Gegner-Interview: Sascha Hildmann / Preußen Münster

"Vertrauen, Wertschätzung, Menschlichkeit"

"Vertrauen, Wertschätzung, Menschlichkeit"

Foto: Imago Images

Sascha Hildmann ist bei Preußen Münster drauf und dran, der Trainer mit der längsten Amts­zeit der Vereinsgeschichte zu werden. Beim 1. FC Kaiserslautern waren dem ge­bür­ti­gen Lautrer nur 284 Tage vergönnt. Dennoch blickt er "ohne Groll" auf diese Zeit zurück.

Das Foto ist immer noch auf seinem PC gespeichert. Ständig anklicken muss er es aber nicht, denn es hat sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt. Es zeigt die Ultras der Westkurve, wie sie ein Banner hochhalten: "Hildmann - Einmal Lautrer, immer Lautrer". Entstanden ist die Aufnahme vor dem FCK-Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg am 21. September 2019. Sascha Hildmann war am Montag davor entlassen worden, nach einem 1:6 beim SV Meppen. Und ein paar Tage darauf verabschieden ihn die Fans mit diesem Banner. "Das hat mich tief berührt", nickt der einstige Betze-Coach.

Obwohl es sich im Grunde ja lediglich um die Feststellung einer Tatsache handelte. Sascha Hildmann ist nun einmal Lautrer. In der Stadt geboren, daher gewissermassen FCK-Fan von Geburt. Als Junge stand er selbst in der Westkurve, träumte den großen Traum jedes Lautrer Buben, auch mal selbst "uffem Betze" aufzulaufen. Schnürte dann lange Jahre die Schuhe für die Roten Teufel, kam aber nicht über die Zweite Mannschaft hinaus, die damals immerhin drittklassig spielte. Dafür erfüllte sich später sein Traum, einmal Cheftrainer seines Heimat- und Herzensklubs zu werden. Für 284 Tage.

Spruchband in der Westkurve: Hildmann - Einmal Lautrer, immer Lautrer

Mehr Trainertage in Münster schaffte nur ein anderer Lautrer

Am kommenden Wochenende trifft Sascha Hildmann als Trainer von Preußen Münster auf den FCK. Wozu er nur trocken kommentieren kann: "Wenn ich behaupten würde, das wäre ein Spiel wie jedes andere, würde es mir doch niemand glauben." An diesem Samstag wird er in Münster 1.700 Tage im Amt sein. Mehr hat bei den Preußen bislang nur Richard Schneider geschafft, ebenfalls gebürtiger Lautrer, ebenfalls zuvor FCK-Trainer. 1951 und 1953 hat er bekanntlich mit Fritz Walter und Co. zweimal die Deutsche Meisterschaft gewonnen.

In Kaiserslautern wies zu Bundesliga-Zeiten nur Erich Ribbeck eine vergleichbar lange Amtszeit auf. Er coachte von 1973 bis 1978, übergab dann an Kalli Feldkamp, der die Roten Teufel insgesamt zwar öfter betreute, dafür aber zwei Amtszeiten beanspruchte. Die zweite, von 1990 bis 1992, krönte "King Kalli", das weiß ebenfalls jeder Pfälzer, mit Pokalsieg mit Meisterschaft.

Trainer-Amtszeiten von über vier Jahren sind in der Branche aber auch generell selten geworden. Was es braucht, damit es dennoch zu einer so langen Zusammenarbeit kommt? Sascha Hildmann denkt einen Moment nach: "Vertrauen, Wertschätzung - und Menschlichkeit."

Vom Abstieg bis zum Durchmarsch: Vier bewegte Jahre

Es lief weiß Gott nicht alles rund, seit er im Januar 2020 das Trainer-Zepter von Sven Hübscher übernahm. Die Preußen rangierten zu Beginn der Rückrunde bereits auf Platz 19 der 3. Liga, der Abstand zum Nicht-Abstiegsrang betrug fünf Punkte. Hildmann schaffte die Mission Klassenverbleib nicht. Die Verantwortlichen in Münster hielten dennoch an ihm fest. Das ist ungewöhnlich. Und war möglich, "weil die Verantwortlichen gesehen hatten, dass wir trotz allem gute Arbeit geleistet und uns verbessert hatten."

Es folgten zwei verflixte Jahre in der Regionalliga West, der wohl schwierigsten aller vierten Ligen. 2020/21 holten die Preußen in 40 Partien 78 Punkte, mussten aber Rot-Weiß Essen und Borussia Dortmund II an sich vorbeiziehen lassen, die beide Traumresultate einfuhren. Im Jahr darauf sicherten sie sich sage und schreibe 87 Zähler - doch Essen wies ein um ein drei Treffer besseres Torverhältnis auf. "Unfassbar eigentlich", erinnert sich Hildmann, "aber wir sind nicht zusammengebrochen, sondern haben uns gesagt: Aller guten Dinge sind Drei."

Und manchmal bewahrheiten sich Kalenderweisheiten. Die Saison 2022/23 schloss Münster mit 13 Punkten Vorsprung auf den Tabellenzweiten Wuppertal ab. Die Rückkehr in 3. Liga war geschafft. Doch Hildmann setzte noch einen drauf: Der Aufsteiger schaffte 2023/24 den Durchmarsch - und findet sich nun in der 2. Bundesliga wieder.

"Beim FCK hat es an Realitätssinn gefehlt"

Vertrauen, Wertschätzung, Menschlichkeit. In Kaiserslautern sind sie Sascha Hildmann versagt geblieben. Allerdings nur von Seiten der Vereinsführung. "Mit den Fans hatte ich immer ein gutes Verhältnis, und das habe ich auch heute noch." Er geht gerne nach wie vor gerne durch die Stadt, und das tut er oft. Sein Haus in Enkenbach-Alsenborn bewohnt er mit seiner Familie nach wie vor. In Münster hat er sich mittlerweile eine komfortable Zweitwohnung eingerichtet, die auch Frau und Tochter regelmäßig für ausgedehnte Besuche nutzen.

Auf seine Trainerzeit beim FCK blicke er "ohne Groll" zurück, versichert er. "Ich habe alles gegeben, und, ja, ich war auch traurig, als ich entlassen wurde." Aber der Druck, aufsteigen zu müssen, lastete einfach zu stark auf dem Klub. "Dafür aber war die Mannschaft zu diesem Zeitpunkt nicht stark genug." Da habe es der Vereinsführung an Realitätssinn gefehlt. Dass auch seine Nachfolger Boris Schommers und Jeff Saibene diese Ansprüche nicht erfüllen konnten, deutet daraufhin, dass er mit dieser Einschätzung durchaus richtig liegen könnte.

Zudem fiel Hildmanns Engagement in die Zeit der Umtriebe des Aufsichtratsvorsitzenden Patrick Banf, des Sportgeschäftsführers Martin Bader sowie des zwischenzeitlich als Investor gehandelten Unternehmers Flavio Becca. Damals soll der Cheftrainer nicht so in die Transferpolitik eingebunden gewesen sein, wie es sich gehört, heißt es. Man betrachte sich nur die Zahl der Spieler, die seinerzeit - für eine "Mission Aufstieg", wohlgemerkt - verpflichtet wurden, aber auch später nie über Drittliga-Mittelmaß hinauskamen oder in die Regionalliga abtauchten. Vor allem die von Bader und Becca propagierte Verpflichtung des Stürmers Lucas Röser, der der ihm zugedachten Torjägerrolle trotz fürstlichem Gehalt auf Zweitliga-Niveau nie gerecht wurde, soll Hildmann intern nie befürwortet haben. Er selbst soll auch nie Baders Wunschkandidat für den Trainerjob gewesen sein. Klingt alles gar nicht nach Vertrauen, Wertschätzung, Menschlichkeit.

Sascha Hildmann möchte diese Gerüchte auch fünf Jahre danach weder bestätigen noch dementieren. Sondern fasst nur kurz und knapp zusammen "De Betze iss halt de Betze. Es gibt nur gut oder schlecht, nichts dazwischen."

Die Preußen: Bescheidene Möglichkeiten, aber kein Underdog

Dafür genießt er in Münster nun weiter Vertrauen, Wertschätzung, Menschlichkeit. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Münster sind im Wettbewerbsvergleich bescheiden, laut "Transfermarkt.de" stellen die Preußen den Kader mit dem geringsten Marktwert. In die Underdog-Ecke will sich der Trainer dennoch nicht drängen lassen. Seine Jungs sollen weiter den Offensivstil pflegen, der sie in den vergangenen beiden Spielzeiten zunächst an die Spitze der Regionalliga und danach auf den zweiten Aufstiegsplatz der dritten Klasse führte. "Wobei es natürlich Spiele geben wird, in denen wir hinten reingedrängt werden, das wird sich nicht vermeiden lassen."

Die bisherigen Auftritte deuten darauf hin, dass die Preußen auch weiter bereit sind, schnell zu schießen. Sowohl bei der 1:3-Niederlage bei der SpVgg Fürth zum Saisonauftakt als auch beim anschließenden 0:0 zum Heimdebüt gegen Hannover war jeweils mehr drin, wie auch die "expected Goals"-Werte bestätigen. Und dass das Team mit Malik Batmaz und Joel Grodowski über ein Sturmduo mit Zweitliga-Qualität verfügt, bezweifelt niemand. Batmaz hat nun aber einen Kreuzbandriss erlitten und fällt monatelang aus. Ein Rückschlag, den ein Aufsteiger erst einmal verkraften muss.

Dennoch blickt Sascha Hildmann mit Zuversicht und vor allem Vorfreude der Partie entgegen, die für ihn keine wie jede andere ist. Missmutig stimmt ihn nur eines: "Dass ich nicht alle Kartenwünsche erfüllen konnte, die aus Kaiserslautern an mich herangetragen wurden."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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- Samstag, 13:00 Uhr: Die Qual der Wahl für Markus Anfang (Der Betze brennt)

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