Neuigkeiten und Pressemeldungen zum 1. FC Kaiserslautern.

Beitragvon herzdrigger » 10.12.2023, 11:48


Nach dem Spiel gestern bin ich doch sehr auf Deine Analyse gespannt Eric.

Turé, der viel Sicherheit gegeben hat, war unserer Meinung der erste Knackpunkt, der die Mannschaft nach der Auswechselung verunsichert hat.
Eine Grätsche im Niemandsland, so unnötig wie sonst was der nächste.
Warum gerade Ritter herausgenommen wurde? Der einzige, der im Mittelfeld einen Ball behaupten kann.
Bin wirklich gespannt, auch auf die Ãœbersichten.
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.



Beitragvon Kohlmeyer » 10.12.2023, 15:10


Hier kommt die Nachlese inklusive der von @herzdrigger angesprochenen Ãœbersichten:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCN
Die DBB-Analyse: Mühe allein genügt nicht


1:2 gegen Hertha BSC. Der Fußballgott hat es nicht gut gemeint mit Dimitrios Grammozis zu seinem Liga-Debüt als Trainer des 1. FC Kaiserslautern. Hadern mit der höheren Macht sollte er aber nicht, wie sein Kollege Pal Dardai deutlich machte.

Der FCK hat nun sechs seiner sieben jüngsten Zweitliga-Partien verloren, zuletzt fünf in Serie. Wer nur aufs Papier schaut, wird also sagen: Der Abwärtstrend ist nicht gestoppt, der Klub befindet sich weiter im freien Fall, Trainerwechsel hat nichts gebracht. Zur Verteidigung des Neuen ließe sich noch ergänzen: Was hätte er an insgesamt sechs Arbeitstagen, die auch noch in eine Englische Woche fielen, auch schon groß ändern sollen?

Wer allerdings das Geschehen auf dem Rasen aber nicht nur "vom Ergebnis her" betrachtet, darf feststellen: So ein bisschen war schon zu erkennen, wohin die Reise unter Grammozis gehen soll.

Die erste Hälfte nämlich sah aus FCK-Sicht gar nicht so schlecht aus. Und das nicht nur, weil es an deren Ende noch 1:0 für die Gastgeber stand. Die 45.308 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion sahen ein FCK-Team, das sich konzentriert und geschlossen gegen den Ball verschob. Und das deutlich weiter vorne auf dem Feld, als es es zuletzt unter Dirk Schuster tat.

Nach dem frühen 1:0 war Lautern gut im Spiel

Trotz dieser insgesamt riskanteren Spielweise ließen die Roten Teufel aus dem Spiel heraus nicht einen Torschuss des Gegners zu. Zugegeben: Selbst gelang ihnen vor Gegners Tor auch nicht viel. Lediglich ein früher Ballgewinn in der 18. Minute zeigte, wie es in Zukunft öfter laufen könnte, wenn nach der Winterpause die Batterien wieder aufgeladen sind.

Terrence Boyd, Richmond Tachie und Tobias Raschl zwangen die Berliner Hintermannschaft durch geschicktes Anlaufen, auf die linke Verteidigerposition zu spielen, wo sie den Ballführenden gegen die Seitenauslinie drängten. Tachie eroberte den Ball, zog Richtung Sechzehner auf, legte auf den rechts einlaufenden Boyd ab - und dessen Schuss aus spitzem Winkel wurde von Hertha-Innenverteidiger Toni Leistner geblockt.

Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 1:0 für den FCK. Lauterns rechter Innenverteidiger Almamy Touré hatte den Ball nach einer Ecke von Tymo Puchacz mit einem artistischen Seitfallzieher über die Berliner Torlinie bugsiert. Touré also. Der Malier, der in seinem nun vierten Pflichteinsatz für den FCK einmal mehr zeigte, wie sehr dieser Mannschaft ein Abwehrspieler gefehlt hat, der ein präzises Passspiel aus der letzten Linie beherrscht.

Schock zur Pause: Touré und Zimmer müssen raus

Das wurde gerade in dieser Partie umso brutaler deutlich, weil Touré zur Pause ausgewechselt werden musste. "Die Wade machte zu", erklärte Grammozis nach dem Spiel, gab sich aber zuversichtlich, dass der Abwehrmann kommendes Wochenende zum Jahresabschluss in Braunschweig wieder einsatzbereit sein könnte. Ebenso wie Kapitän Jean Zimmer, der sich unglücklich vertreten hatte und ebenfalls in Hälfte zwei nicht mehr dabei war. Der Einsatz beider beim Tabellen-Vorletzten wäre ungemein wichtig, da es in dieser Partie darum gehen könnte, nicht auf Relegationsrang 16 zu überwintern. Vor wenigen Wochen stand der FCK noch auf einem Platz 3 - so schnell kann's gehen.

Doch zurück zu diesem Spiel.

In dem Maße, in dem das Lautrer Spiel nach Tourés Ausscheiden an Qualität verlor, legte die Hertha zu. Trainer Pal Dardai brachte seine beiden Stürmerstars, Torjäger Haris Tabakovic und Linksaußen Fabian Reese, dazu den Dänen Gustav Christensen für den jungen Mann am rechten Flügel, Marten Winkler. Der Trainer hatte seine Top-Kräfte in der ersten Hälfte geschont, weil seinem Team noch das DFB-Pokal-Spiel vom Mittwoch in den Knochen steckte, in dem sich die Berliner nach 120 Minuten gegen den Hamburger SV im Elfmeterschießen durchgesetzt hatte. Manche glaubten Dardai würde bluffen mit diesem bereits vorher angekündigten Plan, aber dem war nicht so.

Hälfte zwei: Hertha übernimmt die Kontrolle

Und mit diesen frischen Kräften rissen die Gäste die Partie nun an sich. Pressten hoch, ließen den Ball laufen - und hatten bereits in der 49. Minute Erfolg. Ausgangspunkt war - wieder mal - ein Einwurf. Den schleuderte Reese von der rechten Seite fast schon in Eckball-Qualität in die Mitte. Nach zu kurzer Kopfball-Abwehr kam der Ball in den Strafraum zurück, wo ihn Florian Niederlechner per Fallrückzieher verwandelte - der Oldie im Berliner Team, der zurzeit einen Riesenlauf hat.

Grammozis reagierte auf die neue Angriffswucht der Hertha. Ohnehin hatte er nach Tourés Ausfall Boris Tomiak in die Abwehrreihe zurückziehen müssen. Für ihn spielte jetzt Afeez Aremu auf der Sechs, der ehemalige Sankt Paulianer, der zweieinhalb Monate verletzt ausgefallen war und überhaupt erst 31 Minuten Wettkampfpraxis in diesem Team gesammelt hat. Für Zimmer war Erik Durm gekommen.

Die Mannschaft formierte sich nun in einem 4-4-1-1, mit Jan Elvedi als linkem Verteidiger, Tachie rechts offensiv und Marlon Ritter als verbindendem Element zur Sturmspitze Boyd. In der Arbeit gegen den Ball wirkten die Pfälzer auch in dieser Anordnung stabil, nach vorne aber ging nun noch weniger.

Der nächste Rückschlag: Aremus Platzverweis

Nach knapp einer Stunde der nächste Rückschlag. Aremu grätschte in Höhe der Mittellinie mit offener Sohle in Gegenspieler Pascal Klemens. Zunächst schien er Glück zu haben. Schiri Harm Osmers ließ die Partie weiterlaufen, um der Hertha Gelegenheit zu geben, ihre Aktion zu Ende zu spielen. Danach zeigte er Aremu Gelb, was zu einem kollektiven Durchschnaufen auf den Rängen führte - bis der VAR sich meldete. Und Osmers bat, sich die Szene nochmal am Monitor anzuschauen. Worauf der dann nur noch zehn Sekunden brauchte, um sich zu korrigieren - in ein leider absolut vertretbares Rot. "Auf diesem rutschigen Boden musst du wirklich sehr aufpassen, wenn du grätschst", bemerkte Pal Dardai hinterher treffend.

Grammozis reagierte abermals, brachte Kevin Kraus für Ritter und formierte ein 4-4-1. Das abermals seine Arbeit gegen den Ball absolut diszipliniert verrichtete, allerdings fehlte mit Ritter nun ein weiterer der Spieler im Team, von denen Lautern zu wenig hat: die Sorte, die gerade in Unterzahl mit einer unorthodoxen oder genialen Einzelaktion einem Spiel doch nochmal eine Wende in die andere Richtung geben kann. So aber rannten die Roten Teufel fleißig, schlussendlich aber uninspiriert solange hinter dem Ball her, bis sie sich in der 81. Minute der Erkenntnis stellen mussten, mit der eine gewisse "Frau Sommer" schon in einer Kaffeewerbung der 1970er Jahre konfrontiert wurde: "Mühe allein genügt nicht."

Ein Eckball bringt die Entscheidung

Und es war ausgerechnet ein Eckball, der dem FCK das Genick brach - also eine Situation, in der Unterzahl eigentlich nur eine ungeordnete Rolle spielen sollte. Getreten hatte ihn Linksverteidiger Michal Karbownik. Nach zu kurzer Kopfball-Abwehr kam erst Niederlechner zum Schuss, Keeper Julian Krahl, der schon zuvor ein Geschoss Jonjon Kennys stark abgewehrt hatte, pariert abermals klasse. Aber Hertha-Innenverteidiger Marc Oliver Kempf kann den Abpraller am langen Eck über die Linie drücken.

Pech für die Roten Teufel, ein Unentschieden wäre möglich gewesen, aller widrigen Umstände zum Trotz, die sich ihnen ab Minute 45 in den Weg gestellt hatten. Mit dem Fußballgott aber sollten sie auf keinen Fall hadern, wie der Hertha-Coach in seiner unnachahmlichen Rhetorik nach dem Spiel verdeutlichte: "Irgendjemand da oben guckt dir zu", versicherte Pal Dardai in festem Glauben, "und so wie du arbeitest, kommt auch der Lohn." Also: Ärmel hochkrempeln und weitermachen.

Gute Zweikämpfe, aber maue Passquote

Zu den Grafiken. Zunächst mal zu "gewonnenen Zweikämpfen". Die Visualisierung zeigt, wie gut die Roten Teufel auch nach dem 1:0 im Spiel waren. Pal Dardai sprach sogar davon, dass sie zur Halbzeit 2:0 oder 3:0 hätten führen können.

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Allerdings: Mit Passsicherheit war es in der starken Zweikampfphase nicht soweit her, wie diese Grafik zeigt. Was möglicherweise der Grund dafür ist, weswegen es doch nichts werden konnte mit dem 2:0 oder dem 3:0.

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Die xG-Timeline: Belegt vor allem, wer in welcher Halbzeit die Nase vorn hatte.

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Die Positions- und Passgrafik des FCK: Durch die frühen Auswechslungen und die Umstellungen in der zweiten Hälfte diesmal nur bedingt aussagekräftig.

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Die Passmap der Gäste: Hier müsste man eine von der ersten und eine von der zweiten Hälfte zur Verfügung haben, um den Stilwechsel zu dokumentieren, den die Hertha nach der Pause vollzog.

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Die Duelle: Wieder mal waren sehr viele Lautrer in sehr vielen Duellen obenauf. Aber Zweikämpfe sind eben auch nicht alles.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon woinem77 » 12.12.2023, 11:00


Wie auch schon im letzten Spiel zeigt Elvedi sehr sehr starke Zweikampf Statistiken. Er macht auch den Eindruck an der Seit von Touré nochmal stärker zu sein. Schnell, Kopfballstark und ich denke wir werden auch noch sehen dass er mutiger wird wenn die Ergebnisse zurückkommen. Grosser Kämpfer, passt super auf den Betze!
Puchacz Anzahl von Zweikämpfen insgesamt und auch die gewonnenen sind auch top. Also es gibt auch einige Lichtblicke.



Beitragvon Kohlmeyer » 18.12.2023, 15:30


Hier kommt unsere Nachlese zum letzten FCK-Spiel des Jahres:

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Taktik-Nachlese zum Spiel BTSV-FCK
Die DBB-Analyse: Der Gabentisch bleibt leer


Der 1. FC Kaiserslautern hatte es beim 1:2 gegen Eintracht Braunschweig selbst in der Hand, sich beim Tabellen-17. eine schöne Bescherung zu bereiten. Doch nach einer unsäglichen zweiten Hälfte haben sie nur Knecht Ruprechts Rute verdient.

Soso. "Wie Kinder rumschubsen lassen" haben sich die Roten Teufel also in Braunschweig. So jedenfalls hat es in der Mixed Zone der sichtlich angefressene Keeper Julian Krahl formuliert. Schöner Vergleich, der irgendwo ja auch trifft, für eine differenzierte Betrachtung ist er aber wenig hilfreich. Kinder sind Krahls Mitspieler nun einmal nicht mehr, sondern gestandene Profis.

Trainer Dimitrios Grammozis sprach davon, dass man nach einer ordentlichen Anfangsphase die Kontrolle verloren hätte. Andere sagten, dass der Ausgleich in der 36. Minute dem Team die Selbstsicherheit genommen hätte, um die es nach fünf Niederlagen in Folge ohnehin nicht zum Besten stand. Könnte man ebenfalls so stehen lassen, genügt uns aber nicht. Vor wenigen Monaten wurden die gleichen Männer, denen es nun an Selbstvertrauen fehlen soll, noch permanent als "Mentalitätsmonster" gefeiert. Wie konnte es so weit kommen?

Die Viertelstunde nach der Pause - ein Alptraum

Natürlich muss in erster Linie "Kopfsache" sein, wenn sich eine Mannschaft, die am 9. Spieltag noch auf Platz 3 stand, gegen einen Tabellen-17. derart den Schneid abkaufen lässt, wie es insbesondere in der ersten Viertelstunde nach der Pause zu erleben war. Da türmten sich all die Fehler, die in den vergangenen Wochen immer wieder zu sehen waren, so lange aufeinander, bis sich die Lautrer den Führungstreffer der Gastgeber regelrecht erbettelt hatten.

Immer wieder die fanden Blau-Gelben Anspielstationen im Zentrum vor dem Sechzehner, durften auf die Flügel spielen, wackelte die FCK-Hintermannschaft nach ruhenden Bällen und schlug selbst nur untaugliches Langholz. Hinter dem nicht konsequent hergehetzt wurde, so dass sich auch keine zweiten Bälle erobern ließen.

Als Beleg sei diese "Wyscout"-Visualisierung der "Balleroberungen pro Minute" angeführt. Da ist zwischen der 45. und 60. Minute tatsächlich ein Wert von "0" angegeben. Kaum zu glauben, dass dies in einem Zweitliga-Spiel überhaupt möglich ist.

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Dass dann mit Johan Gòmez wieder mal ein Spieler den gegnerischen Führungstreffer erzielte, der in seinem neuen Team bislang noch nicht so richtig Tritt kam und dringend mentaler Aufbauhilfe bedurfte, dürfte zu Sarkasmus neigenden FCK-Freunden sogar ein bitteres Lächeln entlockt haben: Das passte einfach zu gut ins Bild.

Vom Start weg hohes Pressing - sieht gut aus, aber ...

Aber zurück zur angeblich starken Anfangsphase. Die lässt sich auch als Warnung an den neuen Trainer deuten, im Bewusstsein der eigenen Ansprüche nicht die Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren. In der Tat attackierte das Team zunächst genauso beherzt, wie Dimitrios Grammozis sich das vorstellt. Die offensive Dreierreihe mit Richmond Tachie, Terrence Boyd und Marlon Ritter bejagte intensiv die ballführenden Braunschweiger Abwehrspieler inklusive Keeper Ron-Thorben Hoffmann. Und die 3-4-2-1-Formation mit Ritter auf der halblinken Offensivposition wirkte durchaus zukunftstauglich, da Ritter gerne in die Mitte zieht und so Platz für Tymo Puchacz macht, der an der linken Seitenlinie bekanntlich gerne durchmarschiert.

Die 1:0-Führung nach nur 14 Minuten besorgten sich die Gastgeber zwar selbst, ein Zufallstreffer aber war sie nicht. Der Freistoß vom rechten Flügel war Resultat energischen Pressingspiels, wurde von Puchacz gut getreten - und wenn Robin Krauße ihn nicht unglücklich ins eigene Netz abgefälscht hatte, hätte ihn wohl der hinter ihm postierte Jan Elvedi reingemacht.

Der Anspruch, hoch zu stehen - und die Wirklichkeit

Doch schon fünf Minuten später zeigte sich ein erstes Mal, dass "hoch stehen" mit dieser Hintermannschaft eben auch ein gewaltiges Risiko birgt. Die Braunschweiger überspielten ein erstes Mal die vordere Pressinglinie des FCK, die auch nach der Führung energisch aufrückte. Anton Donkor schickte seinen Stürmer Rayan Philippe in den freien Raum, und der lief Lauterns zentralem Abwehrmann Nikola Soldo einfach davon. Krahl vermochte den Schuss aus halblinker Position zu klären.

Eine Viertelstunde später jedoch war er gegen den gleichen Spieler machtlos. Diesmal kam er über die rechte Seite. Sein Mitspieler Florian Krüger spielte den Ball zwischen den abermals weit aufgerückten Soldo und Elvedi hindurch. Und Philippe musste nicht einmal einen Abseitspfiff fürchten, da er noch vor der Mittellinie durchstarten durfte.

Ob die Gäste nun die Kontrolle verloren, weil ihnen die jüngste Niederlagenserie in den Nacken kroch? Oder spürten sie einfach nur, dass ihr "hoch stehen" was von Russisch-Roulette hatte, hatten aber auch keine Idee, wie sie sich sonst ordnen sollten? Ist im Grunde egal. Jedenfalls waren die Roten Teufel anschließend ziemlich durch den Wind.

Vorne geht nichts. Aber es kommt auch nichts

Nach vorne tat sich ebensowenig. Tachie gelang wenig, Boyd nichts. Allerdings kamen auch keine Anspiele, aus denen sich was machen konnte. Boris Tomiak ging nach 64 Minuten vom Feld. 63 Prozent Passquote weist "Sofascore" für ihn aus. Das ist kein Wert, mit dem ein Sechser einem Team Stabilität geben kann.

Gemeinsam mit Tomiak trottete Boyd vom Platz. Für ihn kam, heißersehnt, Ragnar Ache, der in vorderster Linie nun zwar ein paar Kopfballduelle gewann, aber auch sonst nichts Rechtes auf Schädel oder Schlappen bekam, was sich hätte verwerten lassen. Als Philipp Klement für die letzten 20 Minuten kam, waren wenigstens ein paar gefährliche Ecken zu sehen.

Dennoch hätte Ache in der Nachspielzeit ums Haar das 2:2 gemacht, wer auch sonst. An dieser Stelle mit dem VAR zu hadern, der den Treffer aberkannte, nachdem Schiedsrichter Arne Aarnink ihn zunächst gegeben hatte, ist jedoch müßig. "Verdient" gehabt hätte der FCK den Ausgleich ohnehin nicht.

Symbolfigur Soldo: Bisschen Licht, viel Schatten

Symbolfigur des Lautrer Spiels aber war Soldo. Mit 25 Balleroberungen augenscheinlich bester Balleroberer seines Teams, in entscheidenden Situationen aber immer wieder zu langsam. Gleichzeitig aber auch unter den "Top Four" mit den meisten Ballverlusten, hinter Tachie, Elvedi und Erik Durm, der für den verletzten Jean Zimmer im Spiel war. Soldo war außerdem Verursacher eines vollkommen unnötigen Freistoßes für die Gastgeber aus exzellenter Position, weil er an der 16-Meter-Linie Gòmez niederstreckte, obwohl Elvedi eigentlich korrekt am Mann klebte.

Unterm Strich steht die nunmehr sechste Niederlage in Folge. Die bislang deprimierendste von allen, die zudem eine unruhige Weihnachtszeit am Betzenberg einläuten dürfte. Platz 15 zum Ende der Hinrunde ist sicherlich ein Warnzeichen. 18 Punkte auf dem Konto sind aber auch kein Anlass, panisch zu werden.

Immer dran denken: "Trainer-Effekte" sind Mythen

Unterm Christbaum werden sich viele nun einen fitten Ache für die Rückrunde wünschen. Und, als präzisen Passspieler aus der hinteren Reihe, einen Almamy Touré, der von Verletzungen verschont bleibt. Im ausführlichen DBB-Interview mit Dimitrios Grammozis, das diese Woche erscheint, deutet der Trainer zudem an, dass er während der Wintervorbereitung für den spielstarken Klement eine Position finden möchte, aus der heraus er endlich seine Qualitäten einzubringen vermag. Auch das wäre ein Hoffnungsschimmer.

Gar keinen Sinn in dieser Situation machen jedenfalls Sprüche, Grammozis sei nach diesem schwachen Start bereits "angezählt" oder gar, der "Trainer-Effekt" sei nach zwei verlorenen Liga-Spielen unter dem neuen Coach verpufft. Sicher hat es schon Übungsleiter gegeben, die ihre ersten Spiele nach einer kurzfristigen Amtsübernahme direkt gewonnen haben, empirisch nachweisen lassen sich sogenannte "Trainer-Effekte" aber nicht. Es sei hier nur kurz an Michael Frontzeck erinnert. Der startete mit zwei Siegen, als er zum Jahresbeginn 2018 die Geschäfte von Jeff Strasser übernahm. Und was kam danach? Bei den alten Geschichten von Feuerwehrmännern oder Feldherren, die im Geiste Julius Cäsars kamen, sahen und siegten, handelt es sich meist um Mythen, die einer seriösen Überprüfung nicht standhalten.

Fakt ist, dass sich nach gerade mal zehn Tagen kaum sagen lässt, ob und wie ein Trainer zu einer Mannschaft passt - und ob er die richtigen Ideen mitbringt. Denn seine eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.

So schön spielen ließ die Braunschweiger noch keiner

Zu den Grafiken: Über die xG-Timeline hüllt man am besten den Mantel des Schweigens. Bis zur Nachspielzeit tote Hose, nicht zu fassen.

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Die Positions- und Passgrafik des FCK: Mit Stürmer spielten sie im Grunde erst nach Aches Einwechslung.

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Die Passmap der Braunschweiger: Erstaunlich, wie so ein Tabellen-17. doch den Ball laufen lassen kann. Das durfte er in dieser Hinrunde bestimmt noch nicht oft.

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Und die Übersicht über die Duelle. Da sind die gelben Striche fast durchgehend länger als die roten - wenig überraschend. Nur Tobias Raschl steht ein bisschen besser da, als man es nach der subjektiven Spielbeobachtung gedacht hätte.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon Marky » 18.12.2023, 17:15


Danke, Eric, für deine messerscharfen und scharfsinnigen Analysen, die immer konstruktiv sind und einen Schuss Optimismus enthalten. Das ist gerade jetzt wichtig, wo das Pendel mal wieder im tiefschwarzen Bereich steht.

Die DBB-Analyse ist längst ein fester Bestandteil des Betze-Journalismus.
"Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden." (Nick Hornby, "Fever Pitch") #Unzerstörbar



Beitragvon Hothew » 19.12.2023, 08:32


Knallharte Analyse - das bedeutet für Herrn Grammozis sehr viel Arbeit in der Winterpause. Besonders der Satz "So schön spielen ließ die Braunschweiger noch keiner" ist wirklich treffend und irgendwie traurig.
Beim Pressing habe ich oft ein 5-2-3 gesehen. Ritter, Boyd und Tachie laufen zwar die tiefstehenden Verteidiger an, aber danach waren unzählige Lücken. Raschl und Tomiak wussten dann nicht, wohin sie laufen sollten, weil die Außenverteidiger zu tief standen. Somit ergab sich eine Überzahl im Braunschweiger Mittelfeld. Wenn man schon presst, dann doch bitte komplett im Team oder hinten einigeln, alles andere sind verschenkte Körner. So zumindest meine Wahrnehmung.
Ich bin sehr gespannt, wir Grammozis Klement in das System einpflegen will. Fußball spielen kann er und ich hoffe, es gelingt. Damit dürfte ein Wechsel Klements vom Tisch sein, wie hier schin einige spekuliert haben.
"Wir haben nur unsere Stärken trainiert, deswegen war das Training heute nach 15 Minuten abgeschlossen.“
(Josef Hickersberger)

Remember '33



Beitragvon Lautern-Fahne » 23.12.2023, 13:45


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Hier mal meine mögliche Aufstellung aufgrund der Aussagen der vergangenen Tage. Für mich bekommt man Stojilkovic und Klement nur als Halbraumspieler in ein System mit Dreierkette. Sah das in der Form jetzt schon in den Aufstellungen einiger Vereine.

Will man hoch pressen UND Klement dabei haben macht das aus meiner Sicht nur Sinn wenn man ihm
a) eine Absicherung zur Seite stellt und
b) jemand Laufstarkes dabei hat. Ich hatte immer gehofft, dass sich Hanslik da herauskristallisiert. Aber das Profil "lauf- und physisstarker Stürmer" hört sich für mich danach an, als werde Stojilkovic der Ersatz für unsere Pferdelunge. Redondo ist im Vergleich zu Purchacz wesentlich engagierter in der Defensivarbeit- will man Klement, muss man 1 defensiven Spieler mehr bringen.

Es wäre auch denkbar, Klement rechts hinzustellen, damit Zimmer ihn absichert. Aber ich meine gesehen zu haben, dass er sich den Ball meist nach links legt.

Wenn Ache und Boyd weiter durch Verletzungen geschwächt bleiben, könnte ich mir auch gut das dynamische Duo Klement/Tachie hinter einer einzelnen Spitze vorstellen.
"Für mich ist Schönheit, dem Gegner nicht zu geben was er will."

"Es gibt Leute die sagen, kreative Spieler seien von Abwehraufgaben zu entlasten. Wer dies behauptet, kennt den Fußball nicht. Alle elf müssen zu jeder Zeit genau wissen, was sie zu tun haben"

José Mourinho



Beitragvon Kohlmeyer » 21.01.2024, 15:51


Hier kommt unsere Nachlese zum Auftakt der Rückrunde:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCSP-FCK
Die DBB-Analyse: Zwischen Alptraum und Märchenstunde


0:2 beim FC St. Pauli. Siebte Pleite in Folge für den 1. FC Kaiserslautern. Trainer Gram­mo­zis will es mit Kritik an seinen Jungs dennoch nicht übertreiben. Das mag mensch­lich ver­ständlich sein. Die Augen vor der Realität zu verschließen, ist jedoch gefährlich.

Der Meistertrainer Otto Rehhagel, so ist es überliefert, hat die Pressekonferenzen nach dem Spiel hinter vorgehaltener Hand gerne als "Märchenstunden" bezeichnet. Weil Journalisten in seinem Weltbild keine sachlichen Einschätzungen des Geschehenen verdient hatten. Sie hatten eh keine Ahnung und waren von Natur aus böswillig. Seine Spieler dagegen waren König Otto stets "als Menschen heilig".

Was dagegen nicht überliefert ist: Hat der Meistertrainer seine Märchen selbst geglaubt? Wir wissen es nicht, doch seine Erfolge sprechen dafür, dass er zwischen Dichtung und Wahrheit gut zu unterscheiden vermochte.

Sein ehemaliger Spieler Dimitrios Grammozis hat im DBB-Interview unlängst erklärt, sich als Trainer "das Menschliche" Rehhagels zum Vorbild nehmen zu wollen. In der Tat erinnerte es an dessen, seine Spieler ewiglich schützende Hand, als er nach dem 0:2 auf St. Pauli erklärte, die "Art und Weise" seiner Mannschaft habe ihm "in vielen Phasen" gefallen. Ob er das selbst glaubte, wissen wir auch nicht, nur, dass Grammozis längst noch nicht so erfolgreich ist wie Rehhagel es war. Für die 3.000 mitgereisten Fans und die Anhänger an den Bildschirmen jedenfalls mutete der Auftritt ihrer Mannschaft über weite Strecken eher alptraum- als märchenhaft an.

Im 5-4-1, in der Mitte dicht, aber nicht tief - tatsächlich?

Dem Kollegen vom Sankt-Pauli-Blog "MillernTon" warf Grammozis auf der Pressekonferenz vor, "nicht richtig analysiert" zu haben, als dieser ihm vorhielt, einen sehr tief stehenden FCK gesehen haben. Seine Mannschaft habe keinesfalls defensiv agiert, wehrte sich der Coach, und dem Gegner "sehr starke Probleme bereitet, durch die Mitte zu kommen."

Interessant dabei: Was das "tief stehen" anging, hatte der Trainer gar nicht mal Unrecht. Seine Elf stellte sich von Beginn an bei gegnerischem Ballbesitz in einem defensiv anmutenden 5-4-1 auf, in dem die Abwehrreihe aber in der Tat mindestens 40 Meter vorm eigenen Tor weg stand. Allerdings präsentierte sich diese Fünferkette direkt so porös wie eine Säufernase in einem Manfred Deix-Cartoon. Schon nach 45 Sekunden fand ein erster Chipball von Aljoscha Kemlein den Kopf seines Mittelfeldkollegen Marcel Hartel, ein weiterer passierte bereits nach drei Minuten die Schnittstelle zwischen dem linken Innenverteidiger Jan Elvedi und Schienenspieler Tymo Puchacz. Und das nicht zum letzen Mal in dieser Partie.

Das 0:1: Wieder Chipball, und dann doch durch die Mitte

Die wieder mal in Augen verätzendem Gelbgrün angetretenen Roten Teufel wirkten wie Schulbuben, die ihrem Lehrer zeigen wollten, dass sie brav ihre Hausaufgaben gemacht haben, die eigentlichen Lerninhalte aber dennoch nicht so recht kapierten, weil der Papa ihnen daheim zu sehr zur Hand gegangen war.

Nach ungefähr zehn Minuten ging's allerdings ein wenig besser. Die Versuche der Gastgeber, hinter die Kette zu kommen, versandeten nun immer öfter im Nichts.

In der 32. Minute aber war damit Schluss: Wieder ein Chipball in die besagte Schnittstelle, Elvedi klärt mit dem Kopf zur Mitte, was immer schlecht ist. Der Ball landet bei Almamy Touré, der die Chance hat, diesen aus der Gefahrenzone zu passen. Und den wir seit seiner Verpflichtung im November so oft gelobt haben, weil er als Abwehrspieler so ein feines Passspiel hat. Diesmal aber wird sein Abspiel nach wenigen Metern von Hartel gestoppt. Und der darf nun doch aus der Mitte heraus, die Grammozis eigentlich dicht sehen wollte, auf Elias Saad passen. Der dringt halblinks in den Strafraum ein und vollstreckt. Steht völlig frei, da weder Touré noch Jean Zimmer in seiner Nähe sind.

Zu diesem Zeitpunkt stand die Fünferkette aber auch längst nicht mehr so hoch, wie der Trainer sie hatte sehen wollen. Insofern hatte auch der "MillernTon"-Kollege nichts Falsches gesehen. Diese Wyscout-Grafik veranschaulicht, wie sich die durchschnittlichen Aufstellungslinien während des Spiels verschoben.

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Die Abwehr bleibt das große Problem

Somit ist schon nach halber Stunde offensichtlich: Das große Problem der Lautrer in dieser Saison ist und bleibt die Defensivformation. Ob Vierer-, Dreier- oder Fünferkette, nichts mag bislang funktionieren. Insbesondere die Abstimmung zwischen den äußeren Innenverteidigern und den Schienenspielern ist fatal. Das tritt insbesondere in der Schlussphase zutage, als St. Pauli 2:0 führt und im Umschaltmodus zu einer Einschussgelegenheit nach der anderen kommt. Da wirken Zimmer und Touré wie ein zerstrittenes Ehepaar, das sich nicht einig wird, wer die Kinder - sprich: den Ball - bekommen soll.

Keeper Julian Krahl wird bald noch nur noch mit Beruhigungsmitteln auf den Rasen geschickt werden können, wenn er weiter so oft Stürmer allein auf sich zulaufen sieht. Am Millerntor durfte er mit seinen Rettungstaten so zwar die Bestnote abstauben, doch auch bei ihm muss kritisiert werden: Seine Abschläge sind in der Mehrzahl einfach nur grausig.

Der Trainer will euch "brutaler" - dann seid's doch auch

Zutreffend ist ohne Frage die Erkenntnis des Trainers: "Wir müssen in den wichtigen Momenten brutaler sein". Festgemacht hat er dies an der wahnwitzigen Vierfach-Chance kurz nach der Pause, aber auch am zweiten Treffer nach 64 Minuten: "Wir können zweimal zupacken und machen’s nicht." So sieht’s aus. Wieder mal darf Saad über die linke Seite auf und davon gehen, in die Mitte ziehen, wo Kemlein aus dem Zehnerraum erst Mittelstürmer Johannes Eggestein anspielen darf. Dessen Schuss pariert Krahl, Hartel staubt ab.

Sieben Niederlagen in Folge, in der gesamten Saison noch nicht einmal zu Null gespielt. Wie es mit dieser Abwehr nun weitergehen soll? Vielleicht versucht's Grammozis ja doch nochmal mit Viererkette, aber mit vier gelernten Innenverteidigern. Hat ein gewisser Jogi Löw bei der WM 2014 mal probiert, weil er keine Außenverteidiger fand, die er als tauglich ansah. Die Ästheten waren entsetzt, aber hinten war dicht - und Deutschland wurde Weltmeister.

Ãœberraschend war nur die Startformation

Kommen wir zur Offensivleistung der Gäste.

Dass Ragnar Ache doch nicht von Beginn an auflief, überraschte gar nicht mal so sehr, Grammozis hatte es bereits angedeutet. Eher schon, dass Daniel Hanslik als einziger Stürmer auflief, und nicht etwa Neuzugang Filip Stojilkovic. Die Überlegung dahinter mag gewesen sein, dass der taktische clevere Hanslik vielleicht eher die Kreise des zentralen FCSP-Innenverteidigers Eric Smith einengen kann, der sich immer wieder ins Aufbauspiel einschaltet. Faktisch zu sehen war davon nichts.

Stojilkovic kam auch während des Spiels nicht zum Zuge, ebenso wenig wie die Winterpausen-Neuzugänge Frank Ronstadt und Dickson Abiama. Abiama stand nach seinem Start-Einsatz in der Generalprobe gegen Dresden nicht einmal im Spieltagskader, musste wegen fehlender Fitness zuhause in Kaiserslautern bleiben. Stattdessen brachte Grammozis nach 63 Minuten Ache und Chance Simakala - und hatte Pech, dass sofort darauf das 2:0 fiel. Bei weiter anhaltendem knappem Rückstand hätte sich die Belebung seiner Offensive vielleicht eher ausgezahlt. In der 83. Minute brachte der Trainer dann Kenny Redondo und Aaron Opoku statt des zentraler auftretenden Stojilkovic - weil er der Ansicht war, dass eher über Außen eher noch was gegangen wäre, wie er nach dem Spiel erklärte.

Dass aus dem Spiel heraus so gut wie gar nichts ging, lag allerdings weniger am vorne postierten Personal, sondern an der Mittelfeldzentrale. Welche Rolle Tobias Raschl im Aufbauspiel spielen sollte, wurde nie so ganz klar. Seiner Heatmap zufolge hielt er sich vorzugsweise an der rechten Außenlinie auf:

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Kaloc fehlt noch die Bindung - nur drei Toraktionen

Nebenmann Filip Kaloc agierte dagegen durchaus zentral. Kurioserweise stand er als einziger Neuzugang in der Startelf, obwohl er als letzter verpflichtet wurde, Freitag vor acht Tagen erst. Mit 12,5 zurückgelegten Kilometern stand er am Ende zwar als lauffreudigster FCK-Spieler in der Statistik, aber viel gelungen war ihm nicht. Nur 35 Ballberührungen, von 23 Pässen kamen 17 an, und das als zentraler Mittelfeldspieler. Nur mal so zum Vergleich: Der wichtigste Aufbauspieler der Gäste, Eric Smith, kam auf 57 Ballberührungen, und von 45 Pässen fanden 42 den Mitspieler.

Insgesamt verzeichnete die Grammozis-Elf nur drei nennenswerte Toraktionen. Eine bereits nach fünf Minuten, als Sankt Paulis linkem Schienenspieler Philipp Treu ein Seitenwechsel missglückte, Marlon Ritter sich den Ball schnappte und Schlussmann Nikola Vasilj prüfte. Da darf man den Lautrern durchaus zugute halten, dass Treu nur patzte, weil sie ihn ordentlich unter Druck gesetzt hatten. Es war einer der wenigen Versuche in der ersten Hälfte, mal situativ ins Angriffspressing zu gehen. Schön anzuschauen war auch ein Freistoß Ritters kurz vor Pause, aber seien wir ehrlich: Das war nicht mehr als ein sogenannter "dankbarer Torwartball".

Einfach nur kurios: Die Vierfach-Chance

In der ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit vermochten die Gäste dann mal sowas wie eine Druckphase aufzubauen. Richmond Tachie rückte nun mehr in die Spitze neben Hanslik, was den Gastgebern aber auch mehr Räume zum Kontern über ihre linke Angriffsseite eröffnete.

Nun kam es auch zu zwei für den Tabellenführer wirklich brenzligen Situationen, beide Male aber nach ruhenden Bällen, einer Freistoßflanke und einem Eckball Ritters. Die bereits erwähnte Vierfach-Chance mit zwei Alu-Treffern, einer Rettungstat auf der Linie und einem finalen Nachschuss-Aufsetzer Richmond Tachies über das Tor dürfte mittlerweile wohl jeder schon in einer TV-Aufzeichnung gesehen haben.

Eine der wohl kuriosesten Szenen der bisherigen Zweitliga-Saison, die wohl die Softwareprogramme der xG-Analysten durcheinander brachte. "Bundesliga.de" und die anderen auf Opta-Daten vertrauten Anbieter werten die Partie mit 3,45 : 2,56 zugunsten St. Paulis, Wyscout sieht ein 3,7 : 2,3 für Lautern, wohl aufgrund dieser Szene, die in vier Einzelchancen aufgelöst wurde, obwohl sie ja trotzdem zusammengerechnet nur einen Treffer hätte ergeben können. Auch kurz danach Elvedis und Tourés Einschusschance direkt vor der gegnerischen Torlinie sorgt für einen ordentlichen Ausschlag.

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Natürlich lag der Ausgleich in diesen Momenten mehr als nur in der Luft. Aber ob er tatsächlich geeignet gewesen wäre, "das Spiel zu kippen, vielleicht sogar zu unseren Gunsten", wie Dimitrios Grammozis in der PK spekulierte? So porös, wie seine Hintermannschaft sich bis dahin immer wieder präsentiert hatte? So ideenlos, wie sein Team im Aufbauspiel agierte?

Schon klar: Es bringt nichts, in dieser Situation auf die Spieler weiter draufzuhauen. Aber ebensowenig, die Augen vor der Realität zu verschließen. Kommenden Freitag geht's gegen Schalke. Bis dahin muss sich noch viel tun. Der Gegner steht in der Tabelle zwar nur zwei Punkte entfernt, präsentierte sich zuletzt aber viel gefestigter als der FCK. Fast 50.000 Zuschauer werden im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion dabei sein.

Die Duell-Ãœbersicht: Zimmer, Kaloc, Tachie sehen schlecht aus

Den Abschluss einleitend noch die Positions- und Passgrafik der Lautrer:

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Zum Vergleich: der FC St. Pauli.

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Und zu guter Letzt die Überkreuzdarstellung der geführten Duelle. Zimmer, Kaloc und Tachie sehen da gar nicht gut aus. Touré dafür besser, als er war. Denn eine "Kampfsau" ist er wahrlich nicht. Drum sollte er schleunigst als Passspieler wieder in die Spur finden.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon since93 » 22.01.2024, 00:07


Naja, mich irritieren diese Phrasen von Dimi. Ich befürchte, wir erleben einen dritten Trainer in dieser Saison.



Beitragvon kl_trott » 22.01.2024, 12:30


Ich pack's mal hier rein, zum Taktik- und Strategiethema.

Wir haben irgendwann im letzten halben Jahr komplett unseren Pfad verloren. Bis dahin war der Weg recht klar gezeichnet.
Schuster hatte, nachdem der Klassenerhalt de facto schon sehr früh eingetütet war, (wahrscheinlich gemeinsam mit Hengen) beschlossen, die Spielweise nun zu entwickeln. Weg vom reinen Schusterball, hin zu mehr Offensive; Otto hätte es vielleicht "kontrollierte Offensive" genannt. Das braucht Zeit und der Zeitpunkt war optimal - unterstützt durch die Euphorie würde der ein oder andere Einschuss verziehen werden, bzw. untergehen und man kann in Ruhe mehr Variablen in unser Spiel hineinentwickeln.

Denn, auch das ist irgendwo logisch, wer mehr wagt, der mehr offenbart. Dass die Defensivleistung (anfangs) bei einer solchen Initiative etwas nachlässt, bzw. sich der Spielstil eben nicht von heute auf morgen lückenlos umlegen lässt, passt schon. Dafür hat's ja auch teilweise vorne entsprechend geklappt.
Nicht wegzudiskutieren ist, dass wohl wirklich mehr auf 3er-Kette gesetzt werden sollte, ohne aber hierfür die erforderliche Qualität in der IV aufzustocken (Bormuth - Elvedi ist für mich auch heute noch nicht mehr als ein 1:1-Tausch).

Im Hintergrund war ansonsten bei der Kaderplanung ebenfalls großteils ein logisches Muster zu erkennen. Leistungsträger wurden gehalten, Bankspieler ziehen lassen und dafür erhoffte Verstärkungen geholt. Genau so kann man in einer Fußballmanager-Märchenwelt eine Mannschaft reibungslos qualitativ entwickeln. Denn jedem Profifußballer ist einleuchtend, dass Ersatzspieler woanders ihr Glück versuchen und frisches Blut den Leistungsdruck erhöhen soll. Solche Maßnahmen werden von den meisten Profis nicht nur akzeptiert, sondern normalerweise mitgetragen.

Aber dann sind jetzt inzwischen ein paar Dinge passiert, die aufgehalten werden sollten.

Kaderchemie am Beispiel Boyd: Ich bin vielleicht nicht der einzige, der von ihm enttäuscht ist. Nicht wegen dem "Ziel" (klar, stört schon), sondern vielmehr wegen der Argumentation. Eine "familientaugliche" Lösung für ihn wäre zu allererst mal gewesen, ganz normal zu Hause wohnen zu bleiben, den Konkurrenzkampf anzunehmen und sich durchzubeißen. Dann hätte er im Sommer vielleicht doch noch ein Jährchen bei uns bekommen oder aber seine Berater im Hintergrund an einem neuen Job in der Nähe schauen können.
So aber hat er nicht nur seine Chance sportlich nicht genutzt als Ache verletzt war, sondern auch einfach aufgegeben - und zwar als angesehener Führungsspieler. Das war und ist ein schlechtes Zeichen "nach innen", enttäuscht mich und ich bin sicher, dass das auch intern Spuren hinterlassen hat.
Mal abgesehen davon, dass er sich vielleicht ein bisschen verzockt hat und in blau-schwarz sicherlich nicht mehr Geld verdient als er bis Sommer bei uns bekommen hätte; aber das ist sein Pech.

Zum Gesamtbild gehört allerdings auch, dass Boyd taktisch Ache "ersetzen" sollte. Grober Fehler von Schuster! Ache war zu dem Zeitpunkt ein super Team mit Tachie "drumherum" und Ritter hintendran. Boyd hingegen funktionierte bei uns herausragend stets und immer mit zwei Wingern, also insgesamt einem Spieler mehr um sich herum. Ich (und ggfs. auch er sowie ggfs. Teile der Mannschaft) konnte absolut nicht nachvollziehen, wieso wir unsere Spielidee in der Phase ohne Ache nicht entsprechend wieder auf Boyd, bzw. das "vorhandene" Personal angepasst haben.

Kaderchemie allgemein. Den erwähnten klaren Weg haben wir in die Winterpause irgendwie verlassen, mit der Spitze des Eisbergs als überhaupt zugelassen wurde, dass sowas wie die ominöse "Streichliste" aufkommt. Spieler, die quasi jede Woche in der Startelf stehen, und ich unterstelle aus Leistungsgründen, wurden hier ohne Not verunsichert.
Du kannst Lobinger abgeben und dafür Abiama holen.
Du kannst das Boyd-Gehalt in Stojikovic reinvestieren.
Du kannst zuvor mit Touré eine ohnehin offene Position hinten ersetzen.
Du kannst bei Durm sicher nach dem Preis-Leistungsverhältnis schauen und on top aufgrund des Entwicklungspotenzials so Ronstadt argumentieren.
Aber Durm ist noch da. Wenn du nicht schon aussortiert bist, darfst du nach ausgestandener Krankheit dann normalerweise schon auch mal in ein Trainingslager nachreisen..?
Simakala, ein Mann für die Außen. Ich dachte ja, als Ersatz, weil Opokus Knie hin ist. Aber Opoku ist ja fitt (Freude!). Für wen kommt Simakala? Für Hercher? Wie transferiere ich Hecke im Winter, wenn er auch schon wieder verletzt ist? Was ist denn überhaupt mit Zolinski, wir bezahlen ihm bereits wie lange Gehalt um ihn fitt zu halten?
Die Personalie Klement bleibt ein Rätsel. Es wird kaum einen innerhalb der Mannschaft geben, der bestreitet, dass ein Klement mit Selbstvertrauen am Ball die Nummer 1 im Kader ist. Wenn du es nicht auf die Spur bekommst, ihn einzubauen, dann musst du ihn transferieren.
Pucha ist seit seiner Blessur ein Schatten seiner selbst, wie kommt es dass Zuck als absoluter Stammspieler der letzten Saison hier nicht parat steht und Druck macht? Zuck, der sich privat ähnlich wie Boyd längst regional festgelegt hat!
Was ist mit Niehues? Erst gesetzt und entwickelt, dann kaderintern durch Tomiak auf seiner Position wieder abgesäbelt. Nun kommt, neben Aremu, noch ein Leihspieler. Wenn Niehues sich nicht nach einem neuen Klub umschaut, dann weiß ich auch nicht, aber will ich dann nicht versuchen, ein paar Euro Ablöse zu kassieren?
Kraus... Kraus! Jap, da waren definitiv ein paar Aussetzer dabei. Aber der absolute Abwehrchef spielt praktisch keine Rolle und dafür spielte mit Soldo ein Leihspieler, der ebenfalls keine überzeugende Balance zwischen Licht und Schatten findet. Gut, inzwischen Touré, was er macht ist mitunter schick. Mit Touré haben wir glaube ich noch keinen Ligapunkt geholt.
Die Liste lässt sich sicher noch ergänzen. Es sind einfach einige Fragezeichen rund um den Kader, die intern eben sicher auch aufploppen und bewusst oder unbewusst für Unruhe sorgen.
Anders gesagt: Es müssen jetzt zwingend Fakten geschaffen werden. Schluss mit dem Rumgeeier. Wenn tatsächlich ein paar schon "als Vorgriff" auf den Sommer geholt wurden, dann muss aussortiert werden, die zu vielen Unzufriedenen aus der Mannschaft geholt werden. Vertrag auflösen oder zweite Mannschaft, Ende. Wenn, dann konsequent, Herr Hengen.

Das ist einfach ein Führungskräfte-Thema. Und hier liegt der Hund wohl ursprünglich in der Uneinigkeit zwischen Hengen und Schuster begraben. Grundsätzlich ist das ja dann ok, wenn der Chef abschließend sagt wir finden keinen Weg, ich habe also die Konsequenz zu ziehen.
So ganz kann ich das Gefühl auch nicht leugnen, dass Hengen Druck von oben bekommen haben könnte, "schneller" zu entwickeln mit ein bisschen Größenwahn nach der guten Platzierung zum Saisonstart? Sei es drum, selbst wenn dem so wäre (reine Spekulation), braucht es eben einen Plan 1a, der kurzfristig die Anteilseigner befriedet, aber gleichzeitig nicht eine aufgebaute Bastion (Plan 1) wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lässt. Nochmal - Führungskräfte-Thema!

Aber was ist denn nun der Plan 2?
Soll Grammozis das feine Spiel weiterentwickeln? Jetzt, kurz vor dem Abgrund?

Was machen 9 von 10 Trainern, die eine Truppe wegen Abstiegsgefahr übernehmen? Hinten dicht. Klare Aufgabenverteilung. Stabile Strukturen führen zu Sicherheit und dann kommt, wenn der Kader qualitativ nicht überfordert ist, auch was bei rum.
Und was machen Grammozis und Hengen?

Hengen spricht von einer Weiterentwicklung des angefangenen Weges (Achtung, Kontinuität etwa? Ein Verein sucht Trainer nach Vereinsweg aus? Schon wieder Fußballmanager-Märchenwelt), ganz explizit der 3er Kette.
Grammozis geht hin und reiht eine verunsicherte Hintermannschaft einfach "kompakter", weiter vorne auf, teilweise an der verfluchten Mittellinie. Statt den Abwehrchef reinzuholen, baut er ohne Not eine Riesenhürde Namens Tempo. Und stellt Soldo, der prompt an der Mittellinie selbst überlaufen wird. ...Und.. Hält auch noch daran fest, also an der Aufstellungslinie.
Versichert, für Klement "eine Position zu suchen". Lässt plötzlich im Trainingslager eine 4er-Kette einüben, wird im Testspiel überrannt. Begründet die Entscheidung zur 4er-Kette (auch gar nicht so grundsätzlich abwegig), paar Tage später auf der PK vor Pauli relativiert er und deklariert die Systemfrage für unwichtig (welch Ironie, während zeitgleich Hürzeler wieder einmal Einblicke in sein System gibt).
Auf Pauli dann schließlich wieder 5 hinten, Klement nicht im Kader (keine Position gefunden?), aber aus der 5er-Kette heraus sollst Du vorne die drei IV des spielstärksten Teams der Liga pressen? Während 5 Mann hinten stehen?

Nein, nein, das ist wirr, da ist kein logischer Plan drin gerade.

Es kann und darf nur so sein, dass es dann in der Mannschaft kracht. Das ist dann noch ein Lebenszeichen. Ein Funken Wahrheit wird an den Gerüchten dran sein, wie viel davon im Detail richtig ist, ist für mich fast irrelevant.
Nun ist Führungsstärke gefragt.

Ich erwarte, dass diese Woche was passiert. Dass Mannschaft, Trainer und sportliche Führung einen Weg finden.
Wenn es kritische Stimmen aus der Truppe gibt, dann muss ich mich ihnen stellen. Schuster hat einst vorgemacht, wie man eine Truppe "abholt", als es um die Grundordnung für die Relegation ging. Einen ähnlichen Winkelzug erwarte ich nun von Grammozis und Hengen. Es geht nicht nur als Diktat von oben, du brauchst die volle Unterstützung der Jungs, die wollen. Damit diese die Mitläufer auf die richtige Spur ziehen.
Und die anderen Jungs, die nicht mehr wollen, können oder nicht mehr an ihre eigene Zukunft glauben, müssen weg von der Mannschaft.

Gegen Schalke muss zwingend eine Veränderung her. Die spielen eine enge Raute, haben on top ein Tempoproblem. Der HSV hat's vorgemacht, mit schnellen Außen sind die zu knacken. Wenn wir hier wieder mit 5 auf einer Linie hinten auflaufen und ohne Außenstürmer (genug im Kader hätten wir ja, wie es Hürzeler vor dem Spiel gegen uns analysiert hatte..), dann bin ich raus, dann versteh ich gar nix mehr und unterstelle, dass intern kein konstruktiver Austausch stattfindet.
Hinten endlich eine klare Struktur, wer gibt die Kommandos? Wer sichert ab? Doch nicht wieder die gleichen, die nach vorne Druck entwickeln sollen, oder?
Lasst endlich einen Ritter, Tachie, oder wie auch immer die Offensivkräfte heißen mögen, mal ohne Handbremse spielen. Bei uns gehen seit geraumer Zeit kaum Leute mit in die Offensive, wir haben überhaupt keine Flutung, alles verkrampft in einem Defensivdenken, das letztlich doch nicht funktioniert. Die fehlende taktische Linie habt ihr hier ja wunderbar mit der Heatmap des zentralen Raschls aufgezeigt. Unfassbar!

Aussprache, Knoten lösen, meinetwegen einen Saufen. Hätte im Trainingslager passieren müssen, aber hop.. Noch sind wir knapp über'm Strich.

Edit: Jetzt kam das Statement von Hengen an die Außenwelt. Wie gesagt, ich erwarte hier zwingend intern eine Wendung von den Führungskräften. Das eine schließt das andere ja zum Glück nicht aus und was intern passiert, bleibt hoffentlich intern - das Ergebnis werden wir Freitag ablesen können an Auftreten, Körpersprache etc.



Beitragvon BetzePower67 » 22.01.2024, 13:40


Allerdings präsentierte sich diese Fünferkette direkt so porös wie eine Säufernase in einem Manfred Deix-Cartoon.


Ich schmeiß mich weg. :lol: :lol: :lol:
Es gibt Leute, die denken, Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist. (Bill Shankly, Manager)



Beitragvon Tibon » 22.01.2024, 21:13


kl_trott hat geschrieben:Ich pack's mal hier rein, zum Taktik- und Strategiethema.


Super zusammengefasst. Kompliment! Man könnte aber auch ein winziges Wort nutzen: Aktionismus. So wirkt es jedenfalls auf den unbeteiligten Außenstehenden.

Und ich war so hoffnungsvoll, dass wir endlich mal das offene Kontinuitäts-Geheimnis nicht nur erkannt haben, sondern auch befolgen wollten. Mit punktuellen Verstärkungen.



Beitragvon Schulbu_1900 » 23.01.2024, 10:41


kl_trott hat geschrieben:Edit: Jetzt kam das Statement von Hengen an die Außenwelt. Wie gesagt, ich erwarte hier zwingend intern eine Wendung von den Führungskräften. Das eine schließt das andere ja zum Glück nicht aus und was intern passiert, bleibt hoffentlich intern - das Ergebnis werden wir Freitag ablesen können an Auftreten, Körpersprache etc.

Habe selten eine so treffende Zusammenfassung gelesen, mit der ich voll mitgehen kann. Dafür einen ganz fetten :daumen:
Dein Fazit sehe ich auch so, ansonsten kann der Name des Forums zum Programm werden. Zumindest von der Lautstärke her am Freitag...
Elf Freunde müsst Ihr sein

"Putin du A.....loch !!"
🇺🇦 🇺🇦 🇺🇦



Beitragvon Miggeblädsch » 23.01.2024, 19:58


Tibon hat geschrieben:
kl_trott hat geschrieben:Ich pack's mal hier rein, zum Taktik- und Strategiethema.


Super zusammengefasst. Kompliment! ...


... da schließe ich mich an. Klasse Beitrag von @kl_trott :daumen:
Jetzt geht's los :teufel2:



Beitragvon Phantom888 » 23.01.2024, 22:23


Bin ebenfalls fasziniert von dieser sehr guten Analyse!
Ich hoffe diese liest ein Verantwortlicher z.b. Hengen und er wacht auf.
Die schlechte Stimmung ist Hausgemacht und nun muss konsequent gehandelt werden.
Alle Spieler die keine Zukunft haben ab in die Trainingsgruppe 2 und von der Mannschaft isolieren und asap loswerden.
Alle anderen sollen Gas geben und wieder zu einem verschworenen Haufen werden.



Beitragvon Ha_Jo » 23.01.2024, 23:48


@kl_trott
auch von mir beide Daumen hoch, für Deinen post! :daumen: :daumen:
- Was mich jetzt noch sehr interessieren würde, was passiert bei den
Video-Analysen der Spiele?? Ist die Mannschaft nicht dabei?? Spätestens
zu diesem Zeitpunkt, sollte dann doch so etwas wie ‚Selbst-Reflektion‘ einsetzen!
Diese, verdammt noch mal, ich will jetzt besser werden, Einstellung vermisse ich bei vielen Spielern! Fehlpassorgien endlich abstellen, meine Herren!!!
- Mann bin ich bedient, wie sich unsere Profimannschaft und deren Verantwortliche darstellen!

Und trotz allem, nur der FCK! :teufel2:
"Ich lass‘ mir doch von der Realität nicht vorschreiben, was ich wahrnehme!‘



Beitragvon Kohlmeyer » 27.01.2024, 16:30


Ein zuletzt seltenes Gefühl, deshalb umso schöner - unsere Nachlese zum FCK-Sieg:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-S04
Die DBB-Analyse: Ache öffnet die Ketchup-Flasche


Endlich wieder ein Sieg. Der 1. FC Kaiserslautern schlägt Schalke 04 deutlich 4:1. Ob das nur die Schwalbe war, die noch keinen Sommer macht? So ein bisschen was, das dauerhaft in eine bessere Zukunft führen könnte, war schon zu erkennen.

4:1 gewonnen. Nach "Wyscouts" xGoals 3,09 : 1,18, laut "bundesliga.de" & Co. 2,06 : 0.90. Nach Torabschlüssen im Strafraum 9:4. Nach Ecken ebenfalls 4:1. Zahlen, die belegen: Ein rundum verdienter Sieg. Zwei Treffer haben Einwechselspieler erzielt. Das erinnert an die guten Tage unter Trainer Dirk Schuster. Ebenso der Ballbesitzwert, der mit nur 40 Prozent angegeben ist. Hat Dimitrios Grammozis etwa den "Schusterball" wiederbelebt, um die längste Niederlagenserie der Vereinsgeschichte zu beenden?

Hat er nicht. Der FCK pflegt nun einen wesentlich laufintensiveren Stil. 118 Kilometer hat das Team auch diesmal wieder zurückgelegt, unter Schuster waren es fast durchweg mindestens vier Kilometer weniger. Wie unter Grammozis' Vorgänger presst das Team zwar auch weiterhin nicht unbedingt hoch, rückt mit der Abwehrreihe aber wesentlich höher auf, so dass die Elf insgesamt besser kompakter steht. Phasenweise jedenfalls, denn die Verteidigungslinie über die gesamte Spieldauer zum Teil drastisch varriiert, wie die Zick-Zack-Linie dieser "Wyscout"-Visualisierung verdeutlicht:

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Die Mannschaft spielt auch nach wie vor früh den tiefen Ball. Nur neun Sekunden dauerte in dieser Partie eine Lautrer Ballbesitzphase im Schnitt - gegen einen Gegner wohlgemerkt, der nur in kurzen Phasen wirklich Druck machte. Außerdem lag der FCK über 70 Minuten des Spiels in Front. Wodurch die zurückliegende Mannschaft aufgerufen war, mit dem Ball aktiver zu sein - und der niedrige Ballbesitzwert der Heimelf ebenfalls erklärt ist.

"A lot of belief, a lot of intensity"

Es war allerdings nicht der Erfolg einer geänderten Spielanlage, der die Roten Teufel gewinnen ließ. Sondern unterm Strich waren es halt doch die berühmten "Basics": Wille, Kampfgeist, Entschlossenheit, ebenso eine über 90 Minuten plus x höhere Konzentrationsfähigkeit. Darüber waren sich im Prinzip auch beide Trainer hinterher einig, wobei der Englisch sprechende Schalke-Coach Karel Geraerts anschaulicher formulierte: "A lot of belief, a lot of intensity" habe der Gegner spüren lassen - und seinem Team gefehlt.

Aber: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, werden die Freunde bewährter Fußball-Phrasen jetzt einwerfen. Und das nicht zu unrecht: Mit einem überzeugenden Sieg nach zuvor acht Niederlagen in neun Spielen ist der FCK noch lange nicht gerettet. Daher Vorsicht mit Lobgesängen. Es darf aber auf ein paar Punkte hingewiesen, die Fingerzeige in eine bessere Zukunft sein könnten, aber auch Warnzeichen.

Ach, Ache: Keiner steigt und köpft wie du

Punkt 1: Heißt einfach nur Ragnar Ache. Erstmals seit dem 3:4 in Düsseldorf am 10. Spieltag wieder von Anfang an dabei, und schon wird wieder gewonnen. Und Ache steuert zwei Treffer bei. Andererseits ist es fast besorgniserregend, wie abhängig die FCK-Offensive von ihm ist. Er darf sich einfach nicht mehr verletzen. Diesmal ging er nach 61 Minuten vom Platz, auf eigenen Wunsch, wie er bei Handzeichen signalisierte. Anscheinend wegen einer Blessur an der Hand, die aber wohl nichts Ernstes ist.

Aches erster Einschuss war ein Abstauber, wie ihn wohl auch andere hinkriegen. Marlon Ritter zirkelte ein Freistoß aus halblinker Position aufs lange Eck. Das verdrehte Ding war für Schalke-Keeper Ralf Fährmann zwar leicht haltbar, ließ sich jedoch nicht festhalten.

Aber Aches Timing und Körperhaltung bei seinem Treffer zum 2:1 - so geht im Betze-Kader sonst keiner zum Kopfball, und auch in der gesamten 2. Bundesliga kaum jemand. Gelobt werden darf aber auch Flankengeber Richmond Tachie, der einen langen Ball in die Tiefe im Vollsprint mit dem ersten Ballkontakt in den Strafraum löffelte.

Und gespielt hatte diesen präzisen 50-Meter-Pass wer? Neuzugang Filip Kaloc.

Kaloc und Niehues - Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Punkt 2: die neue Mittelfeldzentrale. Grammozis stellte Kaloc diesmal Julian Niehues zur Seite. Zwei 1,90 Meter-Hünen nebeneinander, das mutet an, als sei vor der Abwehr-Dreierkette erstmal körperliche Robustheit und sonst gar nichts gefragt. Stimmt so aber nicht. Kaloc und Niehues eint zwar ihr Gardemaß, doch unterscheiden sie sich in ihre Spielweise. Kaloc hält mehr die Mitte als Niehues, der öfter auf die Seiten ausweicht. Kalocs Passquote insgesamt ist mit 68 Prozent zwar nur unwesentlich höher als die seines Nebenmanns (64 Prozent), doch bei den kurzen und mittellangen Pässen ist die Differenz höher, und das sind die, die Ruhe ins Spiel bringen. Da verzeichnet Kaloc 76 Prozent Präzision, Niehues 68 Prozent. Dass die Werte für zentrale Mittelfeldspieler generell nicht sehr hoch sind, lag daran, dass das FCK-Spiel, wie schon gesagt, generell darauf angelegt war, früh den tiefen Ball zu suchen.

Niehues gefiel dafür einmal mehr mit seiner Zweikampfstärke, gewann 89 Prozent seiner Defensiv-Zweikämpfe. Da muss Kaloc noch zulegen (69 Prozent). Im Zusammenspiel könnten sich dabei auf Sicht zu einer "Holding Six" ergänzen, wie sie er FCK schon lange sucht: Konsequent im Abräumen vor der Abwehr, aber auch mit kontrolliertem Aufbauspiel. Schade, dass Niehues' ausgerechnet jetzt wegen seiner fünften Gelben Karte in der Liga gegen Elversberg aussetzen muss. Aber vorher steht ja erst noch das DFB-Pokal-Viertelfinale in Berlin an, dort darf der 22-Jährige, mit dem der FCK sich um eine Vertragsverlängerung bemüht, nochmal ran.

Debütant Ronstadt: Mindestens eine Alternative zu Zimmer

Punkt 3: Frank Ronstadt. Kapitän Jean Zimmer ist nach seiner Muskelverletzung von vor der Winterpause nicht bei hundert Prozent, musste deshalb auf die Bank, nahm das aber vorbildlich auf und stellte sich in den Dienst der Mannschaft, wie Grammozis ausdrücklich betonte. Und Stellvertreter Frank Ronstadt überzeugte. Nicht unbedingt als Kampfsau (57 Prozent gewonnene Zweikämpfe in der Defensive) oder Flankengott (von drei Flanken kam nur eine an), aber als verlässliche Anspielstation: 79 Prozent Passquote insgesamt, 88 Prozent bei kurzen und mittellangen Pässen. Zum Vergleich: Zimmers Pässe erreichten auf St. Pauli 65 Prozent Präzision, die kurzen und mittellangen 73 Prozent.

Okay, der Tabellenführer war der schwerere Gegner, doch etwas aussagekräftig dürfte der Vergleich schon sein. Ob Ronstadt in dieser Englischen Woche nun durchgehend den Vorzug vor dem Capitano erhält, wird man sehen. Auf jeden Fall könnte Grammozis auf der Position nun eine starke Alternative haben.

Stojilkovic und Opoku treffen, Simakala beinahe

Punkt 4: die Einwechselspieler. Filip Stojilkovic kam nach 61 Minuten für Ache. In Minute 67 markierte er das 3:1. Auch noch mit dem Kopf, was eigentlich gar nicht seine Stärke ist. Dass Aaron Opoku so unwiderstehlich von der linken Seite in die Mitte ziehen und abschließen kann, wie er es bei seinem 4:1 tat, wusste man dagegen. Nur gezeigt hatte er es schon lange nicht mehr. Wenn ihn der Wettbewerbsdruck beflügelt hat, den Sportchef Thomas Hengen mit seiner Transferoffensive in der Winterpause bewirken wollte - dann scheint die Rechnung tatsächlich aufzugehen. Der dritte eingewechselte Offensivspieler, Chance Simakala, hätte in der Schlussphase ums Haar noch das 5:1 gemacht. Sein schön verzögerter Schieber auf Zuspiel von Opoku strich jedoch knapp am Tor vorbei.

Auch Touré wurde auf der linken Abwehrseite nicht froh

Punkt 5: Stojilkovic hatte seinen Kopfballtreffer übrigens nach einer Linksflanke erzielt, die von wem kam? Von Boris Tomiak.

Der gab eigentlich den zentralen Mann in der Dreier-Abwehrkette, war nur mal eben mit aufgerückt. Die Torvorlage setzte im Grunde lediglich das i-Tüpfelchen auf eine starke Leistung. Tomiak ist nun mal schneller im Antritt als Kevin Kraus oder Nikola Soldo, die ebenfalls schon den mittleren Innenverteidiger gaben. Und bei einigen seiner Rettungstaten war gut zu sehen, was ein paar km/h mehr ausmachen.

Sorgen macht allerdings weiter die Besetzung des linken Innenverteidiger-Postens. Nachdem Jan Elvedi dort keine glückliche Figur abgegeben hatte, stellte Grammozis diesmal Almamy Touré auf diese Seite. Doch auch der wurde da nicht froh. Vor dem 1:1-Ausgleich der Schalker lief ihm der frisch eingewechselte Wintertransfer Darko Churlinov davon. Nur 73 Prozent von Tourés Vorwärtspässen kamen an. Das mag ein Durchschnittswert sein, er aber kann das besser. Vielleicht gelingt Hengen in den verbleibenden Tagen, in denen das Wintertransferfenster noch geöffnet, ja auch auf dieser Position noch ein Nachschlag.

Vorsicht vor dem Ketchup-Gleichnis

Daniel Hanslik, auf St. Pauli noch in der Startelf, diesmal nicht im Kader, hatte in einem "Rheinpfalz"-Interview unter der Woche ebenfalls mal die Ketchup-Metapher bemüht, die mittlerweile überall gebraucht wird, wo gerade Torflaute herrscht. Vielleicht käme ja lange Zeit nichts, dann aber plötzlich alles auf einmal, wie bei einer Ketchup-Flasche halt, orakelte der Stürmer.

Vier Treffer gegen Schalke, nachdem in sieben Partien zuvor nur vier Törchen geglückt - das klingt, als habe das Gleichnis gepasst. Aber wie alle Bildvergleiche sollte auch dieser nicht überstrapaziert werden. Erstens versauen Ketchup-Flaschen, die sich plötzlich und explosiv entleeren, die Mahlzeit - und außerdem könnte die Flasche hinterher schon wieder leer sein. Also warten wir erstmal ab, wie es jetzt weitergeht.

Die Duelle: Lautern siegt da, wo gesiegt werden muss

Zu den Grafiken. Die xGoals-Timeline bestätigt, wie schon erwähnt, den verdienten Erfolg der Roten Teufel.

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Die Positions- und Passgrafik des Grammozis-Teams belegt unter anderem, wie gut Debütant Ronstadt ins Passspiel einbezogen war.

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Die Passmap der Schalker: Das sieht durchaus nach Fußball aus. Aber "Belief and Intensity", wie Coach Geraerts es ausdrückte, lassen sich grafisch nun mal nicht darstellen.

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Die Überkreuztabelle der geführten Duelle. Der FCK gewann da, wo es drauf ankommt: in der Defensive. Vor allem Schalkes Topscorer Karaman wurde mit vereinten Kräften ordentlich zugesetzt. Besonders stark diesmal Elvedi, der auf seine bevorzugte rechte Innenverteidiger-Seite zurückkehren durfte. Ordentlich da steht auch Tymo Puchacz, dessen Abwehrverhalten zuletzt oft Anlass zur Sorge gab.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon RedGlory » 27.01.2024, 19:33


Naja, jetzt vergleicht mal die Passquote von Ronstadt mit der dargestellten Passgrafik. Die Passquote ist besser, da die Pässe nach hinten oder zur Seite gingenv- nach vorne kam nix wie es die Grafik zeigt - bzw. diese Pässe kamen eben nicht an.

Ansonsten habe ich schon richtig analysiert, dass Niehues besser in den Zweikämpfen war als Kaloc. Jedoch muss man sagen, dass Kaloc deutlich mehr angelaufen und damit in deutlich mehr Zweikämpfe verwickelt war. Das darf man nicht vergessen.
"Kaiserslautern gehört zur ersten Liga der
deutschen Fußballklubs." Mehmet Scholl
:schal: :doppelhalter:



Beitragvon Olamaschafubago » 28.01.2024, 05:37


@RedGlory: Dass es weniger Zuspiele auf Tachie gab, lag auch daran, dass dieser viel mehr in der Mitte unterwegs war als z.B. noch gegen St. Pauli. Dass bei Flanken noch Luft nach oben besteht, hat Kohlmeyer ja schon angesprochen, allerdings sind mir bei Zimmer auch einige riskante Fehlpässe in der Vorwärtsbewegung in Erinnerung. Wie ebenfalls in der Taktikanalyse erwähnt, hat er dafür saubere kurze und mittellange Pässe gespielt, laut Passgrafik vor allem auf Kaloc, über den als Ballverteiler im Zentrum auch viele wichtige Angriffe eingeleitet wurden. Viel wichtiger ist m.E. allerdings, dass er die rechte Seite konzentriert verteidigt und dicht gehalten bekommen hat. Natürlich hat man ihm die fehlende Spielpraxis und Bindung insbesondere in der ersten Halbzeit noch angemerkt, es war für ihn ja auch das erste Mal vor ausverkauftem Betze, aber wenn Zimmer (und ich bin beileibe kein "Basher") sich defensiv nicht stabilisiert, sehe ich Ronstadt da mittelfristig vorne.

@Kohlmeyer: Gute Analyse wie immer, nur eine Kleinigkeit: "belief", der Glaube/die Überzeugung, wird im Englischen als Substantiv mit f geschrieben, die Endung -ve gilt nur für das Verb.



Beitragvon Kohlmeyer » 01.02.2024, 14:49


Berlin, Berlin ... hier kommt unsere sportliche und taktische Detail-Analyse aus Berlin:

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Taktik-Nachlese zum Spiel Hertha-FCK
Die DBB-Analyse: Elvedi zerstört den Berliner Traum


Die Hertha hatte sich das so schön vorgestellt. Ein "Finale daheim" schien möglich. Doch die Roten Teufel bescherten der Alten Dame ein böses Erwachen. 1:3 hieß es am Ende. Weil die Gäste taktisch und mental das bessere Team stellten.

Seit dieser Saison ist Hertha BSC nur noch Zweitligist. Hatte es jedoch ins Viertelfinale des DFB-Pokals geschafft, in dem heuer nahezu alle Schwergewichte bereits eliminiert sind. Kein Wunder, dass dieser Umstand in der Hauptstadt Hoffnungen auf ein "Finale daheim" in Berlin schürte, denn eine solche Chance wird sich vielleicht so schnell nicht wieder auftun.

Und: Die Berliner hätten damit einen großen Herzenswunsch ihres kürzlich verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein erfüllt. Kann es eine ehrbarere Verpflichtung geben zu siegen? Zuhause, vor eigenem Publikum, im ausverkauften Olympiastadion, vor 74.275 Zuschauern, von denen über 60.000 den gleichen großen Traum träumen? Unter diesen Voraussetzungen musste der doch einfach Wirklichkeit werden.

Doch wie formulierte der große Philosoph Jean-Paul Sartre es einst für die Ewigkeit? "Im Fußball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft."

Die gegnerische Mannschaft war in diesem Fall der 1. FC Kaiserslautern. Doch dass der irgendwas "verkompliziert" hätte, lässt sich, streng genommen, so gar nicht sagen. Die Roten Teufel zerstörten den großen Berliner Traum, weil sie entschlossener waren, mit mehr Zielstrebigkeit nach vorne spielten und den besseren Matchplan hatten. Oder auch mit mehr "Belief and Intensity", wie Schalke-Trainer Karel Geraerts sagen würde. Also ganz einfach eigentlich.

Torschütze, Torverhinderer und diesmal auch spielstark: Jan Elvedi

Sicher, ein bisschen Glück war auch dabei. Als Tymo Puchacz in der 5. Minute nach einer zu kurz abgewehrte Freistoßflanke von Marlon Ritter mit seinem starken linken Fuß gegen den Ball tritt, will er wohl das Tor treffen. Das leicht verzogene Leder landet jedoch vor den Füßen von Jan Elvedi - und der netzt ein.

Ein solcher früher Treffer stellte natürlich Weichen. Die gewaltige blau-weiße Kulisse wirkte bedrückt - und für ihre Elf bedrückend: "Die vielen Zuschauer haben uns blockiert", erklärte Hertha-Trainer Pal Dardai hinterher. Dafür waren die 10.000 FCK-Fans im Olympiastadion umso lauter.

Am stärksten stimuliert hatte das frühe Tor jedoch den Schützen selbst. Jan Elvedi machte sein bislang bestes Spiel im FCK-Dress. Mindestens genauso wichtig wie sein Treffer war seine Rettungstat in der 40. Minute gegen Florian Niederlechner. Herthas Offensivspieler ist nach einem Steilpass durch und steht unmittelbar davor, elf Meter vor Florian Krahls Kasten abzuschließen - doch Elvedi setzt in letzter Millisekunde seine Grätsche so sauber und präzise wie ein Chirurg sein Skalpell bei einer Operation am offenen Herzen.

Auch spielerisch war der Schweizer diesmal gut unterwegs. Mit 88 Prozent Passquote präsentierte er sich ballsicherer als seine Nebenleute Boris Tomiak und Almamy Touré. Normalerweise wird dem Schweizer nachgesagt, dass er der grobmotorischste dieses Trios ist. Auch im Schlagen von Langholz war er diesmal der beste Innenverteidiger. Von seinen sieben langen Bällen kamen fünf an. Am dritten Lautrer Treffer war Elvedi ebenfalls beteiligt. Er attackierte den eingewechselten Andreas Bouchalakis, worauf dieser sich einen haarsträubenden Fehlpass in der eigenen Hälfte leistete.

Dass Elvedi auch Fabian Reeses späten Gegentreffer ermöglichte, weil er eine weite Flanke unglücklich mit dem Kopf verlängerte und so ein Abseits aufhob - geschenkt.

Krahl, Tomiak, Kaloc/Niehues, Ritter: Die Achse überzeugte

Herauszuheben sind jedoch noch einige andere Betze-Buben: Marlon Ritter etwa, der mit einem schnellen Diagonalpass das 2:0 durch Richmond Tachie. Ohnehin eine Aktion, die - simpel, aber zielgerichtet - symptomatisch fürs Spiel des FCK war: Hertha-Keeper Marius Gersbeck schlägt ab, der Ball wird an der Mittellinie abgepflückt, direkt in die gegnerische Hälfte retourniert, landet bei Ritter, Pass auf Tachie, Tor.

Ritter war auch sonst wieder der umtriebigste Dampfmacher, hätte schon kurz nach der Pause auf 3:0 stellen können. Im Halbzeit-Interview mit "Sky" empfahl der gebürtige Lautrer und heutige Wahl-Berliner Mark Forster "MR7" sogar der Deutschen Nationalmannschaft. War vielleicht gar nicht so scherzhaft gemeint, wie es sich anhört. Wobei Ritter später darauf angesprochen souverän lächelnd antwortete: "Mark sollte bei der Musik bleiben, von Fußball hat er nicht so viel Ahnung."

Oder Keeper Julian Krahl, der die wenigen Torschüsse, die die Hertha aufs Tor brachte, souverän parierte, vor allem deren einzige Großchance vereitelte - in der 48. Minute gegen Haris Tabakovic. Ein Gegentreffer zu diesem Zeitpunkt, beim Stand von 2:0 - wer weiß, was der nochmal an Kräften beim Gastgeber freigesetzt hätte.

Oder, wie schon vergangenen Freitag beim 4:1-Sieg gegen Schalke, das neue zentrale Mittelfeldduo Filip Kaloc/Julian Niehues. Beide überzeugten mit Kampfstärke, Kaloc markierte den Treffer zum 3:0, im Gegensatz zum Schalke-Spiel aber war diesmal Niehues mehr "ordnendere Hand" als der Tscheche. Mit 75 Prozent Passgenauigkeit übertraf er seinen Nebenmann (56 Prozent) deutlich.

Oder Boris Tomiak, erneut als zentraler Innenverteidiger der Dreierkette unterwegs. Ein echter Abwehrchef. 23 Ballgewinne hat "Wyscout" für ihn verzeichnet, zehn mehr als im Durchschnitt seiner letzten fünf Spiele.

Kompakt, konzentriert und mit Mut zur frühen Attacke

Trotz all des Sonderlobs aber war es eine geschlossene Mannschaftsleistung, die diesen Viertelfinalsieg möglich machte. Im wahrsten Sinne des Wortes. So kompakt und konzentriert gegen den Ball verschoben hatte sich ein FCK-Team zuletzt Ende Oktober noch unter Dirk Schuster beim 3:2 im DFB-Pokal gegen Bundesligist Köln, allerdings nur 70 Minuten lang. In dieser Partie hielt die Elf auf dem Platz die kurzen Abstände bis zum Schluss.

Gewackelt hat in der ersten Hälfte lediglich die linke Abwehrseite mit Puchacz und Touré. Und in der zweiten Hälfte die rechte, als Dardai Flügelstürmer Fabian Reese brachte und seine Elf in ein 4-2-3-1 umformierte. Dass er mit Dreierkette begonnen hatte, stieß ohnehin bei vielen regelmäßigen Hertha-Beobachtern auf Kritik, denn in dieser Grundordnung waren die Berliner schon öfter nicht zurechtgekommen. Auch Dimitrios Grammozis gab an, davon überrascht geworden zu sein.

Die Pfälzer bekamen die Partie jedoch auch nach dem Wechsel wieder in den Griff. Zum einen, weil der angeschlagene Frank Ronstadt hinausging und Nachrücker Jean Zimmer Reese energischer, wenn auch nicht immer erfolgreich bekämpfte. Zum anderen, weil der FCK sein 3-4-1-2 in ein 5-4-1 verschob, um die Seiten besser dicht zu bekommen. Von daher machte auch die Einwechslung des linken Flügelmannes Aaron Opoku für Ritter Sinn. Außerdem kamen Filip Stojlkovic für Tachie und kurz vor Schluss Dickson Abiama für Ragnar Ache. Der diesmal ohne Treffer blieb, aber als Teil eines funktionierenden Mannschaftsgefüges ordentlich mitackerte.

Im Vorwärtsverteidigen hatten die Roten Teufel gegenüber dem Schalke-Spiel ebenfalls nochmal zugelegt. Trotz der frühen Führung jagten sie die Berliner Abwehrspieler bisweilen auch am eigenen Strafraum. Da wird immer mehr die Handschrift eines neuen Trainers erkennbar.

Die Daten täuschen: Es war ein verdienter Sieg

Von der "Ballbesitzquote" sollte man sich da nicht auch nicht täuschen lassen. Die wird diesmal mit nur 32 Prozent angegeben, was selbst für Grammozis-Vorgänger Dirk Schuster ein Tiefstwert gewesen wäre. Was aber nicht an einer zurückgezogenen Spielweise liegt, sondern daran, dass der neue Coach noch direkter und vertikaler spielen lässt. Im Schnitt dauerte ein Lautrer Ballbesitz diesmal nur acht Sekunden - das ist nochmal eine Sekunde weniger als im Schalke-Spiel.

Andere statistische Werte könnten ebenso den Eindruck erwecken, dass der Auswärtssieg ein wenig glücklich war. War er aber nicht. Selbst wenn die xG-Timeline Hertha als wahrscheinlicheren Gewinner ausweist:

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Oder die Positions- und Passgrafik: Die sieht so aus, als hätten manche Rote gar nicht miteinander gespielt. Haben sie aber. Nur halt mit wenig Ballkontakten, schnell nach vorne. Und keinesfalls defensiv.

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Zum Vergleich die Berliner Passmap: So richtiges Flügelspiel fand da erst nach der Pause statt. Warum's Dardai damit nicht gleich versuchte, muss man ihn fragen.

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Und zum Schluss die Überkreuztabelle der geführten Duelle. Okay, die Berliner gewannen unterm Strich mehr Zweikämpfe. Aber die Roten Teufel gewannen ihre auf den zentralen Positionen: Elvedi, Tomiak, Kaloc, Niehues, Ritter.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon crombie » 01.02.2024, 16:35


Weshalb jetzt auch noch hier dieser unglücklicher Titel/Überschrift?

Wir haben nicht den Traum, die Chance oder sonstwas von Hertha zerstört, wir haben das Spiel und UNSERE Chancen und Träume gewahrt & umgesetzt.

Es reicht doch, dass (fast) alle anderen Medien nur aus der Perspektive von Hertha berichten...

Ansonsten bin ich raus, von Taktik hab ich keine Ahnung. Einfach nur VORWÄRTS ... immer weiter VORWÄRTS!!! :teufel2:
"Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben."
Fritz Walter


SUCHE: VfB & FCK T-Shirt, dass ich mal auf der Süd in Block 6(?) gesehen habe. Ultras? Bitte PN, danke!



Beitragvon RedGlory » 01.02.2024, 19:09


Danke ans dbb Team für diese tolle Rubrik mit den ganzen Daten.
"Kaiserslautern gehört zur ersten Liga der
deutschen Fußballklubs." Mehmet Scholl
:schal: :doppelhalter:



Beitragvon Ktown2Xberg » 01.02.2024, 19:23


Auch von mir wieder ein Dankeschön für die starke Analyse.

In Berlin ist Dardai-Kritik ein steter Reflex — allerdings fand ich die erste Hälfte von denen taktisch auch recht seltsam. Ob das gewollt war dass Tabakovic meist quasi Rechtsaußen spielt weil Niederlechner seinen Raum besetzt weiß ich nicht — was aber definitiv Plan zu sein schien war gewonnene Bälle direkt hoch auf unsere 3er-Kette zu schlagen. Dabei standen wir wie oben ausgeführt gar nicht so hoch dass da viele Durchstöße zu erwarten waren. Zwar haben unsere die Dinger meist kurz ins Mittelfeld geköpft — aber obwohl Hertha eigentlich vor allem das Zentrum verdichtet hat haben die fast keinen zweiten Ball gezogen. Trotzdem ging das munter 45min so — was umso mehr verwundert, weil man gegen eine 3er-Kette eigentlich das Spiel breit machen will.

Egal, gut für uns — und umso wichtiger dass mit Kaloc und Jule das DM endlich mal stabil ist.

Vor Weihnachten hieß es noch überall Dardai hätte Dimi abgekocht — jetzt sagen die Herthaner das gleiche umgekehrt. Dit is Fußball :D



Beitragvon SuperMario » 02.02.2024, 08:34


Warum Dardai nicht gleich in der ersten Hälfte über die Flügel spielen lassen hat, wie hier gefragt wurde, hat er in der PK gesagt: er war der Auffassung, dass er durch den Ausfall von Reese nicht beide Flügel hochkarätig besetzen könnte. Daher wollte er in der ersten Hälfte etwas anderes anbieten, um dann wieder die erfolgreiche Formation bringen zu können.

Sollte man bei aller Euphorie für diesen verdienten und auch deshalb wertvollen Sieg nicht außer Acht lassen: nach Angaben von Dardai hat es wohl zuletzt einige Infektionen im Team gegeben, sodass einige Spieler regelrecht mit Vitaminen etc. fitgemacht werden mussten. Klingt banal aber logisch als Erklärung, dass die Intensität bei Hertha einfach nicht im gleichen Maße vorliegen konnte wie bei uns.

Damit will ich unsre Leistung nicht kleiner reden, das war schon echt gut. Aber ein bisschen einsortieren hilft vielleicht bei nächsten Unentschieden und Niederlagen besser, solche anzunehmen. So oder so haben wir am Mittwoch nicht viel falsch gemacht. Und das ist absolut positiv.
Cogito, ergo sum!



Beitragvon Hellboy » 02.02.2024, 12:19


Dardai ist für mich ein Schönredner. Wenn der unser Trainer wär... ich würd mich nur aufregen. Jetzt führt er irgendwelche Infektionskrankheiten als Grund an.

Viel entscheidender war doch:

* Er hat sich in der Systemfrage vercoacht und es viel zu spät korrigiert.
* Er hat zusätzlich zu den Umstellungen in der Abwehrreihe auch noch einen Torwart ohne Spielpraxis gebracht.
* Man hat den Gegner nicht so 100% ernst genommen, und dachte, der FCK zu Hause wäre quasi das Freilos fürs Halbfinale.
* Die Mannschaft hat dem Druck der Situation nicht standgehalten.
* Die Mannschaft hat sich von uns den Schneid abkaufen lassen.
* Die Mannschaft hat nach dem 3:0 mental nichts mehr auf den Platz gebracht.
* Wir waren sau-gut.

Und da kommt er mit "Viele Spieler waren krank" als Ausrede um die Ecke. Ja, das hat bestimmt auch ein paar Prozent dazu beigetragen...
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