"Wir haben die Schnauze voll"
Zum ersten Mal überhaupt standen sich der 1. FC Kaiserslautern und der SV Wehen-Wiesbaden in einem Meisterschaftsspiel auf dem Betzenberg gegenüber. Nach einer beispiellosen Talfahrt der Pfälzer zahlten nur noch 17.102 Besucher ihren Eintritt für diese Partie - der schwächste Besuch in einem Meisterschaftsspiel seit dem 1:0 gegen St. Pauli am 1. April 1989. Darunter immerhin 200 Wehener Schlachtenbummler, 150 von ihnen im Gästeblock und 50 auf der Südtribüne). Anwesend waren im Stadion effektiv aber wohl kaum noch mehr als 13.000 Zuschauer, viele Dauerkarteninhaber blieben zu Hause.
Die Westkurve präsentierte vor dem Spiel ein Banner zum Protest gegen die kundenfeindliche Anstoßzeit an einem frühen Mittwochabend („Mittwochs 17:30 - darauf scheiß ich!“), während sich die Gästefans zumindest gelegentlich mit Sprechchören Gehör verschafften. Die Stimmung in der stark ausgedünnten Westkurve war zu Beginn des Spiels durchaus als gut zu bezeichnen, es gab keine Pfiffe, was sich später jedoch ändern sollte.
Eigentlich sollte in einem solchen Spielbericht das Spiel im Mittelpunkt stehen, so wie es die vielen Besucher von „Der Betze brennt“ seit Jahren gewohnt sind. Zum gestrigen Spiel gibt es jedoch, zumindest aus Lautrer Sicht, fast nichts zu sagen. Der FCK agierte, wie bereits in den letzten beiden Heimspielen zuvor, gegen biedere Gäste völlig plan- und hilflos, selbst die einfachsten Pässe misslangen.
Zehn Totalausfälle auf FCK-Seite, nur Florian Fromlowitz war erneut kein Vorwurf zu machen. Von Taktik keine Spur, der Kampfgeist erlahmte sehr schnell, Torchancen waren nicht vorhanden. Wer Näheres dazu wissen möchte, der schaue sich einfach die Noten in Kicker, Rheinpfalz oder Bild-Zeitung an - dem ist nichts hinzuzufügen. Bereits nach 30 Minuten gab es erste Pfiffe, zur Pause erst recht.
FCK-Trainer Kjetil Rekdal wechselte zweimal in der Halbzeit, brachte mit Marcel Ziemer und Sebastian Stachnik einen komplett neuen Sturm, während sich Björn Runström nun etwas zurückzog, eine Besserung des Spiels bei den Gastgebern trat jedoch nicht ein. Im Gegenteil: Nach zwei blitzsauberen Toren der Wehener, in denen die Gäste die Unzulänglichkeiten in der FCK-Abwehr gnadenlos ausnutzten, war das Spiel nach knapp einer Stunde bereits gelaufen. Dass dabei ausgerechnet der ehemalige FCK-Amateur Ronny König den entscheidenden zweiten Treffer der Wehener erzielte, passte ins Bild. Kein Aufbäumen der so genannten „Roten Teufel“ war mehr zu sehen, die drei als Leistungsträger auserkorenen Patrice Bernier, Alexander Bugera und Esben Hansen gingen auch mit unter. Die beiden Erstgenannten hatten dabei sogar noch Glück, nicht erneut, wie schon an den ersten beiden Spieltagen der Saison, des Feldes verwiesen zu werden.
Zahlreiche Fans verließen bereits nach einer Stunde das Stadion. Die Westkurve versuchte noch mit Rufen wie „Wir haben die Schnauze voll“ ihrer Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. Auf der Südtribüne riefen nicht wenige „Wir sind so lächerlich“ und „Vorstand raus“. Auch eine Schalparade oder ein langgezogenes „We `ll never walk alone“ rettete die nun unterirdische Stimmung nicht mehr. Einige Fans liefen sogar zum Gegner über und applaudierten den Gästen bei deren Angriffen. Festgehalten werden muss, dass die Wehener nur solides Regionalliga-Format verkörpertern, dennoch völlig verdient siegten. Und nun bereits 10 Punkte mehr auf dem Konto haben als die Pfälzer. Der FCK hätte in der Verfassung wohl sogar gegen einen der benachbarten Oberligisten aus Neunkirchen oder Pirmasens verloren. Nach dem Spiel wurden die eigenen Spieler wiederum gnadenlos ausgepfiffen, lediglich Florian Fromlowitz und sein Torwart-Trainer Gerry Ehrmann wurden mit viel Applaus und in Sprechchören gefeiert.
Welche Konsequenzen müssen in dieser desolaten Situation nunmehr gezogen werden? Ein einfaches „Weiter so“ und „Irgendwann wird es schon besser werden“ reicht sicherlich nicht mehr aus. Der FCK belegt nunmehr Platz 17 in der 2. Liga und hat ganze 3 Punkte aus 7 Spielen auf dem Konto.
Die Schlagzeile: „Der 1. FC Kaiserslautern - Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga auch ein Gründungsmitglied der neuen dritten Liga ab 2008?“ wird nicht lange auf sich warten lassen.
Dass der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Buchholz, für viele der einzige starke Mann im Verein, sein Schicksal mit dem von Trainer Kjetil Rekdal verknüpfte, ist als eher unglücklich anzusehen. Dafür sind die Mängel auf dem Platz einfach zu groß. Konsequenzen müssen auf allen Ebenen in Betracht gezogen werden. Dabei steht Vorstandsvorsitzender Erwin Göbel, seit Wochen förmlich abgetaucht, im Mittelpunkt der Kritik, ebenso wie die gesamte Vereinsführung um Aufsichtsrat und Sportdirektor. Denn der Traditionsverein aus der Pfalz taumelt scheinbar führungs- und orientierungslos seinem Ende entgegen.
Wie wollte man angesichts weiter zurückgehender Zuschauer-, Sponsoren- und Fernsehgelder bei vermutlich ähnlich hohen Aufwendungen für das Stadion überhaupt noch eine konkurrenzfähige Drittligamannschaft präsentieren wollen nach einem Abstieg? Dieses Horrorszenario muss unter allen Umständen vermieden werden - mit neuen Köpfen. Und zwar besser heute als morgen. Wer beim FCK bisher in der Verantwortung war und den Niedergang trotz allem sicherlich vorhandenen Engagement nicht bremsen konnte, sollte von sich aus seinen Platz räumen, um dem Verein die Gelegenheit für einen möglicherweise allerletzten Neuanfang zu geben.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Altmeister