Nach einer vergeigten Heimpremiere will der 1. FC Kaiserslautern ausgerechnet bei Schalke 04 in die Spur finden. Die Knappen sind mit einer 3:5-Niederlage spektakulärer, aber nicht unbedingt besser in die Saison gestartet.
Anspruch und Wirklichkeit: Auf Schalke haben sie Abstieg gelernt. Hoffen sie zumindest. Die aktuelle Rückkehr ins Unterhaus ist die fünfte ihrer Bundesliga-Geschichte, die letzte liegt gerade mal zwei Jahre zurück. Diesmal aber soll es keine Untergangsstimmung geben, kein Köpferollen, keinen Ausverkauf, keinen totalen Neuaufbau. Darum soll auch die kurzfristige Trennung vom Vorstandsvorsitzenden Bernd Schröder nicht so gedeutet werden, als sei man von dieser Einstellung schon wieder abgerückt. Der Aufsichtsrat sei lediglich mit Schröders Management in Sachen Sponsoring unzufrieden gewesen, heißt es, Sportvorstand Peter Knäbel habe weiter freie Hand. Auch an Trainer Thomas Reis hielt die Vereinsführung nach dem Abstieg fest. Warum auch nicht? In der Rückrundentabelle 2022/23 hatten die Königsblauen mit dem Coach, der seit Oktober 2022 im Amt ist, als Achter abgeschlossen, das Genick gebrochen hatte ihnen die schwache Hinserie. Und Reis gibt sich selbstbewusst: "Ich will direkt wieder aufsteigen. Da lehne ich mich weit aus dem Fenster", erklärt er im Sonderheft des "Kicker". Der Anhang nimmt die Zweite Liga ebenfalls mit voller Leidenschaft an: Für die acht Heimspiele der Hinrunde waren sämtliche Tickets bereits innerhalb von zwei Stunden ausverkauft. Der Saisonstart beim Hamburger SV mag nicht optimal gelaufen sein. Spektakulär war dieses 3:5 aber auf jeden Fall, und es wird die Schalker Zuversicht kaum erschüttern. Den Druck, zur Heimpremiere gegen den FCK zu siegen, erhöht die Niederlage natürlich nochmal zusätzlich, doch der war auch zuvor schon immens.
Die Neuen: Vor allem im zentralen Mittelfeld hat Schalke aufgerüstet. Mit Ron Schallenberg vom SC Paderborn holte Knäbel den vielleicht stärksten Sechser der vergangenen Zweitliga-Runde - einen von dem Schlag, wie ihn Lautern derzeit noch sucht. Mit Paul Seguin von Union Berlin und dem zuletzt an Nürnberg verliehenen Lino Tempelmann vom SC Freiburg kamen Erfahrung und Talent, die auch höheren Ansprüchen genügen. Mit Florian Flick, bisher an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen, wurde ein Sechser zunächst zurückgeholt. Er fällt aber zurzeit wegen eines Mittelfußbruches aus und ist nun außerdem fest ins Frankenland gewechselt. Ihn hätte auch der FCK gerne verpflichtet. Mit Niklas Tauer haben die Knappen einen weiteren, noch entwicklungsfähigen Mittelfeldmann von Mainz 05 ausgeliehen. Und das, obwohl mit Dominick Drexler und Danny Latza auch noch erfahrene Veteranen für die zentralen Positionen zur Verfügung stehen. Doch was machte Reis zum Saisonauftakt? Er nominierte trotz dieses stattlichen Angebots den erst 17-jährigen Knappen Assan Quédraogo in die Startelf. Und der spielte stark auf und traf zum zwischenzeitlichen 1:1. Tempelmann und Seguin waren allerdings auch angeschlagen. Mit Bryan Lasme kam außerdem ein wuchtiger Stürmer von Zweitliga-Absteiger Bielefeld. Nach dem längerfristigen Ausfall des Stamm-Innenverteidigers Leo Greiml sicherte sich Schalke zuletzt noch die Dienste des ehemaligen Stuttgarters Timo Baumgartl, der vom PSV Eindhoven kam. Das größte Aha-Erlebnis aber dürfte den mitreisenden Lautern Fans aber der Blick aufs Schalker Tor bescheren: Dort steht derzeit Marius Müller, einst Flugschüler Gerry Ehrmanns. Knäbel hat ihn vom schweizerischen FC Luzern nach Deutschland zurückgeholt. Der nunmehr 30-Jährige hat sich in der Vorbereitung direkt als Nummer 1 etabliert, da die eigentliche Nummer 1, Ralf Fährmann mit einem Muskelfaserriss ausgefallen war. In Hamburg soll er trotz der fünf Gegentore zu den Besten gehört haben.
Die Formation: In Hamburg begann Reis mit einem klar strukturierten 4-3-3. Es spricht einiges dafür, diese Grundordnung beizubehalten. Angesichts des breiten Angebotes fürs Dreier-Mittelfeld, das dem Trainer zur Verfügung steht, und der Tatsache, dass mit Ibrahima Cissé gegen Kaiserslautern ein weiterer Innenverteidiger ausfällt - er sah an der Elbe Gelb-Rot. Zudem mag Kapitän und Mittelstürmer Simon Terodde Nebenleute auf den Flügeln, die ihn mit Flanken versorgen. Beim HSV durften Tobias Mohr und Kenan Karaman von Beginn ran, mit Lasme und dem talentierten Soichiro Kozuki hätte der Trainer aber starke Alternativen in der Hinterhand. Respekt geboten ist zudem vor der linken Klebe des Außenverteidigers Thomas Ouwejan, mit der dieser in Hamburg die zwischenzeitliche 2:1-Führung der Schalker besorgte.
Zahlenspiele: Fünf Gegentreffer zum Saisonauftakt, da dürfte klar sein, wo den Schalkern der Schuh drückt. Die Abwehr galt nach Greimls Ausfalls auch zuvor schon als Schwachstelle. Jetzt muss auch noch Cissé ersetzt werden. Für ihn könnte nun zwar Neuzugang Baumgartl in die Startelf rücken, doch der muss sich aber erst mal an seine neuen Nebenleute gewöhnen. Man wird’s bei den Königsblauen wohl kaum hören wollen, aber: In der Startphase einer Saison zu viele Wechsel im Defensiv-Verband vornehmen zu müssen, hat schon so manchen Topfavoriten gleich auf den ersten Metern ausgebremst. Und oft genug kam der dann auch im weiteren Verlauf der Runde nicht mehr richtig in Fahrt. Andererseits hat S04 auswärts bei einem anderen Topfavoriten der Liga drei Treffer erzielt, das will erst einmal geschafft sein. Und das mit insgesamt nur sechs Torschüssen und bei einem xGoals-Wert von 1,50. Da aber ließe sich drüber streiten, ob das Effizienz war oder einfach nur Glück im Abschluss. Der FCK-Elf wurde nach ihrem 1:2 gegen St. Pauli vorgehalten, dass sie 6,4 Kilometer weniger lief als der am Ende siegreiche Gegner: Insgesamt waren es nur 112,7 gegenüber 119,1 Kilometern. In dieser Beziehung waren die Schalker gegen den HSV nicht besser, wieselten sogar nur 109,2 Kilometer, während die Kontrahenten summa summarum 115,9 Kilometer zurücklegten (Quelle: bundesliga.de). Will sagen: Spektakulärer verloren zu haben, heißt nicht unbedingt, besser gespielt zu haben.
Fazit: HSV-Trainer Tim Walter wurde nach dem 5:3-Sieg dafür gefeiert, dass er endlich mal von seinem geliebten Kurzpassspiel abrückte und sein Team mit wiederholt tiefen Bällen im Rücken der Schalker Abwehrspieler operieren ließ. Wenn dies das Erfolgsrezept gegen die Königsblauen war, dürfen sich die Lautrer ja Hoffnung machen, denn: Nach Ballgewinn lang und weit in die Spitze spielen, das ist doch genau der Stil eines Dirk Schuster-Teams. Ganz so einfach aber wird’s wohl doch nicht werden. Wer sich die Hamburger Treffer nochmal in Ruhe ansieht, erkennt: Zwei Mal trafen sie nach schnellem Umschaltspiel, drei Tore, darunter auch der Elfmeter zum 2:2, wurden durch kluge Anspiele in den Strafraum eingeleitet. Was zeigt: Man muss diese sicher noch nicht sattelfeste Hintermannschaft stressen, im Angriffsdrittel mehr als ein, zwei Ballkontakte suchen. Vom FCK zu erwarten, dass er in der Arena AufSchalke sein Heil in der Offensive sucht, wäre allerdings arg realitätsfremd. Doch wie wäre es auch beim Stand von 0:0 mal wieder mit kurzen Phasen des Angriffspressings, so wie beispielsweise beim 2:0-Sieg gegen den HSV im April? Seither hat man derlei kaum noch von den Roten Teufeln gesehen. Falls der 1,91 Meter-Schlaks Quédraogo wieder im offensiven Mittelfeld der Schalker aufläuft, wär’s nicht angezeigt, wieder mit den wesentlich kleiner gewachsenen Marlon Ritter und Tobias Raschl vor der Dreierkette zu beginnen, zumal Ritter gegen St. Pauli nicht unbedingt Eigenwerbung für sich betrieb. Besser noch als Julian Niehues wäre Boris Tomiak als Gegenspieler für Quédraogo geeignet, auch, um die Zweikampfwerte im Mittelfeld zu erhöhen. Die könnten sich auf der rechten Abwehrseite ebenso verbessern, falls Jean Zimmer für Erik Durm in die Startelf zurückkehrt.
Quelle: Der Betze brennt
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