Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern – Darmstadt 98 0:0

November Rain

November Rain


Mit großer Vorfreude und dem Einsatz von Wunderkerzen hatte der Anhang des 1. FC Kaiserslautern dem Flutlicht-Freitagsspiel gegen Darmstadt 98 entgegengefiebert. Am Ende war allerdings nur den Hessen zum Feiern zumute. DBB-Autor Marky analysiert, was das 0:0 bedeutet - auch für die kommenden Wochen.

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'Cause nothing lasts forever
And we both know hearts can change
And it's hard to hold a candle
In the cold November rain

„Es ist wieder November“: Mit diesem kurzen Satz hat ein Augenzeuge des 0:0 des 1. FC Kaiserslautern gegen den SV Darmstadt 98 die Gemütslage am Betzenberg treffend auf den Punkt gebracht. Wenn draußen die Blätter fallen und die Luft eisiger und klarer wird, dann ist es meist auch mit der Herrlichkeit der Lautrer vorbei.

Nach dem wonnigen 2:0 gegen den KSC konnten sich die Roten Teufel an keinem Zweitligasieg mehr erwärmen. Fünf Unentschieden stehen seitdem im Spielplan. Alles gegen Mannschaften aus der höheren Tabellenregion. Sonnigere Gemüter sagen: Wir haben als erklärter Nicht-Favorit keines der Kräftemessen gegen die vermeintlichen Topteams verloren. Herbstlichere Naturen entgegnen: Der FCK hat keines der sogenannten Sechs-Punkte-Spiele für sich entschieden.

„Diejenigen, die ihre Schlüsselspiele erfolgreich gestalten, werden oben stehen“, erklärte Vereinsboss Stefan Kuntz jüngst im Interview mit der „Rheinpfalz“. Das erste Spiel gegen 1860 München war so eines. Zehn Männer in Rot machten aus einem 0:2 ein 3:2. Angetrieben von einem Publikum, das sich die Angst vor einer schweren Saison aus dem Leib schrie. Der Sieg war richtungsweisend, beflügelte alle. Auch der überragende Auftritt gegen Karlsruhe war eine Schlüsselpartie. Der FCK hatte zuvor in Nürnberg 3:2 verloren und eine richtig miese erste Halbzeit gespielt - die erste der Saison. Einschneidende Wirkung hatte dann aber auch das Duell mit Düsseldorf, bei dem Alex Ring sich schwer verletzte, der Schlüsselspieler und Taktgeber der ersten, erfolgreichen Phase. Auch nach dem 2:2 gegen Bochum merkten erfahrene Betzegänger, dass man an jenem Freitagabend mehr als nur zwei Punkte liegen ließ.

So musste Kaiserslautern nun das Duell mit dem besser platzierten Aufsteiger aus Darmstadt gewinnen - um den Abstand zu den Bonus-Rängen nicht zu groß werden zu lassen. Doch schon bei der Seitenwahl vor dem Anpfiff wurde klar, welche Richtung das Spiel nehmen sollte. Lilien-Kapitän Aytac Sulu gewann das Glücksspiel und entschied sich dafür, die Roten Teufel zuerst auf die Westkurve spielen zu lassen. Darmstadt hatte nicht vor, den Betze mit breiter Brust und im Sturm zu erobern. Obwohl man gut 5.000 euphorisierte Fans im Rücken hatte, die das Kräftemessen mit dem FCK-Anhang dankbar und lautstark annahmen.

Lautern-Trainer Kosta Runjaic setzte wieder auf die Bochum-Startelf - und stärkte damit auch den zuletzt kritisierten Tobias Sippel und Srdjan Lakic den Rücken. Das Saison-System 4-2-3-1 traf auf ein 5-4-1 von Darmstadt. Die Hessen standen so tief, wie noch kein Gegner des FCK in dieser Saison. Es wurde gemauert und gebollwerkt. Dies aber mit höchst beeindruckendem Geschick und bedingungslosem Einsatz. „Wir haben mit unserer Kampfkraft und unserer Aggressivität dagegengehalten und hatten uns von Anfang an vorgenommen, früh zu stören. Der FCK hat das aber gut gelöst und konnte auch ein, zwei Passsituationen in die Spitze kreieren, so dass wir uns entschieden haben, defensiver zu stehen“, umschrieb Trainer und Ex-Knallhartverteidiger Dirk Schuster die Maurer-Taktik.

Mit den ein, zwei Lautrer “Passsituationen in die Spitze“ untertreibt er nicht. Mehr bringt die Offensive, besser das Offensivchen, in den ersten 45 Minuten nicht zu Stande. Ruben Jenssen ist dabei der Initiator. Aus seiner flachen, passgerechten Hereingabe macht der völlig verwaist stehende Karim Matmour Ungewöhnliches. Der Ball geht nicht aufs Tor, auch nicht darüber oder daneben, sondern einfach nur senkrecht in die Höhe. Man könnte es auf den Platz schieben, dem der Regen stark zugesetzt hatte. Oder eben auf Matmours Torjägerqualitäten.

Einmal hat der französisch-algerische Ballkünstler in dieser Saison für seinen Verein getroffen. Genauso oft wie jeweils die Kollegen Kevin Stöger und Amin Younes, die mit Matmour die Dreier-Offenisvkette hinter Stürmer Lakic bildeten. Und man muss nicht unbedingt erwarten, dass sich bis Saisonende bahnbrechendes an dieser Statistik verändert. Stöger und Younes gelang gegen Darmstadt nicht mal die Schönspielerei. Den Zug zum Tor verpassen beide derzeit. Und überhaupt, manchmal scheint es am Betze so, dass nicht Kosta Runjaic in der Coaching-Zone steht sondern Pep Guardiola. Der zum Wüterich wird, wenn aus 16 Metern aufs Tor geschossen wird. Das wäre zu gewöhnlich und zu einfach. Einer, der das bei Lautern zuletzt erfolgreich gemacht hat, ist (der bis Jahresende verletzte) Marcel Gaus. So einen Schuss, wie sein 2:0 gegen den KSC, sah man vom FCK gegen Darmstadt in 90 Minuten nicht.

Und das macht nicht nur Freunde von Martin Wagner und Miro Kadlec traurig. Es kühlt auch die Stimmung ab, die vor den insgesamt 36.000 anfangs mit fleißigem Einsatz von Wunderkerzen – trotz sehr strengen Ordnungsdienstes – viel versprechend war. Vorsänger Kempf war wieder auf seinem Posten. Aber nicht die Westkurve, die sich diesmal sogar der gut aufgelegten Südtribüne geschlagen geben musste. Dort wurde auf jede Spielsituation und jeden Pfiff von Frau Steinhaus hoch emotional reagiert. In der Schlussphase standen alle. Wie zu besseren FCK-Zeiten. Runjaic hatte spät Sebastian Jacob neben Philipp Hofmann gestellt und auf 4-4-2 umgeschaltet. Doch Darmstadt agierte hinten fehlerlos. Nur ein einziges Mal brauchte man in der zweiten Halbzeit Glück, als Younes den Torhüter umdribbelt hatte und aus gar nicht mal so spitzem Winkel das Außennetz traf. Defensive und Standards, damit hat Darmstadt jetzt 24 Punkte eingesammelt.

Mit dem Einmaleins des Fußball kann man es in der Zweiten Liga also weit bringen. Auch der verdiente Ligaprimus Ingolstadt besticht durch kompromissloses Verteidigen und geradliniges, gieriges Angriffsspiel. Dazu sind die Freistöße von Pascal Groß halbe Tore. Beim FCK freut sich bei Standards derzeit nur der Torwart oder der Balljunge. „Wir haben in der Liga nachweislich den meisten Ballbesitz, die beste Passqualität, die meisten Torschüsse, die meisten Großchancen. Und wir sind das zweikampfstärkste Team“, unterstrich Runjaic in dieser Woche im „Kicker“. Diese Statistiken scheinen ihm - weil er sie so oft wiederholt - wichtig zu sein. Doch sie sind nur die halbe Wahrheit. Auch gestern gewann der FCK die Partie wieder auf dem Papier: Die jüngere Mannschaft hatte mehr Torschüsse, lief mehr (118 km vs. 117 km), hatte mächtig viel Ballbesitz (65% vs. 35% bei den Lilien), die Pässe kamen zu 80% an und auch bei den Zweikämpfen gewann man (56% zu 45%).

Runjaics Rechenspiele wurden in dieser Saison schon oft durch die haarsträubende Abschlussschwäche und Abwehraussetzer verdorben. Also individuelle Fehler. Defensiv hielten sich seine Mannen an diesem Wochenende schadlos. Dominique Heintz und Willi Orban bei der Arbeit zuzusehen, macht Spaß. Auch Michael Schulze, der anfangs mit Darmstadts flinkem Marcel Heller so seine Probleme hatte, steigerte sich in der zweiten Halbzeit, in der er Lauterns Bester war. Sippel blieb fehlerlos, riskierte bei einem Heller-Vorstoß alles. Nach Geschmack ängstlicherer Gemüter zu viel.

Was bedeutet das 0:0 - auch für die kommenden Wochen? Die Mannschaft hat sich wieder reingehauen. Sie hält zusammen und gibt sich nicht geschlagen. Es fällt schwer, sich nicht mit ihr zu identifizieren. Darauf können Fans und Trainer bauen. In der Zweiten Liga zählt der Moment. Man muss da sein. Jedes Spiel. Sonst gewinnt der 18. beim Ersten. Prognosen kann man in die Tonne kloppen. Für diese besondere Herausforderung scheint die aktuelle FCK-Elf besser gewappnet als der löchrige Verbund um die Idrissous und Bunjakus. Auch die Fans müssen sich darauf einlassen, die folgenden Heimspiele gegen Aue und Sandhausen annehmen und die Nerven behalten. Und ebenso Runjaic muss sich für die ausstehenden fünf Begegnungen im Kalenderjahr 2014 was einfallen lassen, um das Offensiv-Problem zu lösen. Kritikfähig zeigte er sich, sprach nach der Nullnummer gegen Darmstadt vom schlechtesten Heimspiel der Saison. So besteht Hoffnung, dass der November nicht wieder zum Wendepunkt wird. Oder mit Axl Rose:

So never mind the darkness
We still can find a way
'Cause nothing lasts forever
Even cold November rain

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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