Neuigkeiten und Pressemeldungen zum 1. FC Kaiserslautern.

Beitragvon Kohlmeyer » 11.03.2024, 14:45


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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-VfL
Die DBB-Analyse: Funkel nutzt seine(n) Chance


Drama, Baby. Beim 3:2 des 1. FC Kaiserslautern gegen den VfL Osnabrück durften end­lich mal wieder alle Höhen und Tiefen durchlebt werden, die einen Betzenberg-Besuch so geil machen. Einige Schlüsse müssen aber auch ganz nüchtern gezogen werden.

Ja, das war wieder mal große Oper, die da im Fritz-Walter-Stadion geboten wurde, und es fehlt auch nicht an Helden, über die nun Arien geschmettert werden dürfen. Einmal mehr natürlich über Ragnar Ache, der seinen drei Treffern beim 3:0 in Rostock direkt zwei weitere folgen ließ, darunter den entscheidenden zum 3:2 in der Nachspielzeit. 14 Treffer hat der Stürmer nun erzielt. Und im Gegensatz zu seinen Nachbarn in der Torschützenliste der Zweiten Liga musste er diese in nur 19 Einsätzen markieren. Das bedeutet: Im Schnitt ein Tor alle 89 Minuten, also eines in jedem Spiel. Und wenn man sich dann noch anschaut, wie er seine Buden macht ...

Nein, wir werden uns jetzt nicht in Spekulationen ergehen, wie lange der 25-Jährige noch am Betzenberg gehalten werden kann. Wir zitieren lediglich Osnabrücks Trainer Uwe Koschinat: "Es grenzt an Wettbewerbsverzerrung, dass der in der Zweiten Liga unterwegs ist."

Ein Sieg, der stark macht für den Rest der Runde

Die zweite Heldengeschichte ist ein wenig vertrackter. Sie erzählt von Chance Simakala. Dem Mann, der den VfL Osnabrück vergangene Saison mit 19 Treffern und sieben Vorlagen in die 2. Bundesliga schoss. Der anschließend zu Holstein Kiel wechselte, dort aber nicht recht zum Zuge kam. Den der VfL in Winterpause gerne zurückgeholt hätte, wäre nicht der FCK dazwischen gegrätscht. Der in Kaiserslautern aber auch nicht zum Zuge kam, von Trainer Friedhelm Funkel in den ersten drei Partien seiner Amtszeit nicht mal in den Spieltagskader berufen worden war. Der an diesem Sonntag aber eingewechselt wurde - und mit einem Traumtor den zweiten Rückstand egalisierte, den sich sein Team eingehandelt hatte.

Womit auch schon angesprochen wäre, weswegen dieser zweite Sieg in Folge so ungleich wichtiger als der davor. An der Ostsee spielte den Betze-Buben ein früher eigener Treffer und, noch in der ersten Hälfte, ein Platzverweis für die Gastgeber in die Karten. Diesmal wurden die Roten Teufel gleich zweimal auf die Verliererstraße geschossen, beide Male in der zweiten Hälfte, in der sie in dieser Saison viel zu oft schon empfindlich abgebaut hatten. Diesmal aber fanden sie beide Male zurück in die Partie - und bescherten sich in der Nachspielzeit sogar noch ein Happy End. Das sind Erfolgserlebnisse, die stark machen für die Rest der Runde. Und die auch dringend notwendig sind: Denn der Abstiegskampf ist noch lange nicht entschieden.

Liga zwei ist zähes Gewerk - auch gegen einen Tabellenletzten

Bei allen Emotionen, die 42.008 Zuschauer auf dem Betzenberg durchleben und durchleiden durften, muss nach diesem 3:2 nämlich auch ganz nüchtern festgehalten werden: Dieses Spiel war ein Lehrbeispiel dafür, was für ein zähes Gewerk diese 2. Bundesliga ist. Weil kaum ein Team über die spielerischen Mittel verfügt, einen Gegner zu bespielen, der die ballführende Mannschaft in geschlossener Ordnung und mit voller Konzentration erwartet. Tore müssen dann eben über ruhende Bälle erzielt werden. Und diese beherrscht ein Tabellenletzter unter Umständen genauso gut wie ein potenzieller Aufsteiger. Drum kann jede Partie in beide Richtungen laufen, und daran wird sich auch für den FCK bis zum 34. Spieltag nichts ändern.

Exemplarisch war die erste Hälfte, in der sich noch lange nicht das Drama abzeichnete, das sich in den zweiten 45 Minuten abspielen sollte. Die Lautrer positionierten sich so, wie es unter Friedhelm Funkel nun die Regel zu werden scheint. Bei gegnerischem Ballbesitz steht die Vierer-Abwehrkette hoch, ungefähr zehn Meter hinter der Mittellinie. Ungefähr zehn Meter davor lauern vier Offensive - Marlon Ritter schiebt sich zu Ache in die Spitze, außen warten Aaron Opoku und Kenny Redondo. Aggressiv nach vorne gepresst wird jedoch nicht, sondern abgewartet, bis der Ball in den kompakt stehenden Block gespielt wird, wo er erobert und möglichst direkt nach vorne gespielt werden soll.

Umschaltspiel klappte in Ansätzen, Kombinationsspiel kaum

Das klappte in der ersten Halbzeit auch zwei, drei Mal recht vielversprechend. Ache wäre nach zehn Minuten beinahe durch gewesen, legte sich den Ball aber zu weit vor, später ging Tymo Puchacz nach einer schnellen Vorlage Ritters auf der linken Seite auf und davon und legte quer auf Ache, der in der Mitte nur knapp verpasste.

Weitgehend wirkungslos blieben dagegen die Aktionen, die die Gastgeber einzuleiten versuchten, wenn der Gegner genug Zeit hatte, seine Defensive zu ordnen. In Minute 30 kam Ritter mal nach einer Kombination ins Zentrum in eine gute Schussposition am Sechzehner, setzte auch gut an, wurde aber geblockt. Ache erwischte, obwohl doppelt gedeckt, mit dem Schädel eine Puchacz-Flanke, bekam aber keinen Druck dahinter. Viel mehr war aber nicht.

Das Spiel der Gäste war ähnlich angelegt, nur ließen diese sich mehr Zeit, bis sie das Spiel durch und über den kompakten Block des Gegners versuchten. Immerhin aber setzten sie das spielerische Highlight der ersten 45 Minuten: Nach einer flachen Flanke von Christian Conteh vor den Fünfmeterraum schob Osnabrücks Mittelstürmer Erik Engelhardt den Ball mit der Hacke knapp am langen Eck vorbei.

In Hälfte zwei hagelt's Ecken - und Tore

Für Taktikfreunde mochte das Ganze interessant anzusehen gewesen sein, für den Mainstream aber war dies alles zu wenig adrenalintreibend, um als unterhaltsam empfunden zu werden. Und zur Pause war eigentlich schon abzusehen: Das erste Tor würde durch eine Standardsituation fallen.

Drei Minuten nach Wiederanpfiff war es prompt soweit. Eine von VfL-Linksverteidiger Florian Kleinhansl getretene Ecke prallt gegen Julian Niehues' Oberkörper, von da vor die Füße von Engelhardt und der vollstreckt aus acht Metern. Ob Niehues da kontrollierter hätte abwehren können? Eher schon hätte Engelhardt enger gedeckt werden müssen. Oder sein Schuss energischer geblockt.

Lautern versuchte zu antworten, attackierte jetzt auch früher, aber das aus dem Spiel heraus auch weiterhin nicht viel gehen würde, war schnell zu erkennen. Die erste ordentliche Ausgleichschance bot sich Ache nach 62 Minuten - nach einer Freistoßflanke von Ritter.

Ache natürlich - aber dann schlägt Engelhardt schon wieder zu

Vier Minuten später durfte es dann erneut ein Eckball sein, der zu einem Treffer führte. Puchacz' Hereingabe wurde lang und länger, und hinter dem zweiten Pfosten stieg Ache hoch und höher, kerzengerade. Er traf das Leder punktgenau und gab ihm exakt die richtige Stärke und Richtung für den Weg ins Netz. Seit Miro Klose hat im Trikot der Roten Teufel keiner mehr Kopfballtore dieser Art gemacht.

Kurz darauf drückt Engelhardt abermals eine Osnabrücker Ecke über die Torlinie. Diesmal durfte Dave Gnaase hinterm langen Eck viel zu unbedrängt aufs kurze zurückköpfen. Zwei Rückschläge so kurz hintereinander, wann konnten die Pfälzer zuletzt so etwas wegstecken?

Aber Friedhelm Funkel hat anscheinend auch die verschüttet geglaubten Comeback-Qualitäten der Lautrer wiederentdeckt. Obwohl der Trainerveteran dergleichen natürlich nüchterner ausdrückt. "Wir haben sind immer kontrolliert geblieben, haben immer eine Restverteidigung gehabt", begründete der Coach, warum sein Team im Gegensatz zum 0:4 gegen den KSC diesmal nicht einbrach. Dazu kam das Quäntchen Glück, ohne dass es nunmal auch nicht geht.

Denn wie oft in seinem Fußballerleben einem Chance Simakala wohl ein solcher Hammer geglückt ist wie der, den er in 78. Minute in Richtung VfL-Tor losließ - oder noch glücken wird? Eine Direktabnahme halblinks vom Sechzehner nach einem zu kurz abgewehrten Eckball. Irre. Simakala war zusammen mit Dickson Abiama und Richmond Tachie ins Spiel bekommen, dafür gingen Redondo, Opoku und Filip Kaloc. Ritter zog sich daraufhin neben Niehues ins Mittelfeld zurück.

Am Ende hieß es dann: "Kontrollverlust"

In der Schlussphase waren dann alle taktischen Fesseln abgelegt. Auch der Tabellenletzte suchte die Entscheidung zu seinen Gunsten. Weil ihm in seiner Situation, wie Trainer Koschinat hinterher bestätigte, nur noch Siege helfen. Im Erfolgsfall wären die Lila-Weißen bei ihrer Heimkehr für ihre Courage wohl mit Lob überschüttet worden. Doch es kam anders.

In der Nachspielzeit verdribbelte Linksaußen Charalambos Makridis den Ball tief in der Lautrer Hälfte, so dass die Gastgeber noch einmal einen Umschaltmoment nutzen durften. Jean Zimmer trieb das Leder nach vorne, Simakala setzte mit einem tollen Schnittstellenpass den rechts durchstartenden Tachie ein, der flankte flach in die Mitte und - wer wohl? - Ache schoss den Betzenberg ins Glück. Und statt seiner Mannschaft für ihren nie erlahmenden Siegeswillen zu huldigen, sprach Uwe Koschinat nun von einem "Kontrollverlust", der ihr das Genick brach.

So eng liegen Freud und Leid eben beieinander. Und darum ist auch der Abstiegskampf für den FCK noch lange nicht zu Ende.

Die üblichen Grafiken zum Spiel haben uns leider noch nicht erreicht, werden aber nachgereicht. Einfach morgen oder übermorgen nochmal reinschauen.

Update, 12.03.2024: Die Daten-Grafiken zum Heimsieg

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline bestätigt, wie knapp dieser Sieg war. Und die Szene am Anfang, in der sich Ache den Ball zu weit vorlegt, hat die Computer-Software wohl dramatischer bewertet, als sie war.

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Die Positions- und Passgrafik der Roten Teufel. Kaloc (26) war diesmal tiefer positioniert als Niehues. Von Ritter (7), Opoku (17) und Redondo (11) verlaufen keine Linien zu Ache (9). Das macht zunächst mal keinen guten Eindruck, aber: Linien werden erst bei "mehr als drei Pässen" eingezeichnet. Und wenn von den drei Pässen, die die drei vielleicht gespielt haben, jeweils zwei gute dabei waren, wär's auch okay.

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Die Passmap der Gäste: Philipp Kühn wird oft als Anspielstation seiner Vorderleute sucht, gleichzeitig ist er einer der Hauptzulieferer für Mittelstürmer Engelhardt, das verrät einiges über die Spielweise des VfL.

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Und zum Schluss die Duell-Übersicht. Wie zuletzt eigentlich immer, überzeugen die Defensivkräfte. Niehues und Elvedi ragen heraus. Puchacz allerdings könnte ein bisschen besser dastehen. Erstaunlich, dass auch Ache als Mittelstürmer sich in der Mehrheit der Duelle behaupten kann.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon AutorGuidoLange » 11.03.2024, 21:44


Vielen Dank für die Analyse, die ich immer sehr gern lese.
Ich verstehe nun etwas besser, warum wir in Hz 1 nicht zu potte kamen.
Und wir hatten dadurch genug Kraft für die Aufholjagd bis zum Schluß.
Ich habe schon viele Abenteuer erlebt, aber auf den Betze zu fahren, ist immer noch das größte von allen! http://abenteuerbaltikum.com



Beitragvon Thomas » 12.03.2024, 15:53


Danke für das nette Lob @AutorGuidoLange und auch an alle anderen in den früheren Beiträgen, das freut uns sehr. :daumen:

Und für unsere Statistik- und Taktik-Freaks noch das bereits angekündigte Update: Die xG-Grafiken zum Heimsieg gegen Osnabrück sind jetzt auch online, einfach nach oben scrollen oder direkt hier klicken.
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)



Beitragvon Ktown2Xberg » 14.03.2024, 00:07


Auch von mir vielen Dank!

Dass Kaloc diesmal tiefer als Niehues „geführt“ wird hatte einen wie ich finde sehr erfreulichen Grund: Ich fand es sehr auffällig, um wie viel präsenter Kaloc im Aufbauspiel aus der letzten Reihe war.

In seinen ersten Spielen für uns war er vor allem neben Jule zu finden, hat situativ gerne mal den Raum an der rechten Außenlinie hinter dem Schienenspieler im 3-4-1-2 abgesichert und sich ganz dosiert mal vorne als Abschlussspieler kurz vor dem Strafraum (wie bei seinem Tor im Pokalspiel) angeboten. All das hat er Sonntag auch wieder gezeigt, nur eben zusätzlich noch ganz hinten im Aufbau ne prominente Rolle gespielt.

Was mich daran zunehmend beeindruckt ist gar nicht mal die Variabilität (guter Box2Box-Spieler, geliefert wie versprochen) als die zunehmende Sicherheit mit der er situativ (richtig!) entscheidet wann was davon angebracht ist. Da blitzt ein Spielverständnis und ein Potential zum Führungsspieler auf dass ich so bei uns im ZM mindestens seit dem Gang in Liga 3 nicht mehr gesehen habe.

Schwalbe, Sommer und so — aber definitiv wert ein Auge auf den Jungen zu haben, der hat was was man nicht trainieren kann.



Beitragvon Kohlmeyer » 17.03.2024, 13:51


Und hier auch schon wieder unsere Analyse zum Zwischenstopp vor der Länderspielpause:

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Foto: Imago Images

Taktik-Nachlese zum Spiel H96-FCK
Die DBB-Analyse: Mächtig Traute in der Raute


Der 1. FC Kaiserslautern punktet bei Hannover 96 eindrucksvoll, behauptet sich damit im knüppelharten Abstiegskampf. Und Trainer Funkel führt der Laptoptrainer-Generation vor, was die alte Garde taktisch so drauf hat.

Chance Simakala oder Tobias Raschl oder Daniel Hanslik? Das waren die drei Kandidaten, die für die Position Marlon Ritters gehandelt wurden, der in Hannover nach seiner fünften Gelben Karte aussetzen musste. Friedhelm Funkel hielt seine Lösung bis zur Bekanntgabe der Mannschaftsaufstellungen geheim. Eine dreiviertel Stunde vor dem Anpfiff musste er es lüften: Erstmal kein Simakala, dafür Raschl und Hanslik. Häh? Wie sollte das denn taktisch zusammenpassen?

In den TV-Interview vor dem Spiel sprach der Coach lediglich davon, dass er aufgrund der jüngsten Trainingsleistungen an den beiden nicht vorbeigehen konnte. In sämtlichen Visualisierungen der vermuteten Grundordnung tauchte Hanslik daraufhin erstmal als rechter offensiver Flügelspieler in einem 4-2-3-1 auf. Die bislang bevorzugte Grundordnung Funkels, und auch denkbar, schließlich hat Offensiv-Allrounder Hanslik auch diese Position schon häufig gespielt. Allerdings in Zeiten, als im Kader nicht außerdem noch ein Aaron Opoku und ein Richmond Tachie zur Auswahl standen, Flügelspieler, die vor allem mehr Speed mitbringen als Hanslik. Was diese Anordnung dann doch nicht so richtig wahrscheinlich machte - oder hatten die beiden Alternativen sich im Training hängen lassen?

Klingt, als käm's von Tuchel: Der FCK "spiegelt" den Gegner

Eingültig löste sich das Rätsel erst, nachdem Schiedsrichter Max Burda in seine Pfeife geblasen hatte. Der FCK formierte sich in einem 4-4-2 mit Raute, so hatte man ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Hanslik spielte als zweite Spitze neben Ragnar Ache eine zu ihm passende Rolle, Raschl halblinks in der Raute - und als Zehner und somit Reserve-Ritter Kenny Redondo. Nicht gerade üblich für ihn, hat er aber ebenfalls schon öfter gemacht. Und die Fußballbeschreiberszene war bass erstaunt: Da hatte der alte Trainerfuchs sich was einfallen lassen, was keiner von ihnen sich zuvor auf seinem Laptop zusammengedaddelt hatte.

Torsten Mattuschka, als "Sky"-Kommentator nunmehr so pfiffig unterwegs wie seinerzeit auf dem Stadionrasen in Berlin-Köpenick, fand die treffende Erklärung: "Kaiserslautern spiegelt die Formation von 96". Boah! "Einen Gegner spiegeln", die Formulierung hat einst in Mainz ein gewisser Thomas Tuchel populär gemacht, der Klaus Kinski der Trainerbänke und Inbegriff des hypermodernen Nerd-Coaches. Oldie Funkel ist also voll auf der Höhe der Zeit.

Kaum lange Bälle im FCK-Spiel - und das Zentrum ist dicht

Nächste Überraschung: In dieser Formation versuchte sich der FCK in der Folgezeit an einem geänderten Spielstil. Kaum noch lange Bälle, stattdessen gepflegtes Passspiel von hinten heraus. Kurzer Zahlenvergleich: Laut "Wsycout" lag der Anteil an langen Pässen im FCK-Spiel in der Anfangsphase bei 14 Prozent. Bei Funkels Debüt vor vier Wochen in Nürnberg (1:1) waren es 25 Prozent, in der kurzen Ära von Trainer Dimitrios Grammozis, etwa in der Partie gegen Schalke (4:1), schafften die Roten Teufel phasenweise sogar 30 Prozent.

Und wie mutete das Duell Raute gegen Raute optisch an? Zugegeben, nicht unbedingt erbaulich für Freunde feuriger Fußballdramatik. Es war eng auf dem Platz, vor allem im Zentrum, es waren viele Zweikämpfe zu sehen, die mit Leidenschaft geführt wurden, vor den Toren aber tat sich nicht allzu viel. Für Hannover jagte Nicolo Tresoldi erstmals nach 23 Minuten einen Ball übers Tor, den er im Strafraum annehmen durfte. Zuvor verzeichnete Lautern zwei Torannäherungen, Ache nach einer Ecke, und Filip Kaloc, als er nach einem Einwurf von Jean Zimmer mal von rechts in die Mitte ziehen durfte.

Man darf aber nicht vergessen: Da spielte ein Abstiegs- gegen einen Aufstiegskandidaten, und in der ersten Hälfte war nicht in einer Sekunde zu erkennen, wie diese Rollen verteilt waren. 96-Trainer Stefan Leitl räumte hinterher sogar ein, dass die zurückhaltende Spielweise des Favoriten bis zur Pause dem Respekt vor dem Underdog geschuldet war: "Wir wollten Kaiserslautern nicht in Umschaltsituationen kommen lassen."

Nach der Pause: Wieder mal droht ein Spiel zu kippen

Nach dem Wiederanpfiff allerdings traten die Niedersachsen energischer auf, um den über 40.000 Zuschauern im Niedersachsenstadion - rund 5.000 Fans waren aus Kaiserslautern angereist - das zu bescheren, was ihr Anhang wohl als "Pflichtsieg" erwartete. Andreas Voglsammer köpfte eine Flanke von Kolja Oudenne knapp am Lautrer Kasten vorbei, Phil Neumann erwischte eine Freistoßflanke von Enzo Leopold nur mit der Schulter. Wieder mal schien ein Spiel in der ersten Viertelstunde nach der Halbzeit zu Ungunsten der Betze-Buben zu kippen.

Dann aber bot sich doch den Gästen die Gelegenheit zu einem Break gegen den sich abzeichnenden Spielverlauf. Dergleichen braucht's halt auch mal im Abstiegskampf, und in einen solchen Genuss sind die Roten Teufel in dieser Saison eigentlich noch nie gekommen.

Und was für ein toller Treffer das war. Ache verlängert im Mittelkreis einen langen Ball von Julian Krahl auf Redondo, der passt zu Raschl, startet selbst sofort in die Spitze. Raschl serviert Redondo das Leder per Außenrist präzise getimt halblinks den Strafraum - und der Linksfuß schiebt es an dem ihm entgegenstürzenden Ron-Robert Zieler vorbei ins lange Eck. Ein Ablauf, den die Pfälzer zuvor im Training geübt hatten, wie Funkel hinterher verriet.

Er ist wieder da: Raschl rennt, serviert - und lässt die Latte zittern

Womit Raschl sich endgültig wieder ins Rampenlicht gespielt hat. Funkel hatte den Mittelfeldspieler bislang erst einmal für acht Minuten gebracht, bei Vorgänger Grammozis stand er zuletzt gar nicht mehr regelmäßig im Kader. Diesmal glänzte Raschl nicht nur mit dieser Torbeteiligung - in der Nachspielzeit setzte er noch ein fulminantes Geschoss an Hannovers Torlatte, das ums Haar noch den Auswärtssieg beschert hätte. Auch den nüchternen Teil des Achter-Jobs erledigte er ordentlich. Marschierte insgesamt 11,5 Kilometer, was den drittbesten Wert im Vergleich aller Aktiven darstellt - übrigens werden auch die ersten beiden Plätze dieses Ranking mit Hanslik (12,0 Kilometer) und Kaloc (12,2 Kilometer) von Lautrern belegt. 84 Prozent Passquote für Raschl sind ebenfalls ein guter Wert.

Leider hielt die Führung nur eine knappe Viertelstunde. Zimmer beharkte sich auf der rechten Verteidigerseite mit Hannovers Linksverteidiger Bright Arrey-Mbi, das Leder rollte zu 96-Zehner Sebastian Ernst, der fackelte nicht lange und drosch eine scharfe Linksflanke in den Fünfmeterraum. Keeper Krahl touchierte der Leder zwar, aber nicht kräftig genug, um aus der Gefahrenzone zu heben, Voglsammer staubte ab.

Der Ausgleich: Hat Krahl nicht richtig zugekrallt? I wo

Der Lautrer Anhang diskutierte anschließend eifrig Schuldfragen. Zimmer war außen vor, weil mit Arrey-Mbi beschäftigt. Entweder hätte Krahl besser zulangen müssen oder Voglsammer besser markiert sein, mutmaßlich von Boris Tomiak, so der Tenor. Wir sagen: Das Beste wäre gewesen, direkt Ernsts Flanke zu blocken.

Es folgte eine Schlussphase, in der Hannover nochmal aufdrehte. Jedenfalls auf dem Papier. Zu seiner Doppelspitze Tresoldi/Voglsammer warf Trainer Stefan Leitl noch Harvard Nielsen und Cedric Teuchert in die Schlacht, also alles an Stürmern, was sein Kader hergibt. Faktisch aber ärgerte die FCK-Hintermannschaft am meisten das ebenfalls eingewechselte Mittelfeldwusel Louis Schaub, das an gegnerischen Abwehrbeinen vorbeiwedelte, als wär's ein Hütchen-Parcours. Ansonsten aber hatten die Betze-Buben ihr Verteidigungsdrittel gut im Griff - außer in einer Szene in der Nachspielzeit, als eine flache Flanke Teucherts quer durch den Fünfer erst von Nielsen verpasst wurde und anschließend Tresoldi sogar durch die Beine rutschte.

Remis macht Mut, Aches Verletzung aber Sorge

Raschls Lattenkracher gegengerechnet, darf unterm Strich von einem gerechten Remis gesprochen werden. Nach dem zunächst mal die Statistik schmerzt: Der FCK hat bereits zum 17. Mal in dieser Spielzeit eine Führung abgegeben. Dennoch handelt es sich hier nicht um die Fortsetzung einer unendlichen Geschichte. Verglichen etwa mit er Art und Weise, wie das 1:0 vor fünf Wochen zuhause gegen Paderborn (1:2) abgab, lagen Welten zwischen dieser und jener Partie. Wie die Roten Teufel nun um die berühmten zweiten Bälle fighteten, wie selbst die Offensivkräfte hinter Bällen herjagten, die sie am gegnerischen Strafraum verloren hatten - das zeigt von einem neuen Spirit, der Friedhelm Funkel zu Recht sagen lässt: "Nach diesem Auftritt bin ich mehr denn je überzeugt, dass wir die nötigen Punkte holen."

Einziger Wermutstropfen - und das ist schon kein Tropfen mehr, sondern eine eiskalte Dusche: Ache musste nach 62 Minuten verletzt raus. Womöglich Muskelfaserriss, wenn nicht schlimmer. Was, wenn er länger ausfällt? In sechs Punktspielen dieser Saison hat der Stürmer komplett gefehlt, in zwei weiteren konnte er wegen Trainingsrückstand nur eingewechselt werden. In diesen Partien holte sein Team nur einen einzigen Punkt, ein 3:3 gegen den Hamburger SV. Die Sorgen sind also nicht kleiner geworden, auch wenn die Leistungskurve nach oben zeigt. Aber warten wir erstmal ab, denn Ache war abgesehen von seinem Bänderriss schon öfter lädiert und dann doch schnell wieder fit.

Die Duell-Bilanz: Tomiak und Elvedi sind eine Wucht

Zu den Grafiken. Zunächst mal wichtig zu wissen: Die Roten Teufel sind diesmal wieder blau visualisiert. Nach expected Goals gewinnen die Hannoveraner, sogar ziemlich deutlich. In erster Linie aber, weil Tresoldis Chance in der ersten Hälfte sehr hoch bewertet wird. Seine Schussposition war in der Tat ziemlich gut, als Drehschuss aber war das Ding aber doch um einiges schwerer zu machen, als so eine Software sich das ausrechnen kann.

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Die Passmap des FCK: Nett anzuschauen. Nach vorne ging's über die Außenverteidiger, weil in der Mitte dicht war. Doch auch die Raute war im Prinzip gut im Spiel. Nur zwischen Niehues (16) und Kaloc (26) würde man sich eine Linie wünschen.

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Die Passmap der Gastgeber: Macht insbesondere die Chefrolle von Marcel Halstenberg (23) deutlich. Aufbauspiel läuft in erster Linie über ihn. Mannschaft und Trainer wissen, warum. Passquote in diesem Spiel: 93 Prozent. Erstklassig.

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Und die Überkreuz-Übersicht der geführten Duelle. Wie immer eine Freude, wie die Innenverteidigung Tomiak/Elvedi sich präsentiert. Wenn die bis Saisonende so stehenbleibt, wird sich die derzeit noch besorgniserregende Gegentreffer-Quote nivellieren. Auffällig auch Stojilkovics positive Bilanz in nur 36 Minuten Spielzeit.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon Kohlmeyer » 31.03.2024, 17:20


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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-F95
DBB-Analyse: Acht schwache Minuten zerstören 70 starke


Wieder ein Einbruch in Hälfte zwei, wieder versagt die linke Abwehrseite - die Kardinal­schwä­chen des 1. FC Kaiserslautern werden ihm auch im stärksten Heimspiel der Funkel-Ära zum Verhängnis. Die Lage bleibt nach dem 1:3 gegen Fortuna Düsseldorf angespannt.

Friedhelm Funkel hatte es nach den guten Ergebnissen zuletzt bereits angekündigt: "Es wird auch noch Rückschläge geben bis Ende der Saison." Einen ersten setzte es an diesem Samstag nun prompt und in voller Härte. Und allzu viele dürfen den FCK nicht mehr treffen. Nach den Ergebnissen der Konkurrenz hat sich die Zahl der Abstiegskandidaten zwar vergrößert - es liegen nur noch drei Punkte zwischen Platz 12 und 17 -, aber die Roten Teufel fallen erstmal wieder auf Relegationsrang 16.

Aber zunächst mal das Positive. Immer wieder erstaunlich, wie Funkel zu überraschen versteht. Gegenüber dem jüngsten Auswärtsspiel in Hannover (1:1) änderte er bei den Feldspielern augenscheinlich nur eine Personalie - und das gezwungenermaßen: Für den verletzten Ragnar Ache kehrte der zuletzt gelbgesperrte Marlon Ritter in die Startelf zurück. Was die Vermutung nahe legte, dass er auch die 4-4-2-Formation mit Raute beibehalten würde, die er in Niedersachsen gewählt hatte. Wobei MR7 seine gewohnte Zehnerrolle einnehmen und Kenny Redondo zu Daniel Hanslik in die Spitze aufrücken würde.

Hätte man meinen können. Aber: Pustekuchen.

Funkel formierte mit dieser Besetzung sein gewohntes 4-2-3-1. Mit einigen Rotationen, die wohl auch die Betroffenen überrascht haben dürften, als der Coach ihnen seinen Matchplan offenbarte. Als Zehner präsentierte sich Tobias Raschl, Ritter musste auf den linken Flügel ausweichen, Redondo präsentierte sich auf dem rechten.

Ritter links, Redondo rechts? Alles schon mal dagewesen

Was, bei allem Respekt vor der Arbeit, die Trainerveteran in seiner kurzen Amtszeit am Betze geleistet hat, alle langjährige Beobachter die Stirn runzeln ließ. Ritter war bei seinen frühesten Anfängen in der Zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach tatsächlich mal Flügelspieler gewesen, hatte seinerzeit in der Regionalliga West auch tüchtig gescort, sich dann aber in zentralen Mittelfeldrollen besser weiterentwickelt. Seit er in Lautern spielt, ist er unter diversen Funkel-Vorgängern immer wieder mal testweise auf die Seite gestellt worden, aber so richtig gut ausgesehen hatte er da nicht.

Und Linksfuß Redondo auf der rechten Seite? War in der Vergangenheit auch schon immer mal ausprobiert worden. Es mag in manchen Fällen interessante Effekte zeitigen, Flügelspieler auf die für sie "falsche" Seite zu stellen, damit sie ihren starken Fuß innen haben. So kommen sie gefährlicher in Schussposition, wenn sie in die Mitte ziehen, Arjen Robben lässt grüßen. Redondo aber war immer ein Linksfuß, der am stärksten war, wenn er über die linke Seite kam.

Und wie stellte diesen Wechsel nun unter Funkel dar? Redondo setzte sich in der Offensive in der Tat nicht wie gewohnt in Szene. Dafür leistete er gegen den Ball gute Arbeit. Unterstützte Rechtsverteidiger Jean Zimmer und zeichnete sich in der ersten Halbzeit auch durch Balleroberungen vor der Mittellinie aus, was gefährliche Umschaltmomente eröffnete.

MR7s neue Rolle: Erst abwarten, dann zuschlagen

Ritter war im Spiel nach vorne ebenfalls nicht so präsent wie zuletzt, vor allem in der Startphase. Aber: Wenn er mal in die Mitte zog, wurde es direkt spannend. Nach 13 Minuten steckte er vor dem Sechzehner Hanslik den Ball in den Lauf - der klassische "tödliche Pass". Der junge Jamil Siebert vermochte die Chance jedoch mit klugem Körpereinsatz zu vereiteln. In Minute 26 tauchte Ritter ein zweites Mal in der Tornähe auf - und markierte das 1:0. Das lässt sich natürlich auch als Masche verkaufen: Einen Leistungsträger zunächst mal in einer eher unauffälligen Rolle präsentieren, damit er dann umso wirkungsvoller den besonderen Moment nutzt.

Der Führungstreffer beschloss das Highlight in einer Startphase, in der es an der Spielanlage des FCK absolut nichts zu meckern gab. Wie unter Funkel gewohnt, konzentrierte sich eine geschlossen formierte Elf auf Ballgewinne im Mitteldrittel, ließ nach hinten nicht viel zu und setzte immer wieder, wie der Coach es hinterher formulierte, "Nadelstiche". Schon nach vier Minuten eroberten sich Puchacz und Hanslik auf der linken Seite einen langen Ball von Boris Tomiak, den ein Fortuna-Spieler unglücklich verlängert hatte. Hansliks klugen Pass in den Rückraum durfte Filip Kaloc direkt annehmen, leider aber landete der Ball nur am Außennetz.

Und nach einem Eckball von Puchacz legte Julian Niehues per Kopf auf Jan Elvedi, der das Leder jedoch übers Tor setzte. Eine von mehreren Situationen, nach denen es von den Rängen raunte: "Wenn da mal Ragnar Ache gestanden hätte ..."

Nach der Führung steht der FCK tiefer tiefer

Nach der Führung positionierten sich die Pfälzer erwartungsgemäß tiefer, die Fortuna kam auf, vermochte sich bis zur Pause aber nicht entscheidend in Szene zu setzen. Wie sich die Aufstellungslinien während des Spiels insgesamt verschoben, visualisiert diese Grafik:

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"Das lag halt auch am Gegner", entschuldigte Fortuna-Trainer Daniel Thioune sein Team hinterher, dass es so lange brauchte, bis sie im Duell der "beiden besten Zweitliga-Mannschaften im Monat März" ins Laufen kam. Überrascht hatte ihn die Spielweise der Lautrer allerdings nicht: "Aus Halbräumen tief zu starten", das sei "eine Kompetenz", die Funkel-Mannschaften schon seit Jahren auszeichne.

Thioune brachte in der Pause Emmanuel Iyoha für Takashi Ushino, der den kurzfristig ausgefallenen Nicolas Gavory zunächst ersetzt hatte. Iyoha ist wesentlich mehr linker Verteidiger als Ushino, der doch eher auf der rechten Seite zuhause ist, und wurde direkt zum belebenden Element im Düsseldorfer Spiel, das nun insgesamt torgefährlicher wurde. In Minute 58 durfte Felix Klaus eine flache Flache von Iyoha viel zu frei annehmen, verzog aber, ein paar Minuten später kratzte Tomiak eine Kopfball des ebenfalls eingewechselten Vincent Vermeij nach einer Iyoha-Flanke gerade noch von der Torlinie.

Doch auch der FCK hatte auch in dieser Phase seine Chancen. Erst Niehues, dann Zimmer setzten weitere Kopfbälle am Tor vorbei, bei denen sich das Gros der 46.210 Zuschauer Ache als Abnehmer gewünscht hätte.

Bis zur 74. Minute ging es nun munter hin und her, so dass es immer unwahrscheinlicher wurde, dass diese Partie 1:0 endete. Entweder würde das zweite Tor für die Betze-Buben fallen oder der Gast zum Ausgleich kommen. Mit der Zeit aber gewann die Fortuna deutlich mehr Zweikämpfe, wie diese Grafik zeigt:

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Das Pendel schlug dann schließlich zuungunsten der Gastgeber aus. Wieder mal in der zweiten Hälfte, wieder mal, weil die Flügelverteidigung nicht funktionierte. Es war aber nicht Iyoha von links, sondern Jona Niemiec rechts, der nach 70 Minuten für Klaus gekommen war und nach einem tiefen Pass von Yannik Engelhardt Puchacz überlief. Und es wieder mal Puchacz, der in der Defensivarbeit patzte - der aber im Spiel nach vorne sämtliche FCK-Chancen mitvorbereitet hatte. Derart janusköpfig präsentiert sich der frischgebackene EM-Teilnehmer aus Polen bereits über die gesamte Saison. Es ist zum Verzweifeln.

Die Gegentreffer: Wenn's dick kommt, dann immer knüppeldick

Niemiec servierte den Ball lehrbuchmäßig in die Mitte, wo Düsseldorfs Topscorer Christos Tzolis nur noch abzustauben brauchte.

Und da es wenn, dann grundsätzlich immer gleich knüppeldick kommt für den 1. FC Kaiserslautern in dieser Spielzeit, setzte es zwei Minuten später gleich den nächsten Schlag. Diesmal kam Fortuna-Rechtsverteidiger Matthias Zimmermann gegen Puchacz zum Flanken, Zimmer präsentierte sich bei seinem Kopfball-Abwehrversuch in der Mitte als ein paar Zentimeter zu klein gewachsen, und hinter ihm stand Shinti Appelkamp, der sich mit einem Volleyschuss unter die Torlatte bedankte. Appelkamp, der für den gelbgesperrten Ísak Jóhannesson in die Startelf gerückt war und den Thioune ungewohnt offensiv aufgestellt hatte. Er war mehr zweiter Stürmer als Mittelfeldspieler.

Und weil auch aller schlechten Dinge drei sind, setzten die Gäste sechs Minuten später gleich noch einen drauf. Diesmal war es Niehues, der mit einem verpeilten Laufweg seinem Gegenspieler Tanaka ermöglichte, seelenruhig in den Zehnerraum marschieren und Tzolis durchsteckte. Der legt sich das Leder am herausstürzendem Torwart-Debütanten Robin Himmelmann vorbei und schob ein.

Lauterns Wechsel blieben diesmal wirkungslos

Unmittelbar nach dem 1:2 hatte Kaloc noch ein Hinterhaltsgeschoss am Düsseldorfer Tor vorbeigejagt - und das war's dann für FCK. Vor drei Wochen beim Heimspiel gegen Osnabrück (3:2) hatte Funkel mit den Einwechslungen von Richmond Tachie und Chance Simakala der Partie noch eine Wende geben können - diesmal blieben die beiden wirkungslos. Dafür darf sein Kontrahent Thioune in Anspruch nehmen, seinem Team mit seinen Wechseln entscheidende neue Impulse gegeben zu haben.

Zu den Grafiken: Die xG-Timeline zeigt sehr schön, wann das Spiel kippte.

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Die Position- und Passgrafik des FCK. Mittelstürmer Hanslik (Nr. 19, verdeckt von 20) hat den linken Offensivspieler Ritter (7) öfter angespielt als umgekehrt. Umgekehrt wär's natürlich besser gewsen.

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Die Passmap der Fortuna: Da erscheint Appelmann (23) doch mehr Mittelfeldspieler, und ist im Trio mit Tanaka (4) und Engelhardt (6) richtig gut im Spiel.

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Die Übersichtgrafik der Duelle. Ein bisschen merkwürdig mutet die Darstellung Elvedis an. Der Innenverteidiger soll nur in drei Zweikämpfe verstrickt gewesen sein? Da scheint beim Erfassen was schiefgelaufen zu sein.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon iceman65 » 01.04.2024, 09:06


Hallo @kohlmeyer,
wieder eine gute Analyse des Spiels, aber in der Einleitung steht, FCK verliert 1:2 gegen Düsseldorf, es war leider ein 1:3.
Zuletzt geändert von Thomas am 01.04.2024, 11:13, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Danke, korrigiert!



Beitragvon AutorGuidoLange » 01.04.2024, 12:23


Danke, mal wieder, für diese Analyse.
Mein Gefühl auf der West bestätigt nun Dein Bericht.
Eines kommt mir nur zu kurz:
Ab Minute 60 sah man einen deutlichen Firnessabfall, der ja immer auch ein Konzentrationsabfall mit sich bringt. Wir können dann einfach nicht mehr so dicht und diszipliniert am Gegner stehen, wie in der ersten Hälfte.
Wir hatten deshalb einige enge Situationen vor unserem Tor.
Da wäre es Zeit gewesen für mehrere Wechsel.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß Funkel das nicht gesehen hat, kann mir aber auch nicht vorstellen, daß er das irgendwie mit Rücksicht auf das Halbfinale gemacht und erst recht nicht, daß er für spätere Wechsel irgendwoher eine Order bekommen hat.

Morgen machen wir es noch besser, wenn der Regen mal aufhört und gegen den HSV hoffentlich auch.
Ich habe schon viele Abenteuer erlebt, aber auf den Betze zu fahren, ist immer noch das größte von allen! http://abenteuerbaltikum.com



Beitragvon Kohlmeyer » 03.04.2024, 18:45


Hier kommt unsere Nachlese zum Pokal-Halbfinale und seiner besonderen Taktik:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCS-FCK
DBB-Analyse: Der FCS erliegt dem Touré-tte-Syndrom


Finaaale! Mit einem 2:0 beim 1. FC Saarbrücken löst der 1. FC Kaiserslautern sein Ticket nach Berlin. Der Schlüssel zum Erfolg waren weder Spiel- noch Zweikampfstärke, sondern Geduld. Und ein Funkel'scher Besetzungscoup.

"Mr. Cool" hat es wieder getan. Eine Kaderleiche wieder zum Leben erweckt und damit mächtig überrascht. Nach Ben Zolinski und Tobias Raschl holte Friedhelm Funkel nun Almamy Touré aus der Versenkung - der Malier war in den sechs Partien, in denen sich der Coach für den FCK verantwortlich zeichnet, noch nicht eine Sekunde zum Einsatz gekommen. Im Halbfinale des DFB-Pokals setzte er ihn nun als rechten Verteidiger ein, Capitano Jean Zimmer übernahm dafür die offensive Flügelposition auf dieser Seite.

Und? Als spielender Abwehrspieler hatte Touré lange Zeit Probleme mit der rauen Gangart dieses Halbfinal-Derbys, bescherte diesem dann aber die entscheidenden Momente. Das 1:0 durch Marlon Ritter bereitete er per Flanke vor, das 2:0 nach Freistoßflanke von Tymoteusz Puchacz erledigte er selbst per Kopf.

Tja, der Platz: Diesmal wurde er dem FCS zum Verhängnis

Dem Team des 1. FC Saarbrücken war monatelang nachgesagt worden, die Pokalwunder, die es bislang feiern durfte, seien auch auf einen Wettbewerbsvorteil zurückführen, den es wegen des schlecht angelegten Rasens im Ludwigspark genießen dürfe. Der sorge selbst bei nur mittelschweren Regenfällen für tiefes Geläuf, das in Pokalfights nunmal der unterklassigen Mannschaft zupass käme, weil diese naturgemäß mehr auf Kampf denn auf Spiel setzen müsse. Und diesmal? Sind die Saarbrücker selbst Opfer ihres problematischen Grüns geworden. Dass Ritters an sich harmloser Kopfball in der 53. Minute dem jungen FCS-Keeper Tim Schreiber durch die Beine flutschte, war offensichtlich dem tiefen Boden geschuldet: Das Leder setzte noch einmal auf und sprang in einem tiefen Abflugwinkel auf, den der Torsteher auch nicht intuitiv vorausahnen konnte. Die einen werden es hämisch mit "ausgleichende Gerechtigkeit" kommentiert haben, die anderen achselzuckend mit "Kismet" - und nur der FCS-Anhang wird über absolut unfassbares Pech lamentieren.

Die etwas weitschweifige Einleitung bitten wir zu entschuldigen. Aber für wirklich analytische Betrachtungen gibt dieses Spiel nicht viel her. Es war das Spiel zweier Mannschaften, von denen keine den ersten Fehler machen wollte und beide so hohen Respekt vor der Umschalt-Kompetenz des anderen hatten, dass sie sich bei gegnerischem Ballbesitz tief in die eigene Hälfte zurückzogen. Und die ballführende Mannschaft startete Versuche, sich durch den feindlichen Abwehrriegel zu knoddeln, immer nur zaghaft, da das Gros der Mitspieler hinterm Ball blieb. In erster Linie der Kontersicherung wegen, aber nicht nur: Um eine derart tief stehende Deckung zu überspielen, "fehlen uns auch die spielerischen Mittel", gab Friedhelm Funkel hinterher freimütig zu. Eben auch Mr. Cool, was ebenso ehrliche wie knochentrockene Analysen angeht.

Halbzeit eins: Außer Brünker nichts gewesen

Entsprechend arm an Höhepunkten blieb die erste Halbzeit. Für Lautern gab Filip Kaloc kurz vor der Pause den ersten Torschuss ab. Sein 18-Meter-Geschoss hatte aber weder den Drive und die Präzision, um Schreiber in Verlegenheit zu bringen. Für den vielversprechendsten Moment sorgte Ritter bereits in der 8. Minute, als er ums Haar kurz hinter der Mittellinie allein Richtung Tor gestartet wäre, hätte ihm nicht Saarbrückens zentraler Abwehrmann Manuel Zeitz in letzter Sekunde den Ball vom Fuß gespitzelt.

Überhaupt Ritter: Auffällig, wie sehr die Gastgeber bemüht waren, ihn mit Härte aus dem Spiel zu nehmen - das war wohl des Teil des Matchplans. Patrick Sontheimer und Marcel Gaus holten sich bei der Bekämpfung von MR7 sogar Gelbe Karten ab.

Die beste Torgelegenheit der ersten Hälfte verzeichnete ohne Frage Saarbrücken. Kai Brünker setzte in der 42. Minute nach einer Freistoßflanke einen stark angesetzten Flugball neben den Lautrer Kasten. Doch auch ohne diese Aktion hätte sich der FCK über einen Rückstand zur Pause nicht beschweren können. Er ließ im eigenen Verteidigungsdrittel zu viele Einwürfe zu, die vor allem Gaus mit der Schärfe von Flanken in den Strafraum schleudert. Dank der aufmerksamen Abwehrarbeit der Innenverteidiger Boris Tomiak und Jan Elvedi konnten diese zwar allesamt geklärt werden, ein paar Mal jedoch wurde es ziemlich knapp. So ein nicht weit genug weggeköpfter Ball kann eben schnell mal vor den Füßen eines Gegners landen.

Zudem mussten die Roten Teufel nach 30 Minuten einen Rückschlag hinnehmen: Kenny Redondo musste verletzt raus, Aaron Opoku kam. Redondo ist unter Lauterns Flügelspielern derjenige, der den defensiv wackeligen Puchacz am besten bei der Abwehrarbeit zu unterstützen versteht, außerdem hatte er in den jüngsten Derbys gegen Saarbrücken immer gescort. Sein Ausfall schwächte also nicht nur sportlich, sondern konnte auch als schlechtes Omen interpretiert werden.

Ritters Kopfballtor stellt die Weichen neu

Die zweite Hälfte schien ein wenig munterer zu werden. Die Teams schoben sich energischer nach vorne, wobei es eher die nach Ballverlust entstehenden Umschaltmomente waren, die vielversprechender waren - was aber niemand verwundern dürfte, der bis hierhin gelesen hat. Mit Ritters Kopfballtor acht Minuten nach Wiederanpfiff war dem Hin und Her aber schon wieder ein Ende gesetzt. Nun hieß es: Saarbrücken muss kommen, Lautern darf kontern. Wer mit was besser zurechtkam, dürfte wohl klar sein.

Eine Großchance hatte Saarbrücken freilich noch. Calogero Rizzuto stolperte Brünker den Ball aber eher vor die Füße, als dass er ihn gezielt anspielte. Dass der Stürmer diesen dann aus sechs Meter übers Tor drosch, mag auch seiner Überraschung geschuldet sein.

Ansonsten machte mit Zeitz nur noch ein Blau-Schwarzer nachhaltig auf sich aufmerksam. Wie er nach 62 Minute Opoku an der Mittellinie von den Beinen holte, damit der nicht den Sprint Richung Tor antreten konnte, war schon mehr Orange als Gelb. Die Aktion ging erkennbar gegen den Mann, der Ball war weit weg. Vermutlich rettete ihn die Auslegung, dass es sich um keine eindeutige Notbremse handelte. Na ja.

Nach Tourés 2:0 brachten die Lautrer dann das Spiel mit der Coolness über die Zeit, die ihnen ihr 70-jähriger Coach auf der Bank vorlebte. Der sein Team hinterher dann auch nicht für ein gutes Spiel lobte, sondern für die Geduld, mit der es die Chance zum Strike abgewartet hatte. Der für Daniel Hanslik eingewechselte Filip Stojilkovic hätte ums Haar sogar noch das 3:0 gemacht, doch bei seiner technisch sauberen Direktabnahme aus spitzem Winkel war Schreiber auf dem Posten.

Matchwinner Touré? Ja, aber da waren auch Elvedi und Tomiak

Da Touré wegen seines Treffers und seines Assists heute allerorten Bestnoten abstaubt - "Sofascore" etwa bewertet ihn mit sagenhaften 8,9 Punkten - soll seine Leistung hier noch ein wenig eingeordnet werden, um so auch den Darbietungen seiner Nebenleute gerecht zu werden. Abgesehen davon, dass Touré mit diesen beiden Aktionen unbestritten zum Matchwinner wurde, war sein Auftritt gar nicht so stark. Nur 76 Prozent Passgenauigkeit, nur 40 Prozent seiner Zweikämpfe um den freien Ball gewonnen - das kann er besser.

Dagegen Elvedi: Passquote 85 Prozent, gewonnene Zweikämpfe um den freien Ball 100 Prozent. Tomiak: Passquote 96 Prozent, gewonnene Zweikämpfe um den freien Ball ebenfalls 100 Prozent. Das sind Werte, mit denen sich zu Null spielen lässt.

Unterirdische xG-Werte - wen wundert's?

Womit wir die bei den Grafiken wären. 0.77 : 0,84 lautet das Ergebnis nach expected Goals. Schon allein daran lässt sich erkennen, wie viel vor den Toren los war.

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Die Passmap des FCK: Kaloc (26) als Umschaltsituation im zentralen Mittelfeld wird immer wertvoller.

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Die Passmap der Gastgeber: Zeigt vor allem, wo sich beim FCS Ballbesitz abgespielt.

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Und zum guten Schluss die Duell-Übersicht: Nein, über die Zweikämpfe hat der FCK dieses Spiel nicht gewonnen. Dann doch schon eher über seine Geduld. Aber die lässt sich schlecht visualisieren.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon Kohlmeyer » 07.04.2024, 13:20


Und hier kommt unsere dritte Taktik-Analyse dieser Woche mit weiteren Erkenntnissen:

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Taktik-Nachlese zum Spiel HSV-FCK
Die DBB-Analyse: Zwischen Mut und Verzweiflung


Der 1. FC Kaiserslautern erarbeitet sich beim Hamburger SV eine Fülle von Torchancen, zieht nach Abwehrfehlern zum Haareraufen am Ende aber doch wieder den Kürzeren. Mut darf der Aufritt im Volksparkstadion dennoch machen.

Was soll man dazu noch sagen? Vergangene Woche, im Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf, pulverisierte sich der 1. FC Kaiserslautern in nur acht Minuten seine eigene starke Leistung über 70 Minuten - und aus einem 1:0 wurde ein 1:3. An diesem Samstag dauerte es nur 29 Sekunden, und aus einer fast schon sicheren 2:1-Führung wurde ein 1:2, das auch den Endstand bedeutete.

Was besonders tragisch - oder bitter-ironisch - anmutet: Die riesige Doppelchance zum 2:1 versemmelte ausgerechnet Almamy Touré. Am Dienstag, im Halbfinal-Drama von Saarbrücken, war er noch der gefeierte Held. Wie der Malier nun gleich zweimal hintereinander aus kürzester Distanz an HSV-Keeper Matheo Raab scheiterte, das erinnerte wiederum fatal an die ausgelassene Vierfach- und anschließende Zweifach-Chance am 18. Spieltag auf St. Pauli.

Dergleichen mag Spieler, Trainer und Fans an der Rand der Verzweiflung treiben, darf aber kein Grund sein zu hadern und nur an Glaube und Hoffnung zu appellieren - weil sich so viel Pech ja irgendwann mal ausgleichen und in Matchglück wandeln müsse, und überhaupt die Leistung ja stimme. Ganz so einfach ist es leider nicht. Der Abstiegsrang 17, den die Pfälzer nun einnehmen, mag nur eine Momentaufnahme sein, aber er lügt nicht.

Benes und Königsdörffer, die Hamburger Unruheherde

Die Art und Weise, wie der FCK Gegentreffer kassiert, gibt weiterhin Anlass zu höchster Sorge. Wenn sich diese Fehler nicht bald minimieren, werden sich die Roten Teufel auch bis zum Rundenende gute Auftritte ruinieren.

Vor dem ersten Hamburger Tor erwartet die Lautrer Hintermannschaft im Grunde formiert. Nach einem Einwurf von der rechten Seite darf der HSV den Ball um den Strafraum herum zirkulieren lassen. Der Ball landet beim halblinks einlaufenden Ransford-Yeboah Königsdörffer, der flach in die Mitte vor den Fünfer passt, wo sich Laszlo Benes an drei Roten Teufeln vorbeidrängelt wie ein hungriger Student in der Mensa, der in der Schlange an der Essensausgabe die Schläfrigkeit seiner Kommilitonen ausnutzt. Und einschiebt.

Zuvor hatte Benes bereits mit einer Direktabnahme den Pfosten getroffen. Da hatten die Gastgeber einen Lautrer Angriff am eigenen Strafraum abgefangen und das Leder erneut über die linke Seite nach vorne getragen. Diesmal hatte Königsdörffer Benes den Ball in den Rückraum serviert. Und schon nach sechs Minuten hatte Benes einen Kopfball aus kürzester Distanz übers Tor gesetzt. Aufgelegt hatte ihm, ebenfalls per Kopf, abermals Königsdörffer, nach einer Rechtsflanke des Polen Lukasz Poreba. Zudem landete in der zweite Hälfte eine Freistoßflanke Benes' am langen Pfosten.

Bereits diese Aufzählung zeigt: Rechtsverteidiger Touré vergab nicht nur die Riesenchance zum 2:1, sondern hatte bei der Ausübung seines Kerngeschäfts auch große Schwierigkeiten mit Königsdörffer. Und Hamburgs Mittelfeld-As Benes bekamen die Betze-Buben überhaupt nicht in den Griff.

Ganz schlimm: der zweite Gegentreffer

Zum Saugrausen war dann der zweite Gegentreffer. Formell eine Umschaltaktion, die sich unmittelbar an Tourés Großchance über dessen verwaiste Abwehrseite anschloss, aber keine sehr schnelle. Und in den fatalen Momenten war, wie schon beim ersten Gegentor, eigentlich genug FCK-Personal anwesend. Eigentlich.

Denn: Andras Nemeths Schussversuch als halbrechter Position hat keinen wirklichen Drive, so dass Boris Tomiak ihn souverän klären müsste. Eigentlich. Stattdessen baut er eine ziemlich unsinnige Kerze, die Keeper Robin Himmelmann abfischen müsste. Eigentlich. Der aber vermag sich gegen zwei vor ihm postierte Gegenspieler nicht konsequent durchzusetzen, klatscht nur ab. Der Ball landet im Rückraum bei Poreba. Und dessen Hinterhaltsgeschoss sieht nicht wirklich unhaltbar aus. Eigentlich. Drin ist es trotzdem. Hat der FCK nach Julian Krahls Ausfall nun auch ein Torwartproblem?

Zu allem Überfluss hebt Tomiak eine mögliche Abseitsposition auf, wie der VAR bestätigt. Ausgerechnet Tomiak, der schon seit Wochen zusammen mit Jan Elvedi eine stabile Innenverteidigung bildet. Eigentlich.

Kleiner Exkurs: Wer die meisten Gegentreffer kassiert, steigt ab

Unterm Strich stehen damit also erneut zwei Gegentreffer zu Buche, die Punkte kosten. Insgesamt sind es nun 56, pro Spiel also zwei im Durchschnitt. Der hat sich auch unter Funkel kaum gebessert, nach sieben Liga-Spielen unter seiner Regie sind im Schnitt 1,86 Gegentreffer zu verzeichnen. So viele Gegentore hat bislang kein anderes Team der Liga kassiert. Und die Mannschaften mit der schlechtesten Defensive steigen fast immer ab. Ausnahmen sind in Liga zwei nur selten zu finden. In der Saison 2017/18 blieben Heidenheim und Duisburg mal drin, obwohl sie mit 56 Gegentoren die löchrigsten Hintermannschaften stellten, der MSV schloss damit sogar auf Rang 7 ab. 2014/15 blieb Bochum mal mit dem Höchstwert von 55 Gegentreffern in der Klasse.

Wohlgemerkt: So viele Einschläge wie in den genannten Beispielen verzeichnet der FCK schon jetzt, nach grade mal 28 Spieltagen. Kassiert er weiter Buden in dieser Frequenz, muss er sich schon den Karlsruher SC in der Saison 2010/2011 zum Vorbild nehmen: Da nämlich schluckten die Badener 72 Gegentreffer - und blieben drin.

Dennoch: Der Matchplan hat gestimmt

Damit ist es jetzt aber genug mit den negativen Aspekten. Von den schlimmen Momenten in der Abwehrarbeit abgesehen, darf der Aufritt im Volksparkstadion durchaus Mut machen. Friedhelm Funkels Matchplan hat gestimmt, und auch wenn die Ergebnisse auf dem Papier noch keinen Aufwärtstrend erkennen lassen, so ist es auf dem Rasen doch deutlich zu sehen: Die Mannschaft hat unter dem neuen Coach zur einer besseren Balance zwischen Defensive und Offensive gefunden.

Wie erwartet, gestaltete sich diese Partie vollkommen anders als das DFB-Pokal-Halbfinale in Saarbrücken unter der Woche. Darauf hatte Funkel unter anderem mit Personalrotation im Angriff reagiert. Alle vier Offensivkräfte des Saarbrücken-Spiels saßen entweder auf der Bank oder waren gar nicht im Kader. Stattdessen vertraute der Trainer auf die schnellen Flügelspieler Richmond Tachie und Aaron Opoku anstelle der wegen kleinerer Blessuren zuhause gebliebenen Kenny Redondo und Jean Zimmer. Im Sturmzentrum lief der genesene Ragnar Ache auf, auf der Zehn dahinter ersetzte Tobias Raschl Marlon Ritter.

HSV presst, FCK kontert, lässt aber zu viel liegen

Der HSV spielte phasenweise hohes Pressing, das die Gäste in der Regel zwar nicht auf kurzen Wegen zu überspielen versuchten, sondern mit langen Bällen. Die in der Regel wurden mit Bedacht auf die Zielspieler vorne geschlagen. Auch das Nachrücken, um zweite Bälle zu sichern, klappte insgesamt gut.

Zudem glückten den Pfälzern im Mitteldrittel immer wieder Balleroberungen, die zu vielversprechenden Umschaltaktionen führten. Die die Hamburger allerdings, so ehrlich muss man sein, in der ersten Hälfte auch durch Stockfehler ermöglichten, die eines Aufstiegskandidaten unwürdig waren. Leider verdaddelten die Lautrer diese Momente ein ums andere Mal. Vor allem Opoku und Tachie hätten zweimal nur auf den freistehenden Ache querlegen müssen, um diesen in eine Top-Schussposition zu bringen.

Auch der Ausgleich resultierte aus einer solchen Umschaltsituation. Raschl eroberte sich das Leder kurz vor Mittellinie und schickte Opoku auf die Reise. Worauf diesem diesmal ein recht schwieriges Zuspiel glückte, zwischen mehreren Abwehrbeinen hindurch auf den am langen Eck lauernden Ache, der zum 1:1 einschob. Manchmal scheint's eben kompliziert besser zu gehen als einfach.

Doch, tatsächlich: Sie können auch richtig Fußball spielen

Dieses Team kann jedoch nicht nur auf Konter lauern. Sondern auch Torgelegenheiten gegen bereits formierte Hintermannschaften herausspielen - das machte die Partie ebenfalls nachdrücklich deutlich. Schon nach vier Minuten etwa ermöglichten Opoku und Julian Niehues nach gutem Zusammenspiel Tymo Puchacz eine Flanke, die Ache mit dem Kopf übers Tor setzte. Nach elf Minuten brachte Puchacz sich nach einem Doppelpass mit Raschl im dicht besetzten HSV-Sechzehner in eine gute Schussposition, schob den Ball aber am langen Pfosten vorbei. Auch Traorés Riesenchance legte Opoku nicht nach einer Umschaltaktion auf, sie ergab sich nach einem weiten Torabschlag Himmelmanns, der gut gesichert und auf den linken Flügelmann weitergeleitet wurde.

Damit sind noch nicht einmal Torgelegenheiten für den FCK aufgezählt. Dass "bundesliga.de" ein xGoals-Verhältnis von 2,81 : 3,00 zugunsten der Gäste errechnet hat, spricht für sich. Und zeigt, dass auch ein anderes Ergebnis durchaus möglich gewesen wäre.

Natürlich: Nach dem Führungstreffer der Hamburger gelang den Betze-Buben nicht mehr viel. Das lag aber nicht daran, dass sie mental oder körperlich abbauten. Im Gegensatz zu früheren Partien dieser Saison, die in der zweiten Halbzeit verloren gingen, hielt die Elf, in die Funkel nun sukzessive frisches Blut pumpte, Kraft und Konzentration aufrecht. Allerdings zogen sich die Gastgeber nun zurück und präsentierten sich so gefestigt, wie sein Anhang es von einem Aufstiegskandidaten erwartet. Und Ragnar Ache hatte den Platz nach 63 Minuten bereits verlassen, so war es mit dem Trainer abgesprochen. Dass ohne den Torgaranten nicht viel geht, lässt sich bekanntlich auch statistisch beweisen.

Unterm Strich aber ist nach diesem Auftritt nicht nur Zweck-Optimismus angebracht. Trotz zweier Niederlagen in Folge bleibt die Erkenntnis, die Friedhelm Funkel formulierte: "Wir sind ein ganzes Stück weiter, so wie wir auftreten."

Die "Wyscout"-Grafiken liegen bislang noch nicht vor. Einfach morgen nochmal vorbeischauen, dann reichen wir sie nach.

Ergänzung, 11.04.2024: Die xG-Grafiken zum Hamburg-Spiel

Zu den Grafiken. In der xG-Timeline sind die Pfälzer wieder mal blau. "Wyscout" kommt sogar auf xG-Ergebnis von 2,58 : 3,54 zu Lautrer Gunsten, demnach hätte es also ein klarer Sieg sein müssen. Schön zu sehen: Der gewaltige Sprung, den Tourés Chance bewirkt, ehe die Hamburger zuschlagen.

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Die Passmap der Roten Teufel: Nur Opoku (Nr. 17) hat Mittelstürmer Ache (9) mehr als dreimal erfolgreich angespielt, nicht zuletzt unmittelbar vor dem 1:1. Insgesamt recht linkslastig, das Lautrer Spiel. Klar wird aber auch: Das ist nicht die Passmap eines Teams, das nur auf Konter gespielt hat. Dazu auch noch ein paar Zahlen: Im offenen Spiel verzeichnete der FCK insgesamt 15 Ballbesitze, bei denen der Ball zwischen 20 und 45 Sekunden in den eigenen Reihen blieb. Solche Werte gab es unter Schuster und Grammozis kaum. Und: Die Funkel-Truppe spielte insgesamt 23 Pässe in den gegnerischen Strafraum, von denen zwölf von einem Mitspieler angenommen wurden. Die Hamburger passten lediglich 21-mal in den Sechzehner, fanden dabei nur zehnmal einen Teamgefährten.

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Die Passmap: In dem Maße, in dem das Lautrer Spiel linkslastig war, war das der Gastgeber rechtslastig.

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Die Übersicht über die geführten Duelle: Hier ist der FCK nun wieder rot. Die zuletzt starken Innenverteidiger Elvedi und Tomiak sehen diesmal gar nicht gut aus. Nicht gut im Spiel war außerdem Tachie. Eine gute Torszene hatte allerdings auch er. Auch Hanslik fand nach seiner Einwechslung nicht gut in die Partie.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon Thomas » 11.04.2024, 18:03


Hinweis für unsere Taktik-und-Statistik-Interessierten: Die Grafiken vom Hamburg-Spiel sind mittlerweile eingetroffen - einfach fünf Zentimeter nach oben scrollen. ;)
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)



Beitragvon Kohlmeyer » 13.04.2024, 17:15


Wir haben wieder etwas genauer hingeschaut und kommen zu folgender Analyse aus Fürth:

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Taktik-Nachlese zum Spiel Fürth-FCK
Die DBB-Analyse: Später K.o., aber mit Ansage


Nimmt der Alptraum denn nie ein Ende? Zum dritten Mal in Folge verliert der 1. FC Kai­sers­­lautern unnötig, diesmal 1:2 bei der SpVgg Fürth. Wieder war "mehr drin", wieder ent­schei­det ein einziger schwacher Moment, aber ebenso gilt wieder mal: selbst schuld.

Ja, die vier Minuten Nachspielzeit waren bereits abgelaufen, als die Fürther ihren allerletzten, für den FCK verhängnisvollen Angriff starteten. Kurz zuvor aber hatte Schiedsrichter Patrick Alt angezeigt, dass es zum Nachschlag noch was obendrauf gibt. Marlon Ritter war nach einem Schlag in die Rippen liegen geblieben und schließlich gegen Daniel Hanslik ausgetauscht worden, diese Sekunden des Stillstands wollte der Referee noch ausgleichen.

Die entscheidende Frage sollte daher lauten: Wieso konnte Branimir Hrgota in dieser 95. Minute am linken Flügel so verdammt frei stehen? Der Schwede passte sofort in die Mitte, nachdem er den weiten Diagonalpass aufgenommen hatte, scharf und mit Schnitt, die Sorte Flanke, die sich nicht gepflegt annehmen, sondern in die sich nur hineinrutschen lässt. Die auch gerne mal von einem gegnerischen Abwehrspieler ins eigene Netz abgefälscht wird - wenn kein Mitspieler sie erwischt, wie in diesem Fall. Robert Wagner hieß der Glückliche. Mit seinem Siegtreffer zum 2:1 machte er sich sogar zum Doppeltorschützen. Ungewöhnlich für einen defensiven Mittelfeldspieler. In den 26 Partien zuvor hatte der erst 20-Jährige nur ein einziges Mal getroffen.

Das Unheil kam aus dem Mittelfeldzentrum

Hrgota und Wagner also. Der Zehner und der Sechser. Dass Spieler auf diesen beiden Positionen dem FCK das Genick brachen, deutet bereits darauf hin: Die Lautrer verloren dieses Spiel im Mittelfeldzentrum. Dafür finden sich sogar noch ein paar Belege mehr.

In der zweiten Hälfte, als die Fürther vor allem zwischen der 45. und der 60. Minuten stark aufkamen, fanden diese immer wieder Anspielstationen in der Zone vor dem Sechzehner. In Halbzeit eins dagegen hatten sie gar nichts zuwege gebracht, ihren 68 Prozent Ballbesitz zum Trotz - die nämlich zelebrierten sie fast ausschließlich in den uninteressanten Bereichen des Spielfelds.

Immerhin aber durfte sich bei den Einschussmöglichkeiten, die sich die Gastgeber in dieser Viertelstunde herausspielten, FCK-Keeper Robin Himmelmann auszeichnen. Schön für ihn, da er obwohl er in drei Partien noch keinen Gegentreffer verschuldete einiges an Kritik hatte einstecken müssen.

Niehues' Ausfall wiegt schwer

Doch was war in der Pause geschehen? Kleeblatt-Coach Alex Zorniger wird, natürlich, mehr Aggressivität im Zweikampf eingefordert haben, die sein Team danach auch verstärkt an den Tag legte. Und der FCK wirkte, wie schon öfter in dieser Spielzeit, in der ersten Viertelstunde der zweiten Hälfte weniger konzentriert.

Diese "Wyscout"-Grafik zeigt recht deutlich, wie sich die Zweikampfquote in dieser Phase verschoben:

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Hinzu kam: Mit Julian Niehues war Lauterns Mann vor der Abwehr zur Pause ausgeschieden. Mit einer Knieverletzung, von der noch nicht prognostiziert werden kann, wie schwer sie ist. Fällt der 22-Jährige länger aus, trifft das den FCK möglicherweise härter als diese Niederlage. Diese Befürchtung war auch Friedhelm Funkel nach dem Spiel anzumerken. Denn mit Niehues und Filip Kaloc als Duo im zentralen Mittelfeld hatten die Roten Teufel zuletzt zu deutlich mehr Stabilität gefunden.

Wäre Niehues in der entscheidenden Szene bei Hrgota gewesen? Hätte er vor dem 1:1 eventuell Wagner abgedeckt, der aus dem Rückraum unbedrängt den Ball unters Torgebälk schweißen durfte? Müßig, darüber zu spekulieren. Doch zumindest die Entstehungsgeschichte zum 1:1 lässt es vermuten.

Wagners Ausgleichstreffer: Irgendwie symptomatisch

Zunächst offenbart sich eine Schwäche, an der das Spiel der Betze-Buben die gesamte zweite Hälfte hindurch krankte: Die weiten Bälle aus der Abwehr werden mehrheitlich sofort retourniert, weil sie niemanden mehr finden, der sie festmacht. Manche sind schlichtweg zu kurz, wie der, den Keeper Robin Himmelmann in dieser 53. Minute schlägt. Noch vor der Mittellinie pflückt diesen - wer wohl? - Robert Wagner herunter.

Der Leihspieler aus Freiburg passt nach links und trabt weiter nach vorne. Vor den Sechzehner, wo ihn Jomaine Consbruch erneut abspielen kann. Darauf versucht Wagner einen Steckpass auf Stürmer Dennis Srbeny, doch Jan Elvedi spitzelt ihm den Ball vom Fuß. Ohne Kontrolle allerdings, so dass er ungewollt Doppelpass mit Wagner spielt, der mittlerweile, immer noch unbedrängt, im Strafraum eingelaufen ist. Nun darf er auch noch aus 14 Metern abziehen.

Noch Fragen? Der Junge ist fast 30 Meter durch die Spielfeldmitte marschiert, hatte drei Ballkontakte inklusive Torabschluss, ohne dass ihn jemand störte. Ein Sechser wie Niehues zum Beispiel.

Für den war übrigens Tobias Raschl gekommen. Der hier keineswegs zum alleinigen Sündenbock gemacht werden soll. Raschl stand in punkto Passgenauigkeit (75 Prozent) seinem Vorgänger (77 Prozent) kaum nach, präsentierte sich sogar einen Tick lauffreudiger (6,1 Kilometer) als Niehues (5,7 Kilometer). Was aber für einen zentralen Mann vor der Abwehr kein unbedingt entscheidendes Kriterium ist. Niehues hatte zuvor 75 Prozent seiner Defensiv-Zweikämpfe gewonnen, während für Raschl nur 50 Prozent zu Buche stehen. Das sind zumindest Details, die ein Pendel gegen Ende eines Spiels zugunsten des Gegners ausschlagen lassen können.

Nach 65 Minuten flügellahm

Nächster Kritikpunkt: Nach der Auswechslung von Richmond Tachie und Aaron Opoku, die Coach Funkel nach 65 Minuten vornahm, gelangen dem FCK keine wirkungsvollen Flügelangriffe mehr. Philipp Hercher blieb blass, und Dickson Abiama fiel nur durch zwei ungestüme Aktionen auf, für die er die Gelbe Karte kassierte. Okay, es gelang ihm auch ein verwertbares Zuspiel auf Ragnar Ache, nachdem er etwas glücklich in Ballbesitz geblieben war. Ache aber jagte das Leder übers Tor.

Dem ausgewechselten Tachie wiederum muss der Vorwurf gemacht werden, dass sein Eigensinn die wohl größte Torchance seines Teams in der gesamten zweiten Halbzeit vereitelte. Nach einer knappen Stunde drosch er, in der Strafraummitte stehend, den Ball übers Tor. Die Schussbahn, die er hätte nutzen müssen, war ihm jedoch von zwei Gegenspielern verstellt. Hätte er das Leder mit der Innenseite nur ein paar Meter weiter zu Ache geschoben - der stand vollkommen frei.

So blieb den Roten Teufeln nicht nur ein Happy End, sondern auch der eine Punkt versagt, den sie schon sicher zu haben hofften. Und mit dem sie sich ungefähr ab der 70. Minute ein bisschen zu offensichtlich zufrieden geben wollten. Was den finalen Niederschlag ebenfalls ein Stück weit provozierte.

Nur noch Makulatur: Die souveräne erste Hälfte

Die gute erste Halbzeit, in der der FCK trotz lediglich 32 Prozent Ballbesitz die Partie vollkommen im Griff hatte, war am Ende nur noch ein Muster ohne Wert. Schon nach vier Minuten zeigten die Pfälzer, wie die gesamte Partie für sie hätte laufen können. Jean Zimmer setzte auf der rechten Seite Tachie ein, der überlief seinen Gegenspieler, flankte in die Mitte, Ritter ließ durch - und Aches Direktabnahme traf nur Simon Astas Fuß.

Und dann das 1:0. Ache wurde schließlich zum Torschützen erklärt, nachdem die Fernsehbilder geklärt hatten, dass er den Ball bereits über die Linie bugsiert hatte, ehe Elvedi das Netz zappeln lassen. Doch gleich, wem der Treffer zugeschrieben wurde - eigentlich gehört er Ritter, der sich mit einem spektakulären Lupfer in den Strafraum gemogelt und von der Torauslinie die Vorlage geliefert hatte. Vorausgegangen war eine Ecke von MR7, die es, zugegeben, nicht hätte geben dürfen. Was der anschließenden Aktion aber nichts von ihrer Schönheit raubt.

Szenen, die sich Lautrer aber nun dennoch bewahren müssen. Denn sie belegen, dass sie Fußball spielen können. Dunkle Prophezeiungen à la "Wer so seine Spiele verliert, steigt ab", helfen in dieser Situation niemandem. So herb dieser Niederschlag war: Da auch Rostock und Wehen keine Punkte holten - Braunschweig spielt erst morgen -, hat der FCK an diesem Spieltag im Abstiegskampf bisher keinerlei Boden verloren. Platz 15 ist nach wie vor in Schlagdistanz. Und kommenden Samstag kommt mit dem SVWW ein Gegner auf den Betzenberg, an dem sich mit einem Sieg vorbeiziehen lässt.

Und wieder ein Sieg nach xG - Grau ist eben alle Theorie

Zu den Grafiken: Wieder mal haben die Roten Teufel ein Spiel nach "expected Goals" gewonnen. Kennen wir schon von vergangener Woche. Der Sieg beim HSV hätte sogar noch deutlicher ausfallen können. Theoretisch.

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Die Passmap der Roten Teufel: Diesmal haben mit Keeper Himmelmann (Nr. 32), Zimmer (8) und Ritter (7) gleich drei Spieler ihren Mittelstürmer Ache (9) mehr als dreimal angespielt. Die Flügelstürmer Opoku (17) und Tachie (29) kommunizierten. Im zentralen Mittelfeld dagegen finden sich kaum Pfeile. Was ebenfalls drauf hindeutet: Insbesondere in Hälfte zwei lief im und durchs Zentrum zu wenig.

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Die Passmap des Kleeblatts: Na, das sieht ja aus, als ob da Barca den Ball zirkulieren ließ. Wer das Spiel gesehen hat, weiß: So doll war's auch wieder nicht.

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Die Duell-Übersicht: An den Bilanzen der vier Lautrer Abwehrspieler gibt's nichts zu meckern. Schön zu sehen, wie abgemeldet die Sturmspitzen Srbeny und Sieb im Grunde waren, aber auch, dass der zur Halbzeit eingewechselte Tim Lemperle über wesentlich mehr Durchsetzungsvermögen verfügte. Ebenfalls ein Grund, weswegen der FCK in Hälfte zwei die Kontrolle verlor.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon Gerd » 14.04.2024, 20:16


Wie gewohnt sehr gute Analyse.
Besonders das Thema DM sehe ich genau so, nicht erst seit FR. Die Abwehr vor der Abwehr ist das Problem. Wir verlieren regelmäßig dort die Kontrolle und erlauben dem Gegner dann Sachen, die vorher unmöglich erschienen. Und dass der Einbruch durch den Ausfall von JN16 - gute und schnelle Besserung!! - beschleunigt wurde, sehe ich auch so.

Was nun? Variante Nürnberg mit BT2 im DM? Dort haben wir den FCN über weiter Strecken des Spiels schon im Mittelfeld so gestört, dass sie nur wenige Chancen bekamen. BT2 und FK26 sind für mich das beste verfügbare DM-Duo. AA4 scheint für FF kein Faktor zu sein.

Wer ersetzt dann BT2 in der IV? Fällt mir eigentlich nur AT6 ein. Bin sehr gespannt, welche Lösung FF findet.

Habe mir gestern SVWW-F95 angeschaut. F95 hat ihnen im Mittelfeld den Zahn gezogen, sie hatten nur wenige gute Off-Aktionen. Die verbreiten keinen Schrecken, wenn man sie früh genug stört, womit wir wieder beim Anfang wären ...



Beitragvon Kohlmeyer » 15.04.2024, 07:06


Da gäbe es auch noch AA4. Eigentlich mal als Hoffungsträger für die Sechs geholt worden. Hat unter Funkel allerdings erst eine Minute gespielt, in den letzten vier Pflichtspielen war er gar nicht mehr im Kader. Obwohl Funkel ja auf der Ersatzbank gerne rotiert, damit nicht immer die gleichen auf die Tribüne müssen. Kann was bedeuten, muss nicht.

Mein Tipp: Gegen Wiesbaden beginnen wir im defensiven Mittelfeld mit Kaloc/Raschl, Aremu wird allerdings in der 60./70. Minute eingewechselt, damit er Spielpraxis bekommt. Und in Kiel ist er dann von Anfang an vorbei. Weil da werden wir einen Sechser brauchen, der mehr Abräumer ist.

Gruß,
Kohlmeyer



Beitragvon woinem77 » 15.04.2024, 11:20


Die Zweikampfstatistik zeigt erneut wie wichtig Niehues für die defensive Stabilität ist.
Abiama, der ja der neue Sündenbock und Prügelknabe ist zeigt übrigens so ziemlich als einziger (offensiver) Einwechselspieler dass er Zweikämpfe ind er Überzahl gewonnen hat. Die Zweikampfbilanz von Ache ist in Kombination mit der Laufleistung auch nicht gerade positiv.
Ich würde ehrlich gesagt Touré neben Kaloc auf die Doppelsechs stellen. Der kann auf jeden Fall vor der Abwehr den ein oder anderen Zweikampf gewinnen, macht gefährliche Ausflüge nach vorne, und ist bei Standards wie auch im Spiel deutlich kopfballstärker als z.B Raschl. Schade das Aremu aussen vor ist, den hatten die Paulianer eigentlich als einen sehr ordentlichen 6er in Erinnerung. Tatsache ist, dass bei uns im Mittelfeld der Ball nie läuft....und wenn man eben nur 30% Ballbesitz hat, dann ist man 70% am verteidigen und Räume zulaufen. Auch wenn ich mir deswegen die maue Laufleistung schwer erklären kann.

Am Ende wird auch klar woran wir eben oft scheitern...Wir sind 4. in der Liga was Torschüsse angeht. Aber es ist eben auch wie genannt augenscheinlich dass der Ball nicht läuft. Hierzu 2 Statistiken. Wir sind 17. was den Ballbesitz angeht und 17 was die Passquote angeht. Dazu sind die 2 besten Passgeber Elvedi und Tomiak. Das zeigt finde ich recht deutlich woran es hakt. Das war übrigens auch ein Thema das Schuster immer wieder hochgebracht hat.
Zuletzt geändert von woinem77 am 15.04.2024, 17:05, insgesamt 1-mal geändert.



Beitragvon Kohlmeyer » 15.04.2024, 15:31


Interessante Idee mit Touré. Hat er aber noch nie gespielt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Funkel in den verbleibenden Spiel nochmal groß zu experimentieren anfängt.

Perspektivisch könnte ich mir Touré, seines guten Passspiels wegen, auch als zentralen Mann in einer Dreierkette vorstellen. Mit Elvedi rechts und Tomiak links daneben. Oder Tomiak auf der Sechs, und links hinten endlich ein neuer, linksfüßiger Abwehrmann, den wir eigentlich schon zwei Jahre brauchen. Oder fünf, weiß nicht nicht mehr so genau.



Beitragvon Ke07111978 » 15.04.2024, 16:16


Die Zweikampfquote von Niehus gegen Hamburg und Düsseldorf war für einen Sechser eher bescheiden. Gegen Hamburg hat er sogar mehr Zweikämpfe verloren als gewonnen. Wie auch in den Spielen zuvor merkt man eben, dass wir in der zweiten Halbzeit abbauen, meist resultiert das in einer tieferen Aufstellung - und dann ist der Sechser Raum eben schwer zu verteidigen - weil enorm groß. Das Problem begleitet uns schon die ganze Saison und ist das Resultat von mangelnder Kondition und Spielanlage. Fürth hat eine Passquote von 83,4% - wir von 77,6%. Da ist nur Rostock schlechter. Alleine durch die Passquote müssen wir schon 10% mehr Zweikämpfe gewinnen.

Konkret hatte Dietz eine Passeffizienz von 7,8 und Asta bzw. Hrgota von 2,8. Bei uns hatte Tomiak 2,8 gefolgt von Opuka mit 1,4. ALLE anderen Spieler liegen unter 1. Dieses Bild ist recht symptomatisch für die Saison - wir haben eigentlich nur zwei drei Spieler die regelmäßig mit einer Passeffizienz von über 1 aufwarten: Opuko, Toure, Tomiak, Elvedi und mit abstrichen Ritter.

Die Passeffizienz ist besser als die Passquote, weil sie auch das Risiko eine Passes bewertet (ähnlich wie die xgoals). Um deutlich über 1 zu kommen muss man also herausfordernde Pässe spielen, die auch ankommen. Um mal eine Einordnung zu geben: Spieler wie Xhaka liegen als 6er gerne bei Werten über 5.

Warum führe ich das so aus 1. kann man durchaus weniger Zweikämpfe gewinnen aber trotzdem deutlich effizienter spielen und 2. bleibt uns gar nicht viel übrig als auf die Spieler zu setzen, die auch in der Lage sind spielentscheidente Pässe zu spielen. Ich würde mich daher über die Kombination Tomiak auf der 6 und Toure in der IV oder umgekehrt freuen. Wir müssen sowieso Tore machen.



Beitragvon Excelsior » 15.04.2024, 21:36


@woinem
@Ke

Finde eure beiden Erklärungsansätze spannend und richtig.
Mir stellt sich bei beiden allerdings die Frage: Warum ist dem so?

Punkt 1: Ballbesitzquote / Passquote
Aus meiner Sicht verfügen wir gerade im zentralen MF mit Ritter, Kaloc, Raschl und Klement sogar eher über gehobeneres Zweitliganiveau, was die technischen Fertigkeiten anbelangt. Allen anderen Startelfkandidaten ist (mindestens) 2. Liganiveau nun auch nicht unbedingt fremd...
Wie kann es dann sein, (quasi seit Jahren) weiterhin stringent auf derart unterirdische Ballbesitzquoten zu kommen?

Denn wie ihr beide es ja richtigerweise jeweils bereits angedeutet habt ... alleine daran hängt schlussendlich viel Kausalität.
-> mehr Ballbesitz; weniger Laufarbeit; mehr Laufarbeit für den Gegner; tendenziell mehr Torchancen auf der eigenen Seite (vorallem auch gegen tiefstehende Gegner); normalerweise weniger Torchancen für den Gegner (zumindest, bei entsprechender Konterabsicherung)

Ohne den Ballbesitz sind wir hingegen geradezu gezwungen, aus den sich bietenden Chancen möglichst viel zu machen.
Finde ich ziemlich hochgepokert.
Klappt das nicht ... dann Willkommen im "Hier und Jetzt"...

Punkt 2: Laufleistung
Siehe Punkt 1.
Auch hier dürften wir uns im Vergleich zum Vorjahr eigentlich sogar eher verstärkt haben.
Mit Puchacz, Raschl, Kaloc sind wir sicherlich in diesem Jahr nicht schlechter aufgestellt, was das Laufvermögen anbelangt.
Woran liegt es dann, dass wir regelmäßig irgendwann in der 2. HZ signifikant abbauen? Wenn nicht siehe erstens?

Punkt 3: Zweikampfhärte
Sicherlich "nice to have".
Aus meiner Sicht aber nicht so entscheidend, sofern die Ballbesitzquote stimmt.
Dann schon eher der Faktor, der zwischen einer guten und einer herausragenden Mannschaft innerhalb der 2. Liga unterscheidet... erst ab dann Gewicht hat, wenn man "höher hinaus will".

Punkt 4: Mentalität
Meiner Beobachtung nach verfügt der Kader über deutlich zu wenig Selbstvertrauen und vorallem Resilienz.
Rückschläge bringen die Mannschaft oftmals schlagartig komplett aus dem Konzept... sei es nun bei Verletzungen wichtiger Stammspieler (siehe Ache; siehe Niehues); bei plötzlichen Gegentoren oder bei der Darbietung eigenen Unvermögens (versemmelte Torchancen; miese Pässe; Fehler, die zu Gegentoren führen etc.)
Auch jenes halte ich letztendlich für eine Folge, überwiegend dem Gegner den Ball zu überlassen UND natürlich einem eklatanten Fehlen von "Spiritual Leadern" im Kader.

Zusammengenommen kann für meinen Geschmack also nur das Fazit lauten, dass der Kader entweder bei weitem nicht die Qualität hat, die ich ihm (mit meiner "weniger neutralen" Sichtweise) persönlich schon zuschreiben würde.
-> was insofern aber dann sicherlich sehr am Fußballsachverstand unserer administrativen sowie Aufsicht führenden Verantwortlichen zweifeln ließe...

ODER, dass unser Absturz tatsächlich vollkommen systemimmanente Ursachen hat, indem dem (vielleicht auch gar nicht so schlecht zusammengestellten) Kader vollkommen die richtigen Fußballlehrer zu den richtigen Zeitpunkten abgingen ...weil diese entweder eher "Zerstörung" als "Fußballspiel" propagierten und/oder (falls überhaupt vorhanden) nicht die angemessene Zeit zugestanden bekamen, dieses unsägliche (panische) Kick'n'Rush wieder aus den Spielerköpfen zu "eliminieren"...



Beitragvon Kohlmeyer » 21.04.2024, 12:15


Hier kommt unsere Analyse und paar weitere Gedanken nach dem gestrigen Spiel:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVWW
Die DBB-Analyse: Kein Glaube im Schwimmverein


Wieder kein Sieg. Doch das ist nicht einmal die fatalste Erkenntnis aus diesem 1:1 gegen einen Tabellennachbarn. Sondern: Von vielen schwachen zweiten Halbzeiten des 1. FC Kaiserslautern in dieser Saison war diese eine der schwächsten.

Ja, wir sind es auch leid, uns ständig über die Leistungseinbrüche dieser Mannschaft in zweiten Halbzeiten auszulassen. Leider aber rauben sie nicht nur dem Umfeld langsam den Verstand. Viel schlimmer ist: Die Mannschaft glaubt mittlerweile wohl selbst nicht mehr daran, dass sie nach einer Führung drei Punkte unter Dach und Fach bringen kann. Fatalerweise nämlich hat sich die Frequenz der Punktabgaben mit zunehmender Saisondauer erhöht - und die diversen Trainerwechsel haben sich eher negativ ausgewirkt als die erwünschte Verbesserung gebracht.

In den 14 Partien unter Dirk Schuster haben die Betze-Buben insgesamt vier Führungen abgegeben. Drei Stück waren es unter Dimitrios Grammozis, der den FCK allerdings nur in insgesamt sechs Liga-Spielen betreute. Unter Friedhelm Funkel wiederum folgten nun in bislang neun Spielen auf fünf 1:0-Führungen keine Siege.

Die "negative Kontinuität" hat sich im Kopf festgesetzt

Das macht nicht eben Hoffnung, dass die Pfälzer dieses Problem in den verbleibenden vier Runden noch in den Griff bekommen. Und spricht auch nicht für die mögliche Erklärung, dass es eventuell die Amerika-Reise im vergangenen Sommer war, die kein optimales Grundlagentraining während der Saisonvorbereitung ermöglichte. Eventuelle Defizite, die in diesem Zusammenhang entstanden sein könnten, müssten mittlerweile längst aufgearbeitet sein.

Es scheint viel mehr das manifestiert zu haben, was der ehemalige FCK-Trainer Milan Sasic einst "negative Kontinuität" genannt hat. Und die hat sich nicht in den Beinen, sondern in den Köpfen festgesetzt. Insofern ist dem Statement von FCK-Boss Thomas Hengen, dass schlicht und ergreifend "Mut und Überzeugung" fehlen, zunächst mal nichts hinzufügen.

Die merkwürdige Personalpolitik tut ein Übriges

Allerdings: In der analysierenden Rückschau nach Rundenschluss, mit welchem Ende auch immer, wird auch über die Personalpolitik in dieser Spielzeit geredet werden müssen. Unter den Transfers im vergangenen Sommer mag mit Ragnar Ache ein absoluter Volltreffer gewesen sein. Auch andere Neuverpflichtungen wie Richmond Tachie und Jan Elvedi haben die Erwartungen mindestens erfüllt. Doch das allgemein bekannte Problem auf der linken Abwehrseite wurde nicht behoben.

Und in der Winterpause kam es Personalentscheidungen, die noch schwerer nachvollziehbar waren: Da kamen drei Offensivspieler, davon zwei auf Leihbasis, von denen sich bislang keiner als Verstärkung dargestellt hat. Mit Terrence Boyd, Andreas Luthe und Erik Durm verließen drei Spielerpersönlichkeiten den Verein, die zwar keine regelmäßigen Startelf-Kandidaten mehr waren, die aber auch in der Kabine alleine aus ihrer großen Erfahrung heraus eben den "Mut und die Überzeugung" vermitteln hätten können, die Hengen nun vermisst. Für diese Fehlsteuerungen allein den sogenannten "Technischen Direktor" Enis Hajri verantwortlich zu machen, wäre ein bisschen billig.

Die erste Halbzeit: Chancen fast nur über Standards

Dass diese Gedanken über die nackte Spielanalyse hinausgegangen sind, bitten wir zu entschuldigen. Aber über die Partie muss nicht viel gesagt werden, was nicht auch schon in den vergangenen Wochen erklärt wurde. Außer vielleicht: Es war gegen den SV Wehen Wiesbaden nicht nur das 14. Spiel, in dem der FCK eine Führung abgab, viel schlimmer ist. Es war mit die schlechteste zweite Halbzeit, die dieses Team in der gesamten Saison ablieferte. Gerade auch das darf als Beleg dafür angesehen werden, dass es sich hier ein "Kopfproblem" immer stärker manifestiert.

In der ersten Hälfte hatten die Lautrer ihre Gäste nicht gerade an die Wand gespielt, aber sich doch ein gewisses Chancenplus herausgespielt und gleichzeitig dem Gegner so gut wie gar nichts gestattet, so dass die Führung zur Pause in Ordnung ging. Die fälligen Personalwechsel, die Friedhelm Funkel in der Startelf vorgenommen hatte, schienen allesamt nachvollziehbar.

Wie erwartet, war Julian Krahl für Robin Himmelmann ins Tor zurückgekehrt. Für den erkrankten Aaron Opoku übernahm Kenny Redondo die Linksaußen-Position. Für Julian Niehues, der nach seinem Kreuzbandriss den Rest der Saison ausfällt, nominierte Funkel Daniel Hanslik, der aber auf der Zehner-Position begann. Marlon Ritter agierte dafür zurückgezogener, und Filip Kaloc musste diesmal "mehr Sechser" sein, als er als Nebenmann von Niehues war.

Auffallend aber auch: Gefahr vor Gegners Tor vermochten die Roten Teufel fast nur über ruhende Bälle heraufzubeschwören. Das 1:0 fiel nach einer Ecke von Tymo Puchacz, die Boris Tomiak mit dem Kopf auf Kaloc verlängerte, der das Leder daraufhin mit dem Schädel ins kurze Eck rammte. Zuvor hatte Kaloc bereits mit einem Einwurf Tachie bedient, der den Ball von der Strafraumlinie auf Hanslik lupfte. Der wiederum legte Ache auf, worauf dieser aus kurzer Distanz an SVWW-Keeper Florian Stritzel scheiterte. Und nach einer Freistoßflanke Ritters kam Tomiak zu einem Schuss, den Stritzel abwehrte, aber Ache in Ballbesitz brachte. Der zielte am langen Eck vorbei.

Das Unheil kam, als das Schlimmste überstanden schien

In der zweiten Hälfe dann der obligatorische Kontrollverlust, diesmal so total wie nie in dieser Saison. Ärgerlich halt: Als Wehen-Stürmer Ivan Prtajin in der 74. Minute den Ausgleich erzielte, schien Lautern die zerfahrenste Phase seines Spiels eigentlich überstanden zu haben. Drei Minuten zuvor hatten die Gastgeber sogar die Chance, auf 2:0 zu erhöhen: Der für Redondo eingewechselte Dickson Abiama ließ auf der linken Seite zwei Gegenspieler aussteigen, passte nach schönem Flankenlauf in den Rückraum des Sechszehners und Ben Zolinski, der für Tachie gekommen war, schlenzte das Leder knapp am langen Eck vorbei.

Davor hatten sich die Betze-Fußballer 20 Minuten als Schwimmverein präsentiert, der nur mit äußerst ungelenken Bewegungen die Nase über Wasser behielt. Und dank eines Julian Krahl, der nach 60 Minuten großartig einen Kopfball des eingewechselten Nikolas Agrafiotis parierte. Bei einem wuchtigen Kopfball Prtajins, der aus acht Metern knapp am Tor vorbei strich, hatte der FCK aber einfach nur Glück.

Die Sache mit der Sechs

Beim Ausgleichstreffer offenbarte sich allerdings ein weiteres Problem, das die Mannschaft ebenfalls schon die gesamte Saison begleitet - und das im vergangenen Sommer schon von Trainer Dirk Schuster angesprochen, ebenfalls aber nie behoben wurde. Wieder durfte ein Spieler im Raum vor dem Sechzehner frei angespielt werden, so eine entscheidende Aktion einleiten oder, wie hier, selbst vollstrecken.

Diesmal war Kaloc nicht auf dem Sechser-Posten, der ihm eigentlich zugedacht. Er kam - viel zu spät - von der rechten Seite in die Mitte getrabt. Worauf sich einmal mehr zeigte: Ein Sechser sollte zuallererst und vor allen Dingen das Zentrum dicht halten, nicht umsonst nennen die Engländer ihn "Holding Six".

Ansonsten bleibt noch zu sagen, dass auch in dieser Partie die Wechsel eher schwächten als den erhofften Schub verursachten, mit dem sich in einer Schlussviertelstunde ein Spiel nochmal drehen lässt. Die Älteren werden sich erinnern: Der Betze war dafür eigentlich mal berühmt.

Und wieder bringen auch die Wechsel nichts

Zolinksi und Abiama hatten zwar diese eine starke Szene, blieben ansonsten aber wirkungslos. Mit ihrer Einwechslung formierte sich der FCK mehr in einem 4-4-2. Abiama rückte zu Ache in die Spitze, Hanslik übernahm die linke Seite. Doch auch das half nichts, im Gegenteil: Im FCK-Spiel fehlte nun eine Anspielstation im zentralen offensiven Mittelfeld.

Als nach 83 Minuten Chance Simakala für Ritter kam, ging noch mehr Struktur verloren. Hanslik sollte nun wohl in die Zentrale neben Kaloc rücken, Abiama über links kommen und Simakala zweite Spitze sein, aber so richtig nach was aus sah das eigentlich nicht mehr.

Damit bleibt der FCK auf Rang 17, hat nun Tabellenführer Kiel vor der Brust und danach trifft er zuhause auf Magdeburg. Ein Gegner, der auf dem Papier zwar nicht weit entfernt liegt, aber mit dem die Roten Teufel sich zuletzt immer sehr schwer taten.

Die Hoffnung stirbt ... zumindest nicht bei Funkel

Woraus sich jetzt noch Hoffnungskrümel saugen lassen? Zum einen aus der Überzeugungskraft, die Friedhelm Funkel vermittelt. Wenn die doch endlich auch mal im Spiel seiner Mannschaft zu erkennen wäre. In diesem Spiel nun habe er "registriert", so der Coach, dass sich bei manchem seiner Schützlinge "Unterschiede zwischen Trainings- und Spielleistung" auftun. Darauf wolle er zum Gastspiel in Kiel reagieren. Schaun mer mal.

Zum anderen macht vielleicht diese Statistik Mut. Nach "expected Goals" verlor der FCK unter Funkel bislang nur gegen Düsseldorf und Karlsruhe, in allen anderen Partien hatte die Computersoftware den FCK gewinnen sehen. So auch in dieser:

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Die Passmap der Roten Teufel: Sieht eigentlich ganz gut, vor allem das Mittelfeldtrio präsentiert sich recht aktiv. Das Problem ist halt, siehe oben: Auch Pässe wollen mit "Mut und Überzeugung" gespielt werden. Und die kann so eine Grafik eben nicht visualisieren.

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Die Passmap des SVWW: Hier zu beachten, dass Ex-Lautrer Gino Fechner (Nr. 6) in der ersten Halbzeit als Sechser, in der zweiten als linker Verteidiger agierte. Dadurch erscheint der Spot, der ihn abbildet, in eine auf den ersten Blick schwer definierbaren Mittellage zwischen diesen beiden Position.

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Und zu der Duell-Übersicht. Sagen wir's kurz und knapp mal so: Abgesehen von den guten Bilanzen, die drei der vier Abwehrspieler aufweisen, keine Vorteile für den FCK. Und die sollte man bei einem Heimspiel im Fritz-Walter-Stadion erwarten dürfen.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

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Beitragvon MarcoReichGott » 21.04.2024, 13:36


Ich möchte auf 2 Dinge nocheinmal eingehen, die ich beide im Spieltagsthread schon angesprochen habe.

Das eine ist die Frage danach, warum wir immer Gegentore bekommen. Meiner Meinung nach hat es viel mit Kopfsache zu tun. Nämlich damit, dass in weiten Teilen des Vereins noch immer nicht angekommen ist wie dürftig diese Mannschaft qualitativ besetzt ist. Auch Hengen fordert gestern wieder mutigeres Offensivspiel. Ich halte das für völlig grotesk. Die große Anzahl von eigenen Toren unter Schuster vernebeln da vielen immer noch die Sinne. Von unseren 46 Toren fiel 24 in den ersten 11 Spieltagen als Schuster mit weit auseinander gezogenen Ketten kurze Wege im Umschaltspiel zulasten eines kompakten Zentrums spielen ließ. Seitdem wir diesen taktischen Harakiri-Ansatz aufgegeben haben, zeigt sich eben, dass die Offensive zu größeren Teilen weder torgefährlich ist noch sich im 1vs1 auf Außen gut durchsetzen kann. Mit Redondo, Hanslik, Tachie, Simakala, Hercher, Opoku und Co sind da reihenweise Spieler in der Offensive dabei, denen nach wie vor ein langfristiger Nachweis fehlt in der 2. Liga ausreichende Torgefährlichkeit entwickeln zu können. Anstatt dort matra-artig mehr Mut im Offensifußball zu fordern, würde ich mir wünschen, dass man 90 Minuten lang Entschlossenheit und Leidensbereitschaft im Kampf gegen den Ball zeigen würde.

In der ersten Halbzeit hat man das gestern hinbekommen. Man hat zwar nach vorne kaum Torgefahr entwickeln können, aber man hat Wiesbaden auch quasi keine Torchance gegeben. Unter Antwerpen und Schuster haben wir es geschafft uns über Körperlichkeit Sicherheit abzuholen. Aktuell ist das so, dass das unseren Gegnern in der 2. HZ regelmäßig gelingt während wir dann völlig den Faden verlieren, weil wir uns übers Spielerische erst recht keine Sicherheit abholen können. WIr haben Außenverteidiger, die regelmäßig im 1vs1 patzen und 6er, die regelmäßig nicht da stehen, wo sie stehen sollen. Und solang die Hälfte der Mannschaft irgendwann anfängt "offensiv mutiger" zu denken und nicht primär defensiv, so lange bekommen wir diese Fehler nicht kompensiert.

Das zweite ist die Frage danach wie wir spielen wollen, wenn wir Tore erzwingen müssen. Diese Frage ist nicht unerheblich, denn wir haben uns nun selber in die Situation gebracht, dass genau dies der Fall ist. Wir spielen gerade im 4-2-3-1 ohne echten defensiven 6er, ohne echten 10er, ohne echten Winger und mit nem Rechtsverteidiger, der in genau diesen Situation am Ende des Spiels völlig den Kopf verliert. Ich sehe nicht wie wir damit Tore gegen tiefstehende Gegner erzwingen wollen.

Schon letzte Saison war es so, dass mit mit Systemumstellungen zur 3er kette hin im Spiel öfters noch einmal was rumreißen konnten, einfach weil uns offensiv das System entgegen kommt. Wir haben nun kaum starke Winger, aber dafür eine Menge Stürmer, die als Halbstürmer an Aches Seite Druck machen können. Wir haben divere Spieler, die defensiv keine starken Außenverteidiger sind, aber die als Schienenspieler offensiv durchaus aufrehen können. Und dass Funkel diese taktische Flexibilität inzwischen komplett ignoriert ist für mich ein Teil des Problems. Schon letzte Woche gegen Fürth wäre es in meinen Augen nach dem Ausfall von Niehus eine naheliegende Option gewesen auf ein defensives 5-4-1 umzustellen und gestern wäre es ebenfalls recht naheliegend gewesen nochmal die offensiv Dynamik zu verändern.

Toure-Elvedi-Tomiak
Zolinski-Raschl-Kaloc-Puchacz
Ritter
Ache-Abiama

Das wäre ja gestern z.B. nach dem Gegentreffer möglich gewesen und ich glaube schon, dass das nochmal etwas mehr an Offensickraft entwickelt hätte als wenn ein müder Ritter da im Zentrum die Fäden ziehen soll, während ein indisponierter Zimmer völlig den Kopf verliert und Abiama oder Hanslik auf einmal auf Außen den Winger wieder geben sollen.

Vielleicht war gestern auch tatsächlich noch nicht der Tag um zu sehr ins Risiko zu gehen. Eine Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten wäre sicherlich gestern fast schon ein KO-Schlag gewesen. Aber spästens wenn wir gegen Kiel zurückliegen sollten, dann wird sich die Frage stellen wie wir mehr noch mehr ins Risiko gehen können ohne die Restabsicherung völlig zu verlieren. Und das gestern war defintiv mit den gestern vorhandenen Spielern nicht das System dafür.



Beitragvon michael65 » 21.04.2024, 19:23


Danke für eure Einschätzungen @Eric und @Marco.
Erkenntnisse und Lösungsansätze gibt es scheinbar ja. Eine andere Aufstellung und andere Spieler einsetzen, die 6er müssen ihre Position halten, ist umsetzbar. Aber was macht man mit den Köpfen der Spieler um ihre Blockaden abzubauen? Das müsste ja bis zum Kiel Spiel schon umgesetzt werden und Früchte tragen.
"Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen.
Die, die bei dem Irrtum verharren, das sind die Narren."
(Friedrich Rückert)



Beitragvon Sansibar » 21.04.2024, 22:16


In den 14 Partien unter Dirk Schuster haben die Betze-Buben insgesamt fünf Führungen abgegeben.

Es waren nur VIER.
Zuletzt geändert von Thomas am 21.04.2024, 23:01, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Du hast recht, danke, wir hatten Osnabrück/Hinrunde falsch gezählt - korrigiert!



Beitragvon Kohlmeyer » 22.04.2024, 07:20


Die Frage ist, wie und was man zählen will. Wir haben auch im Hinspiel gegen Elversberg zwischenzeitlich eine Führung abgegeben, anschließend aber noch gewonnen. Gleiches gilt für die Heimspiele gegen Schalke (Grammozis) und Osnabrück (Funkel).



Beitragvon Aufsichtsrat » 22.04.2024, 14:16


Sansibar hat geschrieben:In den 14 Partien unter Dirk Schuster haben die Betze-Buben insgesamt fünf Führungen abgegeben.

Es waren nur VIER.



Hamburg U
Düsseldorf N
Karlsruhe U
Wiesbaden N

In diesen Spielen hat man irgendwann geführt und das Spiel nicht als Sieger beendet.

@Thomas, Osnabrück hatte ich erst auch gezählt, wahrscheinlich weil wir hätten so oft führen müssen...

@Kohlmeier, gegen Osnabrück (Rückrunde) haben wir nur einmal geführt und dann auch gewonnen.




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