Entschuldung oder Liquidation? Am Donnerstag entscheidet die Gläubigerversammlung über die Zukunft des 1. FC Kaiserslautern. Wir haben den Aufsichtsratsvorsitzenden Rainer Keßler zu diesem und weiteren wichtigen Themen befragt.
Der Betze brennt: Rainer Keßler, wir sprachen über Kompromisse in Führungsgremien und die Akzeptanz von Mehrheitsbeschlüssen. Genau daran haperte es im ersten Jahr des von Ihnen zusammengestellten FCK-Aufsichtsrates einige Male, wie man schon alleine beim Blick auf die Personalien feststellen kann: Mit Jörg E. Wilhelm und Martin Wagner sind zwei von fünf Mitgliedern zurückgetreten.
Rainer Keßler (58): Sie erinnern sich vielleicht an meine Rede bei der damaligen Mitgliederversammlung. Ich sagte, in unserem Team haben sich fünf Menschen zusammengefunden, von denen jeder aus einem Fachbereich stammt, den wir als essenziell ansehen, um dem FCK zu helfen. Ich habe aber auch gesagt, dass wir uns untereinander noch nicht lange kennen und erst die Zeit zeigen muss, ob wir wirklich zusammenpassen. Unterschiedliche Meinungen sind immer zu akzeptieren - aber man muss in einem offenen und fairen Dialog intern nach einer Lösung suchen. Persönliche Interessen müssen im Interesse des großen Ganzen zurückstehen. Martin Wagner hat für seinen Rücktritt "persönliche Gründe" angegeben. Die gilt es selbstverständlich zu respektieren. Wir bedauern es sehr, dass wir Ihn nicht mehr im Team haben - aber er steht uns mit Rat zur Seite.
"Wir sitzen alle im gleichen Boot"
Der Betze brennt: "Persönliche Gründe" wurden in der offiziellen Erklärung des Vereins angegeben. Parallel wurden aber Informationen an die Presse durchgesteckt, wonach Martin Wagner zurückgetreten sei, weil er mit seinem Ansinnen, Trainer Boris Schommers zu entlassen, im Gremium keine Mehrheit fand. Damit war der Trainer angeschossen. Und als die Mannschaft sonntags drauf bei Türkgücü München 0:3 verlor, wurde Schommers dennoch entlassen... Auch das ist doch ein Muster, das sich in den vergangenen Jahren schon seit Jahren und in den unterschiedlichsten personellen Zusammensetzungen wiederholt: Mit Indiskretionen aus der Führungsetage werden gewisse Medien instrumentalisiert, um Druck per Meinungsmache zu schüren oder bestimmte Entwicklungen zu forcieren. Wann hört das endlich mal auf?
Keßler: Ich glaube, hundertprozentig in den Griff bekommen sie das nur, wenn sie alleine Entscheidungen zu treffen haben. Sobald auch nur zwei am Ruder sind, kann es zu einer Meinungsverschiedenheit kommen, und schon ist die Versuchung groß, einen Dritten zu instrumentalisieren. Konkret zum FCK: Markus Merk, Martin Weimer und ich arbeiten nach wie vor vertrauensvoll zusammen und stehen fest zusammen. Mit Christian Bettinger ist jetzt ein junger Mann in den Aufsichtsrat und Beirat nachgerückt, der sich bereits bei der Mitgliederversammlung viele Sympathien erworben hat. Fritz Fuchs ergänzt das Team nun auch im Beirat mit seiner sportlichen Expertise und seiner langjährigen FCK-Identität. Wir wissen den Ehrenrat hinter uns und mit dem Vorstand des FCK e.V. sowie der Geschäftsführung der Management GmbH verläuft die Zusammenarbeit trotz der herausfordernden Zeit offen, konstruktiv und verlässlich. Wir sitzen alle im gleichen Boot und können auf einen engen Schulterschluss bauen. Das ist schon ein Unterschied zur Situation vor einem Jahr, wo diese Gremien zum Teil auch untereinander zerstritten waren.
Der Betze brennt: Sie haben eben Martin Weimer genannt - er ist also immer noch fest im Team? Da gab es Zweifel, seit er sich in der Auseinandersetzung um Jörg E. Wilhelm nicht zu Wort meldete. Wilhelm beklagte sich ja, nicht nur er, sondern auch Weimer würde von wichtigen Verhandlungen mit Investoren ausgeschlossen.
Keßler: Das war nie der Fall. Martin Weimer war und ist fester, mit seinen Kontakten zu potentiellen überregionalen und internationalen Investoren und seinen Erfahrungen im Kapitalmarkt auch ein wichtiger, unverzichtbarer Bestandteil unseres Teams. Wir tauschen uns beinahe täglich aus. Dass er sich öffentlich nicht zu Wort meldet, ist Teil seines Credos. Nach seiner Überzeugung hat sich ausschließlich die Geschäftsleitung nach außen hin zu verlautbaren. Aufsichts- oder Beiräte sollten sich im Hintergrund halten.
"Zuerst die Mitglieder über die Situation des FCK e.V. informieren"
Der Betze brennt: Kommen wir zu den Punkten Investorenvertrag, Gläubigerversammlung, Entschuldung der Kapitalgesellschaft. In Hinblick auf die Situation des FCK e.V., bei dem nach der Insolvenz der FCK KG ja wohl noch beträchtliche Restschulden verbleiben werden, möchten sie zunächst die Vereinsmitglieder informieren und noch nicht in einem Interview vorgreifen. Wann wird das hierfür vorgesehene nächste Mitgliederforum stattfinden?
Keßler: Ich denke, Anfang nächster Woche werden wir den Termin für das nächste Mitgliederforum veröffentlichen können, das für Ende November geplant ist. Wir müssen natürlich erst die Gläubigerversammlung abwarten, die am Donnerstag angesetzt ist, und wollen in Ruhe den Geburtstag Fritz Walters begehen. Danach sollen die Mitglieder das Anrecht haben, Einzelheiten als erste zu erfahren. Bis zur nächsten Jahreshauptversammlung, die Corona-bedingt erst im ersten Quartal 2021 stattfinden kann, sollen sie aber nicht warten müssen. Daher das Mitgliederforum.
Der Betze brennt: Ein paar Eckdaten sind ja bereits aus der jüngsten Pressemitteilung bekannt. Die regionale Investorengruppe, die jetzt als "Saar-Pfalz-Invest GmbH" firmiert, wird für 11 Millionen Euro 33 Prozent der Anteile an der FCK GmbH & Co. KGaA erwerben. Zuvor war "nur" von 25 Prozent für 8,3 Millionen Euro die Rede. Wie kam es zu der Aufstockung auf den letzen Metern? Drohte der Insolvenzplan mit den bislang vorgesehenen Summen zu scheitern?
Keßler: Nein, das war nicht der Grund. Die Aufstockung erfolgte auch nicht auf den letzten Metern, sondern stand schon länger im Raum - daran sehen Sie, dass es uns mittlerweile durchaus gelingt, Informationen vertraulich zu halten. Die Aufstockung stellt schlicht und ergreifend ein größeres Bekenntnis unserer regionalen Investoren zum FCK dar - und zeigt, dass es ihnen eben nicht darum geht, bloß die sogenannte Sperrminorität zu erlangen, die bei 25 Prozent liegt. Damit ist auch ein wichtiges Signal für die weiteren potentiellen strategischen Partner gesetzt. Diese sehen, wie tief verwurzelt dieser Verein nicht nur bei seinen Fans, sondern auch bei Unternehmen der Region ist. Und wenn die Gläubigerversammlung am Donnerstag unserem Insolvenzplan zustimmt, ist es gelungen den FCK deutlich zu entschulden und ihm damit eine realistische Perspektive zu geben. Damit ist die Ausgangssituation für einen Investor ungleich attraktiver als noch vor einem Jahr - da wären noch zirka 24 Millionen Euro Verbindlichkeiten zusätzlich zu übernehmen gewesen.
"Nur sportlicher Erfolg bringt wirtschaftliche Stabilisierung"
Der Betze brennt: Andererseits sind 33 Prozent der Anteile jetzt aber schon weg. Wäre es jetzt nicht vernünftiger, noch zu warten, bis der FCK sportlich wieder ein wenig attraktiver dasteht, ehe man erneut die Netze nach einem Großinvestor auswirft? Dann könnte man für die restlichen Anteile doch mehr verlangen.
Keßler: Im Dialog mit unseren Partnern werden wir die Suche nach einem strategischen Investor abstimmen. Das werden die nächsten Schritte sein - nach meiner Einschätzung ein mittelfristiger Prozess. Entscheidend wird dabei jedoch auch die sportliche Entwicklung sein. Uns allen ist klar, dass nur mit dem sportlichen Erfolg auch eine nachhaltige wirtschaftliche Stabilisierung erreicht werden kann. Wir alle sind über den Saisonstart enttäuscht - es klafft eine deutliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Auch unsere regionalen Investoren wollen auf Dauer keinen Drittligisten unterstützen, sondern den sportlichen Aufwärtstrend finanzieren.
Der Betze brennt: Ein großer Investor neigt oft aber auch dazu, auf sportliche Entscheidungen Einfluss nehmen zu wollen. Das zeigen nicht nur Beispiele anderer Vereine. Dem Vernehmen nach hat beim FCK bereits im vergangenen Jahr Flavio Becca als lediglich angekündigter Ankerinvestor mindestens zwei Transfers mitentschieden, bei Horst Peter Petersen aus Dubai hieß es, er wolle alles umkrempeln, und auch an der jüngsten Trainerentlassung sollen regionale Investoren meinungsstark mitgewirkt haben - auch wenn die Entscheidung letzten Endes durch Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt und Sportdirektor Boris Notzon getroffen wurde. Wo würden Sie da Grenzen setzen?
Keßler: Die Grenzen setzen unsere Satzung und zu einem großen Teil die Statuten des DFB und der DFL. Ein zusätzlicher Ankerinvestor hätte einen von fünf Sitzen im Beirat der FCK Management GmbH. Da hat er ein Mitspracherecht und kann in einem demokratischen Prozess seine Ideen und Kompetenz einbringen. Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass es im Interesse des FCK und seiner Investoren liegt, sich in einem offenen Dialog über die entscheidenden Schritte abzustimmen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
"Offener Dialog zwischen dem FCK und seinen Investoren"
Der Betze brennt: Eine Säule des Vier-Säulen-Modells ist nun also gefüllt, die drei anderen sind noch leer. Unsere Standardfrage in diesem Zusammenhang werden Sie bereits erwartet haben: Wann endlich wird die sogenannte Fan-Säule geöffnet, wann können die Anhänger des Vereins investieren?
Keßler: Das ist von den Regularien und Auflagen des Kapitalmarktes abhängig. Wir müssen die Voraussetzungen für ein umfangreiches Wertpapierprospekt für sog. Kleinanleger erfüllen. Daran arbeiten wir parallel. Wir benötigen dafür ein stabiles finanzielles Fundament. Eventuell ist es uns zum Beispiel möglich, den Zeichnern der Betze-Anleihe eine Wandeloption für Aktien anzubieten.
Der Betze brennt: Gesetzt den Fall, der FCK schafft diese Saison doch noch den Aufstieg - würden die in Liga 2 zu erwartenden TV-Gelder genügen, um diese wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten?
Keßler: Das würde die Voraussetzungen verbessern, natürlich. Aber eine Garantie wäre das auch nicht. Man muss auch sehen: Wegen Corona lässt sich derzeit generell kaum sagen, wie sich der gesamte Profisport weiterentwickelt. Wann beispielsweise werden wir wieder mit Zuschauer- und Sponsoreneinnahmen in voller Höhe rechnen können? Wir wissen es schlicht und ergreifend nicht - müssen natürlich auch diesbezüglich unsere Planungen realistisch anpassen.
Der Betze brennt: Und was geschieht, wenn auch diese Saison der Aufstieg verpasst wird? Manche sagen ja, das Geld der Regionalen reicht nur für ein Jahr.
Keßler: Ein Teil der elf Millionen ist bereits als Grundstock fürs kommende Jahr vorgesehen. Die Lizenz für die kommende Saison 2021/22 ist damit aber logischerweise noch nicht gesichert. Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir die Kostenstruktur, Planungen und Finanzierungsmöglichkeiten bewerten und abstimmen. Zur nachhaltigen Entwicklung des FCK ist der erste überlebenswichtige Schritt getan. Weitere Schritte sind jedoch unabdingbar in der Zukunft. Hierzu ist eine kontinuierliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem FCK und seinen Partnern eine elementare Voraussetzung.
"Nur bei einer Annahme des Insolvenzplans hat der FCK eine Zukunft"
Der Betze brennt: Jetzt also steht erst mal die Gläubigerversammlung am Donnerstag dieser Woche an, bei der über den Insolvenzplan abgestimmt wird, den der FCK in den vergangenen Wochen aufgestellt hat. Bei einer Zustimmung der Gläubiger wäre die FCK-Kapitalgesellschaft entschuldet, bei einer Ablehnung würde die Liquidation drohen. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in diese wichtige Versammlung? Der Gläubigerausschuss, in dem die größten Geldgeber und wichtigsten Partner gesessen haben, hat ihnen vermutlich ja schon seine Zustimmung zugesichert.
Keßler: Ich glaube, dass wir alle in den vergangenen Wochen in diesem Prozess einen guten Job gemacht haben - aber ich bin keiner, der den Tag vor dem Abend lobt. Wir hoffen auf eine breite Zustimmung der Gläubiger zu dem vorgelegten Insolvenzplan. Nur bei einer Annahme des Insolvenzplans hat der FCK eine Zukunft. Wir müssen also so viele wie irgend möglich überzeugen. Gläubiger, denen ein Kommen am Donnerstag nicht möglich ist, haben aktuell noch bis Mittwoch die Möglichkeit, ihre Zustimmung mit einer Vollmacht zu erklären. Ein entsprechendes Formular und Details hierzu haben wir auf unserer Homepage veröffentlicht. Wir müssen uns vor Augen halten: Eine Insolvenz ist für jeden schmerzhaft, und sie bedeutet, dass Menschen auf Geld verzichten müssen, das ihnen eigentlich zusteht. Wir haben also keinen Grund, die Sektkorken knallen zu lassen, wenn wir hinterher sagen können, jetzt haben wir unsere FCK-Kapitalgesellschaft entschuldet. Sondern wir müssen uns auch in diesem Punkt in genau der Demut üben, die Fritz Walter uns vorgelebt hat. Wir müssen für Partner am Kapitalmarkt wieder ein verlässlicher Partner werden.
Der Betze brennt: Ein schönes Stichwort, das zur Abschlussfrage überleitet: Fritz Walter neigte bekanntlich zum Pessimismus - und würde zurzeit wohl eher missmutig in die Zukunft blicken. Wenn er jetzt vor Ihnen säße, was würden Sie ihm sagen?
Keßler: Ich würde sagen: Fritz, du weißt am besten, dass für den Erfolg im Sport immer viele Faktoren eine Rolle spielen und dass es keine Garantien gibt. Aber du kannst sicher sein, dass sich im Verein ein Team gefunden hat, das bereit ist, dafür alles zu geben.
Der Betze brennt: Vielen Dank für das interessante Gespräch.
(Das Interview führten Thomas Hilmes und Eric Scherer.)
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Redaktion
Weitere Links zum Thema:
- Teil 1 des Interviews: "Fritz Walter steht für das Wir, nicht für das Ich" (Der Betze brennt)