1:1 im Derby, beide Trainer zufrieden, und auch der Anhang mochte nicht klagen. Dennoch: So das ein oder andere könnte der 1. FC Kaiserslautern besser machen, um auch ein solches Spiel wie gegen den Karlsruher SC nach Hause zu bringen.
Beide Übungsleiter waren sich hinterher einig: Sie hatten ein Spiel mit einer aufregenden ersten und einer eher langweiligen zweiten Halbzeit gesehen. Eines, in dem das eigene Team dennoch an seine Grenzen gegangen war. Und eines, das am Ende ein insgesamt gerechtes Unentschieden für beide Seiten brachte. Ihrer Ansicht nach waren die 33.000 Zuschauer im Wildparkstadion zufrieden nach Hause gegangen. Und im Großen und Ganzen taten sie das wohl auch. Was also sollte in einer Spielanalyse da noch groß angemahnt werden?
In der Tat: Viel zu meckern gibt es aus FCK-Sicht nicht. Sicher, die Roten Teufel, die diesmal wieder im augenfeindlichem Gelbgrün aufliefen, da der KSC bei der Trikot-Wahl auf einen roten Torwartdress bestanden hatte, gestalteten ihre Startphase erneut recht passiv - nur 26 Prozent Ballbesitz in der ersten halben Stunde. Und als die Badener direkt nach dem Anpfiff erst einmal beinahe zwei Minuten das Leder ganz für sich allein hatten, sah der Betze-Anhang bereits ein Paderborn 2.0 auf sich zukommen - wobei die Partie in Ostwestfalen vor knapp drei Wochen ja mit einem 2:1-Sieg ein gutes Ende für den FCK genommen hatte.
Nach früher Führung tief stehen ist gutes Gastrecht
Grundsätzlich aber ist der Schuster-Elf ihre Zurückhaltung diesmal nicht vorzuwerfen. Denn sie ging schon nach vier Minuten in Führung. Sie kombinierten sich auf der linken Seite durch enge Räume gut nach vorne, setzten bei drohenden Ballverlust energisch nach, Richmond Tachie leitete den Flankenwechsel ein, Jean Zimmer, der rechte Schienenspieler, flankte, Ragnar Ache vollstreckte. Diesmal mit dem Fuß, oder auch mit der Wade, jedenfalls zum ersten Mal in dieser Saison nicht mit dem Kopf. Sein fünftes Tor im sechsten Spiel.
Nach einem frühen Führungstreffer erst einmal tief zu stehen und auf die berühmten Umschaltsituationen zu lauern, ist gutes Gastrecht in jeder Liga der Welt. Da gibt es nichts zu meckern. Zumal sich kurz darauf bereits die nächste Chance auftat: Nach einem Einwurf von Tymo Puchacz schickte Tobias Raschl mit einem feinen Außenristpass den durchstartenden Ache steil und startete selbst sogleich durch, so dass der Stürmer kurz darauf den halblinks in den Strafraum einlaufenden Achter seinerseits bedienen konnte - KSC-Keeper Patrick Drewes verhinderte mit einer Fußabwehr das Lautrer 2:0.
Ache kann nicht nur Kopfball, Raschl frisst Kilometer
Die bislang erwähnten Personalien und Positionsbezeichnungen lassen es an dieser Stelle bereits vermuten. Dirk Schuster vertraute der gleichen Startelf und der identischen 3-4-1-2-Formation wie zuletzt beim 3:1 gegen Nürnberg. Und Ache hatte schon nach 13 Minuten ein weiteres Mal gezeigt, dass er noch viel mehr kann als Kopfbälle. Die "Ein-Mann-Büffelherde", wie ihn sein Ex-Trainer Alexander Zorniger einst nannte, ist vor allem schnell: Einmal blitzten ihn die Opta-Kameras mit 34,65 km/h - Bestwert dieser Partie. Raschl wiederum sollte sich nicht nur mit diesem Lauf als der beste Kilometerfresser seines Teams hervortun. Am Ende war er 11,6 Kilometer marschiert. Nur der Karlsruher Paul Nebel wieselte 300 Meter mehr.
Es waren die berühmten Kleinigkeiten, die nach und nach offenbarten, was den Pfälzern nach zuletzt drei Siegen noch fehlt, um in der Tabelle noch weiter oben anzudocken. Der Gegner findet zu oft, zu leicht den Passweg vor den Sechzehner. Nach Ballgewinnen geht der Ball zu früh verloren, oft in der eigenen Hälfte. Neben anderen leistete sich Tachie im Aufbauspiel den ein oder anderen Fehlpass, so gut er vorne mit Ache harmonierte. Und wenn er bei ruhenden Bällen im eigenen Strafraum aushilft, stiftet er unter den Seinen bisweilen Verwirrung, etwa, in dem er überraschend unter dem heranfliegenden Leder durchtaucht.
"Schnorres", sonst Ruhepol, diesmal mit Aussetzern
Auch der zentrale Mann der Dreierkette, ansonsten Vorbild in Sachen Souveränität, leistete sich diesmal Aussetzer. Nach 23 Minuten wehrte Kevin Kraus eine Rechtsflanke von Fabian Schleusener direkt vor die Füße des am Sechzehner lauernden Jerome Gondorf ab, der aber verzog. In der zweiten Hälfte brachte der "Schnorres" noch ein weiteres Mal einen Karlsruher mit einer inkonsequenten Abwehraktion noch in Strafraumnähe wieder in Ballbesitz. Der Elfmeter zum 1:1, den der "Schnorres" kurz vor der Pause verursachte, ist ihm dagegen am wenigsten vorzuwerfen. Sein und Schleuseners Fuß gingen fast gleichzeitig zum Ball, der Karlsruher traf jedoch das Leder zuerst, Kraus nur dessen Schlappen. Dergleichen wird gerne auch mal übersehen, aber Schiri Deniz Aytekin schaute einfach zu genau hin.
Zuvor aber hatte diese erste Halbzeit zwei weitere handfeste Aufreger geboten. Nach einer halben Stunde kam Schleusener nach einer Nebel-Flanke unmittelbar vor Julian Krahl zum Kopfball. Der aber parierte bravourös. Womit der 23-Jährige seine neue Rolle als Nummer 1 ein weiteres Mal zementiert haben dürfte. Bei allem Respekt vor Andreas Luthe: Da hat sich wohl ein Generationswechsel im FCK-Tor vollzogen.
Drei Minuten später traf Marlon Ritter den Außenpfosten. Ache hatte ihm eine Linksflanke von Tachie auf den rechten Fuß gelegt. Und damit sind längst nicht alle Einschussgelegenheiten dieser ersten Hälfte aufgezählt, nur die klarsten. Es war eben bis dato sportlich ein in jeder Hinsicht packendes Südwest-Duell.
Hälfte 2: Weniger Aufreger, dennoch spannend
Von den erwähnten Aussetzern abgesehen, verteidigten die Gäste insgesamt gut, verschoben sich konzentriert und geschlossen gegen den Ball. Die Karlsruher benötigten in erster Linie ruhende Bälle, um wiederholt Gefahr vor dem Gehäuse von Krahl heraufzubeschwören. Dabei erstaunte, wie gut sie zu flanken verstehen, obwohl sie vorne keinen Kopfballspieler à la Ache zur Verfügung haben. Bezeichnend, dass in der 79. Minute sogar der nur 1,69 Meter große Nebel zu einer guten Kopfballchance kam, die Krahl aber erneut abwehrte.
In der zweiten Hälfte wurden die Aufreger merklich weniger. Die ein oder andere Gelegenheit, die Partie doch noch für sich zu entscheiden, tat sich dennoch für beide Teams auf. Wie vor vier Monaten, als die Gastgeber mit 2:0 an gleicher Stelle gewannen, brachte KSC-Trainer Christian Eichner auch diesmal wieder Budu Zivzivadze im Lauf der zweiten Hälfte. Und der wäre ums Haar ein weiteres Mal zum Lautern-Schreck geworden, doch Krahl verhinderte in der 73. Minute seinen Einschuss aus spitzem Winkel. Kurz darauf schob Nebel den Ball zwar am Keeper vorbei, aber Jan Elvedi rettete auf der Linie.
Doch: Lautern kann auch dominant sein
Die "Textmarker-Teufel", wie sie der Kommentator der "Sportschau" taufte, wiederum zeigten in der zweiten Hälfte, dass sie mittlerweile gelernt haben, zumindest phasenweise dominanter aufzutreten. Im Mitteldrittel dieser Halbzeit schraubten sie ihre Ballbesitz-Anteile sogar auf 61 Prozent. Wie, das glaubt keiner? Diese "Wyscout"-Visualisierung beweist es:
Und in der Schlussphase schnürten die Gäste ihren Gegner bis tief in die Nachspielzeit in der eigenen Hälfte regelrecht ein. Wie sehr sich die durchschnittlichen Aufstellungslinien der Teams während der Partie verschoben, belegt diese Grafik:
Wirklich gute Chancen sprangen dabei aber nicht heraus. Die besten Torszenen hatte der für Tachie eingewechselte Aaron Opoku, durch den das Angriffsspiel aber auch sehr linkslastig wurde. In der 88. Minute verhinderte eine Fußabwehr Drewes’ ein Joker-Tor aus spitzem Winkel.
Nach sechs Minuten Nachspielzeit war klar: Unterm Strich war schon ganz schön was geboten bei diesem Aufeinandertreffen zweier Rivalen, doch so richtig ärgern muss sich keiner über dieses Remis.
Lautern ganz schön links, mit Opoku erst recht
An der Einschätzung ändert auch die finale Betrachtung unserer Standard-Grafiken nichts. Mit einem Endergebnis von 2.72 : 0.76 sieht "Wyscout" den KSC in der xG-Timeline zwar weit vorne, doch da muss wie so oft angemerkt werden, dass so ein Elfmeter allein bereits einen Sprung um 0.76 Punkte verursacht. Und die Kopfballchancen aus kurzer Distanz tun das Übrige. "bundesliga.de" und andere, mit Opta-Daten arbeitende Anbieter, haben ein 2,83 : 1,16 errechnet.
Die Positions- und Passgrafik bestätigt die Linkslastigkeit des FCK-Spiels, die sich nach Opokus Einwechslung (Nummer 17) noch verstärkte. Gut erkennbar ist aber auch die Kombinationsfreude im zentralen Mittelfeld, die sich wohl erst in Hälfte 2 ergab.
Für den am Fuß lädierten Zimmer brachte Schuster in der 83. Minute Nikola Soldo auf einer für ihn ungewohnten Position. Philipp Hercher, der ebenfalls auf der Bank saß, hätte sich da sicher heimischer gefühlt. Doch vermutlich sollte Soldo, von Haus aus Innenverteidiger und Sechser, in erster Linie mithelfen, nach ruhenden Bällen im Zentrum abzuräumen.
Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Karlsruher: Paul Nebel (26) taucht da auf der rechten Seite auf, weil sich die Software halt ein so eine Art geografisches Mittel errechnet. Tatsächlich kam der Quirl nur in Hälfte eins öfter über rechts, später mehr über links, blieb insgesamt aber kaum berechenbar. Lange spielt die Leihgabe aus Mainz bestimmt nicht mehr in der Zweiten Liga.
Und last, but not least, die mittlerweile beliebte Überkreuztabelle zu den geführten Tabellen (dazu nochmal die Anmerkung: beim Klick auf die Grafik gelangt Ihr zur vergrößerten, besser lesbaren Darstellung). Höchst respektabel die Bilanz des Ex-Lautrers Robin Bormuth. Die stärksten Zweikämpfer aus der Pfalz hießen Kraus, Tomiak und - hört, hört - Raschl. Wenn nur die Aussetzer vom "Schnorres" nicht gewesen wären ...
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage