Neues vom Betzenberg

Gegner-Check HSV: Die Gefahr droht aus der Luft

Gegner-Check HSV: Die Gefahr droht aus der Luft

Foto: Imago Images

FCK gegen HSV, Dritter gegen Zweiter. Stehen sich da tatsächlich Aufstiegs­kandidaten ge­gen­über? Noch haben die Hamburger nicht bewiesen, dass sie den Aufstieg mit mehr Köpf­chen anstreben als zuletzt. Eins aber können sie ganz sicher: per Kopf treffen.

So lief's seit dem Hinspiel: Am 6. Spieltag war's noch ein Duell Vierter gegen Zehnter. Und mancher beim 1. FC Kaiserslautern ärgert sich bis heute: Der 2:1-Sieg der Betze-Buben war schon so gut wie eingetütet, als der eingewechselte Davie Selke doch noch traf. Zuvor hatten die Hamburger gegen die Aufsteiger aus Münster (4:1) und Regensburg (5:0) klar gewonnen und waren dementsprechend guter Dinge, in dieser Saison endlich ihr Trauma zu überwinden: Stets gegen die "Kleinen" der Liga die Punkte zu verlieren, die am Ende zum Aufstieg fehlen. So gut lief's jedoch nicht weiter. Nach zwei Niederlagen in Elversberg und Braunschweig und zwei Remis gegen Nürnberg und Schalke musste Trainer Steffen Baumgart seine Schiebermütze nehmen. Über seinen Nachfolger wurde tagelang wild spekuliert, vorübergehend hatte angeblich wieder mal Bruno Labbadia die Nase vorne, dann entschied Sportvorstand Stefan Kuntz, dem bisherigen Co Merlin Polzin das Vertrauen auszusprechen. Und mit dem läufts bislang gut. Der HSV ist seither unbesiegt, fünf der neun Spiele unter Polzin gewann er. Das 1:1 in Regensburg zuletzt wurde im Umfeld jedoch recht kritisch gesehen - hatte sich da etwa erneut das Kleine-Gegner-Trauma Bahn gebrochen? Auf wenig Zustimmung stieß auch Polzins Entscheidung, Kapitän Sebastian Schonlau (30), der zuletzt die Bank drückte, wieder in die Startelf zu nehmen und dafür den zuverlässigen Daniel Elfadli (27) erstmal draußen zu lassen. Andererseits mussten die Rothosen die Schlussviertelstunde in Unterzahl kicken und schafften es dennoch, den Ausgleich zu erzielen. Flügelstürmer Emir Sahiti (26) hatte Gelb-Rot gesehen. Der fehlt nun auch gegen FCK.

Das hat sich geändert: Polzin ist zu einem 4-1-2-3 als Grundordnung zurückgekehrt, damit spielt das Team wieder das, was es noch in der Zeit unter Baumgart-Vorgänger Tim Walter verinnerlicht hat, der für HSV-Verhältnisse ja ungewöhnlich lange wirken durfte. Baumgart hatte auf Dreier- und Fünferketten gesetzt. Das aber dürfte kaum die Hauptursache für den Aufschwung unter dem neuen Verantwortlichen. Boss Kuntz lobt vor allem die "klare Linie", die Polzin verfolgt. Baumgart dagegen war im Bemühen, der HSV-Defensive mehr Stabilität zu verleihen, zunehmend von dem abgerückt, was von ihm gecoachte Teams immer auszeichnete: Hohes Pressing, frühe Ballgewinne, kurze Wege zum gegnerischen Tor. Allerdings war Baumgarts Kader in den Wochen vor seiner Entlassung von extremem Verletzungspech heimgesucht worden. Unter anderem fiel neben Kapitän Schonlau auch Abwehrriese Dennis Hadzikadunic (26) wochenlang aus. Und seit dem 8. Spieltag fehlt Torjäger Robert Glatzel (31). Im Hinspiel wunderten sich viele Lautrer, weshalb Spieler wie Selke und Jean-Luc Dompé (29) nur von der Bank kamen. Die Frage stellt sich nun nicht mehr, bei Polzin sind beide gesetzt. Kuntz' Transferpolitik in die Winterpause überraschte: Während andere aus dem weiten Feld an nirgends wirklich souverän auftretenden Aufstiegskandidaten personell nochmal aufrüsteten, um am Ende vielleicht die Nase vorn zu haben, begnügte er sich mit der Verpflichtung von drei Talenten: den Flügelstürmern Alexander Røssing-Lelesiit (18) und Adedire Mebude (20) sowie Innenverteidiger Aboubaka Soumahoro (20). Duftmarken hat noch keiner der drei gesetzt, für Røssing-Lelesiit oder Mebude könnte es am Freitag allerdings soweit sein, da Sahiti ersetzt werden muss.

Gewinner und Verlierer: Davie Selke vertritt Glatzel nicht nur als Torjäger erfolgreich - 14 Treffer bislang. Er hat sich auch zum Führungsspieler entwickelt. Auch Ransford Königsdörffer (23) entwickelt sich weiter positiv. Mittlerweile gehen bereits sieben Buden auf sein Konto, zudem profiliert sich der gelernte Stürmer zunehmend als Allrounder. In Regensburg durfte er als Achter ran. Am Freitag wäre auch er eine Option als Rechtsaußen. Elfadli, vergangenen Sommer aus Regensburg gekommen hat sich ebenfalls als feste Größe etabliert. Sechser Jonas Meffert (30) und Keeper Daniel Heuer Fernandes (31) sind dies nach wie vor. Dem Ex-Lautrer Matheo Raab (26) dagegen bleibt das Pech treu. Nachdem er im Hinspiel gegen den FCK sowie in den beiden Partien danach mal zwischen die Pfosten durfte, saß er wieder auf der Bank - und nun hat er sich die Hand gebrochen. Auch etliche andere Profis fehlen zurzeit verletzungsbedingt: Bakery Jatta (26), Immanuel Pherai (23), Noah Katterbach (23), Fabio Baldé (19) sowie Neuzugang Soumahoro. Überhaupt keine Rolle mehr spielt der Uwe Seelers Enkel Levin Öztunali (28). Der langjährige Stammspieler Ludovit Reis (24) kam zuletzt nur noch von der Bank, allerdings war auch er in der Hinrunde lange verletzt ausgefallen. Glatzel befindet sich übrigens wieder im Mannschaftstraining. Ein Joker-Einsatz gegen Lautern ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

Zahlenspiele: In einer eigens für ihn angelegten "Polzin-Tabelle", also gerechnet ab seiner Amtsübernahme am 14. Spieltag, rangiert der Hamburger SV auf Rang 1, allerdings punktgleich mit dem 1. FC Köln und dem FCK. Und gemeinsam mit Hannover stellt er die zweitbeste Abwehr, nur der FC hat noch zwei Buden weniger kassiert. Lautern ist mit elf Gegentreffern aus den jüngsten neun Spielen aber knapp hinten dran. Unter Baumgart hatten die Hamburger in 13 Partien 19 Gegentore hinnehmen müssen. Damit hat der aufgerückte Co geschafft, was seinem ehemaligen Chef versagt blieb: Er hat die Defensive stabilisiert. Dass der HSV mit 48 erzielten Treffern Liga-Spitze ist - dazu haben beide Übungsleiter beigetragen. Gefährlich sind insbesondere die Ecken, nach denen bereits sechs Treffer fielen. Getreten werden sie von beiden Seiten fast ausnahmslos von Miro Muheim (26), der auch sonst gut flankt: Insgesamt gehen bereits zehn Assists auf sein Konto. Und 15 Treffer haben die Hanseaten per Kopf erzielt, damit sind sie einsame Liga-Spitze - bei den Zweitplatzierten dieses Rankings, Schalke und Münster, stehen gerade mal neun Kopf-Buden zu Buche, der FCK steht mit vier im unteren Tabellendrittel. Im Ballbesitz-Ranking stehen die Elbe-Städter auch nach der Walter-Ära mit durchschnittlich 52 Prozent immer noch auf Rang 4, in punkto Passgenauigkeit sind sie mit 86,5 Prozent Erster. Elfadli (94,7 Prozent) hat Meffert (93,8 Prozent) als präzisester Passspieler abgelöst. Dompé schlägt nach dem Paderborner Zehnter und dem Kölner Paqarada die meisten Flanken in der Liga. Und: Der HSV ist als einziges Team der Liga zuhause noch ungeschlagen, hat aber schon sechsmal nur Remis gespielt.

Fazit: Zu denken, das zuletzt gegen Hannover erzielte "zu null" wäre ein Beleg für die Qualität seiner Abwehrarbeit, wäre so ziemlich der größte Fehler, den die Roten Teufel vor dieser Partie machen könnten. Auch wenn es schon das zweite nacheinander war. Doch dieses "zu null" kam mit mehr Glück als Verstand zustande. Die 96er versiebten mindestens zwei "Hundertprozentige", und das Abseitsstellen bei Freistoßflanken aus dem Halbfeld sorgte mehrfach für Herzinfarkt-Momente, auch weil der Schiedsrichter einige Male den Pfiff verweigerte. Das muss besser werden. Wobei: Es gegen diesen Gegner auf Kopfballduelle ankommen zu lassen, erscheint ebenso riskant. Da hat Markus Anfang bis Freitag also einiges zu grübeln. Was die Nullnummer gegen 96 ebenfalls verdeutlichte: Tief stehen bedeutet nicht unbedingt mehr defensive Stabilität. Zu den meisten Chancen kamen die Gäste, als sich die Gastgeber in die Seile hängten. Weiter vom Tor zu verteidigen und konzentriertes Gegenpressing auszuüben, stand dem FCK wesentlich besser zu Gesicht, allerdings gelang ihm das nur in kurzen Phasen. Die gilt es zu verlängern. Sonst dauert es nicht lange, bis den Pfälzern an der Waterkant das Wasser bis zum Hals steht.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Freitag, 18:30 Uhr: Ein richtungweisender Spieltag steht an (Der Betze brennt)

Kommentare 510 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken