33.712 Besucher fanden sich an diesem milden Mittwochabend im September auf dem Betzenberg ein, um sich das DFB-Pokalspiel der zweiten Hauptrunde zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Bayer Leverkusen anzuschauen. Und außer den rund 600 Gästefans dürfte wohl niemand sein Kommen bereut haben. Denn es war einer der vielen großen Flutlichtabende im Fritz-Walter-Stadion.
Die Bayer-Fans konnten sich mangels Masse (und vermutlich auch mangels Fankultur) kaum bemerkbar machen, einzig nennenswert vielleicht der kreative Konter auf das obligatorische „Ihr werdet nie Deutscher Meister“ der Lautrer Westkurve: „Nie abgestiegen, wir sind noch nie abgestiegen“. Der FCK-Anhang hingegen legte einen geradezu sensationellen Auftritt hin, die Anfeuerung nahm gelegentlich fast schon ekstatische Ausmaße an. Wohl die beste Stimmung seit dem Herzblutfinale gegen den 1. FC Köln!
Doch der Reihe nach: FCK-Trainer Marco Kurz konnte auf den nach seiner Erkältung wieder genesenen Erik Jendrisek zurückgreifen, musste dafür aber den gesperrten Ivo Illicevic ersetzen und zog dafür gegenüber dem vorigen Spiel auf St. Pauli Dragan Paljic auf dessen Position zurück. Leverkusen musste neben dem im letzten Länderspiel verletzten Michal Kadlec, Sohn der FCK-Legende Miroslav Kadlec, kurzfristig auch Samy Hyypiä ersetzen. Außerdem fehlten Renato Augusto und zunächst der auf der Bank sitzende Tranquillo Barnetta.
Eingeleitet wurde das Spiel von einer kleinen Choregraphie der „Frenetic Youth“ im unteren Bereich von Block 7.1: Der Spruch „Wie schön es wäre, wenns gelingt, dass der Pokal uns nach Europa bringt“ wurde untermalt von zahlreichen Fahnen und Konfettiregen. Sehr schöne Aktion, und träumen wird ja wohl erlaubt sein! (Weitere Informationen zu dieser Aktion)
Die Gäste aus dem Rheinland begannen druckvoll, wurden aber bereits in der 12. Minute kalt erwischt. Lauterns Florian Dick zog bei einem Konter von rechts außen eine herrliche Flanke mit dem linken Fuß weit über die Bayer-Abwehr und den besonders schlecht postierten Gonzalo Castro hinweg zu Sidney Sam, der trocken aus kurzer Entfernung einnetzte. Nun bebte der Betze zum ersten Mal so richtig, obwohl die Stimmung insgesamt bereits von Beginn an hervorragend war und die Fans tatsächlich wie ein Mann hinter der Mannschaft standen. Man merkte den FCK-Anhängern so richtig ihre Freude über ihre eigene viel versprechende Truppe und endlich mal wieder ein Duell mit einem höherklassigen Gegner an. Nach dieser frühen Führung entwickelte sich dann ein abwechslungsreiches Spiel, das die Leverkusener eher in der Vorwärtsbewegung sah, während die FCK-Jungs sich aber bestens organisiert und kämpferisch großartig präsentierten und nicht sehr viel zuließen - die Abwehr stand einmal mehr sicher. Wenn dann doch einmal ein gegnerischer Spieler wie Stefan Kießling frei vor dem Tor auftauchte, reagierte Teufelskeeper Tobias Sippel glänzend.
Versuchte jener Kießling noch in der 35. Minute eher plump einen Elfmeter zu schinden, den Schiedsrichter Wagner völlig zu recht nicht gab, so hätte dieser kurz vor dem Pausenpfiff bei Martin Amedicks Tackling gegen Eren Derdiyok aber durchaus auf den Punkt zeigen können. Der Leverkusener hob allerdings auch deutlich zu theatralisch ab, sodass der Schiedsrichter - letztendlich vertretbar - von einem Elfmeterpfiff absah. Stattdessen erntete Derdiyok für seinen „sterbenden Schwan“ ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert. Der FCK führte zur Halbzeit 1:0 gegen den hohen Favoriten, den Tabellenzweiten der Bundesliga. Tosender Applaus von den Rängen.
Leverkusen kam richtig stark aus der Pause zurück, verschärfte nun das Tempo und kam durch Derdiyok gleich zu einer großen Torchance, die dieser jedoch versiebte. Aufatmen auf den Rängen. Trotz dieser Drangphase verlor der FCK jedoch nie seine Ordnung, spielte äußerst diszipliniert und mit höchstem Einsatz weiter. Und dabei jederzeit schnell nach vorne. Dies gilt auch für die insgesamt etwas abfallenden Adam Nemec und Dragan Paljic in einer ansonsten durchgängig stark aufspielenden Lautrer Truppe. Das Publikum lief in dieser Phase zur Hochform auf. Immer wieder waren lautstarke Anfeuerungsrufe aus der Westkurve wie auch großartige Wechselgesänge zwischen West- und Süd- sowie Osttribüne ebenso zu hören wie das permanente Auspfeifen des Gegners. Fast schon wie in früheren, besten Zeiten. Der Betze feierte nun gar nicht mehr heimlich, still und leise, sondern sehr deutlich hörbar sein Comeback!
Dann kam die 62. Minute, als der Betze endgültig explodierte: Nach einem Freistoß von Alexander Bugera verlängerte der wiederum großartige Amedick den Ball zu Jendrisek, der ihn aus kurzer Entfernung und sehr souverän zum 2:0 versenkte. Die Fans flippten nun völlig aus, natürlich nur im positiven Sinne. Die ganze Kurve brüllte die Freude heraus, tanzte und feierte, und als auch noch große Teile der Südtribüne aufstanden, sich einhakten und mit hüpften, war das Spektakel perfekt. So etwas hatte man auf dem Betzenberg in dieser Form noch nie gesehen. Auch wenn es abgedroschen klingen mag, aber das war nun wirklich Gänsehautatmosphäre!
Natürlich war das Spiel nun noch nicht entschieden. Leverkusen brachte nach Barnetta nun auch noch Schwaab und vor allem Gekas, die Werkself von Trainer Jupp Heynckes blieb gefährlich. Der FCK bei einigen gut vorgetragenen Kontern aber ebenfalls. Paljic wurde durch Daniel Pavlovic ersetzt, später dann auch noch Bastian Schulz durch Jiri Bilek. Ein richtig packender Pokalfight auf guten Niveau war das nun. Nach 80 Minuten hätte der wieder blendend aufgelegte Erik Jendrisek mit einem Heber aus fast 35 Metern fast das 3:0 erzielt, es wäre das Tor des Monats gewesen, bevor im Gegensatz der wuselige Gekas aus kurzer Distanz am glänzenden Sippel scheiterte. Standing Ovations nun für den FCK-Keeper.
In der 86. Minute verkürzte Gekas dann doch noch auf 1:2. Er war in den 20 Minuten, die er auf dem Platz stand, doppelt so gefährlich wie die hochgelobten Kießling und Derdiyok in den 70 Minuten zuvor zusammen. Die Schlussphase wurde dramatisch. Der FCK blieb bei Kontern zwar stets gefährlich, hatte aber dennoch großes Glück bei einer weiteren Chance von Gekas in der 89. Minute. Andererseits hätte wiederum Jendrisek auch noch das 3:1 machen können. Als gegen Ende der Nachspielzeit gerade die beiden Bayer-Spieler Kießling und Derdiyok zusammengerauscht waren und auf dem Boden lagen - Tobias Sippel hatte sich erneut stark gleich gegen beide durchgesetzt - pfiff Schiri Wagner kurzerhand ab. Der Rest war nun nur noch Jubel. Die Fans feierten ihre Jungs verdientermaßen noch bis lange nach dem Schlusspfiff und skandierten minutenlang das, was in diesem Moment wohl jeder fühlte: „Lautern ist der geilste Club der Welt!“
Die Szene des Tages spielte sich kurz danach ab: FCK-Trainer Marco Kurz verweilte zunächst bei seiner Mannschaft, bedankte sich dann bei seinen Mitarbeitern, verabschiedete seinen Kollegen Heynckes, um sich dann schließlich ganz alleine für einige Minuten auf die Ersatzbank zurückzuziehen. Er schien den Triumph und die Ovationen des Publikums mitten im größten Trubel ganz für sich alleine genießen zu wollen, bevor sein Interview-Marathon begann. Zuvor ging er allerdings noch einmal, oder besser gesagt zum ersten Mal überhaupt, zu den verbliebenen Fans in der Westkurve, bedankte sich für die Unterstützung und ließ sich kurz feiern. Danke für diesen tollen Pokalabend!
Ach ja, Leute, noch eines zum Schluss: Nun muss im Derby gegen den Karlsruher SC (Samstag, 13:00 Uhr) die 40.000-Zuschauer-Marke aber bitte schön wieder mal fallen. Die Mannschaft hat sich mittlerweile wieder einen Bonus erarbeitet und jeden weiteren Zuschauer redlich verdient. Also tut den Jungs den Gefallen und stürmt ab sofort die Ticketshops. Der Betze lohnt sich nämlich wieder!!!
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Altmeister