Welch eine Geschichte: Formtief, Suspendierung, Comeback, Matchwinner. FCK-Stürmer Osayamen Osawe versöhnt sich nach seinem Paris-Ausflug mit Fans und Trainer und sorgt gegen Bochum fast im Alleingang für den so wichtigen Heimsieg.
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„Alle, alle, alle nach Paris“, skandierten die Fans des 1. FC Kaiserslautern nach dem Abpfiff und huldigten damit ihrem Helden des Tages: Osayamen Osawe, der vor zwei Wochen blau gemacht hatte und statt Training lieber in Paris feierte. Nach dem Auftauchen von Fotos in Sozialen Netzwerken war er daraufhin suspendiert worden. An diesem Montagabend hatte er nun sein Comeback gegeben und mit drei Toren fast alleine für den 3:0-Heimsieg gegen den VfL Bochum gesorgt.
Nur noch (offiziell) 18.056 Zuschauer machten sich am ungeliebten Montagstermin und bei strömendem Regen auf den Weg ins Fritz-Walter-Stadion. Und die Vorfreude war bei den allermeisten nicht gerade hoch. Wer sollte angesichts der Verletztenmisere und der bisher gezeigten Leistungen für ein Erfolgserlebnis sorgen? Die Antwort: Osawe, Osawe, Osawe.
Der Osayamen-Osawe-Spielfilm im Schnelldurchlauf:
Vor dem Spiel: Osayamen Osawe hat die Rückennummer 35 und wird deshalb meist als letzter Spieler in der Mannschaftsaufstellung durchgesagt. Diesmal gab es zum Abschluss vereinzelte, aber deutlich hörbare Pfiffe. Auch Tayfun Korkut hatte seinem Sturmtalent nach dessen Paris-Eskapade eindringlich ins Gewissen geredet. „Er ist in der Bringschuld“, ließ der FCK-Trainer die Öffentlichkeit wissen, und zu dem jungen Engländer persönlich sagte er vor dem Spiel: „Pay back – it's time!“
32. Minute: Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein ausgeglichenes Spiel. Der FCK hatte seine Chancen, aber auch Bochum hätte bereits in Führung liegen können (Abseitstor durch Felix Bastians, „Hundertprozentige“ durch Johannes Wurtz). Doch dann kam der hellwache Osawe: Zuerst auf einen Fehler von VfL-Abwehrspieler Pawel Dawidowicz gelauert und diesen ausgenutzt, dann körperlich stark an der Seite entlang durchgesetzt, nach innen gezogen und aus spitzem Winkel Keeper Manuel Riemann vernascht. 1:0 für den FCK! Und endlich ist es mal die gegnerische Abwehr und nicht die eigene, die bei einem Gegentor blöd aus der Wäsche guckt. Die spärlich besetzte Südtribüne – aufgrund verbilligter Tickets ist zumindest der mittlere, untere Bereich gut gefüllt – steht auf und feiert mit der Westkurve die Führung.
57. Minute: Einwurf Naser Aliji, Lukas Görtler fällt hin und rappelt sich in Bruno-Labbadia-Manier wieder auf, seinen Pass verwertet Marcel Gaus zur Flanke auf – natürlich: Osayamen Osawe. Der Lautrer „Eiffelturm“ schraubt sich im Fünfmeterraum nach oben und nickt den Ball mühelos zum 2:0 für den FCK ein. Party on!
75. Minute: Das Spiel scheint entschieden, auch wenn die Bochumer noch nicht ganz aufgegeben haben. Aber beim FCK klappt jetzt fast alles: Aliji schlägt den Ball zum Konter hoch und weit nach vorne, findet Osawe, der sich erneut bärenstark gegen Bastians durchsetzt und den anschließenden Sololauf mit seinem dritten Tor krönt. 3:0! Die Westkurve dreht auf. Wenig Punkte? Schlechtes Wetter? Miese Zuschauerzahl? Scheißegal! Und was singen die Fans da gerade? „Paris, Paris, wir fahren nach Paris!“
90. Minute: Tayfun Korkut wechselt den Mann des Tages aus und Osayamen Osawe erhält seinen verdienten Applaus. Die Pfiffe von vor dem Spiel sind längst vergessen – der Gescholtene hat die erhoffte positive Reaktion gezeigt. Weitere schöne Kleinigkeit: U19-Torjäger Nicklas Shipnoski wird wenige Minuten zuvor eingewechselt und darf erstmals Zweitliga-Luft schnuppern.
Nach dem Spiel: Man muss die Siege feiern, wie sie fallen. Auch wenn viele Plätze im Fritz-Walter-Stadion leer geblieben sind, freut sich der verbliebene harte Kern umso mehr – und die Mannschaft ebenso. Die Mitspieler schubsen den verlegen dreinblickenden „Jamen“ Osawe mehrmals nach vorne und die Party findet langsam ihren Abschluss: „Alle nach Paris, alle nach Paris...“
Für den FCK bedeutet der Sieg gegen Bochum vor allem Entlastung im Abstiegskampf – nicht mehr und nicht weniger. Schon am kommenden Samstag in Fürth (13:00 Uhr, Stadion am Laubenweg) gilt es nachzulegen. Aber für den Moment einfach mal durchatmen zu können, tut nach den schwierigen letzten Wochen auch schon gut.
Und Osawe? Der musste sich nicht nur vom Trainer und den Fans viel Kritik anhören, sondern wurde von der Springer-Presse gar als womöglich „dümmster Fußballprofi Deutschlands“ tituliert. Nun hat der Engländer auf dem Platz die richtige Antwort gegeben und sagte nach dem Spiel: „Das war einer meiner besten Abende in meiner Karriere.“ Für die Roten Teufel war es der erste Hattrick in einem Pflichtspiel seit Srdjan Lakic (im Pokal gegen Bielefeld) und Sidney Sam (in der Liga gegen Aachen), beide im erfolgreichen Jahr 2010. Von Trainer Korkut wurde der neueste Dreifach-Torschütze in der Lautrer Vereinsgeschichte jedoch (zu Recht) gleich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn es war ja nur ein Spiel, dem noch viele weitere folgen werden. Aber trotzdem: Osayamen Osawe hat sich die Siegeszigarre nach diesem Spiel redlich verdient – wenn's sein muss auch in Paris.
Meine Teufel des Tages: Ist ja klar, dass hier in erster Linie Osayamen Osawe hervorgehoben werden muss. Aber auch andere verdienen sich ein Sonderlob: Lukas Görtler, der niemals aufgebende Vorbereiter und Kämpfer vor dem Herrn. Tayfun Korkut, der zwar wie ein begossener Pudel da stand, aber diesmal nur wegen dem Wetter und nicht wegen des Spiels. Und natürlich die Fans: Abzüglich der zuhause gebliebenen Dauerkarteninhaber waren es vielleicht 14.000 Unentwegte, die sich mit oder ohne Hoffnung den Betzenberg hochquälten. Keiner von ihnen wird sein Kommen bereut haben.
Was sonst noch auffiel: In der 20. Minute wurde in der Westkurve ein Spruchband präsentiert: „(Un)Ehrenrat = Doppelmoral – JHV 2014 vergessen?“ Die Ultras vom Pfalz Inferno spielten damit auf eine aktuelle Stellungnahme des Ehrenrates an, der im Begleitheft zur bald anstehenden Mitgliederversammlung das Diskussionsniveau auf der JHV 2015 geißelte, sein eigenes diffamierendes und letztendlich vereinsschädigendes Verhalten von der JHV 2014 hingegen außer Acht ließ. Ein ausführliches Statement dazu hat das PI aus seiner Homepage veröffentlicht: Der (Un)ehrenrat – Dement oder doch nur Defizit an Durchblick?
Spruchband in der Westkurve: „(Un)Ehrenrat = Doppelmoral – JHV 2014 vergessen?“
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas