Lautern gegen Magdeburg. Die einen haben zwei Liga-Spiele in Folge gewonnen, die anderen verloren. Bestätigen sich beide Trends - oder enden beide? Angesichts dieser Ausgangslage nähme ein Remis der Partie glatt die Brisanz.
Anspruch und Wirklichkeit: Das zweite Jahr in der Zweiten Liga gestaltete sich nicht nur für den 1. FC Kaiserslautern schwer. Auch den 1. FC Magdeburg, der ebenfalls 2022 ins Unterhaus zurückkehrte, plagten in der Rückrunde der vergangenen Saison schwere Abstiegsnöte. Zeitweise geriet sogar Aufstiegstrainer Christian Titz in die Kritik, der bislang fest im Sattel saß. Zweifel kamen auf, weil der Coach seine Ansprüche an Spielkultur auch im Abstiegskampf aufrecht erhalten sehen wollte. Die lesen sich bisweilen übrigens wie die, die FCK-Trainer Markus Anfang erhebt: "Wir geben den Spielern eine Grundstruktur vor, wie wir mit und gegen den Ball spielen wollen", erzählte Titz etwa unlängst im "Kicker"-Interview. "Aber auf dem Platz muss der Spieler unter Stress oft in Sekundenbruchteilen eine Situation bewerten, für die es drei, vier Lösungsansätze gibt. Der Spieler soll seine Intuition einbringen. Aber: Wir wollen hoch pressen und den Gegner früh stressen. Dazu brauchen wir Spieler mit Energie, und mit Ball brauchen wir Mut und Geduld." Das könnte Markus Anfang exakt genauso gesagt haben. Wie auch immer: "Das System Titz ist tot", urteilte die "Magdeburger Volksstimme" noch im April, und stützte sich dabei auf entsprechende Aussagen verdienter Ex-Profis. Sportchef Ottmar Schork aber blieb standhaft, hielt am Trainer fest und gemeinsam schaffte man den Klassenverbleib. Auch im Sommer ließ sich das Vereinsgerüst nicht in seinen Grundfesten erschüttern. Der ablösefreie Abgang von Sturmtank Luca Schuler schmerzte natürlich, für Daniel Elfadli und Amara Condé floss wenigstens Geld. Man investierte aber nicht nur in Neuzugänge, sondern auch nachhaltig in Infrastruktur. Und der Start in die neue Saison verlief traumhaft. Der FCM blieb bis zum 8. Spieltag ungeschlagen, was ihn auf Platz 2 führte. Zuletzt aber gab es zwei Niederlagen beim Hamburger SV (1:3) und zuhause gegen Hannover (0:3). Verlieren die Magdeburger auch auf dem Betzenberg, wäre das geschaffen, was der einstige FCK-Trainer Milan Sasic mal eine "negative Kontinuität" nannte.
Die Neuen: Beim FCK kam Aufstiegsheld Philipp Hercher (28) nicht mehr in die Puschen. Das lag vordergründig an Problemen im Hüftbeuger, doch war ebenso zu hören, die Zweite Liga sei "zu hoch" für ihn. Christian Titz war da anderer Meinung, holte ihn nach Magdeburg. Weil er, wie er verlautbarte, Herchers Geschwindigkeit und dessen "gute Balance zwischen Defensive und Offensive" schätzte. Und bislang lässt Hercher nicht erkennen, dass die zweite Klasse ihn überfordert. Er kam bereits siebenmal zum Einsatz, zweimal von Beginn an. Als Schienenspieler mit ähnlichen Skills ausgestattet ist Lubambo Musonda (29), der aus Norwegen nach Mitteldeutschland wechselte. Er schlug gut ein, hatte nach acht Spieltagen bereits drei Torvorlagen auf dem Konto, verletzte sich dann aber an den Adduktoren. Von den "Eisernen" in Berlin lieh der FCM Flügelstürmer Livan Burcu (20), der bereits fünf Startelf-Einsätze verzeichnet, zweimal traf und zweimal auflegte. Der aus Sandhausen geholte Mittelfeldmann Abu-Bekir Ömer El-Zein (21) war bislang nur als Einwechselspieler im Einsatz, ebenso Falko Michel (23), ein Flügelstürmer aus dem Dortmunder Nachwuchsstall. Noch gar nicht zum Zuge kam der erfahrene Robert Leipertz (30), zuletzt Paderborn. Gleich zur Abwehrsäule mutierte dagegen der Däne Marcus Mathisen (28), der von Zweitliga-Absteiger Wehen Wiesbaden verpflichtet wurde. Ein richtiger Coup scheint Schork und Titz mit Martijn Kaars (25) geglückt zu sein, den sie für 800.000 Euro aus der Zweiten Liga der Niederlande holten. Der Mittelstürmer hat schon fünfmal getroffen und reichlich Potenzial für mehr angedeutet. Als Nebenmann oder Backup für Kaars lieh man Bryan Teixeira (24) von Sturm Graz, der bislang aber noch nicht so recht zündete. Ebenso der Last-Minute-Zugang Samuel Loric (24), der aus Frankreichs Dritter Liga kam. Angesichts der vielen Ausfälle auf den Außenbahnen könnte er am Sonntag sein Startelf-Debüt als linker Schienenspieler geben.
Die Formation: Bis zum Schlussdrittel der vergangenen Spielzeit bevorzugte Titz Viererketten, dann stellte er auf Dreierkette um. Mit der läuft seine Elf auch in dieser Runde auf. Dieses Kettengedöns ist eigentlich aber nebensächlich, wie auch Markus Anfang ständig betont. Das Spiel des FCM prägen Ballbesitz und hohes, mutiges Pressing. Besonderes Merkmal: Wie auf Titz' vorangegangener Station beim Hamburger SV spielt auch der Torwart fleißig mit, Dominik Reimann rückt beim Spielaufbau bisweilen zwischen die Innenverteidiger. Die Dreierkette um Neuzugang Mathisen wurde zuletzt von Daniel Heber (30) und Jean Hugonet (24) komplettiert. Hugonet aber droht am Sonntag mit einer Fußverletzung ausfallen. Für ihn stünde die langjährige Stammkraft Tobias Müller (30) bereit, der zuletzt nur von der Bank kam. Mit Andi Hoti (21) ist noch ein weiterer Innenverteidiger wieder einsatzbereit. Auf der Sechs versieht Silas Gnaka (25) nach wie vor seinen Dienst, assistiert wird ihm vom ebenfalls fest etablierten Connor Krempicki (30). Auf der rechten Außenbahn fällt Stammkraft Herbert Bockhorn (29) lange aus. Jetzt hat sich auch noch Mohammed El Hankouri (27) zu ihm und Masonda auf die Verletztenliste gesellt. Was einen erneuten Startelf-Einsatz von Hercher erst recht wahrscheinlich macht. Die offensiven Flügel besetzten gegen Hannover rechts Xavier Amaechi und links Burcu. Der Topscorer der vergangenen Jahre, Baris Atik (29), saß nur auf der Bank, und das nun schon zum wiederholten Male, hört, hört. Jetzt hat sich Atik auch noch verletzt und fällt ganz aus. Die Flügel-Moskitos Jason Ceka (24) und Tatsuya Ito (27) sind aber auch noch da. Vorne in der Mitte ist Kaars gesetzt. Man sieht: Schork und Titz haben mit überschaubaren Mitteln einen Kader zusammengestellt, der viele Optionen eröffnet, wegen der vielen Ausfälle aber gehen sie zurzeit auf dem Zahnfleisch.
Zahlenspiele: Mit 58 Prozent Ballbesitz Liga-Spitze und unter den Top 3, was die Passquote angeht (86,4 Prozent) - das sind Werte, wie man sie von Titz-Teams kennt. Was die "Passes per defensive Action" (PPDA) und die "Herausforderungsintensität" angeht, liegt der FCM gleichauf mit Lautern, auch das zeigt eine gewisse Verwandtschaft in Sachen Anspruch. Die Magdeburger gestatten ihrem Gegner im Schnitt 9,97 Zuspiele, ehe sie ihn attackieren (FCK: 9,89). Und sie starten pro Minute gegnerischen Ballbesitzes im Mittel 5,6 mal ein Duell oder Tackling, um in Ballbesitz zu kommen. Die Anfang-Elf weist den gleichen Wert auf. Der interessanteste Fakt über die Sonntagsgäste findet sich aber, wenn man ein wenig tiefer ins Zahlenwerk eintaucht. Niemand spielt mehr sogenannte "smarte", also linienüberwindende Pässe als Magdeburg, im Schnitt 19,55 pro Spiel. Wir trauen uns kaum, es zu sagen, aber: Der FCK ist in diesem Ranking mit nur 8,43 smarten Pässen pro Partie Letzter. Immerhin kommen 50 Prozent dieser Zuspiele an, das ist Platz 10 im Ligavergleich. Beim Titz-Team sind’s allerdings stolze 54,5 Prozent. Und weil’s mittlerweile sowas wie Tradition hat, hier der Blick in die Laufstatistiken: Der FCM ist Fünfter im Laufdistanz-Ranking, Bester (!) bei der Zahl der Sprints, Zweitbester bei "Intensiven Läufen".
Fazit: Wie stark haben den Gast die beiden Niederlagen in Folge mitgenommen? Und wie stark haben die beiden Liga-Siege in Folge die Betze-Buben gemacht? Antworten auf diese Fragen werden am Sonntag ab 13:30 Uhr gegeben. Angesichts der vergleichbar hohen Ansprüche an Spielkultur, die beide Trainer stellen, könnte es glatt wieder mal ein Spektakel werden. Obwohl dies für die Roten Teufel eher ungewöhnlich wäre, weil kein Samstagabendspiel. Wie oben dargestellt, gilt es für die Gastgeber, vor allem dafür zu sorgen, dass der Gegner seine Spezialität nicht ausspielt, den smarten Pass. Wenn die Lautrer aber so eng zusammenstehen wie in Düsseldorf und vielleicht noch einen Tick energischer im Gegenpressing werden, könnte das hinhauen. Was den Magdeburgern eventuell zum Vorteil gereicht: Sie mussten unter der Woche nicht mehr im DFB-Pokal ran, haben nach einem 1:2 in Offenbach bereits in der ersten Runde die Segel gestrichen. Aber auch dem FCK-Team sollte die Pause von Dienstag bis zum Heimspiel am Sonntag locker zur Regeneration gereicht haben. Zumal der Abstand bis zum dann folgenden Freitagsspiel in Nürnberg auch nicht größer ist.
Quelle: Der Betze brennt
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