtstrend einzuleiten. Die Gastgeber treten allerdings unter den gleichen Vorzeichen an.

Anspruch und Wirklichkeit: 2019 stiegen die Niedersachsen zum bisher letzten Mal aus der Bundesliga ab. Und, ja, sie wollen auch wieder dorthin zurück, mit einem solchen Stadion und einem solchen Umfeld im Rücken muss man schließlich Ansprüche haben. 2022 sprachen Sportdirektor Marcus Mann, Trainer Stefan Leitl und der damalige Fußball-BossMartin Kind von einem "Dreijahresplan", der zum Wiederaufstieg führen soll. Den gelte es in dieser Spielzeit demnach also zu erfüllen. Mittlerweile formulieren die Hannoveraner jedoch zurückhaltender, halten sich aus eben genanntem Grund zurück. Zu viele große Namen, hinter denen auch dickere Budgets stehen, haben sich in der Zweiten Liga mittlerweile eingefunden, als dass man da einen Platz an der Sonne als selbstverständlich ansehen könnte. Auch sonst ist es an der Leine ruhiger geworden. Die Rechtmäßigkeit von Martin Kinds Abberufung ist mittlerweile sogar vom Bundesgerichtshof bestätigt worden, die Beziehung zwischen Profi-Abteilung und Mutterverein soll nun wieder harmonischer werden. Und sportlich? Wie so viele Zweitligisten müssen auch die 96er immer wieder Leistungsträger an finanzstärkere Klubs abgeben. In der vergangenen Winterpause ging bereits Derrick Köhn, im Sommer folgte Toptalent Bright Arrey-Mbi, Stürmer Cedric Teuchert zog es über den großen Teich. Punktetechnisch gesehen startete Hannover in die neue Saison ähnlich wie der FCK. Zwei Siege umrahmten ein Remis, zuletzt gab's die erste Niederlage, 0:1 unterlagen die 96er in Düsseldorf. Im DFB-Pokal allerdings musste die Leitl-Elf bei Drittligist Bielefeld die Segel streichen, während sich Lautern bei den ebenfalls in der dritten Klasse kickenden Ingolstadtern durchzusetzen vermochten.

Die Neuen: Über sieben Millionen Euro hat Sportdirektor Mann im Sommer an der Transferfront erwirtschaftet. Rechnet man noch den Köhn-Verkauf zum Jahreswechsel dazu, sind's gar über zehn. Dennoch wurde nur bescheiden investiert. Geld gaben die 96er nur für Jannik Rochelt (25) aus, er kam von der SV Elversberg für angeblich 1,5 Millionen Euro. Innenverteidiger Josh Knight (27) wechselte ablösefrei vom englischen Drittligisten Peterborough United. Dazu tätigte Mann einige Leihgeschäfte, die aufhorchen lassen. Aus Frankfurt leaste er Jessic Ngankam (24). Vor zwei Jahren noch als Toptalent gehandelt, sucht der Stürmer immer noch nach dem Startknopf in die Traumkarriere. Von Bayern München pumpte Mann den Südkoreaner Hyun-ju Lee (21), der vergangene Spielzeit bei Wehen Wiesbaden gute Entwicklungsschritte machte. Und mit Kaufoption lieh er den polnischen Linksfuß Bartlomiej Wdowik (23), der auch schon der Nationalmannschaft seines Landes debütierte.

Die Formation: Im Tor steht der international erfahrene Ron-Robert Zieler (35), vor ihm regiert Marcel Halstenberg (32), der unbestritten beste Innenverteidiger der Liga. Und ihm zur Seite steht Phil Neumann (27), der mindestens zu den Guten seiner Klasse zählt. Wo Hannover seine Stärken hat, muss also nicht lange diskutiert werden. Halstenberg war gegen Düsseldorf mit einem grippalen Infekt ausgefallen, zuvor zwickte der Oberschenkel, danach machte der Rücken Probleme. Der Vize-Kapitän soll am heutigen Mittwoch wieder ins Mannschaftstraining einsteigen und Leitl gibt sich optimistisch für Samstag - sicher ist der Einsatz von Halstenberg allerdings noch nicht. Im zentralen Mittelfeld macht sich der ehemalige Freiburger Enzo Leopold (24) immer besser. Der Ex-Fürther Max Christiansen (27), nach dem sich auch der FCK im Sommer erkundigte, hat nach einem ersten mauen Jahr an der Leine nun den Anschluss gefunden und war in den jüngsten beiden Liga-Partien von Beginn an dabei. Hinter ihm musste sogar Fabian Kunze (26) anstehen, ein weiterer Crack auf der Sechs. Stefan Leitl hat auf dieser Position also eine Qual der Wahl, um die ihn FCK-Kollege Markus Anfang sicher beneidet. Hinter der meist einzigen Spitze tummelt sich der mit allen Wassern gewaschene Havard Nielsen (31), über den man regelmäßigen Lesern dieser Rubrik wohl auch nichts mehr erzählen muss. Vorne wetteifert Ngankam mit Eigengewächs Nicolò Tresoldi um den Startplatz im Sturmzentrum. Und die Wetten stehen nicht schlecht, dass das Jungtalent das ewige Talent im Laufe dieser Spielzeit überflügelt. Auf den Verteidiger-Positionen hat Leitl mit Jannik Dehm (28) und Sei Muroya (30) zwei Optionen, die eher auf der rechten Seite beheimatet sind. Da sich links allerdings bislang weder Wdowik noch Brooklyn Ezeh (23) als 1a-Lösungen aufdrängten, könnte Dehm auch auf diese Seite gezogen werden. Sofern 96 bislang mit zwei offensiven Flügeln spielte, hießen diese Rochelt und Lee. Der Trainer verzichtet jedoch auch mal auf einen der beiden, switcht zwischen einem 4-2-3-1 und einem 3-4-2-1. In der Länderspielpause testete er gegen den VfL Wolfsburg die Kräfte, die bislang seltener zum Einsatz kamen. Und nach diesem 1:2 soll sein Schluss ähnlich gelautet haben wie der von FCK-Coach Anfang nach dem 1:4-Kick gegen den VfB Stuttgart: So richtig aufgedrängt hat sich keiner.

Zahlenspiele: Sieben Punkte haben beide, aber die einen weisen ein Torverhältnis von 8:7 auf, die anderen eines von 3:1. Der erste Gegentreffer der Saison besiegelte am vergangenen Wochenende auch Hannovers erste Niederlage. Und unter den erzielten Buden war ein von Ngankam verwandelter Elfmeter. Die einen sind also Minimalisten, die anderen Freunde des mehr oder weniger gepflegten Spektakels. Interessant ist jedoch der Vergleich der Torverhältnisse nach x-Goals: 6.82 : 5,31 (FCK) gegenüber 5,83 : 5,11 (Hannover). Mit anderen Worten: Es hätte in Partien mit niedersächsischer Beteiligung öfter schnackeln müssen, als die tatsächlichen Ergebnisse es vermuten lassen. Ansonsten sind bei den Gastgebern bislang kaum statistische Besonderheiten zu entdecken - welche Bedeutung diesen nach erst vier Ligaspielen beizumessen wären, so es sie denn gäbe, wäre die andere Frage. Das heißt, eines fällt doch auf: Hannover hat in dieser Klasse bislang die meisten Kopfballduelle gewonnen. Und dabei haben gar nicht mal die üblichen Verdächtigen Halstenberg und Neumann am meisten geglänzt, sondern Neuling Knight, der zuletzt Halstenberg ersetzte und ansonsten zum Einsatz kommt, wenn mit drei Innenverteidigern gespielt wird. Lautern liegt in dieser Disziplin wenigstens im vorderen Drittel der Liga. Dort heißen die besten Kopfball-Abräumer Boris Tomiak, Jannis Heuer und - hört, hört - Daniel Hanslik.

Fazit: Ist doch ganz einfach. Die einen müssen besser treffen, um zu gewinnen, die anderen besser verteidigen. Für Lautern gilt es vor allem, der Qualität Hannovers in der Spielfeldmitte zu begegnen. Beim 1:1 im März dieses Jahres bewerkstelligte Trainer Friedhelm Funkel dies, indem er den 96ern mit einer Mittelfeldraute begegnete. Die wird Markus Anfang sicher nicht zu einhundert Prozent kopieren. Für wahrscheinlich halten wir allerdings, dass er den rechten offensiven Flügel wieder mit einem Spieler besetzt, der in die Mitte einrückt, um dort die Räume enger zu machen. Das könnte der taktisch versierte Hanslik sein. Im Sturmzentrum könnten dann Jannik Mause oder - endlich - Ragnar Ache starten. Was wiederum gegen einen Startelf-Einsatz von Neuzugang Daisuke Yokota spräche.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Samstag, 13:00 Uhr: Magerkost oder Torflut in Hannover? (Der Betze brennt)

Kommentare 637 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken