MFA-Gegner: "Provokationen sind bewusst eingestreut"
MFA. Wohl kein anderes Buchstabenkürzel sorgt derzeit für mehr Gesprächsstoff rund um den Betzenberg. Die Diskussion um Sinn und Nutzen der Megafonanlage ist zwar wahrlich keine neue, doch scheint sich der Protest gegen die Anlage im Laufe der letzten Wochen und Monate konzentriert zu haben. Während viele Befürworter die Megafonanlage als einzige Möglichkeit erachten, um die Stimmung auf der zur Heim-WM ausgebauten Westtribüne zu koordinieren, sehen die Gegner in der Anlage ein Diktaturinstrument der Ultragruppen und fühlen sich von diesen bevormundet. Ihr Protest richtet sich nach eigenen Angaben zudem gegen spielunabhängigen Dauersupport und Sichtbehinderungen durch das Schwenken von Fahnen. Unter dem Namen „Die Stimme der Kurve“ schließen sich nun zuvor eher heterogen organisierte, unstrukturierte Einzelgruppen zusammen und machen öffentlichkeitswirksam mobil.
Im folgenden Gespräch erklärt er seine Motivation, beschreibt die Ziele der Bewegung und bezieht deutliche Position gegenüber den Ultragruppen.
Jens, der FCK steht derzeit recht weit oben in der Tabelle und die Identifikation mit der Mannschaft ist so groß wie lange nicht mehr. Wie sinnvoll ist es, gerade jetzt einen weiteren Nebenkriegsschauplatz aufzumachen?
Jens Bockmühl-Schmiedel: Diese Darstellung ist natürlich etwas überspitzt, da sich die ganze Situation ja schon über bestimmt fünf Jahre zieht. Dass das Thema ausgerechnet jetzt so stark in den Fokus rückt, hat vielmehr mit aktuellen Vorfällen zu tun, welche die ganze Sache zum explodieren gebracht haben. Durch den Umzug der Ultragruppen waren die Blöcke 8.1 und 9.1 plötzlich voll mit Fahnen und Doppelhaltern, was dazu führte, dass einzelne Fans und sogar ganze Fanclubs vertrieben wurden. Zudem steht jetzt auf dem Vorsänger-Podest noch eine Trommel, die alle anderen Trommeln übertönt da sie nun ebenfalls durch die MFA übertragen wird. Ganz klar der wesentliche Auslöser war allerdings – wie erwähnt – das Vertreiben der Fans und das grundsätzliche Verhalten vieler Ultras.
Erläutere eben kurz das Hauptanliegen eurer Bewegung.
Jens Bockmühl-Schmiedel: Unser Hauptanliegen ist spielbezogene Stimmung und keine Bevormundung durch die Megafonanlage. Sie bügelt einzelne Gesangsbewegungen total nieder, wodurch wir uns fremdgesteuert fühlen. Für uns bedeutet spielbezogener Support, dass die eigene Mannschaft angepeitscht wird, wenn sie in Ballbesitz ist, dass der Gegner ausgepfiffen wird, wenn er einen unserer Spieler foult. Eine enge positive Kopplung zum Team ist besonders im Moment wichtig, weil die Mannschaft außergewöhnlich jung ist.
Also getreu dem Motto: „Megafonanlage aus – Hölle zurück“?
Jens Bockmühl-Schmiedel: Ja, das passt. Ich bin allerdings auch der Meinung, dass die Umstellung innerhalb der Fankurve mindestens eine halbe Saison Zeit braucht, bis man diese Form der Stimmung wieder gelernt hat. Man muss sich selbst motivieren, vor allem weil man sich teilweise abhängig macht vom gezeigten Fußball auf dem Rasen. Ich sehe die Chance daher gerade jetzt in dieser Saison, wo teilweise mitreisender Fußball gezeigt wird , dass der gesamte Wandel recht schnell Früchte tragen könnte. Ich glaube ganz fest, dass diese Art der Stimmung auch in der zweiten Liga ein Alleinstellungsmerkmal für unseren Verein wäre. Stimmung in deutschen Stadien ist extrem austauschbar geworden und wir unterscheiden uns im Moment kein bisschen von München, Hamburg oder Frankfurt. Rein auditiv haben wir die Unverwechselbarkeit innerhalb Deutschlands total verloren. Nicht zum Spielgeschehen passender Singsang und möglichst pausenlose Gesangsberieselung erinnert mehr an Kaufhausmusik als an eine Betzehölle. Ich wünsche mir eine Explosion bei Fouls und positivem Spielverlauf. Das bedeutet auch mal Stille. Und dann knallt es plötzlich wieder los. Das heißt aber auch, dass jeder in der Kurve Verantwortung für die Stimmung trägt und man sich nicht auf das Podest verlassen kann. Also Handy aus, Hände aus der Tasche und mitmachen.
Du sagst selbst: „Wir fühlen uns bevormundet“. Wer ist „wir“?
Jens Bockmühl-Schmiedel: Das sind zum einen alle Fanclubs die in Block 9.1 um mich herum stehen oder standen. Zudem viele Nicht-Ultras, Trikotträger. Quasi all diejenigen, die gerne spielbezogen supporten möchten, weil sie merken, dass die aktuelle Form der Unterstützung nicht ankommt.
Das heißt, für euch sind die Schuldigen schon ausgemacht?
Jens Bockmühl-Schmiedel: Ja, das kann man so sagen. Durch die Ultras fühlen wir uns ganz klar bevormundet und übergangen.
Wie ist, abgesehen davon, das Verhältnis zu den verschiedenen Ultragruppierungen?
Jens Bockmühl-Schmiedel: Ich möchte betonen, dass es uns in keinster Weise darum geht einen Krieg gegen die Ultras vom Zaun zu brechen. Vielmehr geht es darum, sich gegenseitig zu respektieren. Und genau dieser Respekt scheint vor allem von Seiten der Ultras nicht vorhanden zu sein. Ich habe das Gefühl, dass es nur noch darum geht, die Ultra-Stimmung als einzig wahre Betzenberg-Stimmung zu verkaufen. Es ist sicherlich nicht alles schlecht. Choreos und andere Engagements sind schon in Ordnung, nur wollen wir nicht zwangsbeschallt werden.
(...)Quelle und kompletter Text: Unsere Farben oder keine!