Jeder von uns wird das Nachholspiel vom Mittwoch auf der Bielefelder Alm noch in den Knochen spüren. Bis kurz vor Schluss lachten sich die Bayern ins Fäustchen, ehe Jürgen Rische in der 87. Minute zu jenem Fallrückzieher ansetzte, der den Gästeblock und die gesamte Pfalz zum Explodieren brachte. Am Samstag gegen den VfL Wolfsburg können die Roten Teufel schon Geschichte schreiben und die sensationelle Meisterschaft eintüten - als erster Aufsteiger überhaupt! Die Spannung steigt von Minute zu Minute...
Die Ausgangslage
Es kann so einfach sein - ein Dreier gegen den VfL Wolfsburg und ein Unentschieden oder gar eine Niederlage der „Flasche-leer-Bayern“ beim MSV Duisburg, und die Dämme werden brechen. Daher wird wohl jeder der 38.000 Zuschauer mit mindestens einem Ohr in Duisburg sein und jede Meldung aus dem Wedaustadion gierig aufsaugen. Jeder Treffer des MSV wird bejubelt werden wie ein eigenes Tor! Ein Traum: Zur Halbzeit sind beide Spiele entschieden und der Betzenberg feiert, bebt, brennt. Nicht ganz realistisch, aber wieso nicht? Zumindest zweifelt niemand am Heimsieg des FCK, nachdem Olaf Marschall mit Mönchengladbach den (Fast-)Meisterschreck von 1991 vor einer Woche mit 3:2 nach Hause geschickt hat. Die beiden letzten Spiele gegen die Abstiegskandidaten Gladbach und Bielefeld endeten zwar knapp und mit einem Herzschlagfinale, aber sie zeigten: Die Mannschaft ist total geil auf die Meisterschaft, sie hat eine sensationelle Moral und wird sich auch von Wolfsburg nicht aufhalten lassen.
Ein Blick in den Ruhrpott zum MSV Duisburg sei erlaubt - der MSV steht im Mittelfeld der Tabelle, ist quasi gerettet und bereitet sich wahrscheinlich schon auf das Pokalfinale vor. Bitte bleibt sportlich, gebt Gas und ärgert die Bayern! Es wäre natürlich blöd, wenn der FCB Federn lässt und die Roten Teufel ihre Heimpartie vergeigen. Aber daran denken wir nicht, nicht in dieser Saison, nicht mit der Sensation vor Augen!
Das Personal
Das Spiel in Bielefeld hat glücklicherweise keine Verletzten zur Folge gehabt. (Meister?)-Trainer Otto Rehhagel muss gegen den Mitaufsteiger aus der VW-Stadt wohl nur auf Axel Roos verzichten, der an einer Erkältung laboriert. Für ihn könnte Nachwuchstalent Michael Ballack in die Startelf rücken, weiterhin wird „Mäuschen“ Ratinho nach seiner Verletzung wieder im Kader auftauchen. Gesperrt ist zum Glück niemand, die Stürmer sind in Topform und wer von der Bank kommt, ist heiß wie Frittenfett - siehe Jürgen Rische. Optimale Bedingungen für Samstag!
Der Gegner
Der VfL Wolfsburg mit dem ehemaligen FCK-Spieler Wolfgang Wolf als Coach muss ohne Waldemar Kryger auf dem Betze auflaufen, für ihn steht Holger Ballwanz bereit. In der Startelf wird ebenfalls Frank Greiner stehen, der beim 1:0-Sieg gegen Hertha BSC am zweiten Spieltag noch für den FCK die Stiefel schnürte und nun vielleicht hautnah bei der Meisterfeier der Roten Teufel vor Ort sein wird. Das muss bitter sein!
Das letzte Spiel
Das Hinspiel konnten die Wölfe zur Überraschung vieler mit 2:1 für sich entscheiden. Martin Wagner sorgte zwar für den zwischenzeitlichen Ausgleich nach dem Führungstreffer von Michael Spies, aber Jens Keller gelang zehn Minuten vor Schluss der entscheidende Treffer für den VfL - die erste Auswärtsniederlage der Saison und eine von bisher nur vier Pleiten. In der zweiten Liga siegte der FCK im bisher einzigen Heimspiel gegen Wolfsburg mit 4:0. Eine Wiederholung wäre klasse!
Fan-Infos
38.000 Zuschauer beim letzten Heimspiel, das Fritz-Walter-Stadion ist wie immer in dieser Saison restlos ausverkauft. Für die Partie gegen Wolfsburg gibt es schon seit Ewigkeiten keine Karten mehr, auf dem Schwarzmarkt werden Tickets zu unglaublich hohen Preisen angeboten und angefragt - jeder will dabei sein, wenn der FCK um 17:20 Uhr möglicherweise als neuer Deutscher Meister feststeht. Wer einen Stehplatz in der West- oder Ostkurve (oder in Block 1a, der erneut für Heimfans freigemacht wird) hat, sollte diesen spätestens zwei Stunden vor Anpfiff einnehmen, denn am Samstag wird es wohl so eng wie schon lange nicht mehr.
Laut Auskunft des FCK, der dieser Tage übrigens sein Vereinsmitglied Nr. 10.000 begrüßen wird, dürfen kleine Kofferradios ins Stadion mitgenommen werden. Irgendwie muss man ja über den Spielstand in Duisburg auf dem Laufenden bleiben, falls man außer dem Krach aus der Westkurve überhaupt noch etwas versteht. Diese wird in Schals, Fahnen, Luftballons sowie natürlich Meisterschalen aus Pappe versinken und nicht nur akustisch, sondern auch optisch wieder Maßstäbe setzen. Und niemand in Kaiserslautern wird sich abends etwas vorgenommen haben außer zu feiern - den Titel!
O-Töne
FCK-Trainer Otto Rehhagel gibt sich gewohnt locker: „Was die Bayern in Duisburg machen, interessiert mich nicht. Wir schauen nur auf unser Spiel gegen Wolfsburg.“ Aber wie schön wäre es wohl gerade auch für „König Otto“, wenn er Hoeneß und Co. zwei Jahre nach seiner Entlassung die Meisterschale wegschnappen könnte?
Den Champagner für alle Fälle schon kaltgestellt hat dagegen schon Präsident Hubert Keßler, der aber ebenfalls noch tiefstapelt: „Unabhängig vom Ausgang des Titelrennens hat der 1. FC Kaiserslautern in dieser Saison alle Erwartungen übertroffen. Mehr noch: Das Erreichen eines internationalen Wettbewerbs haben wir uns nur in den allerkühnsten Träumen vorstellen können.“
Der Pfälzer Gästetrainer Wolfgang Wolf, dessen Team den Klassenerhalt so gut wie sicher hat, würde wohl am liebsten mitfeiern: Was der 1. FCK in dieser Saison geleistet hat, ist eine Sensation. Ich gehe davon aus, dass der letzte kleine Schritt auch noch gelingen wird. Sie haben es einfach über die ganze Runde hinweg verdient.“
Auch wenn ich mich wiederhole: Es gibt keinen FCK-Fan, der nicht genau weiß, wie viele Minuten noch bis zum Anpfiff überstanden werden müssen. Es gibt niemanden, der das Spiel nicht verfolgen wird. Es gibt niemanden, der nicht mit einem Ohr in Duisburg dabei sein wird. Uns es gibt niemanden, der daran zweifelt, dass die Roten Teufel ihre Hausaufgabe erledigen werden. Und wenn dann um 17:20 Uhr auf der Anzeigentafel „MSV Duisburg - FC Bayern 0:0“ stehen wird, gibt es kein Halten mehr. Dann ist der FCK der Nabel der Fußballwelt. Nur noch 27 Stunden. Und ich kann schon jetzt nicht mehr klar denken...
Daten und Fakten
Schiedsrichter: Jürgen Jansen (Essen)
Voraussichtliche Aufstellungen
1. FC Kaiserslautern: Reinke - Kadlec, Koch, Schjönberg - Ballack - Buck, Sforza, Wagner, Reich - Hristov, Marschall
Ersatz: Szücs, Hrutka, Schäfer, Ratinho, Rische, Kuka
Es fehlt: Roos (Erkältung)
VfL Wolfsburg: Zimmermann - Keller, Kovacevic, Ballwanz, Kleeschätzky - Greiner, Dammeier, Kapetanovic, Reyna - Breitenreiter, Präger
Ersatz: Hoßbach, Heidenreich, Tomcic, Deering, Stammann, Stevanovic, Meissner
Es fehlt: Kryger (Gelbsperre)
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Sebastian