Die Mischung macht's: Aches Kopfballstärke, ein überragender Sirch, wiederentdeckte Eckball-Qualität, Fortuna-Fehler, aber auch viel Glück ermöglichen Lauterns 3:1 über Düsseldorf. "Unverdient" war's dennoch nicht.
Da werden die Daten-Nerds wieder was knabbern zu haben. Der 1. FC Kaiserslautern gewinnt sein Spiel gegen Fortuna Düsseldorf mit 3:1, hat nach xGoals laut "bundesliga.de" aber 0,89 : 1,83 verloren, laut "kicker.de" sogar 0,61 : 1,85. "Wyscouts" Software-Bewertung fällt mit 1,02 : 1,76 nicht ganz so krass, aber ebenfalls deutlich aus. Und? Ist das nun Ausdruck eines überaus glücklichen, um nicht zu sagen vollkommen "unverdienten" Sieges? Und was bedeutet diese Zahlen für die zuletzt strapazierte These, Lautern habe einen "Topteam-Komplex"? Dass die Statistik diesen im Grunde bestätigt, das Ergebnis lediglich einen zufälligen Ausreißer darstellt?
Ersparen wir uns doch diese Diskussion ganz einfach. Darüber soll sich Gedanken machen, wer will. Wir halten uns nach diesem tollen Fußballabend lieber an unsere persönliche Eindrücke, die im Zweifelsfall auch mal subjektiv sein können. Und sagen: Ja, dieser Sieg kam auch zustande, weil der FCK einige Situationen nur mit Dusel überstand. Aber das hat es in dieser Saison, in dieser engen Liga auch schon gegen einige Kellerkinder gebraucht, und ohne das hätte auch die Nachbarn aus der oberen Tabellenregion schon wesentlich mehr Federn gelassen.
Es gab aber auch Momente, die das Spiel zu Lautrer Gunsten entschieden, weil diese Dinge besser machten als der Gegner. Und wenn es nur Kleinigkeiten waren. Dazu trug das Trainerteam mit diversen personelle Entscheidungen zum Erfolg bei. Was schon bei der Auswahl der ersten Elf begann.
Ohne Yokota und Kaloc, dafür Hanslik und Redondo
Wider Erwarten kehrte Daisuke Yokota nicht in die Startformation zurück. Der Japaner wurde nichtmal eingewechselt. Außerdem verzichtete Markus Anfang zunächst auf Filip Kaloc, zum ersten Mal in der Rückrunde. Für ihn übernahm Marlon Ritter die tiefere Mittelfeld-Position neben Tim Breithaupt. Auf den Halbstürmer-Positionen versetzt hinter Ragnar Ache starteten Daniel Hanslik und Kenny Redondo. Zwei, die sich schon lange kennen und ihre besondere Qualitäten im Stressen ballführender gegnerischer Abwehrspieler haben.
Viele werden sich noch an ihre gemeinsame Zeit in der 3. Liga erinnern. Bevor Terrence Boyd an den Betzenberg wechselte, bildeten Hanslik und Redondo Marco Antwerpens bevorzugtes Sturmduo. Keiner der beiden ist ein waschechter Knipser, aber mit ihrer gut koordinierten Arbeit gegen den Ball ermöglichten sie Mike Wunderlich, René Klingenburg und Co. immer wieder Torerfolge.
Diese Fähigkeiten brachten sie auch in dieser Partie wieder zum Tragen. Die "Wyscout"-Statistik weist Redondo und Hanslik neben Luca Sirch und - hört, hört - Florian Kleinhansl als die zweikampfstärksten FCK-Spieler aus. Sie waren auch an den ersten beiden Tor-Aktionen ihres Teams beteiligt.
Die ersten Torchance war typisch fürs gesamte Spiel
Nach einer knappen Viertelstunde, in der die Fortuna besser ins Spiel gekommen war und sage und schreibe 71 Prozent Ballbesitz verzeichnete, eroberte Tim Breithaupt auf der rechten Seite kurz vor der Mittellinie den Ball und setzte den durchstartenden Jean Zimmer ein. Der spielte Doppelpass mit Redondo, ging steil und servierte Ache eine erste Flanke auf den Kopf.
Eine Szene, die fürs gesamte Spiel charakteristisch werden sollte. "Ballbesitz" war an diesem Abend nicht viel wert, es ging darum, den Ball im richtigen Moment zu erobern und die Sekunden danach mit drei, vier präzisen Ballkontakten wirkungsvoll zu nutzen. Das gelang beiden Teams phasenweise mal besser, mal schlechter. Weil beide Teams sich auf ein recht scharfes Gegenpressing verstanden, aber eben auch nur phasenweise. Mal besser, mal schlechter.
Der FCK hing in dieser Beziehung vor allem in der ersten Viertelstunde nach der Pause durch, was schließlich zum 1:1-Ausgleich der Gäste durch Tim Oberdorf führte. In ähnlicher Weise hatten die Pfälzer beim 1:1 gegen Elversberg ihre Führung aus der Hand gegeben.
Typisch aber auch: Die Betze-Buben hatten sich den Raum vor der Mittellinie als Operationsfeld für ihre Attacke auf den Ballführenden ausgeguckt. Angriffspressing praktizierten sie nur selten. Einmal aber maximal erfolgreich, und das nur eine Minute nach dem eben beschriebenen Ache-Kopfball.
Ache "erpresst" Ritters 1:0
Derjenige, der knapp 40 Meter vorm Düsseldorfer Tor dem gegnerischen Mittelfeld-As Ísak Jóhannesson das Leder abluchst, ist zwar Ache, aber wesentlich mitprovoziert wird der Ballverlust von Hanslik. Und vollstreckt wird von "MR7", mit einem trockenen 18-Meter-Schuss ins kurze Eck.
Danach spielte der FCK den Rest der ersten Hälfte recht stark herunter. Auch weiterhin mit weniger Ballbesitz, aber den klareren Aktion. Ein bisschen VAR-Gedöns gab's auch wieder, aber längst nicht so haarsträubend wie in der Vorwoche beim 3:5 in Paderborn. Ein Kopfballtreffer Jan Elvedis wurde aberkannt, weil Maxi Bauer zuvor einen Ball, der am Alu gelandet war, mit der Hand touchiert haben sollte. Na ja, nach dem Studium der 123. Zeitlupen-Wiederholung war das wohl so. Nur, dass das Leder durch die Berührung eine Richtungsänderung erfahren hat, ist nicht unbedingt zu erkennen.
Simoni mit souveränem Debüt
Dass Simon Simoni in der Startelf stehen würde, war dagegen erwartet worden. Die Leihgabe von Eintracht Frankfurt muss bekanntlich für mehrere Spieltage den verletzten Keeper Julian Krahl ersetzen. Schon nach fünf Minuten durfte er eine Flanke des linken Außenbahnspielers Valgeir Lunddal abfischen, das gab direkt Sicherheit.
Auch in den übrigen 90 Minuten demonstrierte der erst 20-Jährige gute Strafraumbeherrschung, erzielte darüberhinaus beachtliche Weiten bei Abschlägen aus der Hand - die sind nicht unbedingt eine Stärke Krahls. Auf der Linie gefragt war Simoni in der 81. Minute, als er einen Drehschuss Johannessons aus elf Metern packen musste. Insgesamt strahlte der Keeper eine für seine Jugend bemerkenswerte Ruhe aus. Liegt womöglich daran, dass er schon als 18-Jähriger in Albaniens Erster und Zweiter Liga regelmäßig zu Wettkampfeinsätzen kam. In Frankfurt und während seiner Leihe nach Ingolstadt in der Hinrunde sammelte er ja kaum Wettkampfpraxis.
Von der Bank Kaloc, Heuer, Robinson - aber kein Stürmer
Ebenso spielentscheidend wurden die Wechsel, die Anfang während des Spiels vornahm. Einmal mehr bewährte sich der Sirch-Heuer-Move. Diesmal kam Jannis Heuer für Ache und rückte in die Innenverteidigung. Sirch schob sich neben Breithaupt, Hanslik übernahm die Position des Stürmers. Sirch betätigte sich im Mittelfeld daraufhin einmal mehr als Balleroberer und Dampfmacher - und setzte mit seinem 3:1 in der letzten Minute der Nachspielzeit den Schlusspunkt in diesem Spiel.
Interessant auch: Für Hanslik kam in der 89. Minute nicht etwa einer der Offensivspieler Yokota, Grant Ranos oder Faride Alidou, sondern mit Leon Robinson ein weiterer Spezialist für zentrale Balleroberung. Schon nach 75 Minuten war Kaloc für Ritter gekommen. Was zeigt: Für den Trainer hatten in der Schlussphase Stabilität und Robustheit im Zentrum oberste Priorität. Daher verzichtete er sogar auf die Einwechslung eines Konterstürmers. In der Nachspielzeit war Redondo die einzige verbliebene Offensivkraft im FCK-Spiel. Und zu diesen Schachzügen gilt wie immer der unschlagbare Satz: Wer gewinnt, hat recht.
Ecke: Diesmal bedient Kleinhansl den Unkontrollierbaren
Als weniger glücklich erwies sich der Tausch Jan Gyamerahs für Jean Zimmer. Über die rechte Abwehrseite des FCK bereitete der Gast unmittelbar danach zwei Großchancen vor, die gut und gerne hätten zum Ausgleich führen können.
Ein weiteres Zünglein, das die Waage zugunsten des FCK ausschlagen ließ: die wiederentdeckte Eckball-Stärke. In der Vorwoche servierte Sirch Ache einen ruhenden Ball zum zwischenzeitlichen 3:3, es war der erste Treffer dieser Art in der Rückrunde. Diesmal war's eine Ecke Kleinhansls, der Lauterns stärkste Waffe zum Einsatz brachte. "Wir alle wissen um die Qualität von Ragnar Ache", erklärte Fortuna-Trainer Daniel Thioune hinterher beinahe ehrfürchtig. "Wir hätten ihn schon vorher kontrollieren müssen. Denn in der Etage, in die er hineinspringt, kann man ihn nicht mehr kontrollieren."
Der "Unforced Error" - ein Fortuna-Fehler von vielen
Noch mehr Kummer bereitet haben dürfte dem Trainer der "Unforced Error", der den verhängnisvollen Eckball verursacht hatte. Tim Oberdorf verunglückte ein Rückpass, der noch nicht einmal von den ansonsten stark anlaufenden Offensivkräften des FCK provoziert worden war.
Überhaupt war das die Crux im Düsseldorfer Spiel: Für eine Mannschaft, die Kontrolle über Ballbesitz ausüben wollte, die insbesondere in der zweiten Hälfte sehr hoch aufrückte, leistete sie sich in der hinteren Reihe zu viele einfache Fehler. So dass es eben doch nicht nur auf die "unverdiente Niederlage" verweisen müssen, die diese xG-Resultate auszudrücken scheinen.
Die Grafiken zeigen: Breithaupt, Bauer, Sirch sind die Schaltstellen
Die "Wyscout"-Timeline veranschaulicht dieses Phänomen nochmal. Die beiden ersten FCK-Tore verursachen kaum Ausschläge, wohl, weil der Ball den Weg ins Netz an vielen Gegenspielers vorbei fand.
In der Positions- und Passgrafik der Roten Teufel ist Tim Breithaupts (Nr. 16) Spot von dem des eingewechselten Jannis Heuers verdeckt. So entdeckt man erst beim zweiten Hinsehen, dass die Augsburger Leihgabe erneut eine wertvolle Schaltstelle bildet. Besonders oft suchte und fand er den vor ihm platzierten Hanslik (19).
Zum Vergleich die Passmap des Gegners: Die ist durch die vielen offensiven Wechsel ein wenig unübersichtlich. Zu sehen ist auf jeden Fall, dass der Düsseldorfer Spiel sehr gleichmäßig angelegt ist.
Die Übersicht über die Passkombinationen zeigt einmal mehr: Die Schaltstationen neben Breithaupt heißen Sirch und Bauer. Überhaupt war Sirch einmal mehr der überragende Mann im Team.
Die Topographie der geführten Duelle. Wieder mal stark: die linke Seite. Interessant auch die rote Präsenz vorne rechts.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage