Interview mit Christian Hirsch (Fanprojekt Kaiserslautern)

„Eine stärkere Rolle für die Fans einnehmen“

„Eine stärkere Rolle für die Fans einnehmen“


Das Fanprojekt Kaiserslautern hat sich neu aufgestellt. Wir sprachen mit Christian Hirsch, langjähriger Mitarbeiter von „Der Betze brennt“ und nun in neuer Position beim Fanprojekt tätig, über seine ersten Eindrücke und Ziele.

Der Betze brennt: Hallo Christian und herzlichen Glückwunsch zu Deinem neuen Job als Mitarbeiter des Fanprojekts Kaiserslautern! Stell Dich doch bitte zunächst kurz vor.

Christian Hirsch (34): Meine Name ist Christian Hirsch, ich bin 34 Jahre alt und seit dem 1. Juli Mitarbeiter im Fanprojekt Kaiserslautern. Zusammen mit meinem Kollegen Stefan Michels bilden wir das neue Team des Fanprojekts. Geboren bin ich in Kaiserslautern und aufgewachsen in Bruchmühlbach. Nach dem Studium zum Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge (FH) in Saarbrücken habe ich seit 2006 als Streetworker mit Obdachlosen in Berlin gearbeitet.

Der Betze brennt: Ein „echter Pälzer“ also! Nach siebeneinhalb Jahren kehrst Du aus der Hauptstadt in die Heimat zurück - welche Verbindung hast Du zum FCK?

Hirsch: Mein erster Besuch auf dem Betzenberg Mitte der 1980er Jahre mit meinem Vater war ein Schlüsselerlebnis, das mich wie wohl so viele Kinder oder Jugendliche in der Region fürs Leben geprägt hat. Interessanterweise stand ich damals auf einem leeren Bierkasten und konnte somit erhöht das Spiel verfolgen. Glasflaschen im Stadion, heute unvorstellbar! Meine erste Dauerkarte bekam ich mit 14 Jahren in der Saison 1993/94 im Block 7, meinem Heimatblock in der alten Westkurve. Umgezogen bin ich dann nach der WM 2006, als es mit meinem Fanclub „Berliner Bagaasch“ in den neuen Block 8.2 ging.
Organisiert in der Fanszene bin ich so richtig erst seit 2006, als ich nach meinem Umzug die Bagaasch kennenlernte. Ich wohnte unweit des „Gun Clubs“, einer Kneipe im Prenzlauer Berg, wo sich der damalige Treffpunkt des Fanclubs befand. Diese Kneipe wurde in meinen Berliner Jahren mein zweites Wohnzimmer und die Geschichte nahm ihren Lauf. In der Bagaasch war ich von 2006 bis 2013 Vorstandsmitglied und hatte mit der Gruppe eine fantastische Zeit in Berlin!
Außerdem war ich ab 2006 Redakteur bei „Der Betze brennt“ (unter dem Pseudonym „connavar“; Anm. d. Red.). Die textliche Aufarbeitung der Spieltage und der fankulturellen Themen hatte mir sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, die Leser meiner Artikel konnten sich im Geschriebenen wiederfinden.
Außerhalb dieser Tätigkeiten faszinierte mich die Fankultur seit je her, aber auch die kritische Auseinandersetzung damit füllte mein aktives Fandasein aus. So brachte ich mich bei „In den Lauf...“ und beim Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) ein. Unter anderem mehrere Vorträge und Podiumsdiskussionen in ganz Deutschland zu Themen wie Repression, Bürgerrechte und Diskriminierungen im Fußball, etwa Antisemitismus, zählen zu meinem Erfahrungsschatz.

Der Betze brennt: Du verbindest jetzt also im wahrsten Sinne des Wortes Hobby und Beruf. Nicht alle Fans kennen sich mit dem Thema aus, daher erstmal eine grundlegende Frage: Was macht eigentlich ein Fanprojekt? Und wo liegt beispielsweise der Unterschied zur offiziellen Fanbetreuung des FCK?

Hirsch: Ein Fanprojekt ist eine sozialpädagogische Einrichtung und völlig unabhängig vom Verein. Unser Träger ist die AWO Südwest. Selbstverständlich arbeiten wir in bestimmten Bereichen mit dem Verein zusammen oder vermitteln, wenn jugendliche Fußballfans Probleme haben. Hier können wir eine stärkere Rolle für die Fans einnehmen. Trotzdem legen wir natürlich viel Wert auf eine positive, belastbare Beziehung zum FCK, da der Bezugsverein immer noch für einen Großteil unserer Zielgruppe den Lebensmittelpunkt darstellt.
Wir betreiben aufsuchende Soziale Arbeit an Orten, wo sich jugendliche Fußballfans treffen, etwa im Stadion, im Sonderzug oder in der Fankurve und anderen Treffpunkten. Wir wollen zu ihnen eine Beziehung aufbauen, um mögliche auftretende Problemlagen wie Elternhaus, Schule, Drogen oder Straffälligkeit gemeinsam zu lösen. Unsere Zielgruppe sind dabei Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 27 Jahren, wobei die Altersbeschränkung nicht entscheidend ist. Ebenso ist es egal, welcher Herkunft jemand ist und ob er in einem Fanclub organisiert ist oder nicht.
Außerdem wollen wir Freiräume für Fußballfans schaffen. Kritisch und konstruktiv mit ihnen arbeiten, in der Regel „pro Fans“ positioniert. Ebenso können Themen wie Sicherheit, Identifikation, aber auch die Sensibilisierung für Rassismus, Antisemitismus und Homophobie ein möglicher Arbeitsschwerpunkt des Fanprojekts sein.
Wir wollen ein gutes Netzwerk an Hilfen aufbauen, zum Beispiel mit der Jugendhilfe sowie mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) und der Koordinierungsstelle der Fanprojekt (KOS).

Der Betze brennt: Das Fanprojekt Kaiserslautern hatte in den letzten Monaten erhebliche finanzielle Probleme, die sogar fast zur Schließung geführt hätten. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Hirsch: In der letzten Sitzung des Fanprojektbeirats haben sämtliche Zuwendungsgeber ihre Bereitschaft signalisiert, weiterhin an der Seite des Fanprojekts zu stehen. Darüber sind wir sehr froh und können damit arbeiten. Nichtsdestotrotz ist insbesondere die Suche nach neuen Räumlichkeiten noch nicht beendet, weil die aktuellen Räume in der Pariser Straße für die Jugendarbeit nur eingeschränkt nutzbar und daher leider für Veranstaltungen und gruppenübergreifende Arbeit ungeeignet sind. Wir möchten einen Ort schaffen, an dem wir uns mit der Fankultur auseinandersetzen können, sei es kulturell oder politisch. Einen Ort der Vielfalt.

Der Betze brennt: Du und Stefan seid erst seit ein paar Tagen im Amt, also noch in der Einarbeitungsphase. Welche Aufgaben siehst Du - außer den Räumlichkeiten - für die ersten Monate als die wichtigsten an?

Hirsch: Neben der erwähnten Einzelfallhilfe oder Gruppenarbeit wollen wir ganz konkret an der Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit des Fanprojekts arbeiten. Dafür haben wir im ersten Schritt eine Facebook-Seite eingerichtet, auf der unser Werdegang verfolgt und Informationen bezogen werden können. Hier wollen wir Arbeitsinhalte vermitteln und transportieren.
Momentan sind wir außerdem in vielen Gesprächen mit Netwerkpartnern und Zuwendungsgebern, um uns zum einen vorzustellen und zum anderen weitere Schritte für die Zukunft zu planen.

Der Betze brennt: Womit wir schon beim nächsten Stichwort wären: Wie ist Euer erster "Außeneinsatz" am vergangenen Samstag beim Auswärtsspiel in Paderborn gelaufen? Was macht ihr da ganz konkret?

Hirsch: Der Spieltag ist für uns insgesamt sehr positiv verlaufen. Im Sonderzug konnten wir viele Kontakte knüpfen, Gespräche führen und Input aus der Fanszene einholen. Außerdem unterstützten wir die Fanbetreuung und das Helferteam im Sonderzug, die hier in der Organisation und Umsetzung einen tollen Job machen. In Paderborn angekommen war unsere erste Aufgabe die Vermittlung zwischen Polizei und den mitgereisten Stadionverbotlern, damit diese ohne Probleme in der Stadt eine Kneipe aufsuchen konnten, um das Spiel zu schauen. Außerdem beobachteten wir die Kontrollen am Bahnhof, ehe es am Stadion selbst sofort in das „Kurvengespräch“ mit den Polizei- und Sicherheitsvertretern sowie Fanbetreuung und der Kollegin vom Fanprojekt Paderborn ging, um die „Lage“ zu besprechen und eventuelle örtliche Probleme zu diskutieren. Während des Spiels waren wir im und um den Gästeblock unterwegs und konnten natürlich nebenbei auch den Spielverlauf verfolgen. In der Halbzeit fiel uns auf, dass ein FCK-Fan des Stadions verwiesen und somit eine Intervention unsererseits notwendig wurde. Nach erfolgreichen Vermittlungen war es ihm danach möglich, die zweite Halbzeit wieder im Kreise seiner Freunde zu verbringen. Der Rest des Spieles verlief ohne weitere Zwischenfälle. Kurz vor Antritt der Rückreise kam es dann am Bahnhof noch zu einem Missverständnis, welches ebenfalls schnell und stressfrei aufgeklärt werden konnte.
Die Heimreise gestaltete sich ähnlich wie die Hinfahrt: Gespräche suchen und die Fanbetreuung unterstützen. Alles in allem war es ein erfolgreicher Tag, der nicht nur mit drei Punkten gekrönt wurde, sondern auch dem Fanprojekt einen guten Saisonstart ermöglichte.

Der Betze brennt: Du warst sieben Jahre lang Mitarbeiter von „Der Betze brennt“ und hast mit uns zusammen turbulente FCK-Zeiten durchlebt. Wie blickst Du auf diese Zeit zurück und was möchtest Du unseren Lesern sozusagen „zum Abschied“ mit auf den Weg geben?

Hirsch: Mit „Der Betze brennt“ haben wir ein tolles Medium und eine Plattform, auf der sich die Fans nicht nur jeden Tag über den FCK informieren können, sondern sich auch vernetzen und selbst aktiv werden können. Toll dabei ist es, dass es von Fans für Fans gemacht ist. So erging es auch mir: Nachdem ich einige Artikel im damaligen Print-Fanzine „Weiß der Teufel“ geschrieben hatte, kam ich 2006 zu „Der Betze brennt“ und schrieb Artikel über die Spiele des FCK sowie über fankulturelle Themen. Entscheidend und wunderbar bei „Der Betze brennt“ ist immer die Sicht aus der Fankurve. Und die ist durchaus vielfältig und sollte weiterhin für dieses Online-Fanzine stehen, das somit ehrlich und einzigartig bleibt.
An dieser Stelle herzlichen Dank an alle DBB-Teamkollegen, denen ich weiterhin viel Erfolg wünsche, sowie an die vielen Leser. „Der Betze brennt“ ist denke ich in der Fanlandschaft des FCK unersetzbar geworden.

Der Betze brennt: Vielen Dank für das Gespräch!

Lieber Christian, wir wünschen Dir alles Gute und ein glückliches Händchen für Deine neue Arbeit! Wer Dich kennt, der weiß, dass Du dafür genau der Richtige bist und Deinen Traumjob gefunden hast. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sagen wir viel Erfolg für Deine Tätigkeit im Fanprojekt Kaiserslautern und Dankeschön für Deine teuflisch gute Mitarbeit an unserem Online-Magazin.

Hau rein!
Das Team von „Der Betze brennt“

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Weitere Links zum Thema:

- Das Fanprojekt Kaiserslautern im Porträt
- Fanprojekt Kaiserslautern auf Facebook

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