Der 1. FC Kaiserslautern startet vor dem Pokalfinale schon mal einen ersten Testlauf nach Berlin. Bei Hertha BSC herrscht zurzeit Unruhe. Der ideale Gegner, um die nach zwei Siegen gestiegene Sicherheit auszuspielen? Manches spricht dafür, manches dagegen.
So lief's seit dem Hinspiel: Am 16. Spieltag siegten die Berliner im Fritz-Walter-Stadion 2:1. Dabei schlugen sie die Pfälzer zu einem guten Teil wieder mal selbst. Nach einer guten ersten Halbzeit mit einer verdienten 1:0-Führung ließen sie stark nach, Jean Zimmer und Almamy Touré mussten verletzt raus, vier Minuten nach Wiederanpfiff fiel der Ausgleich, in der 60. Minute sah der für Touré eingewechselte Afeez Aremu Rot, in der 81. Minute traf der Gast zum 2:1. Die Hertha bestätigte mit ihrem Auftritt aber auch ihre aufsteigende Form. Nach einem für total umgekrempelte Bundesliga-Absteiger nicht untypischen Fehlstart war dies ihre sechste Partie in Serie ohne Niederlage. zwei weitere sollten noch folgen. Zum Jahresausklang schlossen die Berliner auf Rang 7 ab, so dass der Anhang mehr oder weniger insgeheim hoffte, in der Rückrunde könnte man noch mal oben angreifen. Angesichts der Tatsache, dass die Hauptstädter laut "Transfermarkt.de" den Zweitligakader mit dem höchsten Marktwert stellen - noch vor dem Hamburger SV -, keine allzu überzogene Erwartungshaltung, obwohl die Vereinsführung das Ziel "direkter Wiederaufstieg" wohlweislich nie formulieren wollte. In der Rückrunde gelang es jedoch nicht, den positiven Trend fortzusetzen. Nach Niederlagen bei Wehen Wiesbaden und gegen den HSV ging’s in der Liga permanent Auf und Ab, im DFB-Pokal-Viertelfinale raubte der 1. FC Kaiserslautern die Hoffnung auf eine "Finale daheim". In den jüngsten drei Spielen holten die Herthaner nur einen Punkt, und nach dem 2:4 zuletzt bei der SV Elversberg wirkte Coach Pal Dardai ebenso wie verzweifelt wie hilflos: "Ich weiß nicht, woher das kommt. Die Spieler wollten nur warten und auf Konter lauern. Das war nicht der Plan." So klingt einer, der zweifelt, ob er tatsächlich noch die Kontrolle über sein Team hat.
Das hat sich geändert: Da knüpfen wir an das Zitat oben an, denn es spricht Bände. Zum dritten Mal schon übt Pal Dardai bei der Hertha das Amt des Cheftrainers aus, dazwischen war er in der Nachwuchsarbeit eingebunden. Kaum ein anderer Übungsleiter im deutschen Profifußball ist mit seinem Klub so verwachsen. Doch sein Standing ist geschwunden. Offiziell hat’s ihm noch keiner gesagt, doch viele im Hertha-Umfeld gehen davon aus, dass für Dardai im Sommer Schicht im Schacht ist. Die Liste derer, die in der Gerüchteküche als potenzielle Nachfolger mehr oder weniger heiß gesiedet werden, wird Tag für Tag länger: Thomas Stamm, Christian Fiel, Enrico Maaßen, Tomislav Stipic oder, hört, hört, Kosta Runjaic. Vermutlich empfindet sich der Coach mittlerweile selbst als "Lame Duck". Er wirkt nicht nur zunehmend ratloser, sondern auch dünnhäutiger. Pampt kritische Journalisten an, beim 1:1 gegen Hannover vor zwei Wochen stauchte er Top-Talent Ibrahim Maza vor aller Augen so derb zusammen, dass es geschäftsschädigend für den Verein werden könnte: Maza soll gegenüber Abwerbeversuchen aus Stuttgart, England und Italien nun erst recht zugänglich sein. Und noch etliche Abwanderungsgerüchte mehr sorgen für Unruhe. Okay, dass Goalgetter Haris Tabakovic nach nunmehr 21 Saisontreffern das Interesse von Erstligisten geweckt hat, verwundert nicht. Aber auch Talent Derry Scherhant soll auf dem Absprung stehen, ebenso Stamm-Innenverteidiger Marc Oliver Kempf. Oder die Sommer-Verpflichtungen Smail Prevljak und Andreas Bouchalakis, die nicht durchgehend überzeugten. Der ablösefreie Abgang von Trainersohn Bence Dárdai nach Wolfsburg ist bereits fix. Und, und, und. Hinzu kommen permanent verletzungsbedingte Wechsel. Seit drei Wochen muss etwa Linksverteidiger Michal Karbownik wegen Knieproblemen passen, auch Kempf fehlte. Und die Mainzer Leihgabe Aymen Barkok wurde bei einem Lokalbesuch angegriffen und verletzt, fällt nun bis Saisonende aus - ihm hatte nur noch ein einziger Spieleinsatz gefehlt und in seinem Vertrag hätte eine "Kaufpflicht"-Klausel gegriffen. Sachen gibt's ...
Gewinner und Verlierer: So viel für die Berliner in dieser Saison unerfreulich, ja sogar tragisch war - man denke nur an den plötzlichen Tod des beliebten Präsidenten Kay Bernstein: Dem erfahrenen Nachwuchsförderer Dardai ist es durchaus gelungen, einige vielversprechende Nachwuchskräfte im Profi-Team zu etablieren. Allen voran den 21-jährigen Tjark Ernst, der den eigentlich vorgesehenen Stammkeeper Marius Gersbeck verdrängt hat. Gut entwickelt hat sich mit Márton Dárdai noch ein weiterer Trainersohn, ebenso dessen Nebenmann im Mittelfeld, Pascal Klemens und Flügelflitzer Marten Winkler. Oder Innenverteidiger Linus Gechter, der seit ein paar Wochen allerdings nur noch die Bank drückt. Und natürlich Maza. Als Gewinner fühlen darf sich selbstverständlich auch Fabian Reese, der auf dem linken Flügel nahezu durchweg stark aufspielt. Dagegen enttäuschten neben Prevljak und Bouchalakis noch weitere Neuzugänge. Stürmer Jeremy Dudziak fiel lange verletzt aus, schaffte es aber auch danach nur selten in die Startelf, verzeichnet noch keine Torbeteiligung. Routinier Toni Leistner ist nie der ruhende Pol in der Abwehr geworden, als der er vorgesehen war.
Zahlenspiele: Das dürfte doch gerade in Lautern gerne gehört werden: Hertha BSC hat in der Rückrunde mehr Gegentreffer kassiert als der FCK, 30 nämlich. Und sie zeigen eine gewisse Anfälligkeit gegenüber Gegentoren in der zweiten Hälfte, das kennen wir doch. Allerdings haben die Berliner in der Rückserie sieben Treffer mehr erzielt als die Betze-Buben. Und verfügen, trotz ihres mausgrauen 9. Tabellenplatzes, über die zweitstärkste Offensive der Liga, 65 bislang erzielte Treffer werden nur noch von Düsseldorf (68) überboten. In erster Linie verantwortlich dafür sind mit Tabakovic der beste Goalgetter der Klasse und Reese, der nicht nur die meisten Flanken in der Liga schlägt, sondern auch die meisten Torvorlagen liefert, 14 bislang. Innenverteidiger Marc Oliver Kempf hält im Ligavergleich Rang 3 als bester Kopfballabräumer hinter dem Wehener Aleksandar Vukoti und dem Karlsruher Igor Matanovic. In Elversberg fehlte Kempf allerdings verletzt, ob er am Samstag wieder fit ist, ist noch nicht raus. Im Erzielen von Kopfballtreffern sind die Berliner fast so stark wie die Lautrer: 14-mal trafen die Barbarossastädter aus der Luft, 13-mal die Hauptstädter. Allerdings nutzt die Alte Dame dazu viel seltener Ecken als der Rote Teufel: Erst sechs Mal hat sie im Anschluss an eine solche Standardsituation getroffen, Lautern dagegen schon 14-mal. Ausgesprochene "Ballbesitzmannschaften" sind beide Mannschaften nicht. Mit 43,6 Prozent (FCK) und 45,9 Prozent (Hertha) rangieren beide im hinteren Drittel der Liga.
Fazit: Das Zahlenspiel lässt es vermuten: Da treffen zwei Teams aufeinander, die ein paar interessante Gemeinsamkeiten haben. Sie kassieren tendenziell zu viele Gegentreffer, vor allem in der zweiten Halbzeit, setzen bevorzugt auf ihre Kopfballstärke und suchen mit vergleichsweise wenigen Ballkontakten den Weg nach vorne. Also ein "Duell auf Augenhöhe" im besten Sinne? Nicht so ganz. Denn diese Erkenntnisse resultieren aus über den gesamten Saisonverlauf errechneten Mittelwerten. Die Lautrer haben in den vergangenen Wochen zu der Ruhe und Sicherheit gefunden, die vor allem ihr Trainer ausstrahlt. Bei der Hertha ist das genaue Gegenteil der Fall. Der eine ist ein Ausbund an Dickfelligkeit, der andere an Dünnhäutigkeit. Diese Charaktereigenschaften gilt es, auch auf dem Rasen zum Ausdruck zu bringen. Gelingt das, kann der FCK den "Matchball" zum endgültigen Klassenverbleib schon in Berlin verwandeln. Was die Lautrer Startelf angeht, ist natürlich die spannendste Frage, mit wem Friedhelm Funkel den defensiven Mittelfeldmann Filip Kaloc ersetzt, der nach der fünften Gelben Karte, die er gegen Magdeburg gesehen hat, aussetzen muss. Mit Afeez Aremu steht ein gelernter Sechser bereit, der allerdings über kaum Spielpraxis verfügt. Der spielstarke Marlon Ritter, der in den jüngsten Partien überraschend nicht der Startelf stand, erscheint da als die näherliegende Lösung. Aber Ritter und der nahezu baugleiche Tobias Raschl nebeneinander? Beiden steht eigentlich ein robuster Nebenmann besser zu Gesicht, zumal vor ihnen mit Kenny Redondo ein ebenfalls kleiner gewachsener Kicker auf der Zehn beginnen dürfte. Angesichts des nach den jüngsten zwei Siegen gewachsenen Selbstvertrauens tippen wir mal, dass der Coach auf die fußballerisch feinere Variante setzt. Wohlwissend, dass wir schon oft daneben gelegen haben, seit Friedhelm Funkel FCK-Trainer ist.
Quelle: Der Betze brennt
Weitere Links zum Thema:
- Samstag, 13:00 Uhr: Erster Matchball zum Klassenerhalt (Der Betze brennt)