Eine "Boeing 747" ist er nicht, der erste Neuzugang des 1. FC Kaiserslautern. Eher eine "Lokomotive", die ordentlich Dampf macht. Luca Sirch kommt aus Leipzig, ist in Augsburg geboren - und ein fußballerischer Spätentwickler, aber mit Potential.
Darf man es als Transfer-"Coup" bezeichnen, wenn ein Zweitligist einen Spieler aus der Regionalliga Nordost verpflichtet? Nun ja, zumindest ist ein Erfolg, beim Werben um einen vielversprechenden 24-Jährigen, der auch noch ablösefrei ist, drei Liga-Konkurrenten ausgestochen zu haben: den 1. FC Magdeburg, den SC Paderborn und die SV Elversberg.
Was an diesen drei Klubs auffällt: Sie stehen für einen betont spielerischen Ansatz, und das in einer Spielklasse, die ansonsten eher für rustikales Handwerk steht. Wenn Luca Sirch ins Anforderungsprofil dieser drei passte, kann das also als weiterer Hinweis darauf gewertet werden, dass der FCK künftig ebenfalls die feinere Klinge schwingen will. Was wiederum in das Bild passt, das in Interviews der letzten sechs, sieben Monate bereits rauszuhören war und sich auch mit der Verpflichtung von Markus Anfang als neuem Cheftrainer weiter abzeichnet.
Ein feines Füßchen hat der Neue in der Tat. Das belegen die zahlreichen Freistoßtore, die von ihm im Internet zu finden sind. Mit einem solchen hat er sich auch vor knapp zwei Wochen von Lokomotive Leipzig verabschiedet. Sein später Ausgleichstreffer beim 1:1 gegen des FSV Zwickau ist hier ab Minute 4:20 zu sehen:
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Die vorausgehende Szene ist ebenso interessant. Sirch war vor der Aktion selbst gefoult worden. Er setzte hinter einem aus dem Leipziger Strafraum geschlagenen langen Ball her und sich dann energisch gegen seinen Gegenspieler durch, der für die anschließende Notbremse Rot sah. Sirch war in dieser Situation also der alleinige Stürmer, der auf den weiten Abschlag lauerte.
Auf dem Papier war er für diese Partie als Zehner nominiert. Eine für ihn ungewohnte Position, die er offenbar aber wirkungsvoll auszufüllen verstand. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die ersten Szenen dieses Zusammenschnitts sehenswert: Der Mann mit der Nummer 24 leitet sämtlich Angriffe seines Teams ein.
Eigentlich Innenverteidiger, der "lange Läufe" liebt
"Er zeichnet sich vor allem durch seine Flexibilität aus und kann sowohl in der Innenverteidigung als auch im zentralen Mittelfeld auflaufen", wird Geschäftsführer Thomas Hengen in der offiziellen Pressemeldung des FCK zitiert. In der Tat ist Luca Sirch in dieser Saison aus der Abwehr weiter nach vorn gezogen worden, was er gut zu nutzen verstand. Von den insgesamt 17 Treffern, die er in vier Jahren und 109 Liga-Spielen bei der "Loksche" erzielte, markierte er 13 in der abgelaufenen Spielzeit. Dazu lieferte er fünf Torvorlagen.
In den Jahren zuvor aber war der gebürtige Augsburger fast durchweg als Innenverteidiger eingesetzt. Diese Position sieht er auch selbst als seine ideale an, wie er im Oktober 2023 im Lok-Leipzig-Podcast "LokCast" verriet. Weil er von da das Spiel vor sich habe und so zu seinen geliebten "langen Läufen" ansetzen könne. Denn diese sind, neben seinen Freistößen, seine Spezialität. Ein besonders eindrucksvoller langer Lauf gelang ihm am 8. Spieltag der Saison 2023/24 im Spiel gegen den BFC Dynamo. Er schloss ihn mit einem satten Torschuss ab, der hier ab Minute 8:50 zu sehen ist:
» Zum Video: Luca Sirchs langer Lauf gegen den BFC Dynamo
Es begann in Memmingen, dann kam Almedin Civa
Fußballerisch sozialisiert wurde Sirch beim FC Memmingen, bei dem er bereits in der U19 auflief. Memmingen? Das klingt jetzt nicht nach fußballerischem Epizentrum. Tatsächlich aber ist der FC führend, was die heimatnahe Ausbildung von Nachwuchs-Kickern im Allgäu angeht. Als Talentförderzentrum des DFB und des Bayerischen Fußballverbandes hat der Klub etliche spätere Profis hervorgebracht. Noch aktiv sind beispielsweise Janik Haberer und Kevin Volland, die aktuell bei Union Berlin unter Vertrag stehen, sowie der frühere Mainzer Alexander Hack, der sich jetzt als Fußball-Söldner in Saudi-Arabien verdingt.
Bei Luca Sirch dagegen sah es zunächst gar nicht so aus, als würde er als Profi sein Geld verdienen. Als sein Vertrag in Memmingen im Mai 2020 auslief, war er sogar fünf Monate vertragslos, ehe ihn Almedin Civa nach Leipzig lotste. Mit dem Coach verbindet der bayrische Schwabe bis heute ein inniges Verhältnis: "Er war immer für uns Spieler da - auch privat - und ist einfach ein toller Mensch."
Sirch brach auch öffentlich immer wieder eine Lanze für den Trainer, als dieser zu Beginn in der vergangenen Saison zunehmend in die Kritik geriet. Im Februar 2024 wurde Civa dennoch entlassen. Für ihn übernahm Torwarttrainer Tomislav Piplica, der älteren Fußballfreunden sicher noch als Keeper von Energie Cottbus bekannt ist.
Auch Piplica setzte Sirch bevorzugt als Sechser oder Achter ein, zuletzt sogar als Zehner. Im Hinspiel gegen Zwickau hatte Civa seinen Lieblingsschüler sogar mal als Linksaußen eingesetzt, wofür er sich mit einem Treffer bedankte.
Man darf also gespannt sein, welche Verwendung Markus Anfang für ihn vorgesehen. Er selbst scheint da auch noch keine entsprechenden Signale empfangen zu haben. "Ich werde alles geben in der Vorbereitung und dann wird man sehen, wohin es führt", wird er in den Leipziger Medien zitiert. "Wenn ich meine Chance bekomme, versuche ich die zu nutzen."
Führungsspieler? Er reißt sich nicht drum, drückt sich aber auch nicht
Im "LokCast" versuchen die Moderatoren Thomas Franzky und Marko Hofmann auszuloten, was für ein Typ er ist. Und fragen ihn, wie er reagieren würde, wenn es in der Schlussminute einen Elfmeter für sein Team gäbe, der spielentscheidend wäre: "Wärst du bereit zu schießen?"
Er sei nicht der Typ, der sagt "Weg da, das mache ich", antwortet Sirch. Wenn sich aber von den vorgesehenen Schütze keiner traute, würde er sich auch nicht wegducken. An der anderer Stelle erklärte er bereits, dass er sich in der abgelaufenen Saison in einer Führungsrolle gesehen habe, trotz seiner erst 24 Jahre. Weil er aber zu den dienstältesten im Team gehörte, habe er sich in der Pflicht gesehen voranzugehen.
Zum Abschluss noch ein Zusammenschnitt einer Partie vom 20. Spieltag. Beim 4:2-Sieg in Eilenburg schießt Sirch drei Treffer für die "Lok", zwei davon per Freistoß. Nebenbei gibt’s einen unglücklichen Auftritt von Jan Löhmannsröben zu begutachten. Die "Cornflakes"-Ikone war im vergangenen Halbjahr Sirchs Teamkollege. Seit seinem Engagement beim 1. FC Kaiserslautern 2018/19 wandert das Unikum von Verein zu Verein, war zwischenzeitlich auch in Griechenland aktiv. Zur neuen Saison hat er wieder mal in Halle angeheuert.
» Zum Video: Luca Sirchs Dreierpack gegen den FC Eilenburg
Quelle: Der Betze brennt
Weitere Links zum Thema:
- Erster Neuzugang: Luca Sirch kommt von Lok Leipzig (Pressemeldung FCK)