Neues vom Betzenberg

Gegner-Check F95: Beim Top-Team darf man Underdog sein

Gegner-Check F95: Beim Top-Team darf man Underdog sein

Foto: Imago Images

Die 3:0-Sieger des vergangenen Spieltags treffen aufeinander. Da steht ein offener Schlag­abtausch an, oder? Abwarten. Der 1. FC Kaiserslautern muss erst noch in die Spur finden, in der Fortuna Düsseldorf bereits unterwegs ist.

Anspruch und Wirklichkeit: Hand aufs Herz, welcher FCK-Fan hat nicht ein wenig hämisch gegrinst, als die Düsseldorfer im Sommer in der Relegation gegen den VfL Bochum ihren 3:0-Vorsprung aus dem Hinspiel verzockten und im Elfmeterschießen scheiterten - und sowas wie "ausgleichende Gerechtigkeit" gemurmelt in Erinnerung an den fragwürdigen 4:3-Sieg der Fortuna über Lautern in der vergangenen Saison? Aber genug damit. Werden wir wieder sportlich - und mitfühlend. Nach einem solch traumatischen Erlebnis wieder in die Puschen zu kommen, ist nicht einfach. Und den Abgang eines Top-Scorers wie Christos Tzolis und zweier Mittelfeld-Asse wie Yannik Engelhardt und Ao Tanaka zu verschmerzen, erst recht nicht. Aber: Die Fortunen haben dies jedoch alles gut weggesteckt, blieben bis zum 8. Spieltag saisonübergreifend 21 Spiele ungeschlagen. Obwohl Sportvorstand Klaus Allofs nach dem qualitativ schwerwiegenden Aderlass auf dem Transfermarkt eher gekleckert statt geklotzt hatte, trotz fetter Einnahmen aus den Ablösen. Am 8. Spieltag setzte es eine empfindliche 0:3-Heimniederlage gegen den HSV. Auf die wiederum ein deutlicher 3:0-Sieg bei Aufsteiger Regensburg folgte. Mit dem die Rheinländer, wenn auch knapp, weiterhin die Tabellenführung behaupten. Wirtschaftlich präsentiert sich die Fortuna ebenfalls gut aufgestellt: Das Geschäftsjahr 2023/24 wurde gerade mit 568.000 Euro Überschuss abgeschlossen, nachdem zuvor drei Jahre lang rote Zahlen geschrieben worden waren. Die Weichen sind also gestellt, um auf dem Weg nach oben weiter voranzuschreiten.

Die Neuen: Die drei Abgänge spülten rund 20 Millionen Euro an Ablösen in die Kassen, Allofs aber reinvestierte nur einen Bruchteil davon, setzte personell lieber auf Kontinuität. Überwies rund zwei Millionen Euro nach Kopenhagen, für den isländischen Mittelfeldspieler Ísak Jóhannesson (21), der im Vorjahr bereits geliehen war. Rund eine Million kostete der Franzose Giovanni Haag (24), der den acht Millionen schweren Engelhardt im defensiven Mittelfeld ersetzen soll. Und für bescheidene 200.000 Euro kam Rechtsverteidiger Valgeir Lunddal (23) aus Island. Ansonsten holte Allofs ablösefreie Spieler wie Tim Rossmann (20) vom Karlsruher SC, der sich als Linksaußen direkt etabliert hat. Oder Stürmer Danny Schmidt (21) aus der zweiten Garnitur von Mainz 05, der ebenfalls schon vier Startelf-Einsätze verzeichnet. Geliehen wurden zudem Flügelspieler Myron van Brederode (21) aus Alkmaar und Stürmer Dzenan Pejcinovic (19) aus Wolfsburg, die sich allerdings noch nicht groß in Szene setzten. Und dann ist da natürlich noch Dawid Kownacki (27), von Werder Bremen ausgeliehen. An ihm soll auch der FCK interessiert gewesen sein. Aber da saß die Fortuna wohl am längeren Hebel, dank der Engelhardt-Millionen und des Umstands, dass man Kownacki in ein vertrautes Umfeld zurücklocken konnte. Denn der Pole stand schon einmal in Düsseldorf unter Vertrag, kam in der Saison 2022/23 auf 14 Treffer und neun Assists. Die Schlagzahl hat Kownacki in dieser Runde noch nicht ganz erreicht, doch kommt er zusehends besser in Tritt. Drei Scorerpunkte bislang, zuletzt traf er in Regensburg.

Die Formation: Trainer Daniel Thioune bevorzugt als Grundordnung ein 4-2-3-1, hat zuletzt aber im Länderspielpausen-Test gegen Heracles Almelo (0:1) oder im DFB-Pokal gegen Dynamo Dresden (0:2) mit Dreierketten experimentiert. Gut eingespielt präsentiert sich die Hintermannschaft. Das Tor hütet seit Jahr und Tag Florian Kastenmeier (27), der bislang die meisten Torschüsse in der Zweiten Liga parierte. Die Innenverteidigung steht in der Regel mit Tim Oberdorf (28) und Kapitän Andre Hoffmann (31). Der musste wegen einer Gelb-Sperre in Regensburg pausieren, wurde aber mit Jordy de Wijs (29 durch einen ebenfalls erfahrenen Recken ersetzt. Als Außenverteidiger kann Emmanuel Iyoha (27) mal links, mal rechts auftauchen. Da Neuzugang Lunddal zuletzt muskuläre Probleme plagten, ist derzeit ein Einsatz rechts wahrscheinlicher. Stamm-Linksverteidiger Nicolas Gavory (29) indes ist ebenfalls lädiert, ihn ersetzte in Regensburg Joshua Quarshie (20, der eigentlich Innenverteidiger ist. Auf die Sechs dürfte Haag zurückkehren, er hatte in Regensburg ein Spiel ausgesetzt, nachdem er beim 0:3 gegen den HSV vom Platz geflogen war. Ihm zur Seite steht in der defensiven Variante der erfahrene Matthias Zimmermann (32), der auch rechter Verteidiger kann, in der offensiven Jóhannesson. Routinier Marcel Sobottka (30) hatte sich zuletzt mit einer Wadenverletzung verabschiedet, sich in der Länderspielpause aber zurückgemeldet. Als Achter oder Zehner ist wieder mit Shinta Appelkamp (23) zu rechnen, den kurz nach Saisonstart ein Muskelfaserriss zurückwarf. Über den rechten Flügel wieselt nach wie vor Felix Klaus (32), links hat sich der junge Rossmann festgespielt. In der Mitte lauert Kownacki, für ihn stehen mit Schmidt, Jona Niemiec (23) und Vincent Vermeij (30) junge und erfahrene Alternativen bereit.

Zahlenspiele: 22 Torabschlüsse, 24 Flanken aus dem Spiel heraus, 86,72 Prozent Passpräzision, 2,47 expected Goals - und dennoch 0:3 verloren. Zahlen, die zeigen: Das 0:3 gegen den Hamburger SV markierte keinesfalls einen Leistungseinbruch im imposanten Lauf der Fortuna mit 21 Spielen ohne Niederlage. Sondern ist eher unter dem Menüpunkt "Shit happens" zu verbuchen. Umgekehrt hatten Thiounes Jungs mit Aufsteiger Regensburg wesentlich mehr Mühe, als es das 3:0 am Ende aussagte - ebenso wie das des FCK gegen Paderborn. Dafür muss dem Lautrer Anhang beim Blick auf die Laufstatistiken des Gegners endlich mal nicht bange werden. In den Rubriken "Sprints" und "Intensive Läufe" rangiert Fortuna wie der FCK im hinteren Drittel der entsprechenden Rankings. Lediglich bei "gelaufene Kilometer insgesamt" belegt Düsseldorf den 8. Rang, während der FCK Vorletzter ist. Gleichwohl ist die Fortuna Tabellenführer, und das muss Gründe haben. Einer davon ist das starke Defensivverhalten des Teams, mit erst sieben Gegentreffern stellt es nach Hannover die zweitbeste Abwehr. Getroffen hat es aber nur einmal mehr als Lautern, 14-mal nämlich, und noch kein Fortune hat mehr als zwei Tore auf dem Konto. Der Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr die Meisterschaft ... Ja, schon klar, den Spruch kennt jeder. Vorsicht geboten ist auf jeden Fall vor Jona Niemiec, auch wenn er meist nur eingewechselt wird: Mit 36,35 km/h ist er bislang der schnellste Spieler, der in der Zweite Liga geblitzt wurde.

Fazit: Dass der Sieg gegen Paderborn fußballerisch keine Weiterentwicklung brachte, sondern das Resultat einer großen kämpferischen Leistung insbesondere der Abwehrspieler war, hat FCK-Trainer Markus Anfang nach der Partie indirekt selbst eingeräumt. Somit hat dieses 3:0 gezeigt, was wir auch schon in unserem Zwischenzeugnis in der jüngsten Länderspielpause andeuteten: Die Mannschaft fährt immer noch besser mit dem, was sie auch in der jüngeren Vergangenheit besser konnte. Vereinfacht ausgedrückt: "Underdog"-Fußball. Und der darf ja durchaus angesagt sein beim Tabellenführer. Sich zur Vorbereitung das 0:3 der Fortuna gegen den HSV nochmal anzusehen, ist daher vielleicht gar nicht so hilfreich - warum, siehe oben. Der 2:0-Sieg der Dresdner im DFB-Pokal dagegen bietet womöglich aufschlussreicheres Anschauungsmaterial. Denn die Sachsen exerzierten vor, wie ein kompaktes 5-3-2 geht, und mit einem solchen setzte der FCK auch Paderborn in der ersten Hälfte ordentlich zu. Dabei erzielten die Dresdner ihren ersten Treffer gar nicht mal über eine Umschaltaktion, sondern spielten ihn über den rechten Flügel gegen eine bereits formierte Abwehr heraus. Fraglich ist halt, wie der FCK noch einmal eine so stabile 5-3-2-Formation gegen den Ball hinbekommen will, wenn der gegen Paderborn lädiert ausgewechselte Jannis Heuer in Düsseldorf fehlen würde. Da auch Boris Tomiak, Jan Gyamerah und Almamy Touré nicht zur Verfügung stehen, hätte Markus Anfang für die linke Innenverteidiger-Position eigentlich keine "gelernte" Alternative mehr. Außer vielleicht Leon Robinson. Hoffen wir also, dass Heuer einsatzbereit sein wird. Seine Verletzung ist nicht so schlimm, am Dienstag und Mittwoch wurde er im Training allerdings noch geschont.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Samstag, 20:30 Uhr: Lauterns Rückkehr nach Düsseldorf (Der Betze brennt)

Kommentare 468 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken