Neues vom Betzenberg

Gegner-Check HSV: Ambitioniert, aber verwundbar

Gegner-Check HSV: Ambitioniert, aber verwundbar


Nächstes Top-Spiel: Der 1. FC Kaiserslautern empfängt den Hamburger SV. Auf dem Papier präsentiert der Gast als Tabellenzweiter sein bekannt starkes Hinrunden-Gesicht. Tatsächlich aber plagen die Hanseaten Verletzungsausfälle und Formtiefs.

Anspruch und Wirklichkeit: Und jährlich grüßt das Murmeltier. Der HSV ist in sein sechstes Jahr in Liga Zwei gestartet, die für einen Verein dieser Größenordnung doch nur Durchgangsstation in Folge eines Betriebsunfalls sein sollte. Drei Mal Platz 4, zwei Mal in der Aufstiegsrelegation gescheitert, jedesmal nach guten ersten Halbserien und nicht jedesmal so guten zweiten. So viel Enttäuschung verträgt nicht einmal ein Murmeltier, der HSV und sein Anhang aber sagen sich unentwegt: Neues Spiel, neues Glück. Der sich gerne mal einmischende Anteilseigner Klaus-Michael Kühne hat abermals Geld in den Klub gepumpt, ihm ein "Wandel-Darlehen" von 30 Millionen Euro gewährt. Investiert wurde diesmal nicht so sehr in Ablösen, sondern in Gehälter von Spielern, an denen auch Erstligisten dran waren. Darüber hinaus mussten die Abwanderungsgelüste von Torjäger Robert Glatzel mit einer satten Gehaltsnachbesserung gestillt werden. Trainer Tim Walter darf in dem Verein, der für Übungsleiter jahrelang nur kurzfristige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereithielt, ein drittes Jahr coachen. Und nach zehn Spieltagen präsentiert der HSV auf dem Papier erneut sein starkes Hinrundengesicht: Platz 2, punktgleich mit dem hochgelobten Tabellenführer St. Pauli. Kurios: Ergebnistechnisch geschwächelt haben die Norddeutschen bislang nur gegen die Aufsteiger. 1:2-Niederlagen in Elversberg und Osnabrück, das 1:1 in Wiesbaden rettete ein Treffer in der 89. Minute. Zuletzt ein 2:0-Sieg gegen Fürth. Nach dem die Gäste aber recht angeschlagen auf den Betzenberg kommen: Die bisherigen Stammkräfte Ignace Van der Brempt und Ludovit Reis haben sich verletzt und fallen längerfristig aus. Außerdem quälen sich die vergangene Saison so starken Flügelstürmer Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé gegenwärtig durch Formtiefs.

Die Neuen: Mit Dennis Hadzikadunic, einer Leihgabe aus dem russischen Rostov, und dem ablösefreien Guilherme Ramos von Zweitliga-Absteiger Arminia Bielefeld haben sich die Hamburger eine neue Innenverteidigung besorgt. War auch dringend notwendig, da Kapitän Sebastian Schönlau längerfristig ausfällt und Mario Vuskovic noch bis Ende 2024 eine Dopingsperre absitzt. Aus Braunschweig transferierte Sportvorstand Jonas Boldt den jungen Feinmotoriker Immanuel Pherai an die Waterkant. Der Zehner kam bislang allerdings nur zu zwei Startelf-Einsätzen, tut sich offenbar schwer, weil Walters bevorzugte 4-1-2-3-Formation eher zwei Achter vorsieht. Erst vier Mal von Beginn an ran durfte Rückkehrer Levin Öztunali. Der Enkel von HSV-Legende Uwe Seeler ist nach Wanderjahren durch insgesamt vier Bundesliga-Städte nunmehr 27 Jahre alt und immer noch nicht dem Talent gerecht worden, das ihm mal nachgesagt wurde. Zuletzt gar nicht mehr zum Einsatz kam Stephan Ambrosius, der vergangenes Jahr nach Karlsruhe ausgeliehen war. Die anderen ablösefreien Kaderergänzungen wie der aus dem französischen Lens geliehene Pole Lukasz Poreba spielten noch gar keine Rolle.

Die Formation: Im Tor steht nach wie vor Daniel Heuer Fernandes, der die Nase vor Lauterns Ex-Aufstiegskeeper Matheo Raab hat und sich seinen Vorderleuten gerne als Anspielstation anbietet - so wie Düsseldorfs Keeper Florian Kastenmeier vergangenen Samstag. Die Innenverteidigung Hadzikadunic/Ramos ergänzt links der Schweizer Miro Muheim, rechts dürfte nach Van der Brempts Ausfall der erfahrene Moritz Heyer erste Wahl sein. Im Mittelfeld wären Pherai oder Ötztunali denkbare Nachrücker für Reis, ergänzen sollten die Zentrale wie gehabt Jonas Meffert auf der Sechs sowie der Slowake László Bénes, der bereits sechs Treffer erzielt hat und gemeinsam mit Glatzel die interne Torschützenliste des HSV anführt. Drei Tore von Bénes resultierten allerdings aus Elfmetern, dazu hat der Achter seinen Mitspielern schon fünf Buden aufgelegt. Vorne nahm bislang das Flügelpärchen Dompé/Jatta Glatzel in die Mitte. Mit den beiden war Walter zuletzt aber nicht mehr zufrieden. Ötztunali wäre auch auf einer dieser Positionen eine Alternative. Ransford Königsdörffer, ein weiteres einst mit vielen Vorschusslorbeeren behängtes Talent, wäre auch noch da, stagniert aber ebenfalls in seiner Entwicklung.

Zahlenspiele: Interessant: Beide Teams sind nach ruhenden Bällen gefährlich, Hamburg allerdings meist nach Freistößen, Lautern nach Ecken. Die Hanseaten verstehen sich als sogenannte Ballbesitzmannschaft. Bislang weisen sie davon 56 Prozent im Schnitt auf, nur Magdeburg hält das Leder länger in den eigenen Reihen. Nach St. Pauli und Düsseldorf verzeichnet der HSV mit 85,6 Prozent auch die höchste Passquote. Der FCK läuft in diesen Statistiken bekanntlich nur unter ferner liefen. Zudem schlagen die Norddeutschen nach Karlsruhe und Düsseldorf die meisten Flanken - allerdings haben sie nach diesen erst zweimal getroffen. Was man von ihnen eher nicht gedacht hätte: Sie führen auch die Statistik der "gewonnenen Zweikämpfe" an, in der die Roten Teufel nur einen verwunderlichen 9. Rang einnehmen (Quelle: bundesliga.de). Allerdings fällt jetzt mit Van der Brempt die beste Kampfsau der Gäste aus. Die Lautrer wiederum sind gut beraten, ihre Kopfballstärke auszuspielen. Mit 248 gewonnenen Luftkämpfen stehen sie in diesem Ranking aktuell auf Platz 2 - Erster ist Kiel. Der HSV dümpelt da auf einem für Aufstiegskandidaten augenscheinlich schwachen 13. Rang herum. Dabei allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Spielanlage der Hamburger generell eher auf Flachpässe ausgerichtet ist. Dem FCK wird mit Ragnar Ache der beste Kopfballspieler zwar fehlen, doch steht mit Terrence Boyd erstklassiger Ersatz bereit.

Fazit: Auch wenn der Hamburger SV kommt - für den 1. FC Kaiserslautern muss es in der Spielvorbereitung erstmal darum gehen, die Köpfe wieder freizubekommen, von diesem verrückten 3:4 in Düsseldorf. Am besten ganz abhaken, denn so viele Abstrusitäten wie in dieser Partie können sich unmöglich so schnell noch einmal aneinanderreihen. Natürlich: Nach wie vor kassiert der FCK zu viele Gegentreffer. 18 nach zehn Spielen sind’s mittlerweile, das ist der Wert eines Abstiegskandidaten. Kevin Kraus wieder als ordnende Hand in die Dreierkette zurückkehren lassen, dafür Tomiak mal wieder ins Mittelfeld ziehen, um die Zweikampfquote im Sechserraum zu verbessern - das könnte eine Idee sein. Und nicht vergessen: Der HSV mag Tabellenzweiter sein, aber aufgrund der Ausfälle und der Formtiefs einiger Leistungsträger kommt er so verwundbar, wie er es in dieser Saison noch nie war. Dirk Schuster erwartet gegen Tim Walters für gewöhnlich hoch stehende Formation gute Konter-Situationen, die er am Dienstag im Training ausgiebig üben ließ. Personell gibt es noch zwei, drei Fragezeichen. Ob Kenny Redondo ein weiteres Mal den linken Schienenspieler gibt, wenn Tymo Puchacz und Hendrick Zuck nicht rechtzeitig fit werden? Wäre in einem Heimspiel wahrscheinlicher, als in Düsseldorf war.

Quelle: Der Betze brennt

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- Training ohne Fünf: FCK lenkt den Fokus auf Hamburg (Der Betze brennt)

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