Mephistopheles hat geschrieben:Noch ein Wort zu Hengen: Die "Lobhudelei" gefällt mir auch nicht, auch die Glorifizierung mit "Don Hengen". Ich glaube aber, dass er einen guten Job macht! Einen Ache zum FCK zu lotsen, ist eine Meisterleistung!

Da bin ich durchaus geneigt, der Bewertung so zuzustimmen, wenn man sich die letzten Jahre so ansieht. Ich will mal die einzelnen "Hengen-Voll-Jahre" ein wenig näher beleuchten.
Nehmen wir also als erstes das letzte Drittligajahr her, Saison 21/22. Da kamen nacheinander Hippe, Klinge, Wunderlich, Zimmer wurde fix verpflichtet, Kiprit, Stehle (Leihe), Tomiak, Niehues, Hanslik (fix verpflichtet) und im Winter noch Boyd dazu.
Kurzfristig hatte hier jeder Transfer seinen Sinn, mindestens für den Team Spirit (Klinge, Wunderlich, Zimmer, Hanslik, Tomiak v.a.), bei manchen auch ganz klar spielerisch (v.a. Wunderlich, Boyd und Tomiak, mit Abstrichen auch Hanslik und Zimmer, den halt seine Krankheit lange ausgebremst hat). Perspektivisch war Niehues damals ein guter Fang, auch wenn er erst mal keine große Rolle gespielt hat. Hippe, Kiprit und Klinge dagegen haben sportlich nie so wirklich eine große Rolle gespielt, Stehle hat unter Antwerpen nie so richtig eine Chance erhalten. Langfristig war ebenfalls klar, dass Wunderlich keine 5 Jahre mehr performen würde. So kam es ja auch in der Folgesaison.
Arbeitszeugnis hier für Hengen und Co. wegen des Aufstiegs sicherlich eine 1, in der Transferpolitik gab es dennoch ein paar Ausfälle.
Kommen wir zum erste Zweitligajahr, Saison 22/23. Es kamen: Zolinski, Luthe, Durm, Klement, Lobinger, Opoku, Bünning, Krahl, dazu noch die Leihspieler Bormuth, Rapp (Winterpause) und de Preville als Halbjahresexperiment. Hier wurde der Fokus vor allem auf Erfahrung gelegt, also auf Spieler, die lange Karrieren vorweisen können und mit Drucksituationen wie Abstiegskampf umzugehen wissen. Dagegen wurde nicht so sehr auf Perspektive geachtet, von Opoku, Bünning, Lobinger und Krahl mal abgesehen. Machbarkeit spielte da natürlich auch eine Rolle. Und eine in welcher Form auch immer geartete Identifikation mit Verein und Fans, was keine kleine Rolle spielte in der abgelaufenen Saison, um die Euphorie des Aufstiegs mitzunehmen und so lange wie möglich zu bewahren.
Wenn man sich diese Namen alle so durchliest, dann fällt ein erstaunlicher Fakt auf: kein einziger davon ist derzeit unumstrittener Stammspieler, nicht mal mehr Luthe! Am ehesten wird hier vielleicht Krahl als echter Gewinn zu nennen sein, weil er eine Perspektive hat und evtl. den älteren Luthe jetzt schon verdrängt haben wird. Mehrere Spieler sind inzwischen auch schon wieder weitergezogen, natürlich die Leihspieler allen voran, aber auch Bünning und de Preville, andere spielen keine Rolle und werden überaus kritisch gesehen.
Will man hier also eine Bewertung treffen, so muss man klar unterscheiden zwischen dem, was für die letzte Saison richtig war, dann kommt man wohl auf eine 2- oder so in etwa. Perspektivisch betrachtet war die letzte Transferperiode jedoch eher in Richtung katastrophal zu werten (überspitzt formuliert), weil außer Krahl keiner dabei gewesen ist, der in der aktuellen Saison noch durchstartet, nicht mal der hoch veranlagte Opoku (bisher zumindest, den habe ich allerdings auch noch nicht komplett abgeschrieben). Allein schon dieser Umstand muss klar zeigen, dass eine Vergötterung oder Überhöhung der Aktivitäten von Hengen nicht statthaft ist.
Aber mal ehrlich: das würde Hengen auch gar nicht wollen. Der geht seinen Weg und hat einen Plan, jedes Jahr aufs Neue. Vorvorletzte Saison lag der Schwerpunkt auf Mentalität. Letzte Saison auf Erfahrung und Identifikation. Und diese Saison stand nun also der Fokus beim Thema Weiterentwicklung und Bock auf große Kulisse. Denn die hat man sich bewahren können, allen Unkenrufen bzgl. angeblich unattraktiver Spielweise eines unverständlicherweise stellenweise umstrittenen Trainers zum Trotz.
Und ebenso mal ehrlich: auch diese Saison scheint die Idee aufzugehen. Mit Ache (25), Raschl (23), Aremu (23), Tachie (24), Elvedi (26), Puchacz (24) und Soldo (22) hat man dieses Jahr keinen Spieler geholt älter als 26 Jahre. Alle diese Spieler sind entwiklungsfähig, haben eine gewisse Erfahrung und wissen genau, dass sie hier jetzt so langsam durchstarten müssen, um nicht als ewiges Talent in halbgaren Karrieren zu versauern. Und genau das scheint es auch zu sein, was diese Herren an einem Strang ziehen lässt. Und zunehmend, mit noch mehr Fitness und Eingespieltheit, zu einem echten Erfolgsfaktor werden kann, der zudem auch noch eine ziemliche Perspektive mit sich bringt. Ergänzt man zu dem hierbei aufgezählten noch die Herren Niehues (22), Krahl (23), Opoku (24) und Tomiak (25), dann haben wir eine Truppe auf dem Feld, die in den nächsten Jahren GEMEINSAM wachsen kann und sich zu einer fetten, eingeschworenen Truppe entwickeln kann. Die Erfahrung der Spieler Ritter, Zimmer und Kraus rundet das ganze ab, perspektivisch werden sie wohl in 2-3 Jahren gegen jüngere ersetzt werden können.
Für eine endgültige Bewertung der Transferperiode ist es noch deutlich zu früh. Den dahinter steckenden Plan jedoch kann man nur als absolut schlüssig und vielversprechend feiern. Wenn eben jene Spieler nicht in vergangene Muster zurückfallen und/oder stagnieren oder sich verletzen und längerfristig ausfallen, dann wird das ein sehr gutes Jahr werden. Zumal wir im Hintergrund einiges an Erfahrung aufzubieten haben, was die Jungen im Zweifelsfall stützen und ersetzen kann.
Fazit meiner Ausführungen: Nicht alle Transfers von Hengen sind Volltreffer gewesen. Weder in der Vergangenheit noch heuer. Manche hatten Anlaufzeit gebraucht, andere stagnieren inzwischen. Das ist eben der Lauf aller Profikarrieren, da steckt man nicht drin. Und so mancher ist inzwischen auch schon wieder weg, weil es eben doch nicht ganz so gepasst hat.
Es fallen aber ein paar wirklich kluge Dinge auf:
1. Die Transfers passen zum Verein hinsichtlich Mentalität und/oder Identifikation. Das war in der Vergangenheit vor der Zeit Hengens leider nur allzu oft ganz anders. Und das schafft einen Schulterschluss zwischen Team und Fans, der Kräfte mobilisieren kann besonders in engen Spielen. Oder wie unser Trainer gerne mal sagt: Mentalität schlägt Qualität.
2. Transferperiodisch haben diese Transfers eine gemeinsame Geschichte bzw. einen gemeinsamen Nenner. Mentalität in der letzten Drittligasaison, Erfahrung und Identifikation in der Saison nach geglücktem Aufstieg. Und nun also Talent, Perspektive und Bock auf Kulisse. Ein Transferplan, der in jeder Periode gnadenlos durchgezogen wird und der das Team schneller zueinander finden lässt, wenn eine gemeinsame Geschichte da steht - wann hatten wir so etwas zuletzt?
3. Die Transferplanungen nacheinander zeugen von einem langfristigen Plan. Erst Aufbruch, dann Stabilisation, jetzt Erhöhung der Qualität. Wann hatten wir so eine kluge, vorausschauende Planung in der vergangenheit??? Es würde mich nicht wundern, wenn mit einem eingespielten Stamm, der auf mehrere Jahre eine Perspektive besitzen wird und mit dem Schulterschluss zur Kulisse das nächste Ziel noch mal ein anderes sein wird: Talentsichtung und - förderung zur Generierung höherer Ablösen.
All dies zeigt, dass man Hengen sicherlich nicht glorifizieren muss, auch weil so manches Puzzleteil eben doch nicht passt. Seine Arbeit wertschätzen sollte man jedoch allemal, das hat an ganz vielen Ecken einfach nur Hand und Fuß. Und gemessen an all den Rohrkrepierern und Möchtegernkönnern, die wir davor ertragen mussten (ich nehme hier ausdrücklich die Ära Kuntz VOR der Zeit im Tandem mit Grünewalt aus), hatten wir diese Kompetenz und das Gespür von Hengen in dieser Kombination schon GANZ LANGE nicht mehr.
Und dafür hat er sich nicht nur meinen ganz persönlichen Respekt vor ihm erarbeitet. Da finde ich das "Don" auch nicht weiter schlimm, es ist ein Zeichen für ebenjenen Respekt und damit eine gewisse Wertschätzung seiner Arbeit, die auch wenig quittiert damit, dass er das Schiff langfristig auf Kurs halten kann, den Überblick bewahrt.
Auch die geneigte Fachpresse und Medienwelt thematisiert das immer häufiger. Und das ist doch mal schön, so etwas zu lesen oder zu hören über uns, oder?
