Neues vom Betzenberg

Betze am Kiez:

Betze am Kiez: "Moi großie Lieb zu Lautre kriehsche net"


Den Start ins neue Jahr hatten sich die Fans des 1. FC Kaiserslautern anders vorgestellt: Beim FC St. Pauli kassiert ihr Team die nächste Pleite und auch auf den Rängen geht nicht viel. Eine gelungene Choreo zur zweiten Halbzeit bleibt der einzige Lichtblick.

Das Fußballjahr 2024 begann für den FCK und seine Anhänger im ausverkauften Millertor-Stadion. Für viele durch die vielfältige Attraktivität der Stadt Hamburg per se ein Wochenendtrip, hatten insgesamt rund 3.000 Schlachtenbummler die Reise angetreten und damit den Gästebereich ein weiteres Mal ausverkauft. Dies war im Übrigen die schon gesamte Hinrunde so gewesen, was sonst bisher nur dem HSV und Schalke gelang. Und trotz der sportlichen Talfahrt und des ungemütlichen Winter-Wetters steht jetzt schon fest, dass auch die nächsten Auswärtsspiele der Roten Teufel mit einem mehr als vollen Gästeblock stattfinden werden.

FCK-Fans im Gästeblock

Mitgebracht ins neue Jahr wurde auch der Protest gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der DFL. Die Fanszenen Deutschlands hatten vorab mit einer Stellungnahme wieder ein zwölfminütiges Schweigen angekündigt, an dem sich auch die Gastgeber und fast alle anderen Fankurven deutschlandweit beteiligten. Auf Flyern im Gästeblock teilte das Fanbündnis FCK ergänzend mit, dass Trainer und Spieler über die Hintergründe des Protests informiert wurden und dass man selbst auch lange mit sich gehadert habe, da das Betze-Team ja eigentlich die volle Unterstützung brauche und der FCK außerdem gegen den Investoren-Einstieg gestimmt habe. Nach abwägenden Diskussionen habe man sich aber aus Solidarität dazu entschieden, den bundesweiten, auch medial vielbeachteten Protest mitzutragen. Somit blieb es nach dem Anpfiff am Millerntor erstmal uncharakteristisch still, vor beiden Stimmungsblöcken prangte zudem das vereinsübergreifende Motto-Spruchband zu dieser Aktion: "Der deutsche Fussball bleibt Risikokapital!" Diesen Ablauf kannten viele Auswärtsfahrer noch vom Dezember-Spiel in Braunschweig. Anders war es dann in der 13. Minute, als ein zusätzliches Zeichen gesetzt wurde: Hunderte Schoko-Goldtaler flogen aus beiden Fankurven auf den Rasen und sorgten für eine kurze Spielunterbrechung. Als diese unter lauten "Scheiß DFL"-Wechselgesängen vom Feld geräumt worden waren, konnte beim Zwischenstand von 0:0 der eigentliche Support beginnen.

Wirklich durchschlagend konnten sich die Betze-Fans in St. Pauli aber nicht Gehör verschaffen. Das erste Gegentor und die teilweise durchzechte Vornacht sowie der Ausschank von hochprozentigen Getränken im Gästeblock machten sich bemerkbar. Und natürlich die sportliche Misere, die einfach aufs Gemüt und damit auch auf die Stimmung schlägt, egal wie motiviert man vielleicht vor dem ersten Anpfiff nach fünf Wochen Winterpause noch war.

Nach dem Seitenwechsel drehten Mannschaft wie Auswärtsmob kurzzeitig auf und erwischten eine starke Phase. Außerdem wurde die zweite Hälfte optisch vom Pfalz Inferno mit einer Choreografie eingeleitet. Auf den Spruchbändern fanden sich Zeilen aus dem Lied vom Pfälzer Mundartdichter Eugen Damm: "Du kriehsch moi letschdes Hemd, moi letschdie Zigarett - Jedoch moi großie Lieb zu Lautre kriehsche net!" Dazu wurde im Stehplatzbereich eine Blockfahne mit Gebäuden aus Kaiserslautern hochgezogen, unter anderem das Rathaus mit PI-Graffiti. Auf den Sitzplätzen ergänzten rot-weiße Fahnen das gelungene Bild. Als i-Tüpfelchen kam vor der Stadtsilhouette mit einem FCK-Schal Eugen Damm selbst zum Vorschein, der eine Zigarette rauchte. Ein weißer Rauchtopf ließ diese eine Minute qualmen, bevor es mit diesem Stimmungsaufheller in die zweite Halbzeit ging. Die Druckphase endete allerdings jäh mit dem zweiten Gegentreffer. Kurz zuvor hatte der FCK noch zwei Mega-Chancen auf den Ausgleich versemmelt, aber nun war mit dem 0:2 die Luft endgültig raus.

Choreo im Gästeblock

Als die Spieler keine große Gegenwehr gegen die Niederlage mehr aufs Feld bekamen, wurden die Schals ausgepackt und dem Verein mit "Ole Rot-Weiß" gehuldigt. Später vor der Kurve wurde nach der achten Niederlage in den letzten neun Liga-Spielen von einigen Fans lautstarker Unmut geäußert. Die Spieler bedankten sich wie üblich bei den Mitgereisten, drehten auf Signal von Jean Zimmer aber auch ziemlich schnell ab in die Kabine, was dann noch für zusätzliche Unzufriedenheit bei den Anhängern sorgte. Kapitän Zimmer wollte diese Situation nach dem Spiel auf DBB-Nachfrage nicht überbewertet sehen und appellierte an die Fans für weitere Unterstützung der Mannschaft. Diese wird es am Freitag im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion gegen Schalke sowie danach beim DFB-Pokal-Viertelfinale in Berlin, wo rund 10.000 FCK-Fans mitfahren werden, auf jeden Fall auch geben.

Schalparade im Gästeblock

Ein Spruchband gab es erneut zum Thema Eintrittskarten: "Faninteressen berücksichtigen! Hardtickets anbieten! Das gilt auch für den FCK! Scheiß Print@home!" Hintergrund ist, dass manche Heimvereine auch optional "echte" Eintrittskarten anbieten, diese aber in letzter Zeit vom FCK nicht in Anspruch genommen und stattdessen nur die unbeliebten Ausdrucktickets verkauft wurden. Gedacht wurde außerdem Juri, einem verstorbenen Mitglied der Fanszene mit "Diamonds are forever, RIP Juri".

Bei den Gastgebern gab es wie üblich sehr viele kleinere Aktionen und Spruchbänder, dazu mit der Südkurve als Heimat der Ultras und der Gegengerade mit den Old-School-Fans zwei stimmgewaltige Tribünen. Nach dem Schweigeprotest hatten auch die Sankt Paulianer zunächst Probleme, sich bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in Stimmung zu bringen. Aber nach den beiden Toren und der damit verbundenen Rückeroberung der Tabellenspitze war natürlich jeder Fan der Heimmannschaft gut drauf. Per Spruchband wurde in der Südkurve unter anderem der erschütternde Tod des nur 43 Jahre alt gewordenen, aus der Fanszene stammenden Präsidenten von Hertha BSC aufgegriffen: "Ruhe in Frieden, Kay Bernstein".

Sankt-Pauli-Fans in der Südkurve

Zur kompletten Fotogalerie vom FCK-Auswärtsspiel in Hamburg:

- Fotogalerie | 18. Spieltag: FC St. Pauli - 1. FC Kaiserslautern

Quelle: Der Betze brennt

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