Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - SV Sandhausen 3:1

It's friday i'm in love

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Freitagabend, Flutlicht, Tor in der Nachspielzeit. Als Daniel Ischdonat vom SV Sandhausen der Westkurve den Scheibenwischer zeigte, da schien der Betze in ein Zeitloch zu fallen. Das 3:1 des FCK durch Enis Hajri war wie eine Erlösung, und es könnte helfen das „Mentalitäts-Problem“ zu lösen.

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Als der Torhüter des SV Sandhausen, Daniel Ischdonat, in der 72. Minute der Westkurve den Scheibenwischer machte, da schien der ganze Betze in ein Zeitloch zu fallen. Da waren sie wieder, die wilden, unbändigen Tribünen, den Gegner schier auffressen wollend. Dieses mächtige Wechselspiel von Liebe und Hass, gespeist vom Herz, nicht vom Verstand. Vor allem an Freitagabenden anzufinden unter Flutlicht - die Getriebenen steuernd wie Werwölfe, die der Mond anstrahlt. Von Minute zu Minute mit Emotionen aufladend, gnadenlos auf den großen Schlussakkord in der Nachspielzeit zusteuernd, der den Berg zum Platzen bringt. Für den Spieler geboren werden.

Als sich Enis Hajri, über dessen Transfer es so viel Kopfschütteln gab, in der Nachspielzeit ein Herz fasste und diesen sensationellen Schuss abfeuerte, da waren unsere Gedanken längst nicht mehr bei Sandhausen oder in der zweiten Liga, da dachten wir an die Hany Ramzys, an Schlussviertelstunden, an alles, was wir im vergangenen Jahr so unglaublich vermisst hatten. Anders sind weder der überschwängliche Torjubel noch die vielen glücklichen, verträumten Gesichter nach Spielschluss im Bauch der Tribünen, auf den Straßen und Pfaden oder auf der Lautrer Kerwe zu erklären.

Ja, dieses Spiel hatte was vom Frühjahr 2008, als der FCK unter Milan Sasic gegen Alemannia Aachen gewann und der Betze so etwas wie eine Wiedergeburt feierte. Eine Reanimation des Vereins und seiner Anhänger war gestern zwar nicht nötig, aber einen Heimsieg, der voller Inbrunst mit einem „Lautern ist der geilste Club der Welt“ gefeiert werden kann, hatte es weder in dieser noch in der letzten Saison gegeben. Eigentlich zum letzten Mal beim 2:0 gegen St. Pauli. 29. April 2011.

Erleichterung also bei den 27.526 Zuschauern, den Betzegeist wieder gespürt zu haben, aber auch bei der Mannschaft, die sich für die Siegesfeier mit den Tribünen viel Zeit nahm und jede Sekunde sichtlich genoss. Die mit-trommelte, mit-aufsprang („F-C-K“) und am Ende der Westkurve sogar per Diver zu Füßen lag. Leicht und befreit vom Druck.

FCK-Trainer Franco Foda hatte unter der Woche einen erstaunlichen Satz gesagt: „Qualität ist heutzutage nicht nur etwas mit dem Ball anfangen zu können, sondern auch mental unter Druck zu bestehen“. Das Entscheidende sei, so Fodas Philosophie, dass man eine Mentalität habe, dass man an seinem Spiel und dem, was man tun wolle, festhalte. Dies misslang dem FCK mehr als Foda lieb sein kann in dieser Saison. Nicht nur in Ingolstadt. Schon zum Auftakt gegen Union Berlin, als man ein 0:2 vor eigenem Publikum in ein 3:2 umwandelte, aber trotzdem nicht als Sieger vom Platz ging. Als man nicht bereit war, den letzten Schritt zu machen, den letzten Zweikampf zu suchen. Ein Schlüsselspiel für das erste Viertel der Saison.

Die für nichts anderes als den Aufstieg mit prominenten Namen bestückte FCK-Mannschaft vergleichbar mit einem hoch intelligenten Schüler, der nur das Notwendigste einsetzt, um über die Runden zu kommen? In ein ähnliches Horn stieß auch Vereinsboss Stefan Kuntz, der nach dem Ingolstadt-Spiel konsterniert auf der Tribüne kauerte: Es sei zu wenig, wenn nur vier, fünf Spieler konstant gute Form brächten. 95% würden nicht reichen, um in der Zweiten Liga dauerhaft vorne zu bleiben, so SK.

Auch gegen Sandhausen waren es nicht 100%, vielleicht nicht mal 95%. Trotz des frühen wuchtigen Kopfballtores durch Mo Idrissou nach Florian-Dick-Flanke (4.) gab es viele Unsicherheiten - im mit Ariel Borysiuk, Steven Zellner, Kostas Fortounis und Hendrick Zuck erneut jung besetzten Mittelfeld, aber auch in der Abwehr, in der der routinierte und bis dato so zuverlässige Primera-Division-Import Marc Torrejón mehrfach die Orientierung verlor. Auf der linken Abwehrseite musste Alexander Bugera den angeschlagenen Leon Jessen kurzfristig ersetzen. Und Bugera hatte anfangs gegen Sandhausens Andrew Wooten einen schweren Stand. Die frühere FCK-Amatormaschine, für ein Jahr ausgeliehen an den SVS, spielte ein paar Meter vor Foda auf der rechten Offensivseite groß auf. Wooten bereitete auch den Ausgleich durch Timo Achenbach vor (9.). Dieser gab Sandhausen, das bisher nur einen Punkt auswärts geholt hatte, sichtlich Aufwind. Daran änderte auch das 2:1 des FCK in der 24. Minute nichts, das wie aus dem Nichts fiel: Abschlag Tobias Sippel, Verlängerung Idrissou auf Fortounis, dessen feine Ablage Albert Bunjaku einköpfte. Das erste Heimtor des Schweizers. Danach musste Sandhausen, das vor nicht allzu lange Zeit noch dafür bezahlen musste, gegen den FCK zu spielen, eigentlich den Ausgleich machen: Der hoch stehende FCK lief wie in Ingolstadt in einen Konter, doch die Flanke des SVS-Flügelspielers fand nicht die völlig frei stehenden Mitspieler. Gottseidank.

Freilich gab es in der Folge noch Großchancen für den FCK. Das lag zum einen daran, dass es bei den Roten Teufeln eben einige gibt, die „etwas mit dem Ball anfangen können“ (Zuck-Idrissou-Doppelpass in der ersten Halbzeit), aber auch an den zum Teil bösen Fehlern des Gegners (Bunjaku-Großchance kurz vor Schluss), der wie Trainer Gerd Dais bescheinigte „kämpferisch und läuferisch am Limit" war. Aber in weiten Teilen der Begegnung, für die sich viele FCK-Fans im Vorfeld einen souveränen Sieg gewünscht hatten, verwaltete der FCK wieder mehr als er agierte. Schwung und Kreativität brachte erst Alexander Baumjohann, der 20 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde. Er war - wenn auch nicht fehlerfrei - sofort Herz und Seele des Teams; Eigenschaften, die Trainer Foda eigentlich in der Sechser-Position verortet. Aber Enis Alushi, Pierre De Wit und Mimoun Azaouagh stehen (noch) nicht zur Verfügung. Und Borysiuk braucht zur Absicherung einen Partner, der mehr Erfahrung mitbringt als Zellner.

Es gibt also noch viel Arbeit für Foda und sein Team. Der FCK muss sich in allen Mannschaftsteilen verbessern. Aber vielleicht kann die Schlussviertelstunde, die durch den Scheibenwischer des früheren Eintracht-Trier- und Mainz-05-Schlussmanns Ischdonat eingeleitet wurde, dazu beigetragen, dass das „Mentalitäts-Problem“ gelöst wird. Der aus China importierte Hajri stand nur zehn Minuten auf dem Platz. Aber an seiner Körpersprache war jederzeit zu erkennen, dass er dieses Spiel unbedingt gewinnen wollte.

Auf nach Köln!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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