Neuigkeiten und Pressemeldungen zum 1. FC Kaiserslautern.

Beitragvon Hellboy » 19.08.2023, 14:25


Ich greif mal der Analyse vor, weil mich die abkippende 6 nach dem Spiel gestern doch sehr umtreibt.

Das hat gestern ja gar nicht funktioniert - falls das überhaupt der Plan war. Beruht jetzt allerdings alles auf meinen eigenen Einschätzungen nach dem gestrigen Spiel (über Sky verfolgt) - keine statistischen Belege.

Ich hatte das Gefühl, dass das gestern „falschrum“ praktiziert wurde. In meiner Welt bleibt der 6er bei Ballbesitz des Gegners auf der 6, um den Raum vor der Abwehr zu zu machen, während sich die AV links und rechts in die Viererkette zurück fallen lassen. Und bei Ballbesitz von uns schieben die AV nach vorne und der 6er lässt sich zurückfallen, damit wir eine Dreierkette zur Absicherung haben. Das wäre auch ein 1a-Job für Niehues.

Oder liege ich mit der Idee schon völlig falsch?

Gestern hatte ich das Gefühl, wir verteidigen Angriffe des Gegenrs mit der Dreierkette, hatten daher ständig riesige Löcher im Zentrum vor der Abwehr, und die AV wussten oft gar nicht so richtig, wohin… da war ja auch die Zuordnung oft nicht klar. Und im Angriff rückte Niehues dann nach vorne auf die 6, obwohl er zum Aufbauspiel relativ wenig beitragen kann.

Das hat mich stark irritiert. Oder hab ich das völlig falsch gesehen?
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Beitragvon Kohlmeyer » 19.08.2023, 16:45


Da gab es viel zu beobachten und zu erzählen: Unsere Analyse zum Spiel gegen Elversberg.

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVE
DBB-Analyse: FCK siegt vertikal, volley - und dank Krahl


Was für ein Fußballabend. 3:2 schlägt der kampfstarke 1. FC Kaiserslautern den spielstarken Aufsteiger SV Elversberg. Schießt spektakuläre Tore, offenbart aber auch, dass er in der Defensive für diese Saison noch nicht komplett gerüstet ist.

Hat der FCK in diesem Spiel "überzeugt", ist er am Ende gar als "verdienter" Sieger vom Platz gegangen? Wie oft wird mit solchen Vokabeln hantiert. Doch wie schwer lassen sie sich in Fällen wie diesen mit Fug und Recht benutzen, wenn man so eine Partie differenziert betrachtet. Halten wir zunächst mal fest: Wer ein Fußballspiel besucht, weil er 90 Minuten erleben will, die ihn packen und mitreißen, der war Freitagabend auf dem Betzenberg goldrichtig.

Doch für die, die Fußball unbedingt weniger mit Emotionen, sondern mehr akademisch betrachten wollen, hielt die Partie ebenfalls reichlich Anschauungsmaterial bereit. Zu sehen waren zwei Mannschaften mit sehr unterschiedlichen Spielanlagen. Die SV Elversberg, die die technisch höheren Ansprüche erfüllte, hat am Ende verloren. Aber hat der FCK deswegen am Ende "glücklich" oder "unverdient" gewonnen?

Technik ist nicht alles, Entschlossenheit und Physis entscheiden ebenso

Wie man’s nimmt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass das Team von Dirk Schuster deutlich weniger Spielanteile hatte und dennoch am Ende gewinnt. Oft genug hatten die Roten Teufel nur um die 40 Prozent Ballbesitz, verzeichneten aber mehr Eckbälle, mehr Abschlüsse im Strafraum und schlussendlich bessere expected-Goals-Werte als der Gegner. Das konnte also nicht nur Glück sein. Und diesmal?

Nach Eckstößen gewann die SVE 6:4. Nach Abschlüssen im Strafraum ging’s unentschieden aus: 13:13. Nach xGoals siegte Lautern 3,26 : 2,02. Da muss man allerdings berücksichtigen, dass allein Kevin Kraus’ Elfmeter einen Sprung um 0,76 xG bewirkt. Es war also durchaus knapp. Aber da sind auch noch andere Zahlen. Gewonnene Zweikämpfe total: 69:49 für Lautern. Gewonnene Luftzweikämpfe: 31:10 für die Betze-Buben (Quelle: Sofascore). Zahlen, die eher etwas über Entschlossenheit und Physis aussagen als über fußballerischen Feinschliff. Und die können ein Spiel ebenso entscheiden.

Die Anfangsminuten bilden bereits das große Ganze ab

So richtig entwickeln sollte sich das Drama erst in der zweiten Halbzeit. Doch schon die ersten Minuten zeigten, wohin die Reise gehen sollte. Vierte Minute: ein erster Abschluss der Gäste. Ballgewinn auf Lauterns rechter Abwehrseite, schönes Zusammenspiel im Angriffsdrittel, Manuel Feil darf aus zehn Metern aufs Tor schießen. Er bringt aber nicht genug Power hinter den Ball, um ihn für Schlussmann Julian Krahl zum Problem werden zu lassen.

Achte Minute: Jean Zimmer schlägt einen gut getimten langen Ball auf den durchstartenden Startelf-Debütanten Richmond Tachie, der flankt von rechts, in der Mitte nimmt Terrence Boyd direkt ab, vorbei.

So sollte es im Prinzip weitergehen, nur immer schöner und immer geiler. Die "Elv" mit dem gepflegteren Fußball, der FCK weit, vertikal und gerne volley. Capitano Zimmer würde mit seinen Offensivaktionen das Spiel entscheiden. Defensiv aber sollte "seine" rechte Seite die größte Schwachstelle seines Teams werden, und das zum dritten Mal im dritten Liga-Spiel der Saison.

Das 1:0: Der Schiedsrichter wurde zu Unrecht ausgepfiffen

Wobei ergänzt werden muss: Die größten Chancen in der ersten Hälfte boten sich den Gästen nach ruhenden Bällen - und die kamen von der rechten Seite. In der 25. Minute nach einem Einwurf, der unterschätztesten aller Standardsituationen, als Thore Jacobsen abermals Feil auflegte. Der aber traf diesmal nur das Außennetz. Und kurz darauf, nach einem Eckball, als der Ex-Lautrer Carlo Sickinger freistehend übers Tor köpfen durfte.

Zu diesem Zeitpunkt führte der FCK bereits 1:0. Das kuriose Zustandekommen haben wir schon in unserer Ergebnismeldung aufgelöst: Schiri Patrick Ittrich konnte nach Kraus’ Treffer nicht auf Vorteil entscheiden, weil dieser aus einer Abseitsstellung erzielt worden war. Zuvor gab es aber ein Handspiel von Sickinger beim Kopfball von Boyd nach einer Ecke von Tobias Raschl. Und folgerichtig dann eben Elfmeter.

Ittrich erntete die Pfiffe von den Rängen also zu Unrecht. Erklärte aber danach wenigstens den Spielern sowie auch den total aufgebrachten Verantwortlichen an der Seitenlinie seine Entscheidung. Was Dirk Schuster in der Pressekonferenz ein Sonderlob wert war und daher auch hier weitergegeben werden soll. Hätten es die Zuschauer im Stadion ähnlich transparent mitgeteilt bekommen, wären wohl auch die Pfiffe zwei Stufen leiser gewesen. Auf Twitter kommentierte Schiri Ittrich später, dass er die Situation eigentlich sofort so wahrgenommen habe, aber "der Komplexität geschuldet" trotzdem nochmal lieber auf den Bildschirm schauen wollte.

Umstellung nach der Pause: Das hätte ins Auge gehen können

Nach der Pause war es dann der FCK-Coach, der - so sah es zumindest zunächst aus - schwer schiefliegen sollte. Er stellte von seinem 4-2-3-1 erst auf ein 3-4-3, dann auf ein 3-4-1-2 um. Er zog Sechser Julian Niehues auf die linke Seite der Dreierkette zurück, Linksaußen Kenny Redondo agierte zurückgezogen hinter den Spitzen Boyd und Tachie. Wie der Coach hinterher erklärte, wollte er damit die langen Läufe der SVE-Mittelfeldzentrum unterbinden. Doch es trat das Gegenteil ein. Jacobsen und Semih Sahin pflügten noch vehementer durch die Platzmitte. Zudem gelangen den Gästen gegen die Dreierkette noch bessere Seitenverlagerungen. Das Resultat: Zwei Elversberger Treffer innerhalb von 15 Minuten.

Beim ersten ging’s wieder mal über Lauterns rechte Abwehrseite: SVE-Linksverteidiger Maurice Neubauer startet energisch in die Mitte, zieht Zimmer mit und spielt so Linksaußen Paul Stock frei. Der flankt flach in den Rückraum - und Feil darf endlich sein Tor machen. Beim zweiten Treffer kombinieren sich die Elversberger durch einen Lautrer Abwehrverbund, der eigentlich genug Zeit hatte, sich ordentlich zu staffeln. Sahin vollstreckt. Kurz darauf hat Jannick Rochelt noch die Gelegenheit, nach einem Konter auf 3:1 zu erhöhen, scheitert mit seinem Schuss aus halbrechter Position aber an Krahl.

Trotz Happy End und Traumtor: Die Defensive steht noch nicht

Auch wenn dieses Drama ein Happy End hatte, diese Szenen sollten es eigentlich eindringlich verdeutlicht haben: Die Betze-Defensive für diese Saison steht noch nicht. Und es ist keine Frage der ewigen Diskussion Vierer- oder Dreierkette. Eher eine der personellen Besetzung. Der ein oder andere Neuzugang könnte da noch helfen.

Dass der FCK das Spiel anschließend wieder einigermaßen in den Griff bekam, lag einmal mehr an Schusters Wechseln. Schon vor dem 1:2 waren Aaron Opoku und Ragnar Ache für Redondo und Boyd gekommen, kurz darauf Daniel Hanslik für Tachie.

Ache köpft in der 68. Minute das 2:2 nach einer Flanke von Zimmer. Zwei Minuten zuvor hatten die beiden die Nummer schon mal geprobt, da hatte SVE-Schlussmann Nicolas Kristof aber noch pariert. Und Hanslik flankt in der 79. Minute von der linken Torauslinie auf den Lautrer Kapitän, dem aus halbrechter Position der perfekte Volley gelingt. Das Traumtor dürfte mehr als nur ein Stimmungsaufheller gewesen sein für den Capitano, der oft in der Kritik steht, es dürfte ihm auch ordentlich Selbstvertrauen für die weitere Saison eingeimpft haben.

Mit den Wechseln kam mehr Stabilität

Die Treffer allein sind’s aber nicht, die die Wende erklären. Das 3-4-1-2-Gefüge hatte durch die Wechsel insgesamt zu mehr Stabilität gefunden. Auch wenn die Saarländer längst noch nicht aus dem Spiel waren. Die Partie pendelte bis zum Schluss hin und her. Alle vielversprechenden Tor-Aktionen aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Analyse sprengen. Beste Fußball-Unterhaltung eben.

Doch Hanslik gelang es besser als zuvor Redondo, den Gast beim Aufbauspiel im Sechserraum zu stören. Auch Ritter und Raschl drehten stärker auf, sodass die Dominanz der Elversberger im zentralen Mittelfeld wenigstens halbwegs brach. Dazu glänzte der linken Schienenspieler Tymo Puchacz weiterhin mit Flankenläufen. Und leitete gemeinsam mit Opoku das 3:2 ein.

Da er auch aus vollem Lauf präzise zu flanken versteht, könnte Puchacz zukünftig ein idealer Vorlagengeber für eine Doppelspitze Boyd/Ache werden. Und dass die beiden zentralen Stürmer demnächst mal nebeneinander zum Einsatz kommen, ist gar nicht so abwegig. Schuster deutete nach dem Spiel an, sich diese Variante in einer 3-5-2-Formation durchaus vorstellen zu können. Erst müssten beide jedoch "100 Prozent fit" werden.

Trotz Zimmers Auftritt: Die Bestnote krallt sich Krahl

Dass dieses 3:2 am Ende nach Hause gebracht werden konnte, ist vor allem aber Julian Krahl zu verdanken. Er lenkte kurz vor Schluss noch einen strammen Fernschuss von Stock über die Latte, und in der siebten Minute der Nachspielzeit erwischte er einen Abschluss des eingewechselten Luca Schnellbacher gerade noch vor der Torlinie. Schnellbacher war nach einem verlängerten Freistoß überraschend an den Ball gekommen, und das aus kürzester Distanz - das Ding hätte eigentlich drin sein müssen.

In unserer wöchentlichen DBB-Spielerbenotung erhält Krahl folglich mit einer Durchschnittsnote von 1,6 die beste Bewertung des Tages. Und auch "Sofascore" hat für Krahl mit einer "8,7" die Bestnote errechnet, noch vor Matchwinner Zimmer (8,2). Das will was heißen. Vertritt der 23-Jährige den rotgesperrten Andreas Luthe weiter so stark, steht der Lautrer Übungsleiter vor einer schweren Entscheidung, wenn sein Stammkeeper übernächste Woche zurückkehrt.

Passgrafik zeigt: Puchacz und Raschl sind voll im Spiel

Zum Abschluss die üblichen Visualisierungen, diesmal allesamt von "Wyscout". Die xG-Timeline kann nur andeuten, welche Dynamik in der zweiten Hälfte in diesem Spiel war.

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Die Positions- und Passgrafik der Lautrer zeigt, wie stark die Neuzugänge Raschl (20) und Puchacz (15) bereits ins FCK-Spiel eingebunden sind. Der etwas indifferent platzierte Spot von Niehues erklärt sich dadurch, dass er in der ersten Hälfte auf der Sechs, in der zweiten linker Innenverteidiger in einer Dreierkette gespielt hat.

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Die Positions- und Passgrafik der SVE: Da wird im zentralen Mittelfeld richtig intensiv Fußball gespielt. Ein ungemein spielstarker Aufsteiger.

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Die folgende Grafik zeigt, wie sich die durchschnittlichen Aufstellungslinien der Teams während der Partie verschoben haben. Die Hausherren standen zu Beginn wieder mal sehr tief, wollten dann mehr riskieren, kassierten zwar zwei Gegentreffer - und markierten ihre eigenen Buden dann wieder aus tieferstehenden Positionen. Schusterball bleibt nunmal Schusterball.

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Hier die Überkreuztabelle zu den geführten Duellen. Starke Bilanz von Niehues, allerdings kam er durch den Positionswechsel weniger als sonst in Zweikämpfe. Raschl kann offenbar nicht nur Technik. Ein wenig deprimierend sieht Hansliks Bilanz aus. Wir bleiben aber dabei: Er half wirksam mit, mehr Zugriff im Mittelfeld zu bekommen.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon MarcoReichGott » 19.08.2023, 17:03


Für mich hängt das alles mit der Rolle von Tachie zusammen. Wenn ich im 4-2-3-1 spiele, dann muss der offensive Außenspieler mit dem gegnerischen AV natürlich mit nach hinten ziehen. Ansonsten muss irgendwer rausrücken es ergibt sich zwnagsläufig im Zentrum genau die Unterbesetzung, die wir gestern gesehen haben.

Ohne Schusters Matchplan zu kennen finde ich das aber tatsächlich schwer nachvollziehen. Das wären halt alles Fragen, die man auf der PK hätte stellen können, was da genau schief lief im Defensivverbund. Schuster scheint grundsätzlich gerade bevorzugt im 3-4-3 pressen zu wollen. Ich hab ihn im Fernsehbild ihn da auch durchaus öfter mal gesehen wie er wild die Spieler hinten raus am gestikulieren war. Ich würde also nicht ausschließen wollen, dass der Plan hier eben genau war "mutiger" nach vorne zu schieben...aber sich hier Elversberg eben durch sehr geschicktes Positionsspiel in Halbzeit 1 raus befreit hat. Und aus irgendwelchen Gründen, über die man dann nur spektakulieren kann, war dann aber wenn wir tief standen wahlweise unsere rechte Seite völlig blank oder aber die Abstände zwischen Ritter/Raschl und dem sehr weit hinten stehendem Niehus viel zu groß.



Beitragvon herzdrigger » 20.08.2023, 09:11


Tachie war zumindest in der ersten Halbzeit die meiste Zeit auf Höhe von Zimmer. Redondo links nicht ganz so weit hinten.
Hat zeitweise wie eine Sechserkette hinten ausgesehen. Und trotzdem hatten wir gerade rechts im Defensivverbund immer Probleme. Im Stadion stellt sich vieles aus der Gesamtperspektive anders als im TV dar.

Unabhängig vom System geben wir unser Mittelfeld komplett auf. Wir haben die Spieler dazu, die das ändern können. Ich persönlich sehe Klement vor Niehues und Raschl. Der einzige, der auch im 1:1 Platz schaffen und den perfekten Ball auf unsere Stürmer spielen kann.

Hoch und weit haben wir absolut nicht ständig nötig.

In der 25. Minute nach einem Einwurf, der unterschätztesten aller Standardsituationen, als Thore Jacobsen abermals Feil auflegte. Der aber traf diesmal nur das Außennetz.


Sehr schön einstudierter Einwurf und Dauerschleife bei mir.
Beobachtet mal unsere Einwürfe. Fast schon Desinteresse und wenig bis gar keine Bewegung. Es gibt Mannschaften, die hierfür separate Trainer engagieren, und das bis in die höchsten Klassen. :wink:
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.



Beitragvon Oktober1973 » 21.08.2023, 14:42


Danke @Eric für die Vielzahl der Daten dieses Mal.
Wieder erkennt man, das T. Boyd in die meisten Zweikämpfe der Kreuztabelle verwickelt war.
Alleine dies deutet darauf hin , dass die Mannschaft Terrence zu oft als Wandspieler sucht.
Schön zu sehen, dass Puchacz mit den zweitmeisten Zweikämpfen voll im Spiel angekommen ist.
Für mich lautet jedoch das monokausale Fazit:
Wäre Elversberg hinten drin und defensiv nicht so naiv gewesen, hätten wir das Spiel sicher verloren. Ich vertraue nun auf die Politik der kleinen Schritte in der Weiterentwicklung. Hoffe, dass dies auswärts schon in Paderborn sichtbar wird.



Beitragvon Kohlmeyer » 26.08.2023, 16:39


Hier kommt unsere Taktik-Nachlese zum Sieg in Paderborn:

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Taktik-Nachlese zum Spiel SCP-FCK
Die DBB-Analyse: Qualität und ein Quäntchen Glück

Mit dem zweiten Sieg in Folge hat der 1. FC Kaiserslautern die null Punkte aus den ersten beiden Saisonspielen wettgemacht. Das 2:1 beim SC Paderborn ist vor allem Ausdruck neu gewonnener Qualität durch die Sommertransfers.

Die Trainer beider Mannschaften sind eigentlich dafür bekannt, dass sie gerne mal überraschen, was Grundordnung und personelle Besetzung ihrer Startelf angeht. Dies hielt sich bei beiden diesmal in Grenzen. Paderborns Lukas Kwasniok präsentierte wie zuletzt eine 4-4-2-Formation, die auf dem Papier altbacken aussehen mag, in der aber sehr viel Bewegung drin ist, da Stürmer und offensiven Flügelspieler permanent rotieren. Überraschend allerdings: Für David Kinsombi begann Sebastian Klaas, der erstmals nach 15 Monaten wieder in der Startelf stand. Und die Sturm-Rakete Sirlord Conteh nahm zunächst auf der Bank Platz. Für ihn lief, ebenfalls erstmals in dieser Saison, Robert Leipertz auf.

Dirk Schuster baute erwartungsgemäß den zuletzt gesperrten Boris Tomiak wieder in seine Dreier-Abwehrkette ein. Ganz vorne begann diesmal Ragnar Ache, später ersetzte ihn Terrence Boyd, vor Wochenfrist gegen Elversberg war’s genau umgekehrt. Die gewählte Formation wird in den meisten Darstellungen als 3-4-1-2 angegeben. Korrekter wäre, zumindest in den ersten 60 Minuten, ein 3-4-2-1, denn Marlon Ritter und Kenny Redondo bewegten sich vor allem gegen Ball meist auf einer Höhe in den  Halbräumen hinter Ache, um das Paderborner Spiel auf die Außenbahnen zu leiten.

Gegner spielt, FCK guckt zu: Ja, geht das denn schon wieder so los?

Erst drei Minuten waren gespielt, als die Gastgeber eine Ballbesitzphase von sage und schreibe 3:20 Minuten mit einer Toraktion von Filip Bilbija abschlossen, die der erneut starke FCK-Schlussmann Julian Krahl parierte. Bereits da schien sich der Spielablauf abzuzeichnen, den mancher Fan befürchtet hatte: Tief stehende, passive Lautrer gegen einen SC Paderborn, der das Leder zirkulieren lässt, bis es irgendwann im Netz der Gäste landet.

Auf Schalke vor drei Wochen gestalteten die Pfälzer die Anfangsminuten wesentlich forscher, doch die schlussendlich deutliche 0:3-Niederlage schien ihnen jede Freude am Risiko geraubt zu haben. Sogar im Heimspiel gegen Elversberg, das immerhin mit einem 3:2-Sieg endete, hatten sie sehr zurückgezogen begonnen.

Ein Hoffnungsschimmer: Diese zögerlichen Anfangsminuten waren auch nicht im Sinne des Trainers. Denn auch der ärgerte sich hinterher über die "gefühlt zehn Prozent Ballbesitz" zu Beginn, was noch nicht einmal übertrieben war. Laut "Wyscout"-Datenbank verzeichneten die Roten Teufel in der Startviertelstunde einen Ballbesitzanteil von 13 Prozent. Ein absoluter Tiefstwert.

Glücklicherweise aber blieb es nicht so. Nach einer halben Stunde verschoben sich die Anteile. Wie sehr, verdeutlicht diese "Wyscout"-Grafik, die die Entwicklung über die gesamte Spielzeit visualisiert.

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Es ist zu erkennen: Bis zur 60. Minute war der FCK besser im Spiel. Und diese Phase schloss er mit seinen beiden Treffern ab.

"Ballbesitz" bedeutet nicht unbedingt "das Spiel im Griff haben"

Überhaupt bot gerade diese Begegnung zweier Mannschaften mit zwei konträren fußballerischen Ansätzen reichlich Anschauungsmaterial dafür, dass "Ballbesitz" als Indikator für die Phrase "das Spiel im Griff haben" nur bedingt taugt. Am Ende sollte die Statistik, trotz der zwischenzeitlichen Hochphase, nur 34 Prozent Ballbesitz für den Sieger aus Kaiserslautern ausweisen - ebenfalls ein Tiefstwert für "Schusterball".

Doch die Werte relativieren sich, desto gewissenhafter man sie auseinanderdröselt. Ein Lautrer Ballbesitz dauerte im Schnitt elf Sekunden, ein Paderborner 20, also fast doppelt so lange. Die Gastgeber erreichten bei 54 Prozent ihrer Ballbesitze die gegnerische Hälfte, die Gäste bei 42 Prozent. Also immer noch ein klares Plus für die Ostwestfalen, aber bereits deutlich weniger krass.

Doch schaut man auf die Ballbesitzphasen, die mit einem Besuch im gegnerischen Strafraum endeten, stehen nur noch elf Prozent beim SCP, neun Prozent beim FCK gegenüber. Also beinahe Gleichstand. Und jetzt kommt’s: Bei Torschüssen innerhalb des Strafraums liegen die Pfälzer mit 5:3 vorne. Und von denen brachten sie drei auf den Kasten, ihre Gastgeber nur zwei. Nach Eckbällen hat Lautern übrigens ebenfalls 2:1 gewonnen. Sodass auch für dieses Spiel gilt: Mit Ballbesitz ist’s wie mit Beton - es kommt drauf an, was man draus macht.

Dennoch: Solche zurückhaltenden Anfangsphasen müssen nicht sein. Wobei sich sogar auch diese Aussage noch relativieren ließe. Ihre beste Tor-Aktion verzeichneten die Paderborner nach 29 Minuten, als es ihnen gelang, bei einer langen Pass-Stafette in die eigene Hälfte hinein den gegnerischen Defensivblock hinten ein wenig rauszulocken. Mit einer schnellen Kombination durch die Mitte spielte Florent Muslija Klaas frei, der allein auf den FCK-Kasten zulief. Doch Keeper Krahl vereitelte auch diese Chance. Wäre der Abwehr-Verband tief stehen geblieben, wäre es dazu niemals gekommen.

Lautern lässt sich lange Zeit, doch die ersten Tor-Aktionen sind ordentlich

Wie sich die Schuster-Elf das Spiel eigentlich vorgestellt hatte, wurde nach etwa 20 Minuten deutlich. Der zentrale Abwehrmann Kevin Kraus rückte nun ein wenig nach vorne, um die Paderborner Kombinationen in der Zone vor dem Strafraum zu stören. Und Tomiak schickte Tymo Puchacz mit einem tiefen Pass die linke Außenlinie entlang, der flankte, und im hinteren Rückraum des langen Ecks versuchte sich Ritter an einer Kopie von Jean Zimmers 3:2-Siegtreffer gegen Elversberg. Klappte aber nicht so ganz. Zwei Minuten später war Ache durch, stand aber knapp im Abseits, sonst hätte über eine "Notbremse" geredet werden müssen. Und in der 38. Minute köpfte der Mittelstürmer eine Redondo-Flanke nur ganz knapp übers Tor.

Damit hatte der FCK noch in Hälfte Eins ganz schön aufgeholt, was die Torchancen-Qualität angeht - und das mit nur 29 Prozent Ballbesitz.

In die zweiten 45 Minuten starteten die Roten Teufel, die diesmal in einem sehr gewöhnungsbedürftigen Gelbgrün unterwegs waren, dann richtig stark. Das hatte zwei Ursachen: Eine insgesamt forschere, mutigere Gangart - und Richmond Tachie, der für Redondo gekommen war. In der vergangenen Spielzeit selbst noch Paderborner, empfahl sich der Neuzugang nachdrücklich für weitere Startelf-Einsätze. Vor allem das Zusammenspiel mit Ache scheint ihm zu liegen. Gekrönt wurde dieses mit seiner Flanke, die Ache zum 2:0 einköpfte.

Ache, Ache, immer wieder Ache

Sechs Minuten zuvor waren die Gäste in Führung gegangen. Da jagte Ache mit der Stirn eine Flanke von Puchacz Richtung SCP-Tor. Keeper Jannik Huth konnte nur abklatschen, Ritter staubte ab. Sah nach Abseits aus, war es aber nicht. Laurin Curda hatte es, auf der Rechtsverteidiger-Position nah der Torlinie stehend, aufgehoben. Pech für den Jungen, der in der vergangenen Runde noch Regionalliga spielte.

Am ersten Treffer mit dem Kopf entscheidend beteiligt, anschließend das nunmehr dritte eigene Saisontor markiert, ebenfalls allesamt mit dem Schädel. Die ersten beiden Buden hatten ihm Redondo und Zimmer serviert. Bis Ache die erste Puchacz-Flanke einnickt, kann es nur noch eine Frage der Zeit sein. Ritter ist ebenfalls immer in der Lage, einen wie ihn im Zentrum zu bedienen, ebenso Philipp Klement, so er denn wieder mal randarf - dieses Mal war er nicht einmal im Kader, rein aus sportlichen Gründen und nicht wegen sonstwas, wie Schuster klarstellte.

Will sagen: Der noch nichtmal zu 100 Prozent fitte Ragnar Ache könnte in Lautern eine ideale Mitspieler-Schar gefunden haben, um seine große Stärke auszuspielen und sich und den Anhang so richtig glücklich zu machen.

Die ewig lange Nachspielzeit - nicht gut fürs Nervenkostüm

Acht Minuten nach Aches 2:0 fiel dann der Anschlusstreffer. Ein Schlenzball von Muslija aus dem linken Halbfeld landete im langen Eck. Der eingewechselte Adriano Grimaldi, der sich zunächst als Torschütze feiern ließ - ebenfalls hart an der Abseitslinie lauernd - war wohl knapp nicht mehr mit dem Kopf am Ball.

Paderborn war dadurch jedenfalls wieder dran. Und hatte offiziell noch 17 Minuten, um den Ausgleich zu erzielen. Zu denen dann noch neun Minuten Nachspielzeit obendrauf kamen. Ein paar verletzungsbedingte Verzögerungen hatte es sicherlich gegeben, aber ob diese extra langen Zugaben aufgrund neuer DFB-Vorgaben an die Schiedsrichter nun tatsächlich zur Regel werden? Abwarten. Fürs Nervenkostüm sind diese Überlängen jedenfalls nichts.

Auf den Anschlusstreffer folgt die "Druckphase" - tatsächlich?

In einigen Spielberichten ist von einer "Druckphase" die Rede, die die Gastgeber in den Schlussminuten nochmal aufgebaut hätten. Tatsächlich? Fakt ist, die Kwasniok-Jungs hatten auch in dieser Zeit viel Ballbesitz, aber nur bis an den gegnerischen Strafraum. In diesem waren in einigen Szenen auch mal zehn von elf grünen Teufeln versammelt, um Kopfbälle abzuräumen. Doch so richtige Aufreger gab’s nicht mehr zu durchleiden. Der xGoals-Wert von 0,14 für den SCP in der zweiten Halbzeit spricht für sich. Und den Betze-Buben gelang es zwischenzeitlich immer wieder, durch kluges und laufintensives Vorwärtsverteidigen den Ball vom eigenen Tor wegzuhalten.

Sodass unterm Strich ein 2:1-Sieg bleibt, für den es ohne Frage auch ein Quäntchen Glück brauchte - aber wo im Leben braucht es das nicht? Der noch mehr aber mit Qualität zu erklären ist, gerade auch mit neu dazu gewonnener. Wie die Neuzugänge Tobias Raschl, Ache, Puchacz und nun auch Tachie dieses FCK-Team weiter voranbringen können, ist immer deutlicher zu erkennen. Noch nicht beurteilen lässt sich Nikola Soldo, der seinen Einstand mit einem Kurzeinsatz gab. Und so, wie sich die anderen Neuen bislang schlagen, kann man auf Afeez Aremu nur gespannt sein.

Tachie: Nur 45 Minuten auf dem Platz, aber die meisten Duelle

Zu den Grafiken. Auch der xG-Timeline zufolge siegt Lautern verdient. Wobei auch hier relativiert werden muss. Ritters Abstauber aus gefühlt einem halben Meter Abstand zum Tor ist nah an einer sogenannten "Hundertprozentigen", die es bekanntlich gar nicht gibt, und verursacht einen entsprechenden Ausschlag.

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Die Positions- und Passgrafik: Sieht ein bisschen linkslastig aus. Der Ritter-Spot bestätigt, was wir oben erklärt haben. Er war weniger ein Zehner denn ein rechter Halbstürmer.

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Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Gastgeber. Wir sagten es bereits: Viel Ballzirkulation hintenrum. Vorne werden die Linien empfindlich dünner.

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Und hier die beliebte Überkreuz-Übersicht über die geführten Duelle. Sieh an: Der in der Halbzeit eingewechselte Ex-Paderborner Tachie war in die meisten Zweikämpfe verstrickt, gestaltete diese gar nicht mal erfolgreich, bereitete aber das 2:0 vor.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon MahonY* » 26.08.2023, 17:59


Die Zweikampf Werte sprechen Bände, wer in seiner gesamten Einsatzzeit (1x 45 und 1x 90 min) nicht einen Zweikampf gewinnt ist einfach nicht in Form.

Da müssen die Spieler dahinter einfach eine Chance bekommen es besser zu machen.
Bastion Betzenberg - Back to Glory!



Beitragvon Briggedeiwel » 26.08.2023, 22:55


Erschreckend das Zimmer sehr wenige Zweikämpfe gesucht hat und zudem keines der gefundenen gewonnen hat.

Bezüglich des Ausschlags beim 1:0. 0,1-0,2 werden vermutlich auch auf den Kopfball zurück zu führen sein.


Noch etwas zum verhaltenen Anfang. Mir schien es direkt so, als wolle man hoch pressen wie gegen Schalke.
Nachdem Paderborn nach ca. 90 Sekunden seelenruhig unbeträngt durch unsere Hälfte laufen konnte hat die Mannschaft dieses Experiment, vielleicht auch unterbewusst, abgebrochen.

Marlon Ritter gefällt mir auf der offensiven Position auch von Partie zu Partie immer besser.
Nie mehr Feng Shui!



Beitragvon Kohlmeyer » 03.09.2023, 14:36


Hier kommt unsere Taktik-Nachlese zum Sieg über Nürnberg:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCN
Die DBB-Analyse: Stresstest trotz Triple-Wumms

Der 1. FC Kaiserslautern führt gegen den 1. FC Nürnberg früh mit 3:0, vermittelt aber nie das Gefühl, die Partie sicher nach Hause zu bringen. Das kann man kritisch sehen - oder sich über den spannenden Schlagabtausch beider Teams freuen.

Vergesst Olaf Scholz und seinen "Doppelwumms". Die Roten Teufel präsentierten am Samstagabend den Triple-Wumms, und der trieb den Adrenalinspiegel aller Beteiligter inklusive sämtlicher Zuschauer bis zum Anschlag in die Höhe. Mit drei Hammer-Treffern zwischen der 19. und 29. Minute verpassten die Betze-Buben der Partie zudem eine 180-Grad-Kehrtwende, die an einen Autostunt aus der "Fast and Furious"-Reihe erinnerte: Handbremse anziehen, Steuer rumreißen und mit quietschenden Reifen Vollgas geben.

Dabei hatten die Hausherren durchaus weniger passiv begonnen als vor Wochenfrist in Paderborn, mit deutlich energischeren Attacken gegen den Ball. Doch der Gast machte bereits nach wenigen Minuten klar, dass er sich seine Spielfreude auch unter Druck nicht nehmen lassen wollte. Vor allem über die rechte Seite lief einiges.

Nach 13 Minuten rannte Benjamin Goller Lauterns linkem Innenverteidiger Boris Tomiak davon - das hatte man so auch noch nicht oft gesehen. Gollers Schuss aus halbrechter Position wurde jedoch von Julian Krahl pariert.

Härtefall Krahl: Gute Entscheidung

Krahl? Das war einer der Härtefälle, über die das Trainerteam vor der Partie zu entscheiden hatte. Sollte Andreas Luthe nach seiner Rot-Sperre in den Kasten zurückkehren oder sein Stellvertreter, der seine Sache inklusive DFB-Pokal dreimal gut gemacht hatte, bleiben? FCK-Coach Dirk Schuster erklärte in der Pressekonferenz nach dem Spiel, dass die Entscheidung zwar sehr schwer, im Trainerteam am Ende aber einstimmig gefallen sei.

In der nun folgenden Länderspielpause solle aber nochmal ganz genau hingeschaut und neu bewertet werden. Ob dabei die Altersfrage eine Rolle spielen könnte, blieb unerwähnt. Es wäre jedoch durchaus nachvollziehbar, im Zweifelsfall einen 23-Jährigen einem 36-Jährigen weiterhin vorzuziehen. Um den Marktwert des Spielers weiterzuentwickeln und so das Vereinskapital zu mehren. Aber natürlich nur, wenn Krahl von den jeden Tag mit ihm beschäftigten Trainern auch wirklich als genauso gut oder besser als Luthe bewertet wird. Denn am Ende steht doch der sportliche Wert über dem finanziellen.

"Glubberer" präsentieren sich mit viel Pep

Goller hatte kurz darauf noch eine zweite Einschusschance, die diesmal über die linke Seite vorbereitet wurde. Die aber strich knapp am Tor vorbei. Auffallend am Nürnberger Spiel, wie die beiden Außenverteidiger Jan Gyamerah und Nathaniel Brown nicht etwa die Seitenlinie entlang fegten, sondern immer wieder in die Mitte zogen, um das Zentrum zu verdichten. Eine Eigenheit, die vor allem Teams von Pep Guardiola auszeichnet, dem erklärten Vorbild von FCN-Trainer Christian Fiel.

Als Jannes Horn eine Kopfballabwehr direkt vor die Füße von Marlon Ritter platzierte, wurde aber auch deutlich, dass die Gäste ihrem hohen fußballerischen Anspruch zum Trotz in der Abwehr alles andere als sattelfest standen. Ritters 16-Meter-Geschoss jagte nur knapp am linken Pfosten vorbei. FCN-Innenverteidiger Florian Hübner hatte den Ball abgefälscht, es gab Ecke.

Marlon Ritter: Der etwas andere Zehner

Ritter? Der war nominell diesmal in der Tat "Zehner", zunächst hinter zwei Spitzen, später hinter einer. Das scheint die Rolle zu sein, die ihm für diese Saison zugedacht ist. Und er füllt sie schon sehr speziell aus. Ritter ist sicher kein Zehner, wie ihn Fußball-Ästheten sich erträumen. Mit seinen starken Diagonalpässen und seiner Laufstärke ist er eher einer fürs hintere Mittelfeld, und dort war ihm nach längerer Anlaufzeit ja auch der Durchbruch am Betzenberg gelungen. Dafür versteht es der 28-Jährige, zu dem oder den Stürmern aufzuschließen, den gegnerischen Aufbauspieler im Sechserraum zu stressen und aufgrund seiner Wuseligkeit einfach unberechenbar zu sein.

Seine Heatmap, von "Sofascore" entnommen, belegt das. Ein Zehner, der im Zehner-Raum eigentlich gar nicht so oft unterwegs ist. Nennen wir ihn einen Schuster-Zehner.

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Und mit der nun folgenden Ecke vollzog sich etwas, was im Stadion der Roten Teufel auch mal so beschrieben werden darf: Über die Nürnberger brach die Hölle herein.

Drei Treffer wie Hammerschläge

Die Bezeichnung "Sonntagsschuss", die Christian Fiel für Richmond Tachies Führungstreffer benutzte, wird der feinen Schusstechnik nicht gerecht, mit der der 24-Jährige, der den Vorzug vor Kenny Redondo erhalten hatte, eine abermals zu kurze Kopfballabwehr volley nahm. Ein Kandidat fürs "Tor des Monats".

Nicht minder gekonnt war die Schusshaltung von Linksfuß Tymo Puchacz, der sieben Minuten später eine flache Hereingabe von Marlon Ritter aus dem Rückraum aufnahm und, auch dank leichter Kurskorrektur eines Nürnberger Abwehrspielers, im Netz versenkte. Davor hatte Tachie das Ritter-Zuspiel knapp verpasst. Unbedingt zu loben ist auch das feine Zusammenspiel, mit dem Ragnar Ache und Ritter die Aktion über die rechte Seite vorbereiteten.

Beim dritten Hammerschlag fungierte Puchacz als Flankengeber. Empfänger war Ragnar Ache, der am langen Eck hochstieg und vor seinem Stoß mit der Stirn in der Luft stand, als habe er Kopfballtechnik bei Miro Klose gelernt. Den Ball in den Lauf von Puchacz servierte Achter Tobias Raschl. Somit waren Sommertransfers von Geschäftsführer Thomas Hengen abermals an allen FCK-Treffern entscheidend beteiligt.

FCN drängt weiter, Schuster stellt um

Drei solche Tiefschläge nach einer eigentlich guten Anfangsphase - davon erholt sich keiner so schnell. Sollte man meinen. Doch die Franken behielten den Kopf oben, kombinierten weiter forsch nach vorne. Während Lautern nicht gut verteidigte. Abwehr- und Mittelfeldreihe standen zu weit auseinander. Nur sieben Minuten nach Aches Treffer besorgte Lukas Schleimer das 3:1, Goller traf vor der Pause nochmal den Pfosten.

Danach brachte Schuster Aaron Opoku für Raschl - und die diversen Kommentatoren ins Fabulieren: ein "Stürmer" für einen "Sechser"? Will Schuster trotz Führung noch mehr ins Risiko gehen, aufs vierte Tor spielen, bevor Nürnberg das zweite schießt, oder wie oder was? Nach Wiederanpfiff wurde deutlich, weswegen der Wechsel vollzogen wurde. Tomiak rückte aus der Dreierkette neben Julian Niehues ins defensive Mittelfeld. Die Schienenspieler Puchacz und Jean Zimmer waren nun Außenverteidiger, Opoku bildete mit Ritter, Tachie und bald darauf Redondo eine offensive Dreierreihe vor Stürmer Ache. Schuster stellte das 3-4-1-2 auf ein 4-2-3-1-System um, wohl, um das Zentrum dicht zu bekommen, in dem der FCN einfach zu viele Freiheiten hatte.

Gute Idee, doch die Wirkung setzt erst nach und nach ein

Das war gut gedacht, doch dauerte es eine Weile, bis die Neuerungen wenigstens einigermaßen für mehr Festigkeit sorgten. In der Mitte lief es besser, nachdem Afeez Aremu für Niehues gekommen war. Dafür hatten die Flügelverteidiger Probleme: Zimmer mit Kanji Okunuku, Puchacz mit Joseph Hungbo, der für Gollerin die Partie kam.

Die "Glubberer" blieben am Drücker, denn sie wussten, dass ein Zwei-Tore-Vorsprung keine Lebensversicherung ist. Diese Saison haben sie bereits gegen Hannover einen Zwei-Tore-Rückstand aufgeholt. Und schließlich erzielten sie auch am Betzenberg zwei Abseitstore, von denen eins sehr knapp war und gezählt hätte, hätte der VAR nicht eingegriffen.

Doch auch der FCK blieb mit seinem schnellen Vertikalspiel gefährlich. Ache traf den Innenpfosten, kurze Zeit später machte er für Terrence Boyd Platz. So entwickelte sich ein bis zum Schluss hochspannender, auch auf den Rängen schweißtreibender Schlagabtausch. Bei dem der Betrachter stets den Eindruck hatte, den Betze-Buben könnten die Nervenstränge endgültig durchschmoren, wenn der Gast den Anschlusstreffer erzielt.

Keeper sieht Rot, Feldspieler muss ins Tor - was für ein Déjá-vu

Kurz vor Schluss verlor jedoch ein anderer die Kontrolle. Nach einem riskanten Rückpass erwischte Boyd das Leder vor FCN-Keeper Christian Mathenia, worauf der ihn nur mit einer Notbremse stoppen konnte. Und zurecht Rot sah.

Ein eigenartiges Déjà-vu: Im Oktober 2019 gab es ein DFB-Pokalspiel zwischen Kaiserslautern und Nürnberg, an dessen Ende mit Enrico Valentini ein Feldspieler im Tor stand. Weil sich Goalie Patric Klandt verletzte, nachdem das Auswechselkontingent bereits erschöpft war. Der FCK siegte 6:5 im Elfmeterschießen.
Diesmal war es der eingewechselte Tim Handwerker, der Torwart-Dress und Handschuhe überstreifte. Immerhin überstand er die siebenminütige Nachspielzeit ohne Gegentreffer. Es wird ihm nur ein schwacher Trost gewesen sein, nach einem eigentlich starken Spiel seines Teams, das dennoch verloren ging an einem wirklich denkwürdigen Abend.

Auch ein Erfolgsgarant: Abwehrspieler mit starken Zweikampfbilanzen

Zu den Grafiken. Sieh an, nach xGoals hat der FCK dieses Spiel verloren. Was auch daran liegt, dass vor allem die Treffer 1 und 2 aus Einschussgelegenheiten resultierten, die von der Software nicht allzu hoch bewertet werden.

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Zur Positions- und Passgrafik. Ein bisschen wenig Passintensität bei Raschl (20) und Niehues (16). Man beachte die vertikale Linie, die von Kraus (5) in die Sturmspitze führt.

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Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Nürnberger. Ganz schön viel Zirkulation, man sieht, wohin Christian Fiel dieses Team entwickeln will.

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Die Duell-Übersicht: Die Zweikampf-Bilanzen von Jan Elvedi, Kevin Kraus und Boris Tomiak zeigen, dass es eben doch nicht nur Glück war, dass der FCK dieses 3:1 über die Zeit brachte. Gut in seine Duelle stürzte sich auch der eingewechselte Opoku.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon RedGlory » 03.09.2023, 18:27


Kohlmeyer hat geschrieben:
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Die Zweikampfbilanz zeigt wie wenig unser zentrales Mittelfeld (Niehues, Raschl und Ritter) in Zweikämpfe verwickelt waren. Ich deute daraus dass wir einfach wenig Zugriff zentral hatten. Das sollten wir schleunigst verbessern.
"Kaiserslautern gehört zur ersten Liga der
deutschen Fußballklubs." Mehmet Scholl
:schal: :doppelhalter:



Beitragvon ExilDeiwl » 03.09.2023, 19:28


Kohlmeyer hat geschrieben:Bis Ache die erste Puchacz-Flanke einnickt, kann es nur noch eine Frage der Zeit sein.


Dieses Zitat stammt aus der Taktiknachlese von letzter Woche zum Spiel in Paderborn. Also wenn Du darauf gewettet hättest, hättest Du sicher ein hübsches Abendessen im Restaurant von dem Gewinn finanzieren können. :wink: Glückwunsch zu solch hellseherischen Fähigkeiten! :love:
Nein, es geht mir NICHT um Hurra-Fußball!

🇺🇦 STOP WAR! FUCK PUTIN! 🇺🇦



Beitragvon HerrFCKuhles » 03.09.2023, 21:47


Mich interessieren weder Statistiken für Laufwege, Pässe usw. Mich interessiert nur die Torstatistik.
Meinetwegen können unsere nur 100 m pro Spiel laufen, wenn sie mehr Tore, als die Gegner schießen.

Laut Statistik ist die Kuh trotzdem ertrunken, obwohl die Seen nur durchschnittlich 50 cm tief waren!



Beitragvon woinem77 » 03.09.2023, 22:38


Die Zweikampfstatistiken von Kraus, Tomiak und vor allem Elvedi sind :daumen:



Beitragvon DMFCK98 » 05.09.2023, 09:38


Das müssen sie auch sein.
Die 6/8er Niehues, Ritter und Raschl haben dafür nur wenige Zweikämpfe (17) geführt.
Davon haben die drei genannten auch knapp die Hälfte verloren (8).
Viele schimpfen über unsere Abwehr.
Meiner Meinung nach liegt das Problem davor, DS muss dringend in der Länderspielpause das Zentrum dicht bekommen.
Vielleicht klappt es ja mit Aremu, der hat in seinen 30 Min. Spielzeit fast so viele Zweikämpfe(13/9 Gewonnen) geführt wie Raschl, Ritter und Niehues in 189 Min. gesamt Spielzeit. Ob man Zweikämpfe gewinnt oder verliert, ist manchmal nicht ganz so wichtig. Mit einem geführten Zweikampf kann man aber eine Vorwärtsbewegung des Gegners unterbinden.
Ich bin gespannt.
Ein Leben ohne FCK ist möglich, aber sinnlos. FCK seit 1988.



Beitragvon Weschdpälzer » 05.09.2023, 12:48


"Schuster-Zehner" Ritter - das gefällt mir sehr gut. Aremu war giftig und schnell im Spiel....der wird uns auch noch viel Freude bereiten und die Defensive stabilisieren....glaawens mer: "Es werd!"



Beitragvon Kohlmeyer » 17.09.2023, 14:45


Hier kommt unsere Taktik-Nachlese zum Derby:

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Taktik-Nachlese zum Spiel KSC-FCK
Die DBB-Analyse: Kompakt mit kleinen Aussetzern

1:1 im Derby, beide Trainer zufrieden, und auch der Anhang mochte nicht klagen. Dennoch: So das ein oder andere könnte der 1. FC Kaiserslautern besser machen, um auch ein solches Spiel wie gegen den Karlsruher SC nach Hause zu bringen.

Beide Übungsleiter waren sich hinterher einig: Sie hatten ein Spiel mit einer aufregenden ersten und einer eher langweiligen zweiten Halbzeit gesehen. Eines, in dem das eigene Team dennoch an seine Grenzen gegangen war. Und eines, das am Ende ein insgesamt gerechtes Unentschieden für beide Seiten brachte. Ihrer Ansicht nach waren die 33.000 Zuschauer im Wildparkstadion zufrieden nach Hause gegangen. Und im Großen und Ganzen taten sie das wohl auch. Was also sollte in einer Spielanalyse da noch groß angemahnt werden?

In der Tat: Viel zu meckern gibt es aus FCK-Sicht nicht. Sicher, die Roten Teufel, die diesmal wieder im augenfeindlichem Gelbgrün aufliefen, da der KSC bei der Trikot-Wahl auf einen roten Torwartdress bestanden hatte, gestalteten ihre Startphase erneut recht passiv - nur 26 Prozent Ballbesitz in der ersten halben Stunde. Und als die Badener direkt nach dem Anpfiff erst einmal beinahe zwei Minuten das Leder ganz für sich allein hatten, sah der Betze-Anhang bereits ein Paderborn 2.0 auf sich zukommen - wobei die Partie in Ostwestfalen vor knapp drei Wochen ja mit einem 2:1-Sieg ein gutes Ende für den FCK genommen hatte.

Nach früher Führung tief stehen ist gutes Gastrecht

Grundsätzlich aber ist der Schuster-Elf ihre Zurückhaltung diesmal nicht vorzuwerfen. Denn sie ging schon nach vier Minuten in Führung. Sie kombinierten sich auf der linken Seite durch enge Räume gut nach vorne, setzten bei drohenden Ballverlust energisch nach, Richmond Tachie leitete den Flankenwechsel ein, Jean Zimmer, der rechte Schienenspieler, flankte, Ragnar Ache vollstreckte. Diesmal mit dem Fuß, oder auch mit der Wade, jedenfalls zum ersten Mal in dieser Saison nicht mit dem Kopf. Sein fünftes Tor im sechsten Spiel.

Nach einem frühen Führungstreffer erst einmal tief zu stehen und auf die berühmten Umschaltsituationen zu lauern, ist gutes Gastrecht in jeder Liga der Welt. Da gibt es nichts zu meckern. Zumal sich kurz darauf bereits die nächste Chance auftat: Nach einem Einwurf von Tymo Puchacz schickte Tobias Raschl mit einem feinen Außenristpass den durchstartenden Ache steil und startete selbst sogleich durch, so dass der Stürmer kurz darauf den halblinks in den Strafraum einlaufenden Achter seinerseits bedienen konnte - KSC-Keeper Patrick Drewes verhinderte mit einer Fußabwehr das Lautrer 2:0.

Ache kann nicht nur Kopfball, Raschl frisst Kilometer

Die bislang erwähnten Personalien und Positionsbezeichnungen lassen es an dieser Stelle bereits vermuten. Dirk Schuster vertraute der gleichen Startelf und der identischen 3-4-1-2-Formation wie zuletzt beim 3:1 gegen Nürnberg. Und Ache hatte schon nach 13 Minuten ein weiteres Mal gezeigt, dass er noch viel mehr kann als Kopfbälle. Die "Ein-Mann-Büffelherde", wie ihn sein Ex-Trainer Alexander Zorniger einst nannte, ist vor allem schnell: Einmal blitzten ihn die Opta-Kameras mit 34,65 km/h - Bestwert dieser Partie. Raschl wiederum sollte sich nicht nur mit diesem Lauf als der beste Kilometerfresser seines Teams hervortun. Am Ende war er 11,6 Kilometer marschiert. Nur der Karlsruher Paul Nebel wieselte 300 Meter mehr.

Es waren die berühmten Kleinigkeiten, die nach und nach offenbarten, was den Pfälzern nach zuletzt drei Siegen noch fehlt, um in der Tabelle noch weiter oben anzudocken. Der Gegner findet zu oft, zu leicht den Passweg vor den Sechzehner. Nach Ballgewinnen geht der Ball zu früh verloren, oft in der eigenen Hälfte. Neben anderen leistete sich Tachie im Aufbauspiel den ein oder anderen Fehlpass, so gut er vorne mit Ache harmonierte. Und wenn er bei ruhenden Bällen im eigenen Strafraum aushilft, stiftet er unter den Seinen bisweilen Verwirrung, etwa, in dem er überraschend unter dem heranfliegenden Leder durchtaucht.

"Schnorres", sonst Ruhepol, diesmal mit Aussetzern

Auch der zentrale Mann der Dreierkette, ansonsten Vorbild in Sachen Souveränität, leistete sich diesmal Aussetzer. Nach 23 Minuten wehrte Kevin Kraus eine Rechtsflanke von Fabian Schleusener direkt vor die Füße des am Sechzehner lauernden Jerome Gondorf ab, der aber verzog. In der zweiten Hälfte brachte der "Schnorres" noch ein weiteres Mal einen Karlsruher mit einer inkonsequenten Abwehraktion noch in Strafraumnähe wieder in Ballbesitz. Der Elfmeter zum 1:1, den der "Schnorres" kurz vor der Pause verursachte, ist ihm dagegen am wenigsten vorzuwerfen. Sein und Schleuseners Fuß gingen fast gleichzeitig zum Ball, der Karlsruher traf jedoch das Leder zuerst, Kraus nur dessen Schlappen. Dergleichen wird gerne auch mal übersehen, aber Schiri Deniz Aytekin schaute einfach zu genau hin.

Zuvor aber hatte diese erste Halbzeit zwei weitere handfeste Aufreger geboten. Nach einer halben Stunde kam Schleusener nach einer Nebel-Flanke unmittelbar vor Julian Krahl zum Kopfball. Der aber parierte bravourös. Womit der 23-Jährige seine neue Rolle als Nummer 1 ein weiteres Mal zementiert haben dürfte. Bei allem Respekt vor Andreas Luthe: Da hat sich wohl ein Generationswechsel im FCK-Tor vollzogen.

Drei Minuten später traf Marlon Ritter den Außenpfosten. Ache hatte ihm eine Linksflanke von Tachie auf den rechten Fuß gelegt. Und damit sind längst nicht alle Einschussgelegenheiten dieser ersten Hälfte aufgezählt, nur die klarsten. Es war eben bis dato sportlich ein in jeder Hinsicht packendes Südwest-Duell.

Hälfte 2: Weniger Aufreger, dennoch spannend
Von den erwähnten Aussetzern abgesehen, verteidigten die Gäste insgesamt gut, verschoben sich konzentriert und geschlossen gegen den Ball. Die Karlsruher benötigten in erster Linie ruhende Bälle, um wiederholt Gefahr vor dem Gehäuse von Krahl heraufzubeschwören. Dabei erstaunte, wie gut sie zu flanken verstehen, obwohl sie vorne keinen Kopfballspieler à la Ache zur Verfügung haben. Bezeichnend, dass in der 79. Minute sogar der nur 1,69 Meter große Nebel zu einer guten Kopfballchance kam, die Krahl aber erneut abwehrte.

In der zweiten Hälfte wurden die Aufreger merklich weniger. Die ein oder andere Gelegenheit, die Partie doch noch für sich zu entscheiden, tat sich dennoch für beide Teams auf. Wie vor vier Monaten, als die Gastgeber mit 2:0 an gleicher Stelle gewannen, brachte KSC-Trainer Christian Eichner auch diesmal wieder Budu Zivzivadze im Lauf der zweiten Hälfte. Und der wäre ums Haar ein weiteres Mal zum Lautern-Schreck geworden, doch Krahl verhinderte in der 73. Minute seinen Einschuss aus spitzem Winkel. Kurz darauf schob Nebel den Ball zwar am Keeper vorbei, aber Jan Elvedi rettete auf der Linie.

Doch: Lautern kann auch dominant sein

Die "Textmarker-Teufel", wie sie der Kommentator der "Sportschau" taufte, wiederum zeigten in der zweiten Hälfte, dass sie mittlerweile gelernt haben, zumindest phasenweise dominanter aufzutreten. Im Mitteldrittel dieser Halbzeit schraubten sie ihre Ballbesitz-Anteile sogar auf 61 Prozent. Wie, das glaubt keiner? Diese "Wyscout"-Visualisierung beweist es:

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Und in der Schlussphase schnürten die Gäste ihren Gegner bis tief in die Nachspielzeit in der eigenen Hälfte regelrecht ein. Wie sehr sich die durchschnittlichen Aufstellungslinien der Teams während der Partie verschoben, belegt diese Grafik:

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Wirklich gute Chancen sprangen dabei aber nicht heraus. Die besten Torszenen hatte der für Tachie eingewechselte Aaron Opoku, durch den das Angriffsspiel aber auch sehr linkslastig wurde. In der 88. Minute verhinderte eine Fußabwehr Drewes’ ein Joker-Tor aus spitzem Winkel.

Nach sechs Minuten Nachspielzeit war klar: Unterm Strich war schon ganz schön was geboten bei diesem Aufeinandertreffen zweier Rivalen, doch so richtig ärgern muss sich keiner über dieses Remis.

Lautern ganz schön links, mit Opoku erst recht

An der Einschätzung ändert auch die finale Betrachtung unserer Standard-Grafiken nichts. Mit einem Endergebnis von 2.72 : 0.76 sieht "Wyscout" den KSC in der xG-Timeline zwar weit vorne, doch da muss wie so oft angemerkt werden, dass so ein Elfmeter allein bereits einen Sprung um 0.76 Punkte verursacht. Und die Kopfballchancen aus kurzer Distanz tun das Übrige. "bundesliga.de" und andere, mit Opta-Daten arbeitende Anbieter, haben ein 2,83 : 1,16 errechnet.

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Die Positions- und Passgrafik bestätigt die Linkslastigkeit des FCK-Spiels, die sich nach Opokus Einwechslung (Nummer 17) noch verstärkte. Gut erkennbar ist aber auch die Kombinationsfreude im zentralen Mittelfeld, die sich wohl erst in Hälfte 2 ergab.

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Für den am Fuß lädierten Zimmer brachte Schuster in der 83. Minute Nikola Soldo auf einer für ihn ungewohnten Position. Philipp Hercher, der ebenfalls auf der Bank saß, hätte sich da sicher heimischer gefühlt. Doch vermutlich sollte Soldo, von Haus aus Innenverteidiger und Sechser, in erster Linie mithelfen, nach ruhenden Bällen im Zentrum abzuräumen.

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Karlsruher: Paul Nebel (26) taucht da auf der rechten Seite auf, weil sich die Software halt ein so eine Art geografisches Mittel errechnet. Tatsächlich kam der Quirl nur in Hälfte eins öfter über rechts, später mehr über links, blieb insgesamt aber kaum berechenbar. Lange spielt die Leihgabe aus Mainz bestimmt nicht mehr in der Zweiten Liga.

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Und last, but not least, die mittlerweile beliebte Überkreuztabelle zu den geführten Tabellen (dazu nochmal die Anmerkung: beim Klick auf die Grafik gelangt Ihr zur vergrößerten, besser lesbaren Darstellung). Höchst respektabel die Bilanz des Ex-Lautrers Robin Bormuth. Die stärksten Zweikämpfer aus der Pfalz hießen Kraus, Tomiak und -  hört, hört - Raschl. Wenn nur die Aussetzer vom "Schnorres" nicht gewesen wären ...

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon Kohlmeyer » 25.09.2023, 14:20


Ein interessantes Spiel gestern, das wir gerne nochmal genauer unter die Lupe nehmen:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCH
Die DBB-Analyse: Aches Wohl ist Rostocks Wehe


Keinen durchgehend perfekten Fußball, aber beste Fußball-Unterhaltung bot der 1. FC Kaiserslautern beim 3:1 gegen Hansa Rostock. Zu sehen war vor allem ein Team, dessen Offensivspiel sich zusehends weiterentwickelt.

Einen Vorwurf, der in den vergangenen Monaten immer wieder geäußert wurde, kann man den Roten Teufeln nun nicht mehr machen: Dass sie die Startphasen ihrer Partien regelmäßig verpennen. Nach dem frühen Treffer in Karlsruhe am vergangenen Wochenende folgte am Sonntag gegen den FC Hansa direkt der nächste Frühstart: Tobias Raschl traf bereits in der dritten Minute.

Dabei erfreute nicht nur sein technisch sauberer Spannstoß vom Sechzehner, der wie an einer Schnur gezogen seinen Weg an Freund und Feind vorbei ins untere rechte Toreck fand. Sondern auch die Art und Weise, wie seine Mitspieler den Treffer einleiteten. Nach einem Ballgewinn von Kevin Kraus in der eigenen Hälfte läuft der Ball über insgesamt elf Stationen. Inklusive Flankenwechsel von Jean Zimmer auf Tymo Puchacz, inklusive Beinahe-Ball-Verlust von Richmond Tachie, den Marlon Ritter durch schnelles Dazwischen-Stochern geistesgegenwärtig verhindert. Raschl sorgt lediglich für den krönenden Abschluss.

Offensiv stark wie nie - auch ohne "Triple-Wumms"

Nicht, dass Ballstafetten dieser Art zum ersten Mal zu sehen gewesen wären, seit der sogenannte "Schusterball" am Betzenberg Einzug hielt. Doch diese Szene deutete an, dass sich da etwas weiterentwickelt, was noch lange nicht die Endausbaustufe erreicht hat. Ein Eindruck, den auch der Rest dieser ersten Halbzeit vermittelte.

Da wurde versucht, auch Ballverluste weit in des Gegners Hälfte direkt wieder zu korrigieren, wurde energisch hinter zweiten Bällen hergesetzt. Ruhende Bälle, ob Ecken oder Freistöße aus dem Halbfeld, segelten allesamt brandgefährlich in den Rostocker Strafraum. Einen davon, eine Ecke von Puchacz, verwandelte Kraus nach 20 Minuten direkt zum 2:0. Andere wurden zunächst abgewehrt, danach aber wieder gesichert. Allein FCK-Stürmer Ragnar Ache hätte in den ersten 45 Minuten drei weitere Treffer erzielen können: Zwei per Kopf nach Flanken von Ritter und Puchacz, einen via Abstauber nach einem Angriff über den agilen Tachie.

Unterm Strich stand bis zum Abpfiff der ersten Halbzeit eine Offensivleistung, die, fußballerisch betrachtet, sogar die vom 3:1 vor drei Wochen gegen 1. FC Nürnberg noch toppt, auch wenn sie keinen vergleichbaren "Triple-Wumms" bereithielt.

Der Gegentreffer: Nicht nur Raschl war schuld

Den einzigen Wermutstropfen bildete der Gegentreffer in der 29. Minute. Den nahm hinterher Torschütze Raschl brav auf seine Kappe, weil er in einer bedrängten Situation auf der linken Abwehrseite den Ball nicht vehement aus der Gefahrenzone drosch, sondern sich per Passspiel zu befreien versuchte. Kann man, muss man aber nicht so sehen.

Eigentlich waren genug Lautrer in Ballnähe, als Rostocks Nico Neidhardt von rechts in die Mitte flankte - und auch in der Mitte waren genug Rote unterwegs, die Stürmer Junior Brumado am Einschuss hätten hindern können. Da sollte man also eher auf "Kollektivversagen" entscheiden statt auf Raschl-Fehler. Denn sich aus einer engen Situation spielerisch befreien zu wollen, ist grundsätzlich nichts Falsches.

Schwartz überrascht zwei, Schuster kein Mal - zunächst

Apropos Brumado: Mit dessen Startelf-Nominierung hatte Rostocks Trainer Alois Schwartz sogar den eigenen Anhang überrascht. Zumal für ihn der erfahrene Kai Pröger auf die Bank musste, der vor vier Monaten beim 1:0-Auswärtssieg der Kogge auf dem Betze den entscheidenden Treffer erzielt hatte. Zudem bot er den Achter Sebastian Vasiliadis für seinen etatmäßigen Zehner Svante Ingelsson auf, wodurch er sich wohl mehr Laufintensität im Mittelfeld erhoffte.

Schwartz' Trainerkollege Dirk Schuster dagegen hatte seine Startelf zum dritten Mal in Folge unverändert gelassen. Wogegen es nach den ersten 45 Minuten auch absolut nichts einzuwenden gab. Leicht variiert hatte der Coach lediglich die Rollenverteilung seines Offensivtriangels. Ritter war diesmal mehr rechter Flügelspieler als Zehner, Tachie mehr Linksaußen als zweite Spitze.

Erst Ache, dann Brumado: Es geht rauf und runter

Und in der Mitte zeigte Ragnar Ache einmal mehr, dass er weit mehr ist als nur ein kopfballstarker Strafraumstürmer. Besonders eindrucksvoll stellte er dies in der 50. Minute unter Beweis, als er mit einem kraftstrotzenden Antritt an der rechten Außenlinie entlang Rostocks Innenverteidiger Jonas David abhängte, sich bis fast an die Grundlinie durchbullerte und von dort auf den einlaufenden Tachie legen wollte. Jasper van der Werff verhinderte den Einschuss im letzten Moment.

Im Gegenzug rettete der erneut starke Boris Tomiak in letzter Sekunde vor Brumado. Ein Szenenwechsel, der auch dem letzten der 40.450 Zuschauer klarmachte: Im Fritz-Walter-Stadion wird auch heute wieder beste Fußball-Unterhaltung geboten.

Hälfte 2: Rostock übernimmt das Kommando

Wenngleich sich das Bild in den kommenden 25 Minuten zu Ungunsten des FCK wandelte. Schuster hatte in der Halbzeit Kenny Redondo für Raschl gebracht, der fortan mit Ache und Tachie einen Dreiersturm bildete. Ritter spielte nun zurückgezogen im zentralen Mittelfeld neben Julian Niehues. Das ergab ein klarer als zuvor strukturiertes 3-4-3, doch das angedachte schnellere Umschaltspiel, insbesondere über Redondo, blitzte in der Folgezeit nur selten auf. Der Gast übernahm nun das Kommando.

Mit Sarpreet Singh, Ingelsson, Pröger und Christian Kinsombi warf Schwartz nach und nach seine spielstärksten Kräfte aufs Feld, die die Roten Teufel in der eigenen Hälfte einschnürten. Und Rostocks Abwehrspieler markierten die drei FCK-Stürmer nun so eng, dass sie jeden langen Ball, der sie suchte, sofort retournieren konnten.

FCH-Stürmer Juan José Perea boten sich gleich zwei Kopfballchancen zum Ausgleich. Eine davon parierte Julian Krahl aus kürzester Distanz, was ihm hinterher ein Sonderlob des Trainers einbrachte. Wobei man fairerweise anmerken muss: Hätte Perea nicht mitten auf den Mann geköpft, Krahl hätte kaum eine Chance gehabt.

Diese "Wyscout"-Visualisierung der durchschnittlichen Aufstellungslinien über 90 Minuten zeigt, wie weit sich die Rostocker in der zweiten Hälfte nach vorne schoben.

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Zwei Wechsel am Ende sorgten für die Wende

Eine zweite wohlwollende Erwähnung Schusters verdiente sich Nikola Soldo, der in der 78. Minute für Sechser Niehues kam - und das Spiel mit seiner Ballsicherheit beruhigte, wie der Coach befand. Das Lob sei der Kölner Leihgabe gegönnt. Dass die Rostocker Dominanz zehn Minuten vor Spielende brach, war jedoch auch durch eine weitere Einwechslung und eine taktische Umstellung bedingt.

Daniel Hanslik kam für Tachie, nahm nun die Position hinter den Spitzen ein und half von dort aus mit, das Treiben der Gäste im Zentrum zu unterbinden. Vorne genügten fortan Redondo und Ache, um Anspielstationen auf der gesamten Breite des Spielfeldes zu bilden.

Ache war es dann auch, der in der 83. Minute alles klar machte. Nach einer Strafraum-Turbulenz, die eine Freistoßflanke Ritters eingeleitet hatte. Bereits kurz zuvor war das Leder nach einem ähnlichen Tohubawohu, das eine Puchacz-Ecke heraufbeschwor, am Aluminium gelandet.

xG-Ergebnis spricht klar für FCK

So dass unterm Strich nicht nur das Endergebnis von 3:1, sondern auch die xG-Timeline, die 5,31 : 0,98 xGoals ausweist, den FCK als keinesfalls nur glücklichen Sieger darstellt, trotz der zwischenzeitlich starken Dominanz der Gäste. Zu beachten ist auch der geringe Ausschlag, den Raschls Schuss zum 1:0 verursacht. Dass der Ball an so vielen Beinen vorbei den Weg ins Tor findet, erachtete die Computer-Software offenbar als äußerst unwahrscheinlich.

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Die Positions- und Passgrafik der Lautrer zeigt, dass der Ball nicht nur durch die hintere Reihe, sondern auch durchs Vierer-Mittelfeld gut lief. Aus der Zentrale darf aber gerne noch mehr das Zuspiel aufs Offensiv-Trio gesucht werden, insbesondere Raschl (Nummer 20) hat da sicher noch Potenzial.

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Die Positions- und Passgrafik der Gäste: Sieht grundsätzlich nicht viel schlechter aus. Startelfdebütant Brumado (49) war direkt gut ins Spiel eingebunden. Perea (18) wurde hauptsächlich vom rechten Schienenspieler Neidhardt (7) gefüttert.

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Und zum Abschluss die Duell-Übersicht. Starke Zweikampfbilanzen weisen wieder mal die drei Innenverteidiger Jan Elvedi, Kraus und Tomiak auf. Vor allem Perea hatte gegen Tomiak nichts zu lachen. Interessant: Drei Mal kreuzten sich auch die Wege von Tachie und Perea, vermutlich, als Tachie nach Eckbällen hinten absicherte. Dabei sah die Lautrer Neuerwerbung gut aus, auch wenn ihre Zweikampfbilanz insgesamt nicht so berauschend ausfällt.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon Gobo » 25.09.2023, 18:20


Zwar nicht auf das gestrige Spiel bezogen, will ich aber trotzdem loswerden:
Finde diesen Thread super! Sehr interessant die Daten dargestellt und interpretiert zu sehen. Ist für mich immer eine Pflichtlektüre nach den Spielen. Glaube den Erstellern sollte gesagt sein, dass die wenigen Beiträge im Thread nicht Desinteresse, sondern volle Zustimmung bedeuten :wink:
Denke ich spreche da nicht nur für mich.

Dankeschön und weiter so!



Beitragvon GoNzO87 » 25.09.2023, 21:42


Hier möchte ich mich Gobo gerne anschließen! Die Berichte und Darstellungen sind absolut spitze und ich glaube auch ziemlich einzigartig.
Vielen Dank für die Mühe und Arbeit und mir geht es auch so, dass ich unheimlich gerne und interessiert mitlese! :daumen:
Zuletzt geändert von GoNzO87 am 26.09.2023, 06:14, insgesamt 2-mal geändert.



Beitragvon Excelsior » 25.09.2023, 23:39


Finde die Analyse von @Kohlmeyer gleichfalls wieder absolut stimmig und vor allem auch erfrischend objektiv(er), da sie noch einige zusätzliche Perspektiven anreißt, die im Spieltags-Thread bis dato (meiner Beobachtung nach) wenig bis gar nicht thematisiert wurden.

-> Und zwar im Detail die Sinnhaftigkeit der "disziplinarischen Maßnahme" gegenüber Raschl.

Muss zugeben, das mich die Aktion von Schuster bis jetzt noch einigermaßen fassungslos zurücklässt...

Ich mein, der Junge ist gerade mal 23 Jahre alt, womit man ihm per se schon Fehler zugestehen sollte...
Wobei man auch nicht vergessen sollte, dass er sicherlich bei Dortmund in der Ausbildung nicht gerade dahingehend "geprägt" wurde, Bälle einfach stupide nach vorne zu dreschen...
Darüber hinaus sind die "Fehler", die ihm vorgeworfen werden eben auch nur eine sehr einseitige Sicht der Dinge...
Wie es @Kohlmeyer so treffend formulierte -> wenn seine zahlreichen Teamkollegen in der Nähe vor seinem Fehlpass mit Gegentorfolge mal Räume durch eigene Läufe geschaffen hätten oder zumindest für ein Anspiel entgegengekommen wären, anstatt wie Schaufensterpuppen rumzustehen, hätte die Situation auch durchaus auf spielerische Weise gelöst werden können.
Und bei dem taktischen Foul von ihm stellt sich für meinen Geschmack genauso die Frage, warum ein 6'er in der Situation überhaupt in die Bedrängnis kommt, nahe der Strafraumgrenze die gelbe Karte ziehen zu müssen...

Schlussendlich finde ich den Denkzettel für Raschl also deutlich drüber.
Aus der Rage heraus geredet, braucht man sich dann z.B. auch nicht zu wundern, dass die Nationalmannschaft zuweilen nur noch wie seelenlose Zombies über den Platz stolpert, wenn man die zweifelsohne vorhandenen jungen, technisch starken Spieler / Feingeister jeweils Stück für Stück in ihrer Spielweise "kastriert".
Und bezogen auf den FCK bietet es in der Tendenz tatsächlich auch irgendwo eine recht plausible Erklärung, warum ein Klement nur noch "totes Kapital" im Kader darstellt... selbst wenn ich es bis vor dem Rostock Spiel noch für groben Unfug gehalten hab.

Natürlich kann man das Ganze jetzt ziemlich pauschal mit einem "der Erfolg gibt den Mitteln immer Recht" abtun ... aber so einfach finde ich es gerade wegen des Spiels gegen Rostock eben doch nicht.

Nach meiner Wahrnehmung hat DS nämlich aufgrund seiner disziplinarischen Maßnahme dann die 3 Punkte auf mindestens ähnliche Weise riskiert, wie Raschl mit seinen Aktionen...

Die Umstellung in der Halbzeit tat unserem Spiel jedenfalls in keinster Weise gut...
Wie es @Kohlmeyer ebenso bereits treffend angemerkt hat, wurden dadurch in der Zentrale die Löcher so groß, dass 1. in der Offensive die Bälle zwangsläufig blind nach vorne gebolzt werden mussten (was dann für mich auch vielmehr die Ursache dafür war, dass Hansa sich dazu gemüßigt sah, weiter nach vorne zu schieben) und 2. in der Defensive jeglicher Zugriff im Mittelfeld abhanden gekommen ist.

Besser wurde es erst wieder, nachdem Schuster mit Soldo und Hanslik (verhältnismäßig spät) die entsprechende Korrektur in der Zentrale vornahm...

Doch um ehrlich zu sein, hätte es zu dem Zeitpunkt dann auch gut und gerne bereits 2:3 stehen können ... was zumindest für mich der Freude über den Sieg bis jetzt irgendwo auch einen faden Beigeschmack verleiht...



Beitragvon woinem77 » 26.09.2023, 07:55


@Excelsior: Sehe ich zum Beispiel anders. Ich denke es war ein Mix aus "Denkzettel" und vorbelasteter gelben Karte. Dazu kommt dass Raschl davor einen Hackentrick macht für den er schonmal eine Ansage bekommt und danach dann noch 2-3 Szenen hat die einfach nicht konsequent sind. Ich bin mir sicher dass Schuster sich die Zeit nimmt mit ihm darüber zu sprechen und Raschl das wegsteckt. Das steckt der schon weg....null Bedenken!



Beitragvon SuperMario » 26.09.2023, 08:34


@Excelsior

Sehe ich genauso wie woinem77. War eher ne Mischung aus den genannten Punkten als ein reiner Denkzettel... Raschl hatte durchaus schon ne Ansage bekommen und spielt dann trotzdem zu leichtfüßig weiter? Dann darf er sich nicht wirklich wundern, wenn er vorzeitig duschen geht.

Meiner Meinung nach war die Idee durchaus nicht abwegig, mit drei schnellen Spitzen in der zweiten Halbzeit die Rostocker mehr kommen zu lassen und sie dann mit einem langen Ball zu überspielen. In der ersten Halbzeit hatten Ache und Tachie schließlich die Schnelligkeitsdefizite in der Rostocker Hintermannschaft offengelegt. Immerhin die ersten 15 Minuten der zweiten Halbzeit ging der Plan auch durchaus auf, Rostock hatte keine Chancen, während Ache und Redondo jeweils einmal die Hintermannschaft überlaufen hatten. Allein, so richtig zwingend wurde es dadurch nicht.

Als Rostock schließlich doch mehr aufzukommen drohte - und ja, Perea hätte bei 100%iger Chancenverwertung 2 Tore erzielen können, das ist richtig - hat Schuster den Plan verworfen und mit Soldo und Hanslik schließlich wieder abgedichtet.

Zu spät reagiert? Nun, gute Frage. Wäre der erste Perea-Ball schon drin gewesen, hätte Schuster bestimmt direkt reagiert, würde ich mal meinen. Von daher ist es müßig, von vornherein ein 2:3 anzunehmen bzw. zu unterstellen. Wenn man das so sieht, müsste es zur Pause schon mindestens 4:1 stehen, eher 5:1. Zumindest müsste man das so unterstellen auf der anderen Seite, dass Schwartz nicht reagiert hat, obwohl wir seine Mannschaft mindestens in den ersten 30 Minuten phasenweise an die Wand gespielt hatten.

Von daher mag man kritiseren, dass Schuster zu kritisch mit Raschl umgesprungen ist. Ich finde allerdings, dass du daraus etwas zu kritisch mit Schuster umspringst. Der Vergleich mit der Nationalmannschaft, in der über einige Zeit nicht mal Mentalität eingefordert wurde, anders als bei unserem gesamten Trainerteam, hinkt dann doch gewaltig. Vom spielerischen Potenzial eines Raschls verglichen mit den Musialas, Gnabrys, Sanés will ich schon gleich gar nicht anfangen. :teufel2:


Ich kann mit dem Spiel und seiner Dramaturgie gut leben. Vielleicht hätte man sich paar Nerven sparen können bei größerer Effizienz vorm Tor und bei anderer Reaktion zur Pause. Hinterher ist man immer schlauer. Ein XG-Vergleich von über 5 zu unter 1 ist allerdings schon schwer aussagekräftig, finde ich. Und der Beitrag von Kohlmeyer hat das taktische Geschehen mal wieder brillant zusammengefasst.

An dieser Stelle auch noch mal ein fettes Lob von meiner Seite für diese taktischen Aufarbeitungen! Darauf fiebere ich nach jedem Spiel immer hin, bis die denn kommt. Echt großer Sport!!
Cogito, ergo sum!



Beitragvon Kirchheimer » 26.09.2023, 12:10


Auch ich möchte mich den Vorschreibern mit dem Lob für Kohlmeyer anschließen. Lese die Analysen immer und sehr gerne. :daumen:



Beitragvon Kohlmeyer » 02.10.2023, 14:25


Hier kommt die Taktik-Nachlese zum Spiel in Osnabrück. Viel Spaß damit:

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Taktik-Nachlese zum Spiel VfL-FCK
Die DBB-Analyse: Tomiak stoppt die Grill-Party


Zwei Elfmeter verschossen, in letzter Sekunde dennoch gepunktet. Nachdem Herzschlag und Blutdruck sich nun wieder eingependelt haben, heißt es, Bilanz zu ziehen. Und die fällt dann doch recht positiv aus.

Das nächste Spiel, die nächste Achterbahnfahrt. Wer zum Fußball geht, um extreme emotionale Erfahrungen zu suchen, der ist diese Saison nirgendwo besser aufgehoben als beim 1. FC Kaiserslautern. Doch was sieht der, der, so schwer es auch fällt, sich in erster Linie für den fußballerischen Entwicklungsstand dieser Mannschaft interessiert? Tobias Schweinsteiger, Trainer des VfL Osnabrück, sieht im FCK bereits ein "Top-Team" der Liga.

Ein Etikett, das dessen Coach Dirk Schuster sich keinesfalls anheften lassen möchte. Eine Spitzenmannschaft würde bei Gegentreffern nicht so tatkräftig mithelfen, wie seine Jungs es gerade getan hätten, lautet seine einfache, aber einleuchtende Begründung. Davon abgesehen, wäre es auch nicht seine Art, auf dicke Hose zu machen. Auch nicht nach nunmehr sechs ungeschlagenen Partien mit vier Siegen, auch nicht angesichts eines sechsten Tabellenplatzes mit nur zwei Zählern Abstand zur Spitze.

Ein Top-Team? Das vielleicht noch nicht, aber ...

Was sich nach nunmehr acht Liga-Partien aber durchaus sagen lässt: Die Zeichen, dass sich die Mannschaft im dritten Jahr hintereinander gegenüber der Vorsaison weiter steigert, mehren sich. Nicht nur, dass in der aktuellen Startelf permanent fünf Neuzugänge stehen, von denen vier - Jan Elvedi kam für den abgewanderten Robin Bormuth - Spielern vorgezogen werden, die im vergangenen Jahr noch Stammkräfte waren. Nicht nur, dass Flankengeber Tymo Puchacz und Mittelstürmer Ragnar Ache eine Kopfballqualität gewährleisten, die so in der vergangenen Spielzeit noch nicht vorhanden war. Diese Mannschaft ist auch spielerisch gereift.

Das wurde in Osnabrück in der noch unaufgeregten ersten Viertelstunde deutlich: Die Schuster-Elf hat keine Probleme mehr damit, das Heft des Handelns zu übernehmen, wenn ihr der Gegner den Ball überlässt, weil er sich, ungeachtet seiner Gastgeberrolle im proppenvollen eigenen Stadion, selbst lieber aufs "Umschalten" verlegt.

Vom Start weg dominant

Schon in der Startphase schob sich die Lautrer Verteidigungslinie im Schnitt 56 Meter vom eigenen Tor weg, beanspruchte die Elf 51 Prozent Ballbesitz für sich - und wusste damit auch was anzufangen. Als Beleg dafür dient die 10. Minute, als sich Ache nach einer Rechtsflanke von Jean Zimmer eine erste Einschusschance aus sechs Metern bot. Zuvor war das Leder fast eine Minute lang durch FCK-Reihen gelaufen, über insgesamt dreizehn Stationen - solche Szenen hat man vergangene Saison allenfalls mal gesehen, wenn die Mannschaft einem Rückstand hinterherrannte.

Danach aber begannen die Ereignisse sich zu überschlagen. Strafstoß für die Roten Teufel, VfL-Keeper Lennart Grill hatte den durchgebrochenen Kenny Redondo gelegt. Kevin Kraus, der gegen die SV Elversberg am 3. Spieltag noch den perfekten unhaltbaren Elfer geschossen hatte, versuchte es diesmal flach - und machte es schlecht. Grill durfte zu seiner ersten Großtat schreiten. Quasi im Gegenzug markierte der Gastgeber das 1:0.

Wie schon gegen Rostock: Hinten links stimmt was nicht

Klar, jetzt kann man die üblichen Phrasen bringen. Selbst schuld, wenn man den Gegner auf diese Weise stark macht, oder auch: Dummheit gehört nun mal bestraft. Bleiben wir sachlich: Die Lautrer Hintermannschaft wurde bei diesem Treffer keinesfalls überrumpelt. Sie hatte nach dem Osnabrücker Ballgewinn genug Zeit, sich zu ordnen. Und in Ballnähe war ausreichend Personal unterwegs - wie schon beim Gegentor in der Vorwoche, als die Roten Rostock 3:1 schlugen.

Und ebenfalls wie beim Kick gegen die Kogge kam das Unheil über die linke Abwehrseite. Darüber gilt es nachzudenken. Erwähnt werden darf aber auch: Jannes Wulff bewies sich in dieser Szene als genialer Doppelpass-Partner für Erik Engelhardt, und der schloss mit einem ganz feinen linken Füßchen ab.

Redondo kam für Ritter, aber dessen Rolle übernahm Tachie

Danach schraubten die Gäste ihre Ballbesitzanteile weiter in die Höhe, fanden zunächst aber keinen Weg zum Tor. Gegenüber der Vorwoche präsentierte sich die Startelf übrigens nur auf einer Position verändert. Redondo spielte für den erkrankten Marlon Ritter. Dessen Rolle im Mannschaftsgefüge übernahm allerdings Richmond Tachie. Gegen den Ball versuchte er, hinter den Spitzen Pässe in den Sechser-Raum zu unterbinden, bei Ballbesitz wechselte er auf die rechte Angriffsseite.

Als die Betze-Buben noch nach der nächsten Lücke suchten, schlug der VfL ein zweites Mal zu. Schiri Daniel Schlager pfiff nach kurzer Ansicht der Videobilder Elfmeter, als Redondo im Strafraum Wulff attackierte. Das sah zwar nicht heftig aus, aber der Kontakt war nunmal da. Außerdem griffelte Redondo mit den Händen an seinem Gegenspieler herum, was dessen Fall zwar nicht verursachte, aber immer ein Russisch Roulette ist, wenn man’s im Strafraum macht.

Michaël Cuisance traf vom Punkt eine Klasse besser als Kraus. 2:0 für Osnabrück. Immerhin kam der FCK vor der Pause noch zum Anschlusstreffer. Julian Niehues köpfte eine Ecke von Tobias Raschl ins Netz.

Rätselraten in der Pause - Soldo und Opoku kommen

In der Pause durfte der Gäste-Anhang erst einmal rätseln. Wie würde Schuster auf diese erste Halbzeit reagieren? Kommt Terrence Boyd vielleicht schon direkt zur zweiten Halbzeit? Gegen die bei Flanken anfällige VfL-Abwehr wäre mit einer Doppelspitze Ache/Boyd doch was zu machen ...

Wie so oft überraschte der Trainer. Aaron Opoku und Nikola Soldo kamen. Für Redondo und Kraus. Das mutete im ersten Moment wie eine Strafaktion gegen die Spieler an, die als Hauptschuldige für den Rückstand angesehen werden könnten. Zumindest bei Kraus dürfte das zutreffen, er sah neben dem schlechten Elfer sowohl beim Gegentor als auch einigen anderen Aktionen nicht glücklich aus.

Soldo rückte jetzt auf die linke Seite der Dreier-Abwehrkette, Tomiak übernahm die Mitte. Vorne war das FCK-Spiel nun klarer im 3-4-3 angeordnet. Ex-Osnabrücker Opoku, der sich schnell als belebendes Element erwies, wirbelte rechts, Tachie links.

Im Einzelnen zu sezieren, was sich den Gästen nun an den Torchancen bot, wäre einfach nur müßig. Und die emotionalen Höhen und Tiefen, die dieses Spiel bot, können wir hier eh niemanden nacherleben lassen. Wer als FCK-Anhänger diese Partie verpasst hat, muss irgendwie sonst damit klarkommen.

Der Sturmlauf beginnt, die Kiste bleibt vernagelt

Insbesondere Ache boten sich immer wieder Möglichkeiten, auf 2:2 zu stellen. Doch wer würde den schon sechs Mal erfolgreichen Stürmer nun als "Chancentod" diffamieren wollen? Es gibt halt Tage, da bleibt die Kiste selbst einem ausgewiesenen Torjäger vernagelt. Außerdem hielt der Ex-Lautrer Grill einfach bravourös.

An der Spielanlage der Pfälzer während dieser Druckphase gibt es grundsätzlich nicht viel auszusetzen. Immer wieder wurde der Weg über die Flügel gesucht, zum Teil nach wirklich gut anzuschauenden Flankenwechseln. Hier und da ärgerte auch ein vermeidbarer Stockfehler. Insgesamt aber blieb die Passqualität während des gesamten Spiels konstant hoch und gut, wie auch diese Wyscout-Visualisierung zeigt:

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Fast die Entscheidung: Ein Niemann(d) läuft Elvedi davon

Dass sich mit zunehmender Spieldauer auch Konterchancen für die schnellen VfL-Stürmer bieten würden, wundert allerdings ebenso wenig. Wer dachte, dass Trainer Schweinsteiger seinem Team den gefährlichsten Pfeil genommen hatte, als er nach 64 Minuten den rasend schnellen Christian Conteh vom Platz holte, sah sich alsbald getäuscht: Dessen Nachfolger Noel Niemann war genauso flink unterwegs - und hätte in der 77. Minute alles klar machen können, als er Elvedi abkochte und völlig frei vor Julian Krahl auftauchte. Zur Überraschung aller strich sein Schuss aber am langen Eck vorbei.

Eine Minute zuvor war Boyd für Tachie gekommen. Womit Trainer Schuster mit seinem Latein aber noch lange nicht am Ende war. Mit Tyger Lobinger und Philipp Klement für Niehues und Zimmer warf er anschließend noch zwei Offensivkräfte in die Schlacht, die zuletzt von manchem Skeptiker nur noch als Kaderleichen angesehen worden waren. In der Schlussphase tummelten sich dann mit Ache, Boyd und Lobinger drei Stürmer in der Mitte, Puchacz und Opoku versuchten diese von den Flügeln aus zu bedienen. Aber Grill wollte und wollte einfach keinen reinlassen.

Wie irre darf’s denn sein? Wieder Elfer, wieder hält Grill

In der 94. Minute kam es zum - vermeintlichen - Showdown. Wieder Elfmeter für die Betze-Buben. Diesmal war Tomiak, den hinten nichts mehr hielt, gelegt worden. Klement hätte gern geschossen, doch Boyd fühlte sich gut und bekam den Ball - und zielte noch schlechter als zuvor Kraus. Grill faustete anschließend sogar noch den Kopfball-Return über die Latte. Was für ein Triumph für den einstigen Gerry-Ehrmann-Schüler. "Ich war froh, dass Boyd schoss. Auf Klement wäre ich nämlich nicht vorbereitet gewesen", erzählte er später vorm "Sky"-Mikrofon.

Doch als sich die Bremer Brücke bereits anschickte, nach dem Abpfiff die große Grill-Party zu feiern, schwang sich Boris Tomiak zum Partykiller auf. In buchstäblich letzter Sekunde köpfte er, am ganz langen Eck stehend, eine Puchacz-Ecke ins Netz. Wie irre darf Fußball eigentlich sein?

Für Lautern war’s ein Drama, für den VfL eine Tragödie

Womit für die Schuster-Elf ein Drama endete, für den VfL aber eine Tragödie. Entscheidend abgefälscht worden war Tomiaks Kopfball ausgerechnet von Oumar Diakhite. Dem Spieler, der kurz zuvor eine schmerzhafte Schulterverletzung erlitten hatte. Der sein Team aber nach bereits fünf vollzogenen Wechseln auf keinen Fall im Stich lassen wollte. Sich daher den linken Arm an den Oberkörper tapen ließ und sich zurück auf den Platz quälte. Und dann das.

Unfassbar. Wie eigentlich das ganze Spiel. Dem FCK-Team bleibt ein Erfolgserlebnis für die Moral, verbunden mit Erkenntnis: Niemals aufgeben, egal, was kommt. Aber auch: Wir brauchen einen neuen Elfmeterschützen, dringend. Die Treffsicherheit aus dem Spiel heraus dagegen wird zurückkehren, wenn das Selbstvertrauen weiterhin stimmt.

6,69 : 1,39 - ein xG-Ergebnis wie noch nie

Zum Schluss wie immer noch ein paar Grafiken. Die xG-Timeline weist ein 6,69 : 1,39 für Lautern aus. Selbst wenn man die beiden Elfer abzieht, erhält man noch einen Wert nahe der 5. Hammer!

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Die Position- und Passgrafik der Lautrer. Schön zu sehen, wie weit sich die beiden Schienenspieler Zimmer (8) und Puchacz (15) nach vorne schoben. In der zweiten Hälfte blieb ihnen auch nichts anderes übrig.

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Die Positions- und Passgrafik des VfL: Da ging’s im Ganzen wesentlich vertikaler nach vorne. Wo Conteh (17) immer an der Abseitslinie lauerte. Insgesamt aber war der Flügelpfeil längst nicht so gefährlich wie in der Vorwoche beim 2:1-Sieg gegen den HSV.

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Und noch die Überkreuz-Übersicht über die geführten Duelle. Wie immer gute Bilanzen bei den Innenverteidigern. Gute Ergebnisse weisen auch die zentralen Mittelfeldspieler Raschl und Niehues auf. Und was immer die Gründe für die derzeit schwächelnde linke Abwehrseite sind: An Puchacz’ Zweikampfbilanz kann’s eigentlich nicht liegen.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon Lautern-Fahne » 02.10.2023, 17:46


Die zweite Halbzeit war das beste was ich bis dato unter Schuster sah. Gefiel mir sogar noch etwas besser als der letztjährige Auswärtssieg bei 96 und das Heimspiel gegen Rostock.

Man muss aber auch fairerweise sagen, dass wir nach dem 1:0 deutlich den Faden verloren hatten und
bis zur 45ten nichts mehr ging. Hz 1 ging KLAR an den VfL. Osnabrück haute in der ersten Hälfte alles raus, attackierte unseren Spielaufbau früh mit 3-4 Mann und doppelte Pucharcz konsequent. Er war in Hz 1 völlig abgemeldet. Wir spielten alles in allem in der ersten Hz ohne große Zwischenstationen sehr, sehr vertikal nach vorne. Nicht blindes lang und weit, sondern viele lange und flache Bälle. Aber Osnabrück war darauf sehr gut eingestellt und fing das Groß auch ab. Hatte bisschen was von Tischkicker: Unsere Räume zwischen den Ketten im 3-4-3 waren nahezu unbesetzt und Osnabrück stellte die Passwege zu und würgte uns dadurch ziemlich sauber ab. Resultat: das Spiel war ein Spiegel unserer Partie gegen Nürnberg: wir hatten zwar den Ball, aber es war schlicht wertlos. Dann machte Redondo den Raschl und verursachte einen Elfer. Soweit so schlecht; Sandhausen auswärts Flashbacks flimmerten vor meinem Auge auf :shock:

Aber der -für mich- für seine Verhältnisse auffälligste Lautrer köpfte den Anschlusstreffer. Ich glaube ich habe Niehues noch nie so OFFENSIV im laufenden Spiel gesehen. Bei jedem Angriff stand er am gegnerischen 16ner, leitete Bälle auf die Außen oder versuchte (verunglückte) Abschlüsse. Er spielte erstaunlicherweise in diesen Momenten die Rolle, die Ritter sonst hat. Und schnappte Ache den Scorer vor der Nase weg. Spielte sehr engagiert und demonstrierte, warum er in die Startelf gehört. Aremu muss sich strecken.

In der zweiten Hz zeigte Schuster halt mal wieder, was der Unterschied zwischen ihm und den Graupen ist, die uns zwischen 2013 und 2020 "trainierten". Er kann ein Spiel lesen und die Mannschaft kann den Spielstil völlig umstellen. Die haben immer einen Plan B, was mich über das letzte Jahr vom Kritiker zum leichten Fan werden lies. Nach den Hereinnahmen von Soldo und Opoku fingen wir plötzlich an auch durchs Zentrum zu kombinieren und den Ball horizontal laufen zu lassen. Damit kam der VfL im 4-3-3 nicht mehr klar und lief nur noch hinterher. Ein Teil trug sicherlich auch die Erschöpfung dazu bei, aber ist auch egal :wink:

Pucharcz war nicht mehr gezwungen sich mit der Murmel am Fuß aus der eigenen Hälfte zum gegnerischen Strafraum durchzukämpfen und 3 Gegner auszutanzen. Sondern wurde von Raschl und Tachie auch mal auf den Außen bedient. In der zweiten Hälfte hatten wir wesentlich mehr Ordnung im Spiel- oder besser gesagt eine bessere. Der Ball lief häufiger mal durch die Reihen, wie man es aus vorherigen Partien gewohnt war. Wir verloren den Ball nicht mehr "billig".
Für mich war der große Wechsel aber nicht Opoku, sondern Soldo. Der Kroate ist der Typ IV, den wir brauchten: SCHNELL. Er lief in der zweiten Hz 2,3 wirklich gute Konter Chancen für Osnabrück einfach ab und verhinderte so Szenen, wie sie Elvedi unterlief. Dadurch konnten wir es uns in des Gegners Hälfte gemütlich machen und belagern. Der Kroate war so abgeklärt das ich ihm zutraue, Kraus oder Elvedi zu verdrängen. Sein Tempo gefällt mir schon sehr gut.

Dann kamen die derzeit "tragischen Helden" auf den Platz- und der eine ritt sich stärker in die Krise, während der andere mal wieder zeigen konnte, warum er einst Paderborns Topscorer war. Klement hatte im Spiel selbst keine Gelegenheit sich auszuzeichnen (war auch zu spät) aber im Puncto Standards macht ihm keiner was vor. Er ist so ein bisschen im "Bugera Dilemma"- die Standards sind eine absolute Waffe, aber man weiß nicht so Recht was man mit dem Rest anfangen soll.

Klement ist irgendwas zwischen Christian Tiffert und Christopher Moritz. Der eine war -mit richtigen System und Mitspielern- Spiritus Rector und absoluter Leistungsträger und sammelte Scorer wie ich Parkstrafen. Der andere -für mich- ein Fremdkörper der in seiner Karriere nie wirklich irgendwo ankam und die Fans auch in 2 klare Lager spaltete. Tippe mal drauf, dass er gegen Düsseldorf wieder auflaufen wird.

Abschließend zum Spiel: was mich beruhigt ist, dass wir es endlich hinbekommen das Spiel über die Außen mit dem durchs Zentrum zu verheiraten. Tachie und Raschl sind da ein absoluter Gewinn und das Training trägt Früchte. Letzte Saison war es doch immer extrem einseitig. Klement auf dem Feld: Pässe gehen alle durchs Zentrum.
Klement nicht auf dem Feld: Zentrum völlig verwaist.

Gewinner des Spiels: Soldo, Klement, Niehues

Freue mich auf den Oktober
"Für mich ist Schönheit, dem Gegner nicht zu geben was er will."

"Es gibt Leute die sagen, kreative Spieler seien von Abwehraufgaben zu entlasten. Wer dies behauptet, kennt den Fußball nicht. Alle elf müssen zu jeder Zeit genau wissen, was sie zu tun haben"

José Mourinho




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