Die SV Elversberg hat sich zuletzt mit einem 4:1 in Berlin warmgeschossen, der 1. FC Kaiserslautern hat in Regensburg nur ein freudloses 0:0 zusammengewurstelt. Also wartet an der Kaiserlinde der nächste Nackenschlag für die Roten Teufel? Kann sein. Muss aber nicht.
Anspruch und Wirklichkeit: "Es ist überragend und in der Öffentlichkeit fast noch nicht ausreichend gewürdigt, was man in Elversberg auf die Beine gestellt hat. Mit Bedacht und Ruhe. Viele kleine Schritte in der richtigen Reihenfolge. Auch die Kombination Horst Steffen und Ole Book finde ich überragend. Es ist extrem bewundernswert. Anfangs hat man sie unterschätzt, jetzt haben sie mit Leistung gezeigt, dass sie in die 2. Bundesliga hingehören." Mit diesen Worten zollte der "Elv" unlängst Stefan Kuntz Respekt, gegenwärtig Sportvorstand beim HSV. Und der gebürtige Saarländer mit langer FCK-Geschichte ist beileibe nicht der einzige Liga-Insider, der den Hut vor den Elversbergern zieht, nachdem sie erst den Durchmarsch durch die 3. Liga schafften und sich danach souverän eine Klasse höher etablierten. Ab dem 5. Spieltag der vergangenen Saison stand der Aufsteiger nicht mehr auf einem Abstiegsplatz, am Ende blickte er von Rang 11 aus auf die hinter ihm liegenden Klubs. Und geschafft hatte die SVE dies nicht etwa mit typischem "Underdog"-Fußball, sondern in einem erfrischenden Offensivstil mit viel Tempo und hohem Pressing. Der Start in diese Saison verlief bislang wechselhaft. Nach dem 4. Spieltag warf Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht das Handtuch, als der Bundesliga-Absteiger an der Kaiserlinde mit 0:4 untergegangen war. Danach erlebten die Saarländer eine empfindliche 1:3-Heimniederlage gegen Aufsteiger Ulm. Vergangene Woche aber folgte ein spektakulärer 4:1-Auswärtssieg bei Hertha BSC. Unterm Strich stehen bislang zwei Siege, zwei Niederlagen und drei Unentschieden zu Buche. Die gleiche Bilanz weist auch der FCK auf.
Die Neuen: Für Offensivkraft Jannik Rochelt kassierte Elversberg ihre bisherige Rekordablöse von 1,5 Millionen Euro aus Hannover. Die starken Leihspieler Paul Wanner und Wahid Faghir kicken nun bei den Bundesligisten in Heidenheim und Stuttgart. Der langjährige Kapitän Kevin Conrad verabschiedete sich in den Ruhestand, den Vertrag mit Marcel Correia ließ man nach einem Seuchenjahr des Ex-Lautrers auslaufen. Doch immer noch besteht der SVE-Kader aus einem festen, gewachsenen Kern. Zehn Spieler liefen schon zu Regionalliga-Zeiten für den Klub auf. Investiert wurde erneut sparsam - und in viel Jugend. Ältester und mit 400.000 Euro Ablöse teuerster Einkauf ist Tom Zimmerschied (26), vergangene Saison Top-Scorer bei Drittligist Dresden. Der Linksfuß ist aber noch dabei, nach einer Verletzungspause wieder fit zu werden, im Laufe des Oktobers soll es soweit sein. Vom FC Augsburg holte Sportchef Book für 350.000 Euro Lukas Petkov (23), wie Zimmerschied eine flexibel einsetzbare Offensivkraft. Aus Paderborn kam für kleines Geld Innenverteidiger Maximilian Rohr (29). Flügelstürmer Filimon Gerezgiher (24) wechselte ablösefrei von Regionalligist Freiberg ins Saarland. Von Eintracht Frankfurt und der TSG Hoffenheim ausgeliehen wurden Rechtsverteidiger Elias Baum (18) und Stürmer Fisnik Asllani (22).
Die Formation: Asllani bildete mit Luca Schnellbacher direkt ein effektives Sturmduo. Asllanis Konto verzeichnet bereits vier Treffer und zwei Assists, Schnellbachers vier Buden und eine Vorlage. Drum variierte Trainer Steffen sein übliches 4-2-3-1 in ein 4-4-2. Leidtragender ist unter anderem Paul Stock (27), der sich vergangene Saison als Zehner etablierte, nun aber nur noch von der Bank kommt. Überhaupt haben die Neuzugänge den Wettbewerbsdruck im Kader enorm erhöht. Davon weiß etwa Carlo Sickinger (27), in den Vorjahren Stammkraft und zeitweise Kapitän, ein Lied zu singen. Seit Saisonbeginn aber zieht Trainer Steffen Lukas Pinckert (24) dem einstigen FCK'ler vor. An seiner Seite war zunächst der Franzose Florian Le Joncour (29), der sich jedoch beim 4:0 gegen Darmstadt verletzte. Seither ersetzt ihn Neuzugang Rohr. Auf der rechten Verteidiger-Position hat sich Youngster Baum direkt einen Stammplatz gesichert. Gerezgiher hat als Linksaußen Rochelt beerbt, rechts ist mittlerweile Petkov an Manuel Feil (29) vorbeigezogen. Ihre Stammplätze bewahrt haben sich neben Schnellbacher Torwart Nicolas Kristof (24), Linksverteidiger Maurice Neubauer (28) sowie Kapitän Robin Fellhauer (26) im defensiven Mittelfeld. Neben ihm rückt Semih Sahin (24) zunehmend in den Fokus höherklassiger Vereine.
Zahlenspiele: Zu den erklärten Saisonzielen der "Elv" gehört, die Anzahl der Gegentreffer zu minimieren. Vergangene Spielzeit kassierte sie 63 Buden, nur eine weniger als der FCK, lediglich Absteiger Osnabrück fing sich mehr ein (69). In dieser Runde stehen die Saarländer bislang besser da: Neun Gegentore nach sieben Spielen (FCK: elf). Allerdings: Bei der 1:3-Heimniederlage gegen Ulm kassierten sie einen Treffer nach einem direkten und einen nach einem indirekten Freistoß, und nach einem weiteren Freistoß-Flugball landete ein Kopfball an der Querlatte. Die Verteidigung von ruhenden Bällen gilt schon länger als Elversberger Problem, da könnte für die Roten Teufel also was gehen. Allerdings haben auch sie schon fünf Treffer nach Standardsituationen kassiert. In punkto Pressing-Intensität haben die Gastgeber bislang noch nicht ihr Niveau der Vorsaison erreicht. Sie gestatteten dem Gegner im Schnitt 12,78 Zuspiele, ehe sie ihn attackieren, das ist zurzeit der viertschlechteste Wert in der Liga. Der FCK liegt mit 9,48 "Passes per defensive Action" (PPDA) dagegen auf Rang 4 im Wettbewerbsvergleich. Überragend präsentieren sich Steffen-Jungs dagegen wieder in den Laufstatistiken: Dritter bei "zurückgelegten Kilometern", Dritter bei "Intensive Läufe", Erster bei "Sprints". Über die FCK-Platzierungen in diesen Rankings schweigen wir lieber.
Fazit: Nach dem freudlosen 0:0 der Lautrer in Regensburg und dem 4:1-Knaller der Elversberg in Berlin unkt es seit dem vergangenen Wochenende durchs Netz: Die "Elv" hat sich jetzt warmgeschossen, die Pfälzer erwartet eine Auswärtspleite. So weit ist es aber noch nicht, und so weit muss es auch nicht kommen. In Elversberg wird der FCK sein Spiel anders anlegen als in Regensburg, also werden auch die Karten neu gemischt. Denn es darf davon ausgegangen werden, dass die laufstarken Gastgeber ihre bislang maue Platzierung im PPDA-Ranking korrigieren wollen. Die Anfang-Elf wird also nicht mit langen Ballstaffetten gegen einen tiefstehenden Gegner Lücken suchen müssen, sondern gegen ein hoch attackierendes Team die erste Pressinglinie überspielen und den schnellen, vertikalen Weg nach vorne suchen. Zugegeben: Das eine klappte diese Saison ebenso noch nicht so richtig wie das andere. Doch die Roten Teufel sind ja noch in der Lernphase. Und kommen mit einem weniger ballbesitzorientierten Stil mittlerweile wohl besser zurecht. Gegen die beweglichen, gerne rochierenden Offensivspieler und die an den Seitenlinien aufmarschierenden Außenverteidiger der SVE wird es aber darauf ankommen, endlich das "Verteidigen am Mann" so umzusetzen, wie der Trainer es fordert. Klappt das, könnte gegebenenfalls eine Standardsituation das Spiel entscheiden.
Quelle: Der Betze brennt
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