Neues vom Betzenberg

Gegner-Check SVE: Ein Aufsteiger, aber kein Underdog

Gegner-Check SVE: Ein Aufsteiger, aber kein Underdog

Foto: Imago Images

Zum zweiten Heimspiel ein neues Nachbarschaftsduell: Der 1. FC Kaiserslautern muss gegen die saarländische SV Elversberg ran. Ein Winzling auf der Landkarte, der vom Teamspirit lebt, aber auch fußballerisch hohe Ansprüche erfüllt.

Anspruch und Wirklichkeit: Ein bis dato namenloser Provinzverein marschiert von der vierten in die zweite Liga durch - ohne nennenswerte Fanbase, ohne eine höherklassigen Ansprüchen genügende Infrastruktur. Klar, dass da Investorengeld dahinter steckt - und das macht einen solchen Klub Anhängern sogenannter Traditionsvereine erstmal unsympathisch. Aber: Ursapharm ist nicht Red Bull, und Frank Holzer ist nicht Dietrich Mateschitz und nicht Dietmar Hopp. Die finanziellen Mittel, die das Unternehmen des ehemaligen Braunschweiger Fußballprofis in dessen Herzensprojekt pumpt, sind beschränkt. Drum ist ein weiterer Weg nach oben für die SVE Illusion, die 2. Bundesliga für das 13.000-Seelen-Städtchen Spiesen-Elversberg erstmal nur ein Abenteuer. Sportlich dagegen stellt das Team von Trainer Horst Steffen eine absolute Bereicherung fürs Unterhaus dar. In der 3. Liga begeisterten die Saarländer mit gut anzuschauendem Offensivfußball und 80 Toren in 38 Spielen. In der neuen Klasse will der Coach sein Offensivkonzept lediglich "anpassen". Die ersten Auftritte gestalteten sich durchaus achtbar, aber zunächst noch brotlos. Zum Auftakt gab es ein 2:2 beim stets ambitionierten Hannover 95 - dabei hatten die Elversberger sogar 2:0 geführt. Zum Heimdebüt, das wegen des Umbaus der heimischen Arena an der Kaiserlinde im Saarbrücker Ludwigspark ausgetragen wurde, setzte es eine fast schon tragische 1:2-Niederlage gegen Hansa Rostock - die Gegentreffer fielen in der 100. und 103. Minute, nachdem die "Elv" kurz zuvor noch selbst einen Elfmeter verschossen hatte. Im DFB-Pokal unterlag die SVE Erstligist Mainz 05 zuletzt knapp mit 0:1.

Die Neuen: Kaum Zweitliga-Erfahrung im Aufstiegskader - für die SVE-Verantwortlichen kein Grund, diesen nun hektisch mit Routiniers aufzustocken. "Auch Topspieler aus der 3. Liga können uns helfen", sagt Horst Steffen. Gesagt, getan: Mit Dominik Martinovic (Waldhof Mannheim) und Joseph Boyamba (1860 München) kamen Leistungsträger aus dem Armenhaus des Fußballs, nur Arne Sicker (SV Sandhausen) verfügt über reichere, Keeper Tim Boss (1. FC Magdeburg) über bescheidene Zweitliga-Erfahrung. Alle Spieler wechselten ablösefrei, dazu lieh die SVE mit Wahid Faghir (VfB Stuttgart) und Frederik Jäkel (Rasenballsport Leipzig) zwei Talente von Erstligisten. Interessant: Neben Faghir tauchte bislang nur Paul Stock in den Startelf-Besetzungen auf. Martinovic fällt verletzt aus, alle anderen Neuen wurden bestenfalls eingewechselt. Der Südpfälzer Stock, der zuletzt in zweieinhalb Jahren beim Regionalligisten TSV Steinbach Haiger 20 Treffer erzielte, ist eine besonders spannende Personalie: Zu Karrierebeginn auf den unterklassigen Stationen Rülzheim und Dudenhofen gestartet, hat er es nun, im fortgeschrittenen Alter von 26 Jahren, in die Zweite Liga geschafft - und offenbar kaum Anpassungsschwierigkeiten. Gegen Mainz zuletzt scheiterte er kurz vor Schluss am Innenpfosten.

Die Formation: In den Liga-Spielen startete Steffen bislang stets mit einer 4-2-3-1 Grundordnung. Im DFB-Pokal gegen Mainz begann er in einem 3-4-3, für das bekanntlich auch FCK-Trainer Dirk Schuster ein Faible entwickelt hat. Allerdings verletzte sich Stamm-Innenverteidiger Marcel Correia, einer der Ex-Lautrer im SVE-Team, schon nach 13 Minuten. Für ihn rückte Lukas Pinckert in die Dreierkette, der eher auf der rechten Außenverteidigerposition zuhause ist. Muss nicht, aber könnte ein Hinweis sein, dass, wenn Correia länger ausfällt, Steffen auf dem Betzenberg wieder auf eine Viererkette setzt, mit Kapitän Kevin Conrad und dem zweiten Ex-Lautrer Carlo Sickinger in der Innenverteidigung. Unabhängig von der meist überbewerteten Kettendiskussion: Dass die SVE Fußball mit Anspruch ausübt, war auch gegen den Erstligisten zu sehen - auch wenn die Nullfünfer überlegener waren, als das knappe Ergebnis es ausdrückt. Doch die Gastgeber zeigten, dass sie enge Situationen spielerisch zu lösen verstehen, auch gegen einen solchen Gegner situativ mutig ins Angriffspressing gehen und vor allem diagonale Flankenwechsel beherrschen. Nerds, die sich für Horst Steffens Fußballverständnis interessieren, sei dieser Artikel des Blogs "Konzeptfussball" aus dem Jahr 2015 empfohlen. Steffen trainierte damals die Stuttgarter Kickers, die er auf einem Abstiegsplatz der 3. Liga übernommen hatte. Auf seinen anschließenden Stationen in Münster und Chemnitz wurde ihm zu wenig Zeit gelassen, um seine Ideen umzusetzen. In Elversberg arbeitet er nunmehr im sechsten Jahr.

Zahlenspiele: Mit 228 gewonnenen Zweikämpfen weist die Statistik die SVE als bislang kampfstärksten Zweitligisten aus. Mit mit einer insgesamt zurückgelegten Distanz von 238,1 Kilometern stellt sie auch das laufstärkste Team ihrer Klasse (Quelle: bundesliga.de). Ob das nach zwei Spieltagen etwas bedeuten muss, mag dahingestellt bleiben, als Warnung für die Roten Teufel sollten diese Zahlen allemal dienen. Bei allem Respekt für den Aufsteiger, von dem alles andere als klassischer Underdog-Fußball zu erwarten ist, darf aber auch die Statistik aus dem Mainz-Spiel herangezogen werden. Nach Großchancen gewann der Bundesligist 4:1, zwei Mal traf er das Aluminium. Abschlüsse im Strafraum zählten die Mainzer sogar 18, die SVE nur zwei (Quelle: sofascore). Auch wenn Schlussmann Nicolas Kristof überragte - sie sind in der Defensive zu knacken, und die Offensive lässt sich an die Kette legen.

Fazit: Wer gesehen hat, wie Mainz den Elversbergern zu Leibe rückte und sich tags drauf das Lautrer 5:0 gegen Oberligist Koblenz anschaute, darf schlussfolgern: Die Schuster-Elf hat genau die richtige Spielweise ausgetestet. Auch die Nullfünfer versuchten nicht, mit Kombinationswirbeln die tief stehende Abwehrreihe zu überwinden, sondern mit viel Personal, das an der Abseitslinie auf den tiefen Ball lauerte. Das Endergebnis mag knapp gewesen sein, die Chancen-Ausbeute aber war reichlich. Ebenfalls war zu sehen, dass die Elversberger ihre Konter bisweilen sehr ansehnlich über die Flügel vortrugen, Stichwort Flankenwechsel. Die Abschlüsse im Strafraum waren meist schlecht, zuvor aber hatten die nachrückenden Spieler eine gute Boxbesetzung hinbekommen. Zwei, drei Mal lauerte hinter dem Stürmer, der den Ball verdaddelte, im Rückraum noch ein zweiter, der gut und gerne hätte netzen können, wäre das Leder zu ihm gelangt. Fürs FCK-Team heißt es also weniger, gegen diesen Gegner ein besonderes Offensivkonzept auszufeilen, sondern zuallererst: Die Fehler minimieren, die in den ersten beiden Partien die Punkte kosteten. Müßig ist auch die ewige Kettendiskussion. Die sogenannte Restverteidigung muss stehen, ob nun mit vier oder drei Mann auf einer Linie.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Freitag, 18:30 Uhr: Ein neuer Gegner mit alten Bekannten (Der Betze brennt)

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