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Gegner-Check: "Glubb" im Umbruch, aber mit Anspruch

Foto: Imago Images

Folgen auf zwei Niederlagen zum Start nun drei Siege in Serie? Der 1. FC Kaiserslautern hat es gegen den 1. FC Nürnberg in der Hand, trifft aber auf einen Club, der zuletzt ebenfalls Selbstvertrauen getankt hat.

Anspruch und Wirklichkeit: Große Ambitionen, hohe Investitionen, damit aber krachend gescheitert, zeitweise gegen den Abstieg gespielt. Für diese Spielzeit war sogar die Lizenz in Gefahr, ermöglicht hat sie unter anderem ein privater Kreditgeber, der auf seine Forderungen verzichtete. Soll sagen: Die vergangene Saison war für den 1. FC Nürnberg eine zum Vergessen. Und bot Anlass für eine Art Strategiewechsel: Keine teuren Verpflichtungen mehr, Jugendstil ist wieder Trumpf, und auch der neue Cheftrainer wurde von der U23 hochgezogen. Christian Fiel regiert jetzt unter den wachsamen Augen von Sportchef Dieter Hecking. Ein überzeugter "Guardiolista", der fest entschlossen ist, trotz bescheidener finanzieller Mittel hohe Fußballkunst beim "Glubb" zu etablieren. Der Anhang hat sich für diese Ideen bereits erwärmen lassen: Obwohl der neunmalige Deutsche Meister sich für diese Spielzeit nur bescheidene Ziele gesetzt hat, wurden über 19.000 Dauerkarten verkauft, genauso viele wie 2022/23, als man Aufstiegskandidat sein wollte. Zum Start zeigte sich, wenig verwunderlich, dass sich die hohen fußballerischen Ansprüche des Trainers nicht von jetzt auf gleich verwirklichen lassen. Zunächst setzte es eine 0:2-Niederlage gegen pragmatische Rostocker, zur Heimpremiere gab’s ein 2:2 gegen Hannover, bei dem immerhin ein 0:2 aufgeholt wurde. Ein 9:1 gegen Fünftligist Oberneuland im DFB-Pokal stärkte das Selbstbewusstsein zusätzlich. Es folgten zwei Siege gegen die Aufsteiger Osnabrück (3:2) und Wehen Wiesbaden (2:1). Durchgehend rund lief’s dabei aber längst nicht. Beim VfL war man drauf und dran, eine 3:0-Führung noch zu verspielen, in der Partie gegen die Hessen hagelte es wechselseitig drei Platzverweise, ehe der knappe Sieg eingefahren war.

Die Neuen: Alles schwärmt vom erst 17-jährigen Supertalent Can Uzun, der in der Liga schon drei Mal traf und im DFB-Pokal drei Buden in seinem Spiel machte - in diesem Alter war dies bis dato nur der Schalker Legende Olaf Thon gelungen. Träumer, von denen es in großen Traditionsklubs bekanntlich immer ein paar mehr gibt, fühlen sich bereits an die Aufstiegssaison 2008/09 erinnert, als in der Rückrunde ein erst 18-Jähriger namens Ilkay Gündogan beim FCN mitzumischen begann. Da fallen also große Namen im Zusammenhang mit dem Youngster - ob das so gut für ihn ist, wird sich noch weisen. Und sonst? Allen Pep-Phantasien zum Trotz war Fiel sich durchaus bewusst, dass in der FCN-Abwehr erstmal rustikales Handwerk angesagt ist. Also kam Innenverteidiger Ahmet Gürleyen ablösefrei aus Wehen. Der machte seine Sache auch gut, flog zuletzt aber gegen seinen Ex-Verein vom Platz und wird in Kaiserslautern fehlen. Der Japaner Kanji Okunuki präsentiert sich bislang als leichtfüßiger, aber nicht unbedingt torgefährlicher Linksaußen. Sein ebenfalls sehr beweglicher Landsmann Daichi Hayashi erhielt als Mittelstürmer jüngst den Vorzug vor Sturmtank Christoph Daferner. Der vom FC Watford geholte Rechtsaußen Joseph Hungbo startete vielversprechend, musste nach Knieproblemen in den jüngsten Partien aber dem erfahrenen Benjamin Goller weichen. Der für kleines Geld aus Köln geholte Jens Castrop verzeichnet bislang erst einen Startelf-Einsatz, der Spanier Ivan Marquez und der aus Schalke nun fest verpflichtete und auch vom FCK umworbene Florian Flick haben sich fürs Erste in den Krankenstand verabschiedet. Auf sich aufmerksam gemacht hat dafür ein weiterer Nachwuchsmann: Der 21-Jährige Ali Loune ist seit seinem Auftritt im DFB-Pokal im defensiven Mittelfeld gesetzt, für ihn musste sogar der erfahrene Johannes Geis auf die Bank.

Die Formation: Christian Fiel setzt auf ein offensives 4-3-3, in dem bislang Jungstar Uzan die Glanzlichter setzt. Der Trainer hat aber auch bereits Mühe, den Hype um den Überflieger zu bremsen: "Wenn der wirklich schon alles könnte, hätte mich Pep Guardiola doch schon angerufen", ließ er sich unlängst zitieren. Und ganz im Pep-Stil setzte Fiel vorne zuletzt auch auf einen pendelnden Mittelstürmer statt auf einen Prellbock. Auf den Flügeln hat der Trainer reichlich Auswahl, zumal neben Hungbo, Okunuki und Goller auch noch der Moselaner Lukas Schleimer bereit steht. Nach Gürleyens Rot-Sperre werden dafür nun die Innenverteidiger weniger, da neben Neuzugang Marquez auch Routinier Christopher Schindler verletzt ausfällt. Mit den ebenfalls erfahrenen Jamie Lawrence und Florian Hübner stehen aber immer noch mögliche Nebenmänner für Jannes Horn zur Verfügung. Mats Möller Daehli, der Denker und Lenker im Mittelfeld, fällt ebenfalls schon seit Saisonbeginn aus. Rechtsverteidiger Jan Gyamerah profilierte sich zuletzt gegen Wehen als Torschütze, für ihn musste Kapitän Enrico Valentini auf die Bank. Einen Wechsel gab es auch auf der linken Verteidigerposition. Dort bevorzugt Fiel seit Saisonbeginn den erst 20-jährigen Nathaniel Brown. Vorgänger Tim Handwerker kam gegen Wehen erst nach über einer Stunde, erzielte dann aber den Siegtreffer per Handelfmeter. Das Tor hütet im nunmehr schon fünften Jahr der gebürtige Mainzer Christian Mathenia.

Zahlenspiele: 52 Prozent Ballbesitz verzeichneten die Nürnberger in den ersten vier Saisonspielen im Schnitt. Das ist noch längst nicht Guardiola-Style. Mit einer Passquote von 82,8 Prozent steht der FCN zwar im Liga-Ranking einen Tick besser als der FCK, für die angestrebte spielerische Dominanz ist dies aber noch zu wenig. Für Lauterns auf weniger Ballkontakte angelegten Fußball, Stichwort "Schusterball", muten 81,6 Prozent Passquote da eher erfolgversprechend an. Beachtlich sind dagegen die 420 gewonnenen Zweikämpfe, die die Statistik für den FCN ausweist. Das ist der drittbeste Wert der Liga, allerdings handelt es sich bei den beiden Führenden - Hertha BSC und Osnabrück - nicht gerade um Top-Teams. Die Roten Teufel belegen mit 320 gewonnenen Zweikämpfen gerade mal Platz 12 in diesem Ranking. Dennoch darf man davon ausgehen, dass es am Samstagabend auf dem Betzenberg ordentlich zur Sache gehen wird: Nürnberger Spieler haben sich bereits 14, Lautrer elf Gelbe Karten in dieser Saison abgeholt. Damit beanspruchen sie die Plätze 1 und 3 im Gelbe-Karten-Ranking für sich.

Fazit: Unser kleiner Schnelldurchlauf hat es hoffentlich deutlich gemacht: Der FCN hat nur bescheiden, aber mit viel Sinn und Verstand investiert, orientiert sich fußballerisch dennoch am State of the Art, wird aber noch einige Zeit brauchen, bis er das angestrebte Level erreicht hat. Um als Kurzpassmaschine aufzutreten, fehlt noch die Feinabstimmung in den Mannschaftsteilen. Auch wird das Team gegenwärtig von den Ausfällen einiger Leistungsträger geplagt. Bislang leben die Clubberer in erster Linie von Einzelaktionen, und das durchaus nicht schlecht, insbesondere dank des Jungstars Uzun. Die gilt es zu unterbinden, durch aggressives, kompromissloses Zweikampfverhalten. Und auch wenn der FCK-Coach dazu neigt, Mannschaften, die partout dominant auftreten wollen - siehe zuletzt Elversberg und Paderborn -, erst einmal mit abwartendem "Schusterball" zu begegnen: Solche passiven und trotzdem nicht standfesten Startphasen wie zuletzt in Ostwestfalen braucht kein Mensch, am Betzenberg erst recht nicht. Also "druff unn dewerre", bitte.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Samstag, 20:30 Uhr: Der "Glubb" zu Gast am Betzenberg (Der Betze brennt)

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