Spielbericht: Bayern München - 1. FC Kaiserslautern 5:1

Europa vertagt, Sehnsucht verstärkt

Europa vertagt, Sehnsucht verstärkt


Das Abenteuer DFB-Pokal ist beim 1. FC Kaiserslautern für diese Saison beendet, der Traum vom Europacup um mindestens ein Jahr verschoben. Warum das Halbfinale gegen Bayern München trotzdem für alle mitgereisten FCK-Fans ein Erlebnis war, weiß DBB-Autor Toco.

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Man muss in der U-Bahn schon fast Mitleid haben, wenn man sich die Mitreisenden anschaut. Wieder einmal zieht der FC Bayern München in das Finale um den DFB-Pokal ein. Pflichtaufgabe erfüllt. Einem von zwei übrig gebliebenen Zielen einen Schritt näher. Schaut man den Fans des Rekordsiegers ins Gesicht sieht man Leere. Das 5:1 im Halbfinale wird mit gähnender Langeweile quittiert. Schnell nach Hause. Ab ins Bett. Am Morgen rufen Arbeit und Alltag. Nächste Woche geht es nach Madrid. Währenddessen kesselt die Polizei hinter den Gästeblöcken zahlreiche Anhänger der Roten Teufel ein und holt sich in robusten Aktionen ausgesuchte Personen aus der Gruppe. Das Spiel auf dem Platz bleibt nicht das einzige Duell des Tages. Am Ende des Tages bilanziert die Polizei insgesamt 47 Festnahmen aus beiden Fankurven.

Einige Stunden zuvor sammeln sich die Anhänger des 1. FC Kaiserslautern am Viktualienmarkt. Wer bis dahin noch nicht den eigens zum Spiel angefertigten Fan-Schal erwarb, holt es hier nach und das lokale Bier findet ebenfalls reißenden Absatz. Doch auch ohne Alkohol kribbelt es bei den Menschen in Rot. Ein Hauch von Europa weht über den Platz und weckt die Sehnsucht der reisefreudigen Pfälzer. Der weiß-blaue Himmel versteckt sich hinter dezentem grau. Die Stimmung steigt von Stunde zu Stunde und lockt auch Zaungäste an. Viele Münchner freilich. Einige in weiß-blau setzen oder stellen sich dazu, andere in mit Sternen verzierte Robben- oder Schweinsteiger-Trikots trinken mit. Weitere tragen Grün und stehen leicht Abseits, andere stehen in schwarz daneben und erinnern eher an Robocop. Bis zu 1.000 Lautrer warten auf den Anstoß.

Schon hier gibt es erste Festnahmen. Dem Vernehmen nach konnte der Einsatzleiter den Mittelfinger an einer zum Gruß erhobenen Hand zweifelsfrei identifizieren und die Geste in seine Richtung interpretieren. Vorbei war es mit der Unbeschwertheit. Dennoch werden weitere Gläser geleert. Der kollektiv geplante Weg zum Stadion fällt dann allerdings recht chaotisch aus, zusätzlich erschwert von Einsatzkräften. Warten vor der U-Bahn, warten am Gleis, warten auf dem Weg zum Stadion. Stets in Reichweite: Kameras und Menschen in Rüstung. Das Gummiboot in Fröttmaning schimmert im Tageslicht noch weiß-blau.

Der Gästeblock ist schnell mit Zaunfahnen bestückt. 8.000 FCK-Fans hatten das Kontingent innerhalb von Stunden aufgekauft und halten sitzend oder stehend die Stellung. Weil Weck und Woi/Bier im Block verboten sind, sind beide Hände frei um zu Klatschen, wenn man nicht gerade Fotos macht oder Videos aufnimmt. Gegenüber stehen die Heimfans kompakt im Stehbereich, drumherum schließen sich die Lücken nur sehr zäh.

Neben Mo Idrissou und Srdjan Lakic nimmt auch Markus Karl auf der Bank Platz. Für ihn spielt Alexander Ring. Kosta Runjaic setzt auf Simon Zoller als alleinige Spitze, zieht Willi Orban ins Mittelfeld und lässt Marc Torrejon und Dominique Heintz in der Innenverteidigung für das kommende Spiel gegen Frankfurt proben. Ein Fingerzeig, dass der DFB-Pokal keine Entschuldigung für ausgelassene Chancen im Ligabetrieb sein soll. Einen anderen Fingerzeig bringt die erste Reihe im Oberrang zu Spielbeginn. Die Arena – inzwischen außen rot erstrahlend – glüht auch im Gästeblock minutenlang im leuchtenden rot. 24 Minuten halten die Roten Teufel den Angriffen der Bayern stand, ehe Bastian Schweinsteiger die Heimelf in Führung schießt. Acht Minuten später erhöht Toni Kroos auf 2:0. Der Trend war der Feind, doch weder die Mannschaft, noch die Fans auf den Rängen geben klein bei. Bayern agiert phasenweise nervös, zwischen schlampigen Zuspielen und unpräzisen Angriffen öffnen sich tatsächlich Räume für die Roten Teufel. Doch die Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern steht dem Spiel des Gegners kaum nach. Bevor eine echte Konterchance entsteht, geht der Ball auch schon wieder verloren. Doch die Einstellung stimmt.

Bei den Fangesängen brechen sich erste Grüße in Richtung des Steuerhinterziehers Uli Hoeneß Bahn. In der zweiten Hälfte des Spiels kippen die Schmähgesänge auch ins Homophobe (Stichwort: Seife im Knast). Kein Glanzpunkt. Wer das als „typisch Betze“ oder als Brückenschlag zu „alten Zeiten“ versteht, muss sich fragen lassen, wo der typische Betze oder die alten Zeiten in den übrigen 86 Minuten geblieben sind. Der Auftritt der Lautrer auf den Rängen war gut, doch es war auch noch reichlich Platz nach oben. Die Münchner hat man trotzdem selten gehört. Mal bei einem der fünf Torjubel, verstärkt durch Soundfetzen überflüssiger Tormusik, einmal mit halbherzigen Pfiffen, als „Hoeneß in den Knast“ gefordert wurde. Der nun ehemalige Bayernpräsident forderte mal ein Gitter, um Schutz vor uns „wilden Tieren“ zu erhalten. Bald hat er sein Gitter.

In der 50. Minute pfeift Schiri Kinhöfer zum Elfmeter für München. Thomas Müller verwandelt und trotzdem fällt der FCK nicht auseinander. Diszipliniert wehrt sich die Elf aus Kaiserslautern und Simon Zoller netzt tatsächlich auch zum 1:3 aus Lautrer Sicht ein. 30 Minuten genügten schon einigen Nachfolgern Fritz Walters, um Spiele zu drehen. Diese Gewissheit herrscht im Block. Auch unsere Mannschaft hängt sich noch etwas mehr ins Zeug und versucht ein Tor nachzulegen. Doch das misslingt. Am Ende fällt die Partie mit 5:1 gefühlt zwei Tore zu hoch aus. Der DFB-Pokal endet an dieser Stelle für die Roten Teufel. Doch das andere Duell sorgt noch bis weit nach Mitternacht für Unruhe.

Es bleibt mit „Trotz der zweiten Liga - Deutscher Pokalsieger - 1996 - FCK“ nur ein unvollendeter, aber eingängiger Fangesang. Die im Vorbericht zitierten Seiten in den Geschichtsbüchern bleiben bis auf weiteres leer. Aber in dieser Saison gibt es auch so noch genug Geschichten zu Schreiben.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Toco

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