Wer den Gästeblock des altehrwürdigen Neckarstadions beobachtete, konnte nicht glauben, dass hier wirklich die Fans des Tabellenletzten den x-ten torlosen Kick ihres Lieblingsklubs verfolgten. Die Stimmung während dem Auswärtsspiel des 1. FC Kaiserslautern beim VfB Stuttgart war wahrlich bundesliga-, wenn nicht sogar europacupreif. 4.000 Schlachtenbummler aus der Pfalz begleiteten ihre Roten Teufel zum Flutlichtspiel nach Schwaben und sangen sich, unterstützt von zahlreichen Fahnen und bengalischen Feuern, von Minute zu Minute mehr in Ekstase. Das Pyrotechnik ein stimmungsförderndes Stilmittel der Fankultur ist, das sich auch friedlich und sicher einsetzen lässt, wurde dabei ein weiteres Mal bewiesen.
Was war passiert? Eigentlich nicht viel, der FCK steckt weiter im tiefsten Abstiegssumpf, das Tor wurde schon wieder nicht getroffen und ein hochklassiges Spiel gab es auch nicht zu sehen. Aber manchmal kann es einem eben auch helfen, die ganzen Sorgen einfach mal für ein paar Minuten zu vergessen...
50.100 Zuschauer sahen das bereits sechste Freitagsspiel des VfB Stuttgart - drei weitere werden folgen - was die schwäbischen Fans mit einem kritischen Spruchband in Richtung DFL quittierten. Schön zu sehen war, dass sich an diesem Abend eine weitere deutsche Fanszene deutlich für den Erhalt des Lautrer Stadionnamens aussprach: „Fritz-Walter-Stadion, altes VfB-Wappen: Größen, die es zu schützen gilt!“ Auch stimmungstechnisch zeigten die Stuttgarter einen guten Auftritt, das umgebaute Stadion tut ihnen zweifellos gut.
Pyro hin, Stimmung her, Fußball wurde natürlich auch noch gespielt. Beide Trainer schickten die gleiche Aufstellung wie am vorigen Spieltag ins Rennen, beim FCK ersetzte Tobias Sippel somit erneut den noch angeschlagenen Kevin Trapp. Und Sippel, der letzte verbliebene Herzblut-Held von 2008, dürfte sich mit seiner starken Leistung den Stammplatz für die restliche Saison zurückerobert haben. Denn um es mit wenigen Worten zu sagen: Lauterns Nummer 1 hielt den Punkt in Stuttgart fest!
Der VfB wollte sich gegen den Tabellenletzten endgültig im Rennen um die Europa-League-Plätze zurückmelden und war 90 Minuten lang die bessere Mannschaft. Viele Chancen konnte sich die Elf von Trainer Bruno Labbadia aber nicht herausspielen. Zu gut und bissig agierte die Lautrer Defensive, die sich immerhin gegen den derzeit torhungrigsten Angriff der Bundesliga bewähren musste - was aber leider zulasten der eigenen Vorwärtsbewegung ging. FCK-Trainer Marco Kurz reagierte darauf mit einer frühen Auswechslung des schwachen Richard Sukuta-Pasu, für den der zuletzt nicht mehr berücksichtigte Olcay Sahan kam. Als Schiedsrichter Brych zum Pausentee pfiff, war es beim 0:0 geblieben, mehr als zwei VfB-Chancen durch Martin Harnik standen nicht zu Buche.
Auch in der zweiten Halbzeit konnten sich die Stuttgarter nicht entscheidend durchsetzen. Die erste gute Chance hatte gar der FCK, Christian Tifferts Fernschuss nach knapp einer Stunde fand aber nur das Außennetz. Während der VfB durch die eingewechselten Julian Schieber und Cacau zu weiteren Gelegenheiten kam, suchten nun auch die Roten Teufel ihr Glück vermehrt in Entlastungsangriffen. Spätestens als Sandro Wagner in aussichtsreicher Position über den Ball trat, wurde aber klar, warum der FCK mit den wenigsten Toren ganz unten steht...
Als einige Sekunden später zum dritten Mal das Licht bengalischer Feuer den Gästeblock erhellte, erreichten die FCK-Fans ihren stimmlichen Höhepunkt und wollten den Ball geradezu ins gegnerische Tor schreien. Das wäre auch fast gelungen, nachdem in der Nachspielzeit ein eigener Eckball enthusiastischer bejubelt wurde als in manch anderem Stadion ein Tor - man nimmt halt, was man kriegt. Die Hereingabe von Tiffert landete über Umwege bei Lauterns „Rückrunden-Torjäger“ Florian Dick, der mit einer sehenswerten Direktabnahme das Tor knapp verpasste. Das wäre es gewesen, wenn ausgerechnet der Badener Dick mit einem Tor gegen die Schwaben die Pfälzer zum ausrasten gebracht hätte!
So aber stand nach 90 Minuten ein 0:0, bei dem viele nach dem Abpfiff nicht so recht wussten, was sie davon halten sollten. Obwohl die Spiele der Konkurrenz noch ausstanden, stand schließlich schon jetzt fest, dass der FCK weiter die rote Laterne tragen wird. Auch die Statistiken sprachen, abgesehen vom Ergebnis, allesamt gegen die Elf von Marco Kurz. Dennoch zeigten sich die Spieler mit der gezeigten Leistung zufrieden und auch die Fans wollten das gerade erst ersungene Glücksgefühl noch nicht ablegen. Gänsehaut garantiert: „Lautrer geben niemals auf - sie kämpfen!“
Nach einer Nacht drüber schlafen stand beim Blick auf die Tabelle aber der obligatorische Kater an: „Scheiße, immer noch Letzter!“ Das Spiel in Stuttgart kann man nach den vergangenen Wochen sicher als Erfolgserlebnis verbuchen, immerhin wurde gegen die torhungrigste Mannschaft der Rückrunde die Null gehalten, aber der so ersehnte Befreiungsschlag lässt weiter auf sich warten. Während vor zwei Monaten wohl noch die meisten Fans einem Punktgewinn in Stuttgart bedenkenlos zugestimmt hätten, ist in der jetzigen Situation eben jeder nicht gewonnene Punkt automatisch ein verlorener Punkt.
Dem FCK bleibt nichts anderes übrig, als weiter hart zu arbeiten und dann am kommenden Wochenende gegen den neuen „Lieblingsgegner“ Schalke 04 einen neuen Anlauf zu nehmen. Danach kommt es beim direkten Konkurrenten SC Freiburg zum Showdown im Abstiegskampf. Weder die Mannschaft noch die Fans haben aufgegeben, aber der Druck ist unglaublich hoch.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas