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Gegner-Check BTSV: Löwen-Senf aus der Ketchupflasche

Gegner-Check BTSV: Löwen-Senf aus der Ketchupflasche

Foto: Imago Images

Den Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze halten oder ausbauen und selbst nicht auf Rang 16 abrutschen - darum geht's für den 1. FC Kaiserslautern zum Jahresabschluss bei Eintracht Braunschweig. Der Tabellen-17. hat gerade Selbstvertrauen getankt.

Anspruch und Wirklichkeit: Im Sommer 2022 kehrten die Braunschweiger gemeinsam mit dem FCK in die Zweite Liga zurück. Womit ihnen nach dem Abstieg 2021 der direkte Wiederaufstieg geglückt war, ein Kunststück, das gerade aus der 3. Liga nur selten gelingt. Im Gegensatz zum pfälzischen Umfeld wird im niedersächsischen der Traum, perspektivisch auch wieder an Erstliga-Zeiten anzuknüpfen, allerdings nur sehr verhalten geträumt. Mehr als den Wunsch "in Liga Zwei konsolidieren" lassen die Finanzen nicht zu. In der Marktwerttabelle von "Transfermarkt.de" rangiert der Braunschweiger Kader aktuell auf dem drittletzten Rang, sieben Plätze tiefer und acht Millionen Euro leichter als der der Lautrer. Nach einem 15. Rang im ersten Zweitliga-Jahr lautete daher auch vor dieser Spielzeit die Vorgabe: "Wir müssen drei Mannschaften finden, die wir hinter uns lassen." So formulierte es der im Sommer verpflichtete Trainer Jens Härtel, der mittlerweile aber schon wieder gehen musste, ebenso wie Sportchef Peter Vollmann. Denn es lief von Anfang an nicht rund für die Löwen. Seit Spieltag 6 dümpeln sie auf einem Abstiegsplatz, bis zu Spieltag 13 hatten sie nur eine Partie gewonnen. Die Neuen, die für die abgewanderten Leistungsträger Immanuel Pherai, Filip Benkovic und Nathan de Medina geholt wurden, schlugen - noch? - nicht so recht ein, Torjäger Anthony Ujah fällt seit dem 7. Spieltag verletzt aus. Gemanagt werden die Löwen nun vom gebürtigen Bad Kreuznacher und ehemaligen FCK'ler Benjamin Kessel, gecoacht werden sie seit Anfang November von Daniel Scherning. Und der weist bislang eine für einen Abstiegskandidaten ordentliche, ausgeglichene Bilanz auf: Zwei Siege, zwei Niederlagen. Zuletzt ließen die Niedersachen mit einem 3:1-Auswärtssieg in Wiesbaden aufhorchen.

Die Neuen: Mit Sebastian Griesbeck und Kaan Caliskaner kamen im Sommer Spieler, die in Fürth und Regensburg bereits nachgewiesen hatten, dass sie Zweite Liga können. Bei ihrem neuen Arbeitgeber aber sind sie bislang noch keine Stammkräfte, ebenso wenig wie der Isländer Thórir Jóhann Helgason, eine Leihgabe aus dem italienischen Lecce. Auch der Franzose Rayan Philippe war bislang den Nachweis seines Talents schuldig geblieben. In Wiesbaden aber glänzte er bei einem 45-Minuten-Einsatz mit einem Treffer und einer Vorlage. Mit Sidi Sané aus der Schalker Knappenschmiede war ein weiteres Offensivtalent erst lange verletzt. Seit ein paar Wochen jedoch sammelt es fleißig Einsatzminuten, ähnlich wie Florian Krüger, der aus Groningen geliehen ist ebenfalls bei Schalkes Junioren groß wurde. Da er allerdings schon 24 Jahre zählt, hätte man sich von dem Stürmer ein paar Tore mehr erwartet. Dafür machte der US-Boy Johan Gómez, eigentlich als Ersatz für Zehner Pherai geholt, zuletzt als Angreifer eine zunehmend bessere Figur. Stammplätze gesichert haben sich der Ex-Heidenheimer Marvin Rittmüller als rechter Schienenspieler und der finnische Innenverteidiger Robert Ivanov. Nicht zu vergessen Ermin Bicakcic, der Ex-Hoffenheimer, der seit Sommer vertragslos war, so dass ihn die Braunschweiger Mitte Oktober verpflichten konnten. Seit Anfang November hat er keine einzige Spielminute mehr verpasst.

Die Formation: Daniel Scherning bevorzugt hinten eine Dreier- oder Fünferkette, vorne zwei Stürmer sowie drei zentrale Mittelfeldspieler. Gegen Kaiserslautern wird ihm sein wichtigster Mann in der Zentrale jedoch fehlen. Fabio Kaufmann, der hinter den Spitzen zum Einsatz kommt, muss nach fünf Gelben Karten pausieren. Er ist nach Ujahs Ausfall Braunschweigs treffsicherste Offensivkraft, hatte in Wiesbaden zwei Mal getroffen und ein Tor aufgelegt. Weil der BTSV insgesamt erst mickrige 14 Mal genetzt hat, fällt das Fehlen der beiden treffsichersten Spieler (Ujah und Kaufmann kommen zusammen auf sieben Tore) umso stärker ins Gewicht. Wie Scherning Kaufmann ersetzen könnte, dürfte eine der Fragen sein, die Dimitrios Grammozis und sein Trainerteam gerade besonders beschäftigen. Vorne präsentierten sich zuletzt Johan Gómez und Rayan Philippe, wie schon gesagt, in aufsteigender Form. Möglicherweise dürfen sie am Sonntag als Doppelspitze ran, ebenso denkbar wären Florian Krüger und/oder Maurice Multhaup. Im hinteren Mittelfeld räumten in Wiesbaden die erfahrenen Jannis Nikolaou und Robin Krauße ab. Auf Routine setzt Scherning auch in der Abwehr. Neben Bicakcic und Ivanov sollte Hasan Kuruçay erste Wahl sein, ein ehemaliger türkischer U21-Nationalspieler, der in vergangenen Winterpause nach Braunschweig wechselte. Mit dem Saulo Decarli stünde noch ein weiterer erfahrener Defenivspieler bereit. Das Tor hütet wie schon im Vorjahr Ron-Thorben Hoffmann, der aus dem Bayern-Nachwuchs stammt. Die rechte Außenbahn besetzt Rittmüller, die linke mit Anton Donkor ebenfalls ein alter Bekannter.

Zahlenspiele: Im Zusammenhang mit den Darbietungen ihrer Stürmer haben auch die Braunschweiger zuletzt das mittlerweile populäre Sprachbild von der "Ketchupflasche" bemüht, aus der zuerst wenig, irgendwann aber ganz viel herausläuft. Nach dem Motto: Würden Gómez, Krüger und Co. mal anfangen zu treffen, ginge es sehr bald Schlag auf Schlag gehen, Chancen für sie würden jedenfalls genug rausgespielt ... Beim Abgleich mit den nüchternen Fakten lässt sich dem nicht so ganz widersprechen: Nach xGoals müssten die Löwen sechs Treffer mehr auf dem Konto haben als die 14, die sie bislang erzielten - sogar eins weniger als Tabellen-Schlusslicht Osnabrück. Die Lautrer könnten über sich allerdings dasselbe sagen: 27 tatsächlich erzielten Treffern stehen 33,27 xGoals gegenüber. In anderen Rankings sind beide Teams Tabellennachbarn: Bei "Flanken aus dem Spiel heraus" besetzen sie im Liga-Vergleich die starken Plätze 6 und 7, bei "Ballbesitz" weisen beide nur 44 Prozent, was die Keller-Ränge 16 und 17 sichert. Was "gewonnene Zweikämpfe" und "gewonnene Kopfballduelle" angeht, liegt Lautern weit vor den Niedersachsen - da also sollte es langgehen. Vorsicht dagegen vor Laufduellen: Bei "Sprints" und "intensiven Läufen" zählen die Braunschweiger zu den besten der Liga, während der FCK in diesen Rankings weit hinten hängt.

Fazit: Wie sagte Jens Härtel zu Beginn der Saison? Die Eintracht sucht drei Mannschaften, die sie hinter sich lassen können. Ob sie eine davon am kommenden Sonntag finden? Die Frage entschieden zu verneinen, liegt ganz allein an Dimitrios Grammozis und seinen Jungs. Ihren Gastgebern den Aufwind, den sie durch den Auswärtssieg in Wiesbaden erfahren haben, gleich wieder aus den Segeln zu nehmen, sollte eigentlich kein Hexenwerk sein, zumal der immer noch schwächsten Offensive der Liga mit Kaufmann die nach Ujahs Ausfall stärkste Offensivkraft ausfällt. Mit der gleichen Laufintensität und Konzentration gegen den Ball arbeiten wie vergangenen Samstag in der ersten Hälfte gegen Hertha BSC, frühe Ballgewinne konsequent nutzen und/oder auf die Kopfballstärke nach ruhenden Bällen vertrauen - das sollte eigentlich mehr als die halbe Miete sein. Und natürlich die Aussetzer und "Bärendienste", mit denen diverse Rote Teufel ihrer eigenen Mitspieler in dieser Halbserie immer wieder schockten, endlich abstellen.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Sonntag, 13:30 Uhr: Abstiegskampf im Eintracht-Stadion (Der Betze brennt)

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