1.FC Kaiserslautern - Schalke 04 7:8 n.E.
Zweite Runde im DFB-Pokal 2004/2005, Lautern gegen Schalke: 22.500 Zuschauer bevölkerten das halbleere Fritz-Walter-Stadion bei diesem Pokalknüller, darunter etwa 1.500 Anhänger der Königsblauen. Doch das wenige Zuschauer noch lange nicht mit schlechter Stimmung gleichzusetzen sind bewies sich heute einmal mehr. Bereits vor dem Spiel herrschte eine angenehme Atmosphäre, wie es sie auf dem Betzenberg nur bei Flutlichtspielen gibt. In der Westkurve gab es neben den üblichen Schals und Schwenkfahnen auch ein paar vereinzelte Wunderkerzen zu sehen, während der Gästeblock rein optisch eher blass blieb. Und auf dem Rasen entwickelte sich ein Spiel, wie es schlechter kaum sein könnte. Der FCK, dessen einziger Stürmer Halil Altintop völlig überfordert war, hatte zunächst keine einzige Torchance und die Schalker waren auch nur einen Tick besser. Doch dieser Tick reichte immerhin zur 1:0-Führung durch Sand (32.), mit der es auch in die Halbzeit ging. Auf die entsprechende Reaktion von Trainer Kurt Jara mussten die Fans aber noch weitere zehn Minuten warten, erst dann gab es die überfälligen Auswechslungen: Zunächst kamen Teber/Zandi für Seitz/Mikic, später dann noch Riedl für Drescher. Und nach diesen Wechseln wurde aus einem Spiel, das dem zweier Bundesligisten absolut unwürdig war, endlich der ersehnte Pokalfight!
Innerhalb von fünf Minuten wandelten die Roten Teufeln den Rückstand in eine 2:1-Führung um, auf den Ausgleich von Selim Teber (59.) folgte ein viel umjubeltes Eigentor der Schalker (61.). Doch dies war noch lange keine Vorentscheidung, ausgerechnet der Ex-Lautrer Lincoln erzielte den Ausgleich (78.). Und als sich bereits alle mit der Verlängerung abgefunden hatten traf erneut Sand mitten ins Herz der FCK-Fans: 2:3 in der Nachspielzeit, der 1.FC Kaiserslautern war ausgeschieden und auf der Nord- und Südtribüne verliessen bereits rund 1.000 Zuschauer das Stadion. Doch diese kamen schnell wieder zurück, denn der FCK war keineswegs bereits ausgeschieden: Der folgende Anstoss wurde in bester Kick-and-Rush-Manier an den gegnerischen Strafraum gespielt, wo Ingo Hertzsch parat stand und den Ball aus 25 Metern ins lange Eck hämmerte. TOR!!!!! In der vorigen halben Stunde waren bereits viele Emotionen im Spiel, doch diese Rückkehr in das bereits verloren geglaubte Spiel pushte den Adrenalinspiegel der Fans in ungeahnte Höhen, der Jubel kannte fast keine Grenzen.
Verlängerung! Und auch hier ging es hin und her: Zunächst die 4:3-Führung durch das zweite Tor von Teber (95.), der an diesem Tag wohl das Spiel seines Lebens machte und von den Fans kurzerhand zum "Fussballgott" ernannt wurde, doch vier Minuten vor Schluss gelang dem vorigen Eigentor-Schützen Krstajic der erneute Ausgleich. 4:4! Welch ein Spiel, sowas gibt es nur im Pokal, und wo könnte es besser hinpassen als auf den Betzenberg!! Das Elfmeterschiessen musste entscheiden und spätestens jetzt bereitete der Ausfall von Stammkeeper Tim Wiese Sorgen. Thomas Ernst sah zwar ebenso wie sein Gegenüber Frank Rost bei einigen Gegentoren nicht gut aus, aber vor allem ist er nicht gerade als Elfmeterkiller bekannt. Dennoch hielt er einen Elfmeter der Schalker (Krstajic), doch es sollte trotzdem nicht reichen: Schalkes Rost parierte die Elfmeter von Marco Engelhardt und Altintop, und so war es Lincoln vorbehalten, zum entscheidenden Strafstoss anzutreten. Ein extrem gellendes Pfeifkonzert wie schon lange nicht mehr und wüste Beschimpfungen begleiteten ihn dabei, wie bereits bei jedem Ballkontakt in den 120 Minuten zuvor. Jede Attacke an Lincoln wurde mit Applaus bedacht, bei jeder rüden Aktion des Brasilianers selbst tobte die Westkurve und eine nicht mit Gelb geahndete Schwalbe erhitzte die Gemüter noch mehr. Die FCK-Fans hatten noch nicht vergessen, dass Lincoln ihren Verein im März - mitten im Abstiegskampf - wegen "Heimweh" im Stich liess und nur drei Monate später einen Vertrag bei Schalke 04 unterschrieb. Lincoln verwandelte den Elfmeter... und brach danach, nervlich vollkommen am Ende, noch im Strafraum weinend zusammen. Bereits nach seinem zwischenzeitlichen Treffer zum 2:2 konnte er nur von mehreren Mitspielern vom weiteren Provozieren der Westkurve abgehalten werden, doch dafür sorgte nun Schalkes Interimscoach Achterberg persönlich, wofür er entsprechende Reaktionen der aufgebrachten Fans erntete. Lincoln selbst wurde schliesslich mit "Judas, Judas"-Rufen vom Betzenberg verabschiedet, während die eigene Mannschaft inklusive Thomas Ernst den Platz bereits unter aufmunterndem Apllaus verlassen hatte.
Alles in allem war die Stimmung an diesem Tag - bei einem der besten Heimspiele der letzten sechs Jahre - sehr gut. Zwar wurde nicht komplett durchgesungen und auch die Lautstärke war zwischendurch recht schwach, aber die Spannung, der vierfache Torjubel (insbesondere beim 3:3) und die zeitweise Stimmung aus der "guten, alten Zeit" machten dies alles wieder wett. Dieses tolle Spiel hatte keinen Verlierer verdient!
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas