Taktik-Nachlese zum Spiel SCP-FCK

Die DBB-Analyse: Warum nicht gleich 'ne Runde Flippern?

Die DBB-Analyse: Warum nicht gleich 'ne Runde Flippern?

Foto: Imago Images

Wie kann man ein 0:3 aufholen, aber dann 3:5 verlieren? Das hat viele Gründe. Die Roten Teufel müssen sich davon nicht alle ankreiden. Über das ein oder andere aber lohnt es sich nachzudenken, dem Schiedsrichter-Theater zum Trotz.

Acht Treffer fielen in dieser Partie. Das kommt schon mal vor, wenn auch nicht alle Tage. Aber wann hat es schon mal so viele diskussionswürdige Tor-Aktionen in einem Spiel gefallen? Die strittigen Szenen im Einzelnen zu sezieren, ließe diese Betrachtung wohl ins Unerträgliche ausufern. Und wer den Auftritt des 1. FC Kaiserslautern beim SC Paderborn am Samstagnachmittag live verfolgt hat, wird darauf sicher verzichten können. Das muss man selbst schon gesehen haben, um sich darüber ein Urteil bilden zu können.

Daher nur mal im Schnellverfahren: Wieso braucht der VAR fast fünf Minuten, bis er Schiedsrichter Wolfgang Haslberger bittet, sich die Sache selbst anzuschauen? Und wieso entscheidet der dann, die deutlich erkennbare passive Abseitsstellung Ilyas Ansahs bei Filip Bilbijas Kopfballtreffer zum 3:0 als irrelevant anzusehen, obwohl die 1,94 Meter-Kante Ansah bei Aaron Zehnters Abschluss unmittelbar vor FCK-Keeper Julian Krahl postiert war? Ist das Foul, das Marvin Mehlem beim Stande von 2:3 aus FCK-Sicht an Daniel Hanslik begeht, nicht um Etliches strafstoßwürdiger als die beiden Szenen, die zu den Elfmetern zum 2:0 für Paderborn in der 8. Minute und zu Lauterns 1:3 in der 45. Minuten führten? Wieso wird das Gerangel vor der Freistoßflanke, die der eingewechselte Adriano Grimaldi zum 4:3 verwertet, weder gesehen, geschweige denn überprüft?

Der fünfte Treffer: Nicht mehr spielentscheidend, aber ungeheuerlich

Der Gipfel aber war die Szene, die zu Paderborns fünftem Treffer führte: Nicht nur, dass Grimaldi bei Zehnters Schuss aus dem Rückraum meterweit im Abseits steht, Krahl stolpert auch noch über dessen Bein, was ihm nicht nur die Torabwehr erschwert - er verletzt sich dabei sogar, womöglich schwer, die Diagnose steht noch aus. Da hatten Schirigespann und VAR wohl keine Lust mehr, nochmal tätig zu werden, weil ohnehin gleich Schluss war und die Zeit wegen der vielen unnötig in die Länge gezogenen Unterbrechungen schon so weit vorangeschritten ... Ungeheuerlich.

Schiedsrichter Wolfgang Haslberger an diesem Fiasko allein die Schuld zu geben, wäre ungerecht. Und für einen einzelnen Mann auch kaum zu tragen. Da stimmte insgesamt gar nichts in der Kommunikation zwischen dem unparteiischen Trio vor Ort und dem Keller in Köln. Und es lässt sich nur noch hoffen, dass dieses Spiel baldmöglichst Gesprächsgegenstand einer Schiedsrichtertagung wird.

Und jetzt reden wir mal über Fußball

Angesichts so vieler erratischer Eingriffe und Versäumnisse dürfen sich die Akteure jedenfalls fragen, warum sie sich nicht gleich zu ’ner Runde Flippern verabredet haben. Hätte weniger Schweiß gekostet, niemand wäre verletzt worden und das Ergebnis am Ende hätte nicht zufälliger zustande kommen können.

Aber, Moment mal ... Fußball wurde schon auch noch gespielt, und zwar auf ziemlich packende Art und Weise. Auch SCP-Trainer Lukas Kwasniok beklagte hinterher, es sei schade, wenn nach einem solchen Spiel nur über Schiedsrichter-Entscheidungen geredet werde. Drum wollen wir uns jetzt mal dem rein Sportlichen widmen.

Dass die Lautrer die Anfangsphase auf schon historisch gloriose Weise verpennten, dürften sich bereits herumgesprochen haben. Den Kollegen von "Sky" zufolge haben die Roten Teufel in "rund 2.000 Profi-Spielen" noch nie so früh 0:3 zurückgelegen.

Zehnters Führungstreffer: Nicht Zimmers Schuld

Schon nach zwei Minuten markiert Zehnter den ersten von nur zwei Treffern, in dem die Schiedsrichter-Blase keine Aktien hat. Da dürfen die Betze-Buben den Bock ganz allein in ihren Reihen suchen. Zehnter spaziert halblinks in den Gäste-Strafraum, dermaßen was von mutterseelenallein, dass es ihn vermutlich fror. Aber Obacht damit, dem in gewissen Fankreisen notorisch verdächtigen Jean Zimmer die Schuld zu geben, nur, weil ihm als rechten Außenbahnspieler mutmaßlich die Überwachung Zehnters oblag. Zimmer orientiert sich in der Situation zu Ansah in die Mitte, und das ist auch dringend notwendig.

Das Problem ist, dass sonst keiner mehr da ist, der Zehnter übernehmen könnte, da sich zu viele seiner Teamkollegen auf die linke Seite locken ließen. Dorthin hatten die Paderborner das Spiel verlagert, und Bilbija setzte dann mit einem langen Diagonalball den freien Mann gegenüber in Szene.

0:3 nach 15 Minuten: Erstmal durchatmen

Nach den bereits erwähnten Treffern stand es dann schon nach 15 Minuten 0:3. Und an dieser Stelle darf gelobt werden: Respekt, wie sich die Männer in Rot nun berappelten. Reagierten nicht mit dem gern bemühten "Mut der Verzweiflung" angesichts der fast schon aussichtslosen Situation, sondern nutzten die folgenden Minuten zur inneren Sammlung. Erstmal die bislang noch nicht vorhandene Ordnung herstellen. Und in der Tat, bis zur Pause verzeichneten die Gastgeber keine Tor-Aktionen mehr.

Allerdings gelang auch den Pfälzern zunächst nicht viel nach vorne. Marlon Ritter fehlte bekanntlich gelbgesperrt, Daisuke Yokota saß nach seiner Verletzungspause zunächst nur auf der Bank.

Redondo ist wieder da, aber nur selten am Ball

Dafür war Kenny Redondo in die Mannschaft gekommen. Er übernahm die Position des rechten Halbstürmers, Hanslik die des linken, so dass sich ein klarer strukturiertes 3-4-2-1 ergab, als es der Fall ist, wenn Yokota und Ritter auf dem Platz stehen. Das "Pressingmonster" der vergangenen Rückrunde deutete zwar an, dass es ihm nach wie vor ein liebes Pläsier ist, gegnerische Abwehrspieler zu bejagen, fand aber ansonsten nicht viel Bindung zum Spiel. Nur 25 Ballkontakte in 65 Spielminuten, weniger verzeichnete sonst keiner in seinem Team.

Allerdings: Einmal schickte Zimmer Redondo halbrechts in die Tiefe - und schon holte der einen Elfmeter heraus. Paderborns zentraler Innenverteidiger Felix Götze flexte ihn weg, nachdem Redondo den Ball bereits in die Mitte gepasst hatte. Hanslik verwandelte den Strafstoß genauso sicher wie Boris Tomiak.

Dank Ache zurück im Spiel - Nach der Pause richtig stark

Der Ex-Lautrer Götze half auch bei Aches 2:3 mit, das noch vor der Pause fallen durfte. Er fälschte eine eigentlich nicht schwer zu verteidigende Linksflanke von Florian Kleinhansl vor die Füße des Torjägers ab, der sich nicht lange bitten ließ. Damit waren die Roten Teufel zu Beginn der zweiten Hälfte wieder voll im Spiel - ein wenig duselig zwar, aber angesichts der Art und Weise, wie der SCP zu seiner 3:0-Führung gekommen war, ging das schon in Ordnung.

In der ersten Viertelstunde nach der Pause dann gab es endlich wieder den FCK zu sehen, der eben doch nicht zufällig im oberen Tabellendrittel dieser Zweiten Liga steht. Da wurde konzentriert und geschlossen aufgerückt, verloren gegangene Bälle sofort wieder zurückerobert. Der Lohn der Mühen: Aches 3:3 nach einer Ecke von Luca Sirch.

Ache trifft nach Sirch-Ecke: Darüber bitte mal nachdenken

Dazu ein kurzer, hoffentlich aber erhellender Exkurs: Es war der erste Treffer nach einer Ecke, den der FCK in dieser Rückrunde erzielte. In der vorangegangenen Hinrunde erzielte er deren fünf. Drei davon markierte Ache, einen Hanslik, einen Philipp Klement, allerdings nicht per Kopf, er schlenzte eine zu kurz abgewehrte Ecke, die er selbst getreten hatte, mit viel Gefühl ins lange Eck.

Die Hereingaben bei den übrigen Treffern stammten zweimal von Erik Wekesser, einmal von Kleinhansl, einmal von Sirch. Und jetzt wieder Sirch. Hätte Ritter gespielt, hätte er vermutlich die Ecken getreten, wie meistens in dieser Rückrunde. Zu einem Treffer geführt hat bislang aber keine. Warum also die Ecken nicht auch künftig Sirch und Kleinhansl überlassen?

Zu viel Risiko nach dem 3:3? Kann schon sein

Und was geschah anschließend? "Nach dem 3:3 müssen wir schlauer spielen", kritisierte Ragner Ache hinterher. "Da haben wir das Spiel zu schnell gemacht. Wir sind weiter im Tempo geblieben, als ob wir noch hinten gelegen hätten. Wenn wir da ruhiger gespielt hätten, hätten wir vielleicht selbst noch ein Tor gemacht." Das kann man so sehen. Andererseits: Wer will es der Elf verdenken, dass sie, nachdem sie ein 0:3 aufgeholt hatte, nun auf Sieg gehen wollte?

Dass das Ganze vielleicht ein Tick zu risikofreudig war, deutete sich allerdings schon vor Grimaldis zweifelhaftem 4:3 an. Da kam bereits Bilbija frei zum Schuss, nach einer Zehnter-Flanke, die Elvedi und Bauer nicht durchgreifend verteidigt hatten.

Und nach dem erneuten Rückstand hatte dann, wer sonst, Ache die Gelegenheit, abermals Gleichstand herzustellen. Doch SCP-Keeper Manuel Riemann klärte seinen Schuss aus halbrechter Position reaktionsschnell per Fuß.

Wie gegen Elversberg: Keine Impulse mehr von der Bank

Und nun? Muss kritisch angemerkt werden: War bei Lautern nicht mehr viel drin. Wie schon in der Vorwoche beim 1:1 gegen Elversberg setzten die finalen Wechsel keine Impulse mehr. Schon nach 65 Minuten waren Yokota und Leon Robinson für Redondo und Filip Kaloc gekommen, ab Minute 85 mischten die Stürmer Grant Ranos und Faride Alidou für Zimmer und den mittlerweile verletzten Sirch mit. Am Ende ergab dies kein stimmiges Ganzes mehr. Nach vorne lief nichts, und so etwas wie Kontersicherung existierte nicht mehr. Gleich zweimal wurden Treffer des eingewechselten Sven Michel wieder zurückgenommen, das wenigstens zurecht.

Da hatten die Einwechslungen von Michel und Grimaldi auf Paderborner Seite deutlich mehr Wirkung gezeitigt. Womit für diese Lautrer Niederlage auch eine Ursache gefunden wäre, die sich aufs rein Sportliche bezieht. Angesichts des Pfeifen-Gedöns' allerdings lässt sich dieses Spiel auch einfach nur mit einem Kopfschütteln abhaken.

Die linke Seite war diesmal stärker

Zu den Grafiken. Auch der xG-Timeline zufolge hätte es am Ende gut und gerne ein Unentschieden sein können. Wen wundert's.

xG-Timeline Paderborn-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Diesmal eher linkslastig. Wird beim nächsten Mal wohl wieder anders aussehen, falls Yokota in die Startformation zurückkehrt.

Passmap FCK

Die Passmap der Gastgeber. Kwasniok überraschte mit der Nominierung von Martin Ens (Nr. 43) in der Startelf. Dadurch rückte Mehlem (6) weiter nach vorne. Was für den aber nichts Ungewöhnliches war. Sein Trainer schiebt ihn öfter auf dem Platz herum.

Passmap Paderborn

Einmal mehr bestätigt sich: Bauer hat Sirch als Mann für den ersten Pass abgelöst. In der Defensivarbeit zeigte sich der Winter-Neuzugang allerdings zum wiederholten Mal fehleranfällig.

Passkombinationen Paderborn-FCK

Und zum Schluss die Übersicht über die geführten Duelle: Die linke Seite war diesmal nicht nur die spiel-, sondern auch die kampfstärkere.

Duelle Paderborn-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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