Porträt: Der neue Cheftrainer des 1. FC Kaiserslautern

Markus Anfang beim FCK: Ein Risiko, das sich lohnen kann

Markus Anfang beim FCK: Ein Risiko, das sich lohnen kann


Markus Anfang wird neuer Cheftrainer des 1. FC Kaiserslautern. Schon die Reaktionen im Vor­feld zeigen: Die Personalie spaltet. Zurecht? In Gesprächen wird schnell deutlich, der neue Mann lässt sich nicht so leicht ein­ordnen. Unser Porträt versucht's dennoch.

Im Netz schreiben manche sogar, der Klub habe noch nie eine Trainer-Entscheidung getroffen, die auf so viel Ablehnung im Umfeld stieß. Tatsächlich? Naja, auch nach der Entlassung von Marco Antwerpen und anschließender Verpflichtung Dirk Schusters vor zwei Jahren wurden zunächst mal jede Menge negative Stimmen laut. Die sich ein paar Tage später aber schnell verflüchtigten, nach den erfolgreichen Relegationsspielen gegen Dynamo Dresden und dem Aufstieg in die Zweite Liga. Markus Anfang dagegen wird sich keine Gelegenheit bieten, seine Kritiker so schnell zum Verstummen zu bringen.

Impfpass-Skandal? Reden wir lieber über Fußball

Natürlich hält die Personalie ein paar besondere Aspekte bereit. Zuallererst der Eklat um den gefälschten Impfausweis, der Markus Anfang nach wie vor anhängt. Manche sagen, der 49-Jährige könne nun kein Vorbild mehr sein, wie es der Cheftrainer eines Profi-Klubs nun mal sein müsse.

Dazu ist festzuhalten: Markus Anfang ist dafür hart bestraft worden. Vom Amtsgericht zu einer Geldbuße von 36.000 Euro - womit er übrigens knapp nicht als "vorbestraft" gilt, dazu hätten es mehr als die der Berechnung zugrunde gelegten 90 Tagessätze sein müssen. Dazu 20.000 Euro Geldstrafe vom DFB. So weit, so Peanuts für einen Profifußballer. Aber obendrauf kam noch die Sanktion vom Verband: Eine zwölfmonatige Sperre (davon sechs Monate auf Bewährung), also quasi ein Berufsverbot. Anfang verlor seine Anstellung bei Werder Bremen, wobei er seiner Entlassung per Rücktritt zuvorkam. Er hat sich mehrfach entschuldigt, seine Strafen akzeptiert. Was soll ein Mensch noch tun, um nicht ein Leben lang für eine Dummheit geächtet zu werden? Anders kann man es wohl nicht nennen, wenn jemand die für seinen Job gar nicht mal nötige Fälschung - denn im Profifußball gab es keine Impfpflicht - nur einmal wirklich nutzt, nämlich um bei einer Karnevalsfeier reinzukommen. Wer dennoch gerne nochmal tiefer in die Thematik einsteigen möchte: Nach Abschluss seines Gerichtsprozesses stellte sich Anfang im "Aktuellen Sportstudio" den kritischen Fragen von Moderator Sven Voss.

Widmen wir uns nun lieber dem Sportlichen. Auch da gibt es fraglos Punkte, die irritieren. Und die gerade deswegen eines genaueren Hinsehens bedürfen.

Keine guten Erinnerungen an Kaiserslautern

Markus Anfang beendet seine Spielerkarriere 2010 bei Eintracht Trier. Als Aktiver war der gebürtige Kölner unter anderem bei Fortuna Düsseldorf, MSV Duisburg und in Innsbruck unterwegs, mit dem FC Tirol wurde er dreimal Österreichischer Meister. Zwei Jahre spielte er auch beim 1. FC Kaiserslautern, wo der zentrale Mittelfeldspieler allerdings nur auf 27 Einsätze kam.

Zu Beginn der Rückrunde 2003/2004 wurde er im Zuge einer von Trainer Erik Gerets angestrebten Kaderverkleinerung unter bis heute nicht ganz aufgeklärten Umständen suspendiert, zusammen übrigens mit dem heutigen FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen und Ex-Nationalspieler Steffen Freund, der mittlerweile als Europa-League-Kommentator bei RTL im Einsatz ist. Vielleicht treffen die Drei sich irgendwann ja vor laufenden Fernsehkameras wieder, um ihre gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten.

Erste Erfolge in Leverkusen, dann Kiel

Anfang macht seinen Trainerschein, und nach einer ersten Station beim SC Kapellen-Erft, den er in die Oberliga Niederrhein führt, wechselt er ins Nachwuchsleistungszentrum von Bayer Leverkusen. Mit den U17-Junioren des Konzernklubs wird er 2016 Deutscher B-Jugend-Meister. Laut Thomas Hengen war dieses Engagement im Nachwuchsbereich auch ein mitentscheidender Grund für die jetzige Anstellung als Cheftrainer beim FCK - der Geschäftsführer und der Verein möchten künftig mehr auf den Nachwuchs setzen.

Ralf Becker, seinerzeit Sportdirektor bei Holstein Kiel, holt das Trainer-Talent daraufhin in die 3. Liga. Mit den Störchen steigt Anfang in der Saison 2016/17 in die 2. Bundesliga auf, wo ihm ums Haar der Durchmarsch ins Oberhaus gelingt. Als Tabellen-3. scheitern die Schleswig-Holsteiner erst in der Relegation am VfL Wolfsburg.

Diese Kieler Aufstiegssaison ist gleichzeitig auch die Abstiegssaison der Roten Teufel. Diese verlieren in der Hinrunde in Kiel sehr unglücklich 1:2, im Rückspiel behalten sie dank Toren von Brandon Borrello, Christoph Moritz und Osayamen Osawe mit 3:1 die Oberhand.

Fast die gesamte Saison über ist das Kieler Spiel von einem geordnetem, aber doch erfrischend offensiven Stil geprägt, der so gar nicht Aufsteiger-like ist. Ob sich da bereits die Handschrift des noch jungen Trainers herausgebildet hat?

Tolles Offensivspiel - aber Anpassungen sind nicht sein Ding

Matthias Hermann, Holstein-Chefreporter der "Kieler Nachrichten" und Macher des Fanzines "Calio Culinaria", wägt im Gespräch mit Der Betze brennt ab. "Markus Anfang hatte von seinem Vorgänger Karsten Neitzel eine Mannschaft übernommen, die für Drittliga-Verhältnisse fußballerisch außergewöhnlich gut besetzt war. Aber er hat deren Möglichkeiten mit seiner Spielidee weiter perfektioniert. Und einige Spieler wie Dominick Drexler, Alexander Mühling und Rafael Czichos wurden anschließend in der Zweiten Liga erst so richtig gut."

Im Vergleich zum aktuellen Trainer-Überflieger Marcel Rapp, der in dieser Saison den Holsteiner Bundesliga-Traum endgültig Wirklichkeit werden ließ, fällt Hermann eines allerdings auf. "Anpassungen an den jeweiligen Gegner, wie Rapp sie sich immer wieder einfallen lässt, hat man bei Anfang eher nicht gesehen." Der habe eine klare Vorstellung von dem Offensivspiel, das er dem Gegner aufzwingen will, und das sei durchaus attraktiv - so er denn die richtigen Leute an der Hand habe, die seine Ideen umsetzen könnten. Womit sehr schön umrissen ist, was an der Denk- und Arbeitsweise Anfangs sich auf dessen Trainerstationen mal vorteilhaft, oft aber auch nachteilig auswirkte.

Köln: Starker Start - und als Tabellenführer entlassen

Nach der erfolgreichen Saison in Kiel warb der 1. FC Köln Anfang an, für den gebürtigen Kölner natürlich ein Traum. Dort fruchtete seine forschen Ideen zunächst blendend. Nach der Hinrunde stand der "Effzeh" auf Rang 2 der Zweiten Liga, hatte in 17 Partien 45 Treffer erzielt - Holstein Kiel, nunmehr von Tim Walter trainiert, stellte mit 14 Toren weniger die zweitbeste Offensive. Unter anderem fertigten die Kölner Dynamo Dresden mit 8:1 ab und landeten einen 5:3-Auswärtscoup auf St. Pauli. In der Rückrunde aber verkündete Sportchef Armin Veh nach 31 Spieltagen das Ende von Anfang. Die Geißböcke hatten gerade zweimal in Folge verloren, standen jedoch mit sechs Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz immer noch Platz 1.

Es waren jedoch nicht die Ergebnisse oder der Tabellenstand, die Veh zu dieser Entscheidung veranlassten. Der einstige Stuttgarter Meistertrainer sah vor allem keine Entwicklung im Defensivverhalten des Teams, und das bereitete ihm gerade vor dem Hintergrund des bevorstehenden Aufstiegs Sorgen.

"41 Gegentore sind schon jetzt mehr als doppelt so viele wie unter Peter Stöger im Aufstiegsjahr 2013/14", pflichtete auch Marc L. Merten von der Onlinezeitung "Geissblog" dem Sportchef bei. "Beim FC gab es in dieser Saison nur alles oder nichts: Sieg oder Niederlage, viele Tore, viele Gegentore, kein Verwalten, keine Sicherheit, keine Balance. Anfang wurde bereits perspektivisch nicht mehr zugetraut, die Mannschaft in der Bundesliga zum Erfolg zu führen."

Der Kollege aus Köln betont aber auch, dass das Anfang-Ende aufs Konto der Mannschaft gehe, die trotz des guten Tabellenstandes "eine Ansammlung an Grüppchen, Einzelkämpfern, und Spielern" gewesen sei, die zwar individuell die Zweite Liga überragen, jedoch sportlich wie mental Nehmerqualitäten an den Tag legten wie ein Boxer mit Glaskinn. Der krasse Kaderumbau, den die Kölner im Sommer 2019 mit der Übergabe des Traineramts an Achim Beierlorzer vornahmen, deutet zumindest darauf hin hin, dass auch das Management des FC Mertens Einschätzung teilte.

Darmstadt: "Ein Top-Trainer, mit dem wir sehr zufrieden sind"

Danach sicherte sich Darmstadt 98 die Dienste Anfangs. Hier dauerte es ein wenig, bis sein Offensivkonzept griff. Platz 12 nach der Hinrunde, Platz 5 am Ende der Saison 2019/20. Die Rückrunde hatten die Lilien als drittbestes Team gestaltet.

Mit den Erfolgen köchelten direkt wieder Gerüchte um den Trainer hoch. Angeblich baggerte Fortuna Düsseldorf an Anfang, und Werder Bremens Werben wurde alsbald konkret. "Wir haben hier einen Top-Trainer, mit dem wir sehr zufrieden sind”, versuchte Lilien-Präsident Rüdiger Fritsch die Unruhestifter zu verscheuchen. Was nicht mehr als frommer Wunsch blieb. Nach einem zähen Ringen, das sich über Wochen hinzog und am Böllenfalltor einen ziemlich faden Nachgeschmack hinterließ, erhielt der Coach schließlich die Freigabe. Zur Höhe der Ablöse kursieren verschiedenen Gerüchte. Einige sprechen von einer Millionen Euro.

Weshalb Anfang für Bremens Sportchef Frank Baumann so viel wert war? "Er war in Köln, Kiel und zuletzt auch in Darmstadt erfolgreich", erklärt Stefan Schölzel vom Werder-Fanzine "Grober Schnitzer" gegenüber Der Betze brennt. Zudem galt Anfang als absoluter Kenner der Zweiten Liga. Außerdem suchte man an der Weser nach dem Bundesliga-Abstieg bewusst einen Typen, der nicht aus der "berühmt-berüchtigten Werder-Familie" stammte. Es sollte ein neues Gesicht her, einer, der den Laden umkrempeln und möglichst schon im kommenden Jahr den Wiederaufstieg realisieren sollte."

Nur 13 Spieltage in Bremen - Bilanz durchwachsen

Nach 13 Spieltagen wurde dann Anfangs mittlerweile sattsam bekannte Impfpass-Fälschung im Kölner Karneval publik. Die Konsequenzen folgten auf dem Fuß. Werder hatte gerade 2:1 in Nürnberg gewonnen. Ansonsten war die Bilanz des Trainers bis dahin durchwachsen. 19 Punkte, Platz 8, zudem war Werder im DFB-Pokal schon in der ersten Runde gegen Drittligist Osnabrück rausgeflogen.

Ob der Trainer seinen Stil im Lauf der Runde noch erfolgreich hätte etablieren können? Werder-Experte Schölzel hat da so seine Zweifel. Anfang habe stets mit dem gleichen System spielen wollen, "das zwei schnelle und möglichst torgefährliche Außen braucht. Die hatten wir zu dieser Zeit allerdings nicht." Auf den Zurückgetretenen folgte Ole Werner, der sofort sieben Spiele gewann und den SVW zurück in die Bundesliga führte, wo er bis heute aktiv ist.

Nach seiner Sperre war es Ralf Becker, der Markus Anfang eine neue Chance in Dresden gab - der Mann, der ihm seinerzeit in Kiel die Tür in den Profifußball eröffnet hatte. Mit den Sachsen, die bekanntlich gerade vom FCK in die 3. Liga geschossen worden waren, schloss Anfang die Saison 2022/23 auf Platz 6 ab. Nach einem engen Aufstiegsrennen, das bitter endete: Drei Runden vor Schluss stehen Anfangs Jungs noch auf Platz 1, ehe sie mit einem 1:4 beim späteren Absteiger Meppen von Aufstiegsrängen gestürzt werden. Am Ende fehlen nur ein Punkt und ein Tor, um Relegationsplatz 3 zu erreichen.

Dresden: "Unbestritten ein sehr guter Trainer", aber ...

In die gerade abgelaufene Saison 2023/24 startet Dynamo Dresden als Aufstiegsfavorit. Eine Rolle, der die Sachsen zunächst vollauf gerecht werden. In der Hinrunde stehen sie an zwölf Spieltagen auf Platz 1. Im Februar, am 25. Spieltag, gelingt ihnen gegen Lübeck nochmal ein 7:2, danach reißt der Faden. In fast allen restlichen Partien treten die Sachsen dominant auf, aber es wollen keine Tore mehr fallen. Die Zu-Null-Niederlagen häufen sich. Die Ursachen? Manche werfen dem Trainer wieder mal mangelnde taktische Flexibilität vor, manche sagen, der Kader lasse gar nicht zu, taktisch variieren. Wieder andere sind einfach nur ratlos.

Noch am 3. April schreibt Tino Meyer, Sportchef der "Sächsischen Zeitung": "Anfang ist unbestritten ein sehr guter Trainer. Nicht wenige halten ihn sogar für überqualifiziert in der 3. Liga. Dennoch oder gerade deshalb stößt er in Dresden derzeit offensichtlich an Grenzen. Eine Lösung für die zentrale Aufgabe im Fußball, das Toreschießen, sucht er seit Monaten vergeblich." Dennoch gebe es gute Gründe, am Coach festzuhalten.

Drei Spieltage später, nach einem 0:2 gegen Viktoria Köln, wird Markus Anfang entlassen. Von seinem Mentor Ralf Becker hatte sich der Verein schon im Februar getrennt. "Als Trainer und Menschen stets die Werte der SGD gelebt! Danke Markus Anfang und Florian Junge", flaggen nicht selbstverständlich die Dresdner Fans im nachfolgenden Heimspiel in Richtung des Trainers und seines Co, der übrigens auch in Kaiserslautern mit Anfang anfangen wird. Und nein, in Dresden sind nicht alle Querdenker und Coronaleugner, es gibt auch dort viele klare Köpfe in der Fangemeinde.

Fazit: Ein Risiko - aber die Voraussetzungen sind gut

Dieser bewusst ausführliche Abriss verdeutlicht hoffentlich: Mit Markus Anfang holt Thomas Hengen einen Trainer, der für das steht, was der FCK-Boss zuletzt auch von den Trainern Dirk Schuster und Dimitrios Grammozis einforderte, diese aber nicht mit den gewünschten Ergebnissen zu liefern vermochten: dominanten Offensivfußball, der für den Betze mal charakteristisch war und es wieder werden soll.

Der aber ist mit einigen Risiken verbunden, und die ergeben sie sich nicht nur aus der Spielanlage auf dem Rasen. Dazu braucht es entsprechendes Personal, das dem höheren fußballerischen Anspruch gerecht wird - und damit ein besseres Händchen auf dem Transfermarkt als das, was Hengen und sein Sportdirektor Enis Hajri zuletzt vor allem in der Winterpause bewiesen haben.

Anfang braucht allerdings auch Zeit, seine Spielidee zu etablieren - und Geduld ist in der Pfalz nicht gerade Kernkompetenz. Und er muss nachweisen, ein Team formen zu können, das nicht nur attraktiv nach vorne spielt, sondern auch wirksam nach hinten abzusichern vermag. Das ist ihm bislang nur an wenigen Stationen gelungen, und es stimmt auch nicht gerade optimistisch, dass die Abwehr in der abgelaufenen Saison Lauterns größtes Sorgenkind war. Über Anfangs menschliche Qualitäten zu urteilen, sollte sich dagegen, wer ihn nicht persönlich kennt, auch nicht erlauben.

Gute Voraussetzungen sind auf jeden Fall: Durch die Zusatzeinnahmen im DFB-Pokal und die fantastischen Zuschauerzahlen in dieser Saison ist Lauterns Kriegskasse gut gefüllt. Und es werden genug Kaderplätze frei, so dass nicht nur gezielt, sondern auch genug eingekauft werden kann, ohne den Personalbestand über die Maßen aufzublähen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Offiziell: Markus Anfang wird neuer Cheftrainer des FCK (Pressemeldung FCK)

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