Interview des Monats: FCK-Aufsichtsratsvorsitzender Rainer Keßler, Teil 1/2

"Fritz Walter steht für das Wir, nicht für das Ich"

"Fritz Walter steht für das Wir, nicht für das Ich"


Rainer Keßler steht dieser Tage an vorderster Front beim 1. FC Kaiserslautern. Im ausführlichen DBB-Interview spricht er über den anstehenden Geburtstag von Fritz Walter und die wichtige Gläubigerversammlung am Donnerstag.

Der Betze brennt: Rainer Keßler, zum anstehenden 100. Geburtstag Fritz Walters wird wieder viel über die Werte geredet und geschrieben, die er vermittelt hat. Was verbinden Sie damit?

Rainer Keßler (58): Für mich steht Fritz Walter in erster Linie für das Wir, nicht für das Ich - ich glaube, das ist unserer Gesellschaft heute ein wenig abhanden gekommen. Wie wir alle empfinde ich tiefste Bewunderung für das, was die Walter-Elf geleistet hat: Sie hat in einem WM-Endspiel eine eigentlich unschlagbare Mannschaft besiegt, in einer Zeit, als Deutschland am Boden lag, kein Selbstbewusstsein, kein Selbstwertgefühl mehr hatte. Sie hat dies in der Überzeugung geschafft, nur als Kollektiv erfolgreich sein zu können. Dann ist da aber auch noch die Art und Weise, wie Fritz Walter diesen Pokal entgegengenommen hat, in dieser würdevollen, fast demütigen Form, die auch dem unterlegenen Gegner Respekt zollt. Das sind Tugenden, die sind für mich ebenso beeindruckend wie zeitlos.

Der Betze brennt: War oder ist es denn möglich, die mediale Aufmerksamkeit um diesen 100. Geburtstag zu nutzen, um für diese Werte wieder einmal zu werben? Sie sind ja nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender des FCK e.V., sondern auch schon länger Vorsitzender im Förderverein der Fritz-Walter-Stiftung.

Keßler: Wir haben auf diesen Tag selbstverständlich schon lange hingearbeitet. Unter anderem haben wir versucht, den DFB zu überzeugen, zu diesem Anlass ein Länderspiel im Fritz-Walter-Stadion auszurichten. Die Partie gegen die Schweiz zum Beispiel hätte sich da wunderbar angeboten.

"Ein weiterer Beleg dafür, wie weit der Fußball von der Basis entfernt ist"

Der Betze brennt: Und - hätte es geklappt, wenn Corona nicht gekommen wäre?

Keßler: Ehrlich gesagt, nein. Die Auflagen des DFB, die diesem zum Teil auch von der Uefa diktiert werden, sind mittlerweile derart anspruchsvoll, dass der Betzenberg als Stadion den Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Unter anderem müssen an einem Austragungsort, in dem ein Länderspiel angepfiffen werden soll, Fünf-Sterne-Hotels in einer gewissen Anzahl vorhanden sein. Ebenso muss sich ein Flughafen in der Nähe befinden. Für mich sind solche Auflagen ein weiterer Beleg dafür, wie sehr sich der Fußball von seiner Basis entfernt hat. Wir haben zwar versucht, dagegen zu argumentieren, schlussendlich erhielten wir aber eine Absage.

Der Betze brennt: Corona-bedingt muss auch die in der Nordtribüne des Fritz-Walter-Stadions geplante große Gala mit über 500 geladenen Gästen, Prominenten und Wegbegleitern ausfallen.

Keßler: Die aber werden wir 2021 nachholen. Und es wird nicht nur eine Gala für VIPs sein. Sie wird mit einer großen Fanfeier korrespondieren.

Wir hoffen ebenso, dass wir bald wieder unsere Fritz-Walter-Abende unter Einbeziehung lokaler FCK-Fanclubs in den Regionen organisieren können. Denn die sind ja der eigentliche Markenkern unserer Stiftung, ebenso, Schulfußballturniere, insbesondere die "Kanälchers"-Turniere, mit Manpower zu unterstützen.

Der Betze brennt: Immerhin gibt es seit 01. Oktober eine Briefmarke mit dem Konterfei Fritz Walters.

Keßler: Ja, dafür haben wir schon vor zwei Jahren begonnen, die Weichen zu stellen. Denn dazu muss ein sehr komplexer Abstimmungsprozess in Gang gesetzt werden, der vom Bundesfinanzministerium gesteuert wird. Umso schöner war es dann, der Präsentation in der Mainzer Staatskanzlei beizuwohnen, zu der neben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Malu Dreyer auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz anwesend war. Hinsichtlich der Briefmarke hielt er treffend fest: "Fritz Walter war schon immer eine Marke." Es heißt immer, Tradition schießt keine Tore, aber glauben Sie mir: Die Vereine, die keine haben, hätten gerne eine. Tradition schießt vielleicht keine Tore, aber sie öffnet Türen.

"Tradition schießt vielleicht keine Tore, aber sie öffnet Türen"

Der Betze brennt: Haben Sie auch persönliche Erinnerungen an Fritz Walter?

Keßler: "Live" spielen gesehen haben ich ihn leider nicht mehr, wie alle meines Jahrgangs und auch die danach. Aber ich erinnere mich noch gut, wie wir zum 60. Geburtstags meines Vaters Hubert (u.a. FCK-Präsident von 1996 bis 1998, danach ebenfalls Aufsichtsratsmitglied; Anm. d. Red.) zusammensaßen, mit alten Wegbegleitern wie Horst Eckel und Helmut Kapitulski. Oder an einen schönen Abend gemeinsam mit Atze Friedrich und Otto Rehhagel im Deidesheimer Hof: Es war der Wunsch von Reinfried Pohl, Vorsitzender der Deutschen Vermögensberatung, Fritz Walter kennenzulernen. Das war dann der Startschuss für das langjährige FCK-Sponsoring der DVAG. Und natürlich erinnere ich mich an die Eröffnung des Nachwuchsleistungszentrums am Fröhnerhof. Da durfte mein Sohn Maximilian Spalier für Fritz Walter stehen, und der gab jedem der Jungs die Hand, als er es durchschritt. Mit dabei war da auch der spätere FCK-Profi Dominique Heintz, der als etablierter Bundesligaspieler übrigens heute noch Mitglied unseres Fördervereins ist.

Der Betze brennt: ... und damit auch ein Beleg dafür ist, dass sich auch junge Menschen für die Werte Fritz Walters begeistern.

Keßler: Und ob. Gerade über das Team-Erlebnis lassen sich im Jugendfußball die Ideale von Fairplay und Respekt transportieren. Beeindruckend sind für mich auch die vielen Menschen mit Fritz Walter-Tattoos. Menschen, die Fritz Walter nicht nur im Herzen, sondern auch auf der Haut tragen. Das finde ich absolut großartig.

Der Betze brennt: Haben Sie auch schon eine der Ausstellungen zum 100. Geburtstag Fritz Walters besucht, die im Theodor-Zink-Museum oder jene in der Fruchthalle?

Keßler: Noch nicht. Zum Geburtstag am Samstag, 31. Oktober, öffnet im FCK-Museum eine 160 Fotos umfassende Sonderausstellung, die die Ausstellung im Zink-Museum ergänzt. Hier möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei unserem Museumsteam für den herausragenden Einsatz zu bedanken. Die Ausstellung ist ab dem 04. November für interessierte Besucher geöffnet - ein Besuch lohnt sich! DFB-Präsident Fritz Keller und der Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz, gleichzeitig auch Vorsitzender der Fritz-Walter-Stiftung, werden wir am Geburtstag von Fritz Walter in Kaiserslautern begrüßen dürfen. Der DFB hat übrigens auch unserem Wunsch entsprochen, an Fritz Walters Geburtstag kein LigaSpiel anzuberaumen, damit wir in angemessenem Rahmen mit unseren Fans feiern können. Dafür sind wir ebenfalls dankbar. Auch wenn unsere ursprüngliche Planung nun von der Corona-Pandemie durchkreuzt wurde und das Fanfest sowie die Gala an diesem Tag nun doch - noch - nicht möglich sind.

"Wir sind Harald Layenberger sehr dankbar für die Nachlass-Rettung"

Der Betze brennt: Waren Sie denn am vergangenen Samstag auch auf der Fritz Walter-Gala in der Fruchthalle, in der der Nachlass Fritz Walters zu sehen ist, die FCK-Sponsor Harald Layenberger vor einer Versteigerung bewahrt hat?

Keßler: Nein. Ich hatte bereits in den vergangen Jahren mehrfach die Gelegenheit die wesentlichen Teile des Nachlasses von Fritz Walter in seinem ehemaligen Wohnhaus in Alsenborn zu besichtigen.

Der Betze brennt: Der FCK scheint da ganz bewusst Distanz zu halten...

Keßler: Ich denke, die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Wir hätten den Nachlass gerne gemeinsam mit Harald Layenberger präsentiert, haben trotz einer anfänglich gemeinsamen Planung letztendlich in dieser Sache aber keinen Konsens gefunden. Das ändert aber nichts daran, dass wir Harald Layenberger sehr dankbar sind, dass er den Nachlass Fritz Walters in Gänze erhalten hat. Und die Exponate sind der Öffentlichkeit nun zugänglich, das ist doch die Hauptsache.

Der Betze brennt: Die Vorgeschichte liegt ja schon länger zurück, aber Ihnen als Vorsitzender des Fördervereins der Fritz-Walter-Stiftung muss deswegen doch immer noch das Herz bluten: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass der Nachlass Fritz Walters zur Versteigerung anstand?

Keßler: Ich persönlich habe von dieser Versteigerung erst erfahren, als sie bereits terminiert war. Ich wusste lediglich, dass die bisherigen Eigentümer geplant hatten, sich von dem Nachlass zu trennen. Der Fritz-Walter-Stiftung ist es laut Satzung nicht möglich, Investitionen dieser Art zu tätigen, also konnten wir uns da nicht einbringen. Meine Amtsvorgänger beim FCK haben, soweit ich weiß, Gespräche bezüglich eines Erwerbs geführt, sind aber an unterschiedlichen Bewertungen gescheitert. Die wirtschaftliche Situation des FCK war bekanntlich auch da schon sehr angespannt.

"Immer alle mitnehmen zu können, ist leider eine Illusion"

Der Betze brennt: Dafür gab es Sponsoren, die bereit waren zu helfen. Parallel zu Harald Layenberger wollte auch eine Gruppe um Dieter Buchholz Mittel bereitstellen, um den Nachlass vor der Versteigerung zu bewahren. Zu einer gemeinsamen Aktion fand man aber nicht zusammen. Das ist schon seit Jahren beim FCK festzustellen: Funktionäre und Sponsoren, die den FCK schon seit Jahren mit Herzblut und Geld unterstützen, sind sich untereinander nicht grün, wo die Liebe zum Verein eigentlich doch alle einen müsste. Warum kann man sie nicht dazu bringen, wenigstens an einem Strang zu ziehen, solange es um den FCK geht?

Keßler: Wir versuchen es ja. Aber zu glauben, immer alle mitnehmen zu können, ist leider nicht mehr als eine Illusion. Das ist aber in anderen Vereinen, Unternehmen oder Familien auch nicht anders. Als Vereinsverantwortlicher kannst du immer nur versuchen, den größten gemeinsamen Nenner als Kompromiss anzustreben. Wenn ich in der jüngsten Vergangenheit alle Entscheidungen hätte allein treffen können, wären einige anders gefallen, das sage ich frei heraus. Interne kontroverse Diskussionen in Gremien sind immer förderlich, denn es ist vollkommen notwendig und richtig, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. In einem demokratischen Prozess gilt es, bei Beschlüssen die Mehrheiten anzuerkennen und gemeinsam mitzutragen.

Morgen im zweiten Teil des großen DBB-Interviews: Rainer Keßler über die Rücktritte im FCK-Aufsichtsrat, den bevorstehenden Abschluss des Insolvenzverfahrens, die Zukunftsfinanzierung durch Investoren - und was er Fritz Walter zur aktuellen Situation des FCK sagen würde.

(Das Interview führten Thomas Hilmes und Eric Scherer.)

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Redaktion

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "... nur dann hat der FCK eine Zukunft" (Der Betze brennt)

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