Interview des Monats: FCK-Sportdirektor Marcel Klos (Teil 1/2)

"Geld schießt Tore? Würde ich nicht ganz unterschreiben"

"Geld schießt Tore? Würde ich nicht ganz unterschreiben"


Marcel Klos im großen DBB-Interview. Der neue Sportdirektor des 1. FC Kaiserslautern spricht über seine Pläne für die Nachwuchsarbeit, die Entwicklung im Scouting und den richtigen Mix bei der Kaderplanung.

Der Betze brennt: Marcel Klos, Sie haben bereits als Trainer gearbeitet, als Vorstandsassistent und Technischer Direktor, zwischenzeitlich auch schon als Sportdirektor. Sie waren schon in Deutschland, den Niederlanden und Italien engagiert, haben verschiedene Spielklassen studieren können, sich auch schon bei sogenannten Multiownership-Klubs um mehrere Kader gleichzeitig gekümmert. Ein Kollege schrieb, einen weiteren Horizont kann man sich in diesem Geschäft bis zum 36. Lebensjahr kaum erschließen. Sehen Sie das auch so?

Marcel Klos (36): Ich bin mal so selbstbewusst und sage ja. Ich habe sehr intensive Jahre hinter mir. Ich war ja nicht selbst Profifußballer, bin den akademischen Weg gegangen. Da musste ich immer einmal mehr reinhören oder eine Extrameile gehen, um in der Fußballwelt Fuß fassen zu können. Dazu gehört auch, ein bereits eingerichtetes Wohnzimmer wieder zu verlassen und den nächsten neuen Weg zu gehen. Mir war auch immer wichtig, offen für neue Kulturen zu sein.

Der Betze brennt: Betrachten Sie sich nun als "ausgelernt" - und sind deswegen aus dem Schatten Ihres langjährigen Mentors Johannes Spors herausgetreten?

Klos: "Ausgelernt" würde ich nicht sagen, denn das hat man nie. Gerade in unserem Geschäft kann man jeden Tag neu dazulernen. Aber ja, ich hatte nach über zehn Jahren an der Seite von Johannes Spors das Gefühl, jetzt für eine eigene Rolle bereit zu sein. So etwas ergibt sich aber nicht von heute auf morgen, sondern aus einem Prozess. Johannes Spors und ich haben uns vor über zehn Jahren in Leipzig kennengelernt. Wir haben dann gemeinsame Zeiten beim Hamburger SV, bei Vitesse Arnheim und beim CFC Genua durchlebt. Und ich habe viel von ihm gelernt, was Transfers, Leadership, strategische und operative Entwicklung, Zusammenarbeit mit dem Cheftrainer, mit dem Lizenzspielerbereich und das Treffen von Entscheidungen angeht. Irgendwann hatte ich dann ein paar Angebote auf dem Tisch. Und bei einem habe ich mir dann gesagt: Okay, das mache jetzt.

Der Betze brennt: Wie hat sich der Kontakt zum 1. FC Kaiserslautern ergeben?

Klos: Am Ende ist die Fußballwelt ja doch ziemlich klein. Thomas Hengen und ich kennen uns schon seit Jahren. Als er noch in Aachen wohnte und ich Köln, haben wir uns öfter getroffen, später immer mal telefoniert. Bis die Frage kam: Wie ist eigentlich Deine Situation zurzeit? Wir denken doch in dieselbe Richtung, vielleicht sollten wir uns mal näher austauschen ... Jetzt bin ich hier.

"Die NLZ-Arbeit muss das Herzstück dieses Vereins bilden"

Der Betze brennt: Sie haben bei Ihrer Vorstellung gesagt, Sie müssten nun erst einmal die einzelnen "Abteilungen" kennenlernen. Wir gehen mal davon aus, dass Sie da nicht an die einzelnen Sport-Abteilungen des FCK e.V. gedacht haben, sondern an die Arbeitsfelder rund um den Profifußball. Was fällt da alles in ihren Zuständigkeitsbereich als neuer Sportdirektor?

Klos: Ich dachte an alle Bereiche, die den Fußball umfassen: Nachwuchsleistungszentrum, Scouting, die U21, Profis, aber auch spezifischere Felder innerhalb des Lizenzbereichs wie Torwarttraining, Athletiktraining, medizinischer Bereich, Team-Management und auch die Analyse. Das muss ich mir alles ansehen. Die vorhandenen Strukturen mit denen vergleichen, die ich auf meinen bisherigen Stationen kennengelernt habe, einordnen. Und dann müssen wir gemeinsam überlegen, wo sich was optimieren lässt. Das wird keine One-Man-Show. Jeder soll vom anderen profitieren und Wissen teilen. Ich möchte keine Inselbildung.

Der Betze brennt: Stichwort NLZ. Da konnte zu Drittliga-Zeiten kaum investiert werden, seit dem Aufstieg wird's wieder mehr und soll sukzessive weiter gesteigert werden. Wo sind da aus Ihrer Sicht die Prioritäten zu setzen?

Klos: Die Akademie-Arbeit muss auf jeden Fall das Herzstück dieses Vereins bilden. Einen Spieler aus dem NLZ in den Lizenzbereich zu überführen sollte Vorrang haben vor externen Verpflichtungen. Diese Strukturen müssen wir weiter professionalisieren, gegebenenfalls personell nachjustieren. Schauen, was wir im medizinischen und im Athletikbereich tun können, aber auch in punkto Talentförderung und -sicherung. Das sind die nächsten Bausteine.

Der Betze brennt: Talentsicherung? Ein Kaderplaner aus dem Nachwuchsbereich eines finanzstarken Erstligisten hat uns hinter vorgehaltener Hand mal gesagt: Euer Juniorenbereich ist für uns ein Selbstbedienungsladen. Wie will der FCK denn künftig verhindern, dass ein talentierter U16- oder U17-Jugendlicher weggeholt wird, lange bevor er im Lizenzbereich ankommt?

Klos: Finanziell wird es bei uns da auch künftig Grenzen geben, das ist klar. Wenn ein Spieler nur das Geld sieht und weg will, dann ist es eben so. Wir haben hier aber noch einiges mehr zu bieten: Spielzeit, gute Trainingsinhalte, ein familiäres Umfeld, in dem ein junger Spieler gut reifen kann, eine gute Infrastruktur - die wir noch weiterentwickeln möchten - und vielleicht einen kürzeren Weg ins Profiteam, als andere ihn bieten können. Und ganz wichtige Werte. Wir werden auch überlegen müssen, dem einen oder anderen Top-Talent frühzeitig einen längerfristigen Vertrag anzubieten, um seine Entwicklung bei uns längerfristig zu sichern. Auch das wird meine Aufgabe sein, solche Talente gemeinsam mit dem NLZ zu identifizieren.

Der Betze brennt: Diesen Gedanken haben doch die finanzstarken Klubs ebenfalls längst verinnerlicht. Bei den Bayern etwa stehen mindestens ein halbes Dutzend Spieler langfristig unter Vertrag, die kaum Chancen haben, mal in der eigenen Ersten Mannschaft aufzulaufen. Aber sie dürfen bei anderen Klubs als Leihspieler schaulaufen und so ihre Marktwerte steigern. Auch diese Transfererlöse streichen dann die Bayern ein - und nicht etwa die Klubs, die die Jungs weiterentwickelt haben. Stuttgart, Frankfurt und Hoffenheim verfahren mit ihren Talenten ähnlich.

Klos: Als ich in Genua anfing, standen dort sogar 84 Spieler unter Vertrag, von denen der größte Teil als Leihgaben über ganz Europa verstreut waren. Ich bin mir dieses Trends also vollkommen bewusst. Und ja, wir sind noch nicht so weit, dass wir da dagegenhalten können. Wie Sie schon sagten, wir kommen aus der 3. Liga ... Aber wir haben bereits begonnen, uns organisch etwas aufzubauen. Jetzt müssen wir Schritt für Schritt weitergehen. Bis wir in der Lage sind, selbst mehr Talente aus der Region zu entwickeln und halten zu können. Vor allem müssen wir eine eigene Handschrift entwickeln, die uns von den NLZs in der Nachbarschaft abhebt.

"Internationale Transfers? Gut möglich, aber der Mix muss stimmen"

Der Betze brennt: Wird der FCK unter dem international erfahrenen Sportdirektor Klos auch sein Scouting künftig internationaler ausrichten?

Klos: Das kann man so generell nicht sagen. Ich habe auf meinen bisherigen Stationen viele internationale Transfers in die Wege geleitet, das ist richtig. Und ich will das Netzwerk, das ich mir aufgebaut habe, natürlich auch hier einbringen. Aber Kaderplanung ist komplex, muss immer im Detail gesehen werden. Ich kann einen internationalen Spieler holen, natürlich. Aber da ist auch ein Staff, der nunmal deutschsprachig ist und verstanden werden will. Da muss der Mix stimmen: Ein paar Talente, ein paar ältere Achsenspieler als Stützen, dann passen auch ein paar internationale Verpflichtungen. Ebenso aber gibt es in der 2. Bundesliga ein paar talentierte deutsche Spieler, die für uns interessant sind. Am Ende geht es wie so oft darum, die Goldene Mitte zu finden und auch Investitionsmodelle zu fahren, von denen der Verein perspektivisch profitieren kann.

Der Betze brennt: Stichwort Scouting. Auch diese Abteilung durfte zuletzt wieder wachsen. Vor ein paar Jahren noch war Olaf Marschall allein, dann bekam er einen Mitarbeiter, jetzt besteht der Bereich aus vier Personen. Sehen sie noch weiteren Handlungsbedarf?

Klos: Überlegen, was sich optimieren lässt, kann man immer. Aktuell bin ich aber sehr zufrieden mit der Abteilung. Und wir haben schon ein paar gute Ideen für den kommenden Sommer.

Der Betze brennt: Wie halten Sie es mit Daten-Scouting?

Klos: Damit arbeitet mittlerweile doch jeder. Ich habe das schon vor über zehn Jahren an der Sporthochschule Köln kennengelernt. Daten-Scouting ist gut, um die KPIs eines Spielers abzuprüfen. Aber wir würden niemals einen Spieler nur anhand von Daten verpflichten. Wir studieren ebenso TV-Bilder, und am Ende zählt natürlich der persönliche Eindruck. Ich muss wissen, welchen Spieler bekomme ich. Wir reden über Werte, über den FCK, da brauchen wir Mentalität. Spieler, die brennen. Ob die bereit sind, hier vor 50.000 Zuschauern alles abzureißen, verrät mir die Datenbank nicht. Jede der aufgeführten Säulen ist für eine Spielerverpflichtung wichtig.

Der Betze brennt: Was sind KPIs?

Klos: Key Performance Indicators. Oder sagen wir es einfacher und auf Deutsch: Die besonderen "Waffen", die ein Spieler mitbringt. Das kann Schnelligkeit sein, Kopfballstärke, Aggressivität. Etwas, wo ich sofort erkenne, dafür steht er. Etwas, was er sich auch an einem schlechten Tag noch bewahrt. Und da kann ich über Datenscouting schon sehr viel erfahren: Was sind seine Stärken defensiv, was offensiv? Wie verhält er sich im Eins-gegen-Eins? Wie passsicher ist er, wie gut mit dem vorletzten Pass?

"Die Zweiten Ligen sind europaweit ausgeglichener geworden"

Der Betze brennt: Reden wir mal über die Liga, in der Sie jetzt arbeiten. Sie haben ja schon einige Spielklassen kennengelernt. Wie sehen Sie die 2. Bundesliga im Vergleich zu diesen?

Klos: In allen Zweiten Ligen der Top-Fünf-Länder Spanien, England, Frankreich, ltalien und Deutschland lässt sich feststellen, dass der Wettbewerb ausgeglichener geworden ist, der Konkurrenzkampf enorm. In Italien haben sich im Unterhaus mittlerweile viele Traditionsklubs versammelt, genau wie in Deutschland. Ein Unterschied ist vielleicht, dass die Zweite Liga in Italien ein größeres Auffangbecken für verdiente, ältere Spieler darstellt. Dadurch sind die Partien nochmal einen Tick taktischer geprägt. Aber es gibt Ausnahmen. Brescia und der aktuelle Tabellenführer Sassuolo setzen auch viele Talente ein.

Der Betze brennt: In Deutschland rührt die Ausgeglichenheit der Liga nach unserem Eindruck auch von daher, dass nahezu alle Mannschaften mittlerweile die gleichen taktischen Mittel einsetzen: ruhiger Spielaufbau, hohes Aufrücken, situatives Angriffspressing, Ballbesitzspiel zum Ausruhen et cetera. Selbst die schmal budgetierten Aufsteiger setzen nicht mehr nur auf "Underdog"-Fußball, sondern nutzen alle Instrumente der modernen Fußballlehre ...

Klos: Was auch damit zusammenhängt, dass die "Kleinen" mittlerweile die gleichen Analyse- und Scoutingtools benutzen wie die "Großen", und dass das schon im Juniorenbereich anfängt.

Der Betze brennt: ... was dazu führt, dass immer stärker die individuelle Qualität entscheidet - und am Ende doch die Klubs mit den schmalen Budgets hinten stehen, weil sie sich diese nicht leisten können. Auch wenn sie zwischendurch immer mal einen Großen geärgert haben. Will sagen: Geld schießt doch Tore?

Klos: Das würde ich so nicht ganz unterschreiben. In der Serie B etwa hat der Aufsteiger 1. FC Südtirol 2022/23 bis zum Schluss vorne mitgespielt, trotz eines sehr schmalen Budgets, aber dank eines besonderen Spirits im Team und im Umfeld. Und schauen Sie sich an, wie gut sich der 1. FC Heidenheim letztes Jahr in der Bundesliga behauptet, mit einem im Wettbewerbsvergleich kleinem Etat, aber mit einer gut zusammengewachsenen Mannschaft und einem Trainer, der in Ruhe arbeiten darf.

Morgen im zweiten Teil unseres Interviews: Marcel Klos über 15-Stunden-Tage, seine erste Begegnung mit den FCK-Investoren, die Aufgabenstellung bei auslaufenden Verträgen - und das Ziel Bundesliga.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "Ein Aufstieg kommt nie zu früh"

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