Kummt Senf druff

Zum Teufel mit dieser Angst!

Zum Teufel mit dieser Angst!


"Die Stimmung beim 1. FC Kaiserslautern kippt", heißt es in einer aktuellen Schlagzeile. Für DBB-Autor Marky gehört genau das aber zum System FCK. Warum er froh ist, dass das Pendel wieder schwingt.

"Und wir sollten uns auch nichts vormachen: Auf Misserfolge werden wir genauso emotional und extrem reagieren. Den Moment verteufeln. Es liegt in unserem Blut. Wir können gar nicht anders. So sind wir und es ist gut, wie wir sind."

Mit diesen Zeilen schloss ich meine jüngste DBB-Kolumne. Die erste Niederlage des 1. FC Kaiserslautern kam schnell. Und zugegeben, das oben Niedergeschriebene half mir zunächst wenig.

Ich hielt mich noch eine gute halbe Stunde nach Abpfiff im Block auf. Suchte in den Stufen und Geländern nach Halt, wollte etwas begreifen. Schon der Ausgleich von Preußen Münster hatte mich aus meinem FCK-Flow gerissen. Der harmonische Fluss verwandelte sich in Stromschnellen. Beim 1:2 stürzte ich schließlich den Wasserfall hinunter. Und fand in der tosenden Gischt keinen Boden.

Im DBB-Forum schrieb einer von einer völlig übertriebenen Stimmung im Stadion - nach der Führung durch Kevin Kraus. In der Tat erreichte die neue Euphorie um den FCK ihren Höhepunkt. Die Spieler wurden geherzt, jede Ballberührung beklatscht, jeder Zweikampf gefeiert. Der Betze wurde mit Liebe geflutet.

Keinen hielt es mehr auf den Sitzen. Es hätte nicht verwundert, wenn sich Gerry Ehrmann ein Torwarttrikot übergestriffen und mitgespielt hätte - ohne Handschuhe. Der Betze brannte nicht nur, er kochte. Und Gerry maßregelte den Münster-Spieler beim Einwurf. Musste auf die Tribüne, lief aufreizend nahe an der gegnerischen Bank vorbei. Ich dachte erst, unser Tarzan hebt das ganze Ding von hinten aus den Angeln und schmeißt es um... Was waren das für Minuten!

Ohne Schutzweste ließen wir uns treiben. Guckten nicht zurück und nicht nach vorne. Unsere Hölle war unser Himmel. Den Eisberg blendeten wir aus.

Man müsse das Spiel schnell abhaken und nach vorne gucken, schließlich stehe die nächste Aufgabe in Halle in weniger als vier Tagen an, sagte Trainer Michael Frontzeck, nachdem das FCK-Traumschiff gesunken war. Doch seine Spieler schafften es nicht, in der kurzen Zeit aus ihren nassen und schweren Klamotten zu kommen.

Der Betze brennt beschrieb den Auftritt von Dick und Co. in Sachsen-Anhalt noch gnädig mit "planlos"und "ideenlos". Für andere sah das wie ein Kollaps aus, ein kollektiver Schwächeanfall der Roten Teufel. Das war kein Auftritt, der mit den gängigen Methoden zu messen ist. Die 1:0-Halbzeitführung von Halle spiegelte in keiner Weise die Kräfteverhältnisse nieder, sie war ein Hohn. Wahrscheinlich erschraken die HFCler selbst über den Zustand des Gegners.

Die rot-weiß-rote Schiffschaukel

Wenn man den Puls des FCK fühlen will, muss man das Forum von Der Betze brennt besuchen: Es tut beim Lesen weh, es tut beim Schreiben weh. Es ist extrem, was dort derzeit steht. Ein fußballverrückter Arbeitskollege, der in seiner Freizeit schwarz-gelb trägt, sagte zur mir, ihr überdreht mal wieder völlig. Ihr spinnt.

Dass unsere rot-weiß-rote Schiffschaukel rasant Fahrt aufnehmen kann, wissen wir spätestens nach der irrwitzigen Deutschen Meisterschaft 1998 und nach dem Abstieg 2012. Die gute Nachricht ist: Das Pendel schwingt wieder. Lange hatte es sich überhaupt nicht mehr bewegt. Wir sollten alles dafür tun, dass es nicht wieder still steht. Noch besser: Dass es sich einpendelt.

User SL7:4 schreibt auf DBB im Vorfeld des Hoffenheim-Pokalspiels: "Schlimm für mich ist, dass mir das mittlerweile fast egal ist! (...) Ich, emotionslos, der immer mitgefiebert hat, bis zur gesundheitlichen Schmerzgrenze! Das macht mir am meisten Angst - und schockiert mich noch mehr, als das Spiel in Halle!"

An ihn stellvertretendend für uns alle: Lasst uns nicht wieder in unsere Schneckenhäuser zurück kriechen. Das ist kein (Fan-)Leben. Es war schmerzlich genug, die Türen aufzureißen. Wir können nicht noch einmal verstecken, was wir sind und was uns ausmacht.

Nein, der Verein - und damit meine ich Spieler und Verantwortliche - muss das aushalten, mit den besonderen Begebenheiten umgehen (lernen). Alle müssen es als Teil des Ganzen akzeptieren und sich darauf einstellen.

1991 ist unsere Welt nach dem 2:3 gegen Mönchengladbach zusammengebrochen. (Gott sei dank gab es damals noch kein Internet). Eine Woche später sind wir mit 40.000 nach Müngersdorf gefahren und gewannen 6:2. Wir spinnen? Ja, das tun wir!

Bälle flach halten? Nicht unser Ding!

Michael Frontzeck versuchte sich nach dem wie eine Meisterschaft gefeierten 1:0 gegen 1860 München als Schiffschaukelbremse. Was durchaus nachvollziehbar war. Der späte und umkämpfte Dreier sei ihm lieber als ein hoher Sieg. Doch dieser Betze-Ball war nicht mehr flach zu halten: Mit knapp 7.000 ging es nach Großaspach, fast 6.000 Tageskarten wurden an einem tropischen Dienstag gegen die Preußen verkauft.

Dass die Mannschaft das nicht kalt lässt, geschenkt. Aber es darf nicht soweit kommen, dass unser Sternberg sagt, man habe in Halle Angst gehabt, Fußball zu spielen.

Ihr Spieler seid auch gegen Münster wieder an die Grenzen gegangen. Der Ausfall von Hainault war bitter und vielleicht auch spielentscheidend - zumindest der zweite Freistoß wäre mit ihm nie und nimmer entstanden. Ihr habt euch nach holprigem Beginn in die Partie hinein gekämpft. Gegen einen Gegner, der verdammt geil war auf dieses Spiel und dieses Stadion. Nach dem 1:0 hat euch die Ruhe und Routine gefehlt, um den Sack zuzumachen. Irgendwie verständlich bei eurem Alter und diesem Theater um euch rum. Den Preußen haben die Hektik und die vielen Unterbrechungen eher in die Karten gespielt, sie konnten ihre leeren Tanks auffüllen. Dann dieser Harakiri-Querpass von Fechner, dem Fechner, der (in allen drei Partien) zuvor so viel gesprintet ist, dass es fast schon an Körperverletzung grenzte. Auch Sternberg war weit über sein Limit hinaus - davon zeugte nicht nur sein Querschläger kurz vor Schluss. Die fehlende (Gedanken-)Schnelligkeit war auch nach dem ersten Freistoß von Kobylanski zu sehen. Münster brachte vor der 70. Minute drei frische Spieler - sicher kein schlechter Schachzug. Und trotzdem waren wir nah dran am Last-Minute-Sieg, wie gegen die Löwen. Der Freistoß von Dick war genial, Florian Pick fehlten Zentimeter, dazu dreht der Torwart den Ball tollkühn um den Pfosten. Das schafft er bei 10 Versuchen auch nur einmal. Genauso wie der Scharfschütze Kobylanski, der an diesem Abend wohl besser zielte als Cristiano Ronaldo.

So früh die erste Heimniederlage! Trotz dieses Rückhalts von den Rängen! Wieder nur ein Tor gemacht! Wieder gemerkt, wie viel Aufwand man für einen Sieg betreiben muss! Dann sofort die Wiedergutmachung gegen Halle versprochen: Auswärtssieg! Mit müden Beinen und leerem Kopf. So in etwa muss es bei der Mannschaft abgelaufen sein. Was rauskam, ist bekannt.

Beim Sport geht es ums Gewinnen

Unser Vorstand Martin Bader hat was Schlaues gesagt - in "Flutlicht" nach dem 1860-Spiel. Dabei ging es um die (auch selbsternannte) Favoritenrolle des FCK in der Liga. Bader führte nicht die große Tradition, die Erfolge von früher oder das Stadion an.

Sagte nicht, dass der Verein mindestens in die zweite Liga gehöre. Nein, er erklärte sinngemäß, dass sie ja alle Sportler seien und Sportler immer gewinnen wollten.

Das ist der Schlüssel. Die Spieler müssen nix wiedergutmachen, nichts tun, das Fritz Walter zur Ehre gereicht. Sie müssen nicht in Interviews sagen, wie toll es ist, für so einen großen Klub zu spielen. Sie müssen sich allein darauf konzentrieren, Sportler zu sein.

Und wir? Ich kann jeden verstehen, der gegen Hoffenheim und den KSC noch kein Ticket gekauft hat. Aber egal, was wir jetzt versprechen, ankündigen oder drohen. Das Licht in uns ist wieder angegangen. Und eine Heimniederlage, die auch das Halle-Spiel mitgeprägt hat, reicht nicht aus, um es zu löschen. Es tut doch nur deshalb so weh, weil es zuvor so viel Spaß gemacht hat, wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Lasst uns also weiter unseren Berg hinaufströmen. Lasst uns weiter unser Herz ausschütten. Zum Teufel mit dieser sch... Angst!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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