Diskussionen zu fanpolitischen Themen, wie z.B. von ProFans oder dem B.A.F.F.

Beitragvon Thomas » 11.04.2013, 19:00


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Derzeit ein Reizthema beim 1. FC Kaiserslautern: Stadionverbote - hier ein Fan-Protest via Spruchband beim Heimspiel gegen den 1. FC Köln

Interview mit Fan-Anwalt Philipp Adam
„Ein Stadionverbot darf nicht unverhältnismäßig sein“


Der 1. FC Kaiserslautern hat vor zwei Wochen 52 Stadionverbote gegen FCK-Anhänger verhängt. Wir sprachen mit Rechtsanwalt Philipp Adam über den aktuellen Sachverhalt und die allgemeine Praxis bei der Vergabe von Stadionverboten.

Laut Auskunft des FCK wurden 49 der 52 Stadionverbote im Zusammenhang mit dem Regionalligaspiel gegen Waldhof Mannheim wegen der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Landfriedensbruch verhängt. Dieser Verdacht betrifft in erster Linie diejenigen Personen, die laut Polizeibericht nach dem Spiel am Edeka-Markt in der Zollamtstraße einer Personenkontrolle unterzogen wurden. Gemäß einem Bericht der „Rheinpfalz“ wird ihnen vorgeworfen, Zäune eingedrückt und über Bahngleise gelaufen zu sein, auch von Verstößen gegen das Vermummungsverbot und das Versammlungsgesetz ist in den öffentlich zugänglichen Berichten zum verdächtigten Landfriedensbruch die Rede. Wegen Pyrotechnik oder gar Gewaltanwendung hat nach aktuellem Kenntnisstand keiner der 49 Betroffenen ein Stadionverbot erhalten, sondern laut dem „Der Betze brennt“ in Auszügen vorliegenden Schreiben zum Stadionverbot ausschließlich: „Aufgrund des gezeigten delinquenten Verhaltens der gesamten Gruppe, wird gegen alle Personen aus dieser Gruppe ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet.“

Philipp Adam ist Rechtsanwalt in Kaiserslautern und vertritt eine der 49 betroffenen Personen im Verfahren wegen Landfriedensbruch (Anwälte dürfen in solchen Fällen nicht mehr als einen Mandanten verteidigen, auch wenn die Vorwürfe vergleichbar sind; Anm. d. Red.). Aufgrund des eingeleiteten Verfahrens hat der 1. FC Kaiserslautern auf Anraten der Polizei ein Stadionverbot gegen diesen FCK-Anhänger ausgesprochen.

Vorbemerkung: Das Interview ist in kursiv dargestellt, zusätzliche Anmerkungen von „Der Betze brennt“ in normaler Schrift.

Der Betze brennt: Hallo Herr Adam! Können Sie den besagten Fall etwas genauer schildern?

Philipp Adam: Da es sich um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren handelt, bitte ich um Verständnis, dass ich keinerlei Details nennen kann. Nur soviel: Mein Mandant war in der Personengruppe, die am Edeka kontrolliert wurde und gegen die ein Verfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet wurde. Diese Tatsache reicht leider aus, um ihn für über ein Jahr von sämtlichen Spielen der ersten bis zur vierten Liga auszusperren.

Der Betze brennt: Sie sprechen konkret die Vergabepraxis der Stadionverbote an. Was genau empfinden Sie dabei als problematisch?

Adam: Problematisch finde ich hier, dass nach den Stadionverbotsrichtlinien des Deutschen Fußball-Bundes alleine die Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei für ein bundesweites Stadionverbot ausreicht. Dabei finden grundsätzlich keine weitere Prüfung des Sachverhalts oder eine Würdigung der Person statt. Dies führt dazu, dass faktisch die Polizei die Entscheidung trifft, gegen wen ein Stadionverbot verhängt wird, indem sie ein Ermittlungsverfahren einleitet und ein Stadionverbot bei den Vereinen „beantragt“, was diese dann oftmals allein aufgrund der Auskunft der Polizei erteilen. Dass diese Praxis unverhältnismäßig ist, wird einem umso mehr klar, wenn man bedenkt, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zunächst einmal systematisch nichts weiter als eine Vermutung, ein Verdacht ist. Gerade wenn man sich einmal die Statistiken zu Ermittlungen wegen Landfriedensbruch anschaut, so fällt einem auf, dass hier weit über die Hälfte der eingeleiteten Verfahren eingestellt werden.


Einschub der Redaktion: Tatsächlich ist die Vergabepraxis von Stadionverboten schon seit Jahren ein großes Thema in den deutschen Fankurven, aber auch bei den Verbänden. Derzeit arbeitet beim DFB eine „Arbeitsgruppe Stadionverbote“ an einer Neuregelung der bestehenden Richtlinien. Die Forderungen der beteiligten Fan-Organisationen beziehen sich dabei vor allem auf die Verhältnismäßigkeit und die im Grundgesetz verankerte Unschuldsvermutung „In dubio pro reo - Im Zweifel für den Angeklagten“.

Der Betze brennt: Häufig wird ja argumentiert, dass Stadionverbote rein zivilrechtlich sind und mit der strafrechtlichen Unschuldsvermutung nichts zu tun haben. Im Endeffekt kann ein Hausrechtsinhaber, hier also der FCK, jederzeit bestimmen, wer reinkommt und wer nicht.

Adam: Sicherlich ist zu beachten, dass ein Stadionverbot grundsätzlich eine rein zivilrechtliche Angelegenheit ist, wo es darum geht, Störungen des Stadionbetriebs zu vermeiden. Jedoch gibt es hier die Besonderheit, dass durch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein enger Zusammenhang mit dem Stadionverbot besteht. Auch ist im Unterschied zu einem normalen Hausverbot zu beachten, dass der Betroffene hier bundesweit kein Stadion der Bundesliga bis hin zur Regionalliga mehr besuchen darf - im Grunde werden also 149 „Hausverbote“ ausgesprochen (Anzahl der Mannschaften in den betroffenen Spielklassen; Anm. d. Red.).

Der Betze brennt: Was natürlich noch mal ein anderes Kaliber ist als ein Hausverbot in der Dorfdisco...

Adam: Im Fall der aktuellen Stadionverbote wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch stellt sich außerdem die Frage, wie sich hier die Gefahr einer Störung des Stadionbetriebs begründen lässt. Unabhängig davon, dass durch das eingeleitete Ermittlungsverfahren nicht die Schuld bewiesen ist, handelt es sich hier allerhöchstens um ein Störung, die außerhalb des Stadions stattgefunden hat. Die Gefahr von Störungen außerhalb des Stadions ist allerdings nicht eine Frage des Hausrechts, sondern des Polizeirechts.

Der Betze brennt: Wann wird ein Stadionverbot aufgehoben?

Adam: Nach den bundesweiten Richtlinien zur Vergabe von Stadionverboten ist ein Stadionverbot aufzuheben, wenn der Betroffene rechtskräftig freigesprochen wurde oder das Strafverfahren nach §170 Abs. 2 Strafprozessordnung („Einstellung mangels Tatverdacht“; Anm. d. Red.) eingestellt wurde. Hierbei muss der Betroffene allerdings die Aufhebung beantragen, was durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen kann.

Der Betze brennt: Wie sieht das in der Praxis aus, gibt es dort auch Probleme?

Adam: Bei Einstellungen wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen kann ein Stadionverbot aufgehoben werden. Ein zwingende Aufhebung ist jedoch nicht vorgeschrieben. Gerade bei einer wegen Geringfügigkeit erfolgten Einstellung hat der Betroffene keine Rechtsmittel. Er kann also nicht verlangen, dass sein Ermittlungsverfahren statt wegen Geringfügigkeit mangels Tatverdacht eingestellt wird. Da die Rechtsfolgen in beiden Fällen die gleichen sind und der Betroffene beide Male als nicht vorbestraft gilt, spielt es für Staatsanwälte meist keine Rolle, nach welcher Norm sie ein Strafverfahren einstellen. Für die Vereine aber schon.

Der Betze brennt: Was würden Sie sich bei der Vergabe von Stadionverboten wünschen?

Adam: Mein größter Wunsch wäre es natürlich, dass Stadionverbote erst ausgesprochen werden, wenn dem Betroffenen auch tatsächlich rechtskräftig eine Straftat nachgewiesen wurde. Dies wird allerdings ein Wunsch bleiben. Daher sollte ein Stadionverbot wenigstens nur ausgesprochen werden, wenn vorher eine sorgfältige Prüfung aller für die Prognose zukünftigen Verhaltens relevanter Umstände stattgefunden hat. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Stadionverbot nicht unverhältnismäßig sein darf. Zu einer solchen Prüfung gehört es auch, dass jeder Betroffene angehört wird und seine Sicht der Dinge darlegen kann. Leider wurde diese Möglichkeit der Anhörung, obwohl sie bereits in den Richtlinien erfasst ist, im Vorfeld beim FCK nicht durchgeführt. Die Möglichkeit der Anhörung wurde nur minderjährigen Betroffenen angeboten.

Der Betze brennt: Wir bedanken uns für das Gespräch!


Der 1. FC Kaiserslautern hat in einer zugehörigen Pressemitteilung von einer individuellen Prüfung aller Einzelfälle berichtet. Den volljährigen Beschuldigten wurde aber vor Erteilung der Stadionverbote zumindest kein Recht auf persönliche Anhörung gewährt. Die Minderjährigen kamen dem Vernehmen nach in einem Gespräch am Vortag des Heimspiels gegen den 1. FC Köln mit einer eindringlichen Belehrung, aber vorerst ohne ein Stadionverbot davon.

Zum Abschluss ein Seitenblick über den Tellerrand der aktuellen Fälle hinaus. Bei der Diskussionsrunde „Fußball und Gewalt“, die am Montag auf SWR4 u.a. mit FCK-Vorstand Stefan Kuntz und Innenminister Roger Lewentz gesendet wurde, sagte einer der Teilnehmer aus der Mainzer Fanszene sinngemäß: „Ich kenne mehrere Fälle von Jugendlichen, die sozusagen als Ultras in ein Stadionverbot hinein gegangen und als Hooligans herausgekommen sind. Das bedeutet, dass sie aufgrund von Vorwürfen wie Sachbeschädigung durch Aufkleber kleben, Verdacht auf Landfriedensbruch oder beispielsweise Beleidigung aus dem Stadion verbannt wurden. Diese Personen folgen ihrem Verein trotzdem weiter und vertiefen dann bei Heim- und Auswärtsspielen den Kontakt mit anderen Stadionverbotlern, die vielleicht wirklich der Gewalt zugeneigt sind.“ Solche Entwicklungen sind in jüngerer Vergangenheit auch in Kaiserslautern zu beobachten.

Quelle: Der Betze brennt
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)



Beitragvon satisfactory » 11.04.2013, 19:38


gut, dass nicht bei allen die höchstsstrafe ausgesprochen wurde und es nach einiger zeit eine prüfung gibt. zudem ist es toll, dass nach erst- und wiederholungstäter unterschieden wird. sieht man so selten. Gießkannenprinzip ala dortmund und gelsenkirchen, sind eher an der tagesordnung.
"Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende bereitet." - Karl Kraus



Beitragvon Otto78 » 11.04.2013, 21:44


Noch schöner fände ich, wenn nur rechtskräftig Verurteilte ein bundesweites Stadionverbot erhalten würden.
Alles andere öffnet der Willkür Tür und Tor!
Egal was passiert ich bleibe treu



Beitragvon mster » 11.04.2013, 22:12


Sehr guter Artikel, der tief blicken lässt. Es gibt also Stadionverbote für einen Verdacht auf Landfriedensbruch. Der noch dazu weit entfernt vom Stadion geschehen sein soll. Dass der FCK sich dann noch damit rühmt, dass Minderjährige angehört werden - der Rest jedoch nicht - setzt dem Ganzen die Krone auf. Wie überaus zuvorkommend. :nachdenklich:

Diese ganze Praxis ist eine Unverschämtheit und eines Rechtsstaats unwürdig. Stadionverbote für Vorfälle im oder zumindest wenigstens angrenzend ans Stadion nach einer rechtskräftigen Verurteilung - das ist das einzig akzeptable Vorgehen. Wer im Stadion Gewalt anderen genenüber anwendet der darf gerne für eine Weile aus dem Verkehr gezogen werden. Aber auch dann nur nach einer Verurteilung. Alles andere ist pure Willkür.



Beitragvon Mörserknecht » 11.04.2013, 22:17


Aktuell und instruktiv hierzu Siegel, NJW 2013, 1035, 1036

"Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit eines zivilrechtlichen Stadionverbots erweist sich zunächst als problematisch, dass der Zugang zu einem Fußballspiel grundsätzlich jedermann eröffnet wird. Vor dem Hintergrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte bedarf es daher eines sachlichen Grundes, der den Anforderungen des Art. 3 Absatz 1 GG genügt. Deshalb muss auf Grund objektiver Anhaltspunkte die Gefahr bestehen, dass künftige Störungen durch die betreffenden Personen zu erwarten sind; bei deren Feststellung dürfen die Anforderungen jedoch nicht überspannt und insbesondere nicht mit strafrechtlichen Beweispflichten gleichgesetzt werden. Unabhängig davon gilt es, die Verhältnismäßigkeit zu wahren: Ausprägungen dieser Verhältnismäßigkeitserwägungen sind in verfahrensmäßiger Hinsicht ein Anhörungserfordernis und die faire Ausgestaltung des Verfahrens im Übrigen, in materieller Hinsicht insbesondere die Beschränkung auf die Schwere der zu erwartenden Gewalttätigkeiten und eine Befristung."

Hervorhebung von mir.

Bemerkenswert ist, dass sich das Anhörungserfordernis ausgerechnet aus den DFB-Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten ergibt (§ 5a).

Die DFB-Richlinie ist zwar nicht verbindlich für den Betroffenen. Der FCK hat sich mit der "Ratifizierung" gleichwohl selbst daran gebunden.

Außerdem wird sich das Anhörungserfordernis aus der oben erwähnten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte herleiten lassen (Recht auf rechtliches Gehör).

Bereits vor diesem Hintergrund darf man die ohne Anhörung ausgesprochenen Stadionverbote für rechtswidrig halten.
Gislason, wink emol!



Beitragvon wkv » 11.04.2013, 22:26


Schön, von dir wieder was zu lesen. Endlich fundierte Infos, und kein "hängtsiehöher" Gewäsch.



Beitragvon offhegoes » 11.04.2013, 23:14


Mörserknecht hat geschrieben:Aktuell und instruktiv hierzu Siegel, NJW 2013, 1035, 1036

"Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit eines zivilrechtlichen Stadionverbots erweist sich zunächst als problematisch, dass der Zugang zu einem Fußballspiel grundsätzlich jedermann eröffnet wird. Vor dem Hintergrund der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte bedarf es daher eines sachlichen Grundes, der den Anforderungen des Art. 3 Absatz 1 GG genügt. Deshalb muss auf Grund objektiver Anhaltspunkte die Gefahr bestehen, dass künftige Störungen durch die betreffenden Personen zu erwarten sind; bei deren Feststellung dürfen die Anforderungen jedoch nicht überspannt und insbesondere nicht mit strafrechtlichen Beweispflichten gleichgesetzt werden. Unabhängig davon gilt es, die Verhältnismäßigkeit zu wahren: Ausprägungen dieser Verhältnismäßigkeitserwägungen sind in verfahrensmäßiger Hinsicht ein Anhörungserfordernis und die faire Ausgestaltung des Verfahrens im Übrigen, in materieller Hinsicht insbesondere die Beschränkung auf die Schwere der zu erwartenden Gewalttätigkeiten und eine Befristung."

Hervorhebung von mir.

Bemerkenswert ist, dass sich das Anhörungserfordernis ausgerechnet aus den DFB-Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten ergibt (§ 5a).

Die DFB-Richlinie ist zwar nicht verbindlich für den Betroffenen. Der FCK hat sich mit der "Ratifizierung" gleichwohl selbst daran gebunden.

Außerdem wird sich das Anhörungserfordernis aus der oben erwähnten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte herleiten lassen (Recht auf rechtliches Gehör).

Bereits vor diesem Hintergrund darf man die ohne Anhörung ausgesprochenen Stadionverbote für rechtswidrig halten.


Dem muss ich entschieden widersprechen. Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte? Da würde mir eine gekünstelte Konstruktion über Stadt als Gesellschafter der Stadion Gesellschaft besser gefallen. Aber nur weil etwas jedermann eröffnet wird muss man nicht mit den GR oder der Wertentscheidung der Verfassung kommen. Siegel - und ich habe den Aufsatz nicht gelesen - schreibt zumindest in diesem Absatz Käse.

Richtig, die DFB Richtlinien gelten nicht gegenüber Dritten. Ende der Geschichte. Der FCK hat sich hier auch niemals nach außen gegenüber Dritten binden wollen. Wieso auch!? Wer oder was soll ihn dazu verpflichtet haben.

Recht auf rechtliches Gehör wird hier niemandem genommen. Klagt doch! Und nehmt euch einen Anwalt, der laut eigener Homepage so ziemlich in jeder Richtung sein Spezialgebiet sieht...Vielleicht vermengt er deswegen auch so schön die Verschiedenen Rechtsgebiete. Aber neben den GR kommt so einer auch mit EInheit der Rechtsordnung und TReu und Glauben um die Ecke...Wir haben es hier nicht mit dem Staat zu tun, sondern einem Rechtsgeschäft unter Privaten. Wo hier der Anhörungsgrundsatz gewahrt werden müsste und aus welcher Rechtssatz kann mir gerne einer erklären. Vielleicht aber jemand, der das Lüth-Urteil nicht in jedem Schriftsatz zitiert.



Beitragvon waschbaerbauch » 11.04.2013, 23:30


@Mörserknecht: Danke für den sachlich fundierten Beitrag.

Das Wort "Rat(t)ifizierung" sticht in diesen Tagen natürlich etwas heraus :lol:

Aber zurück zum Ernst der Lage: Wie ist das, wenn nun einer dieser 52 ein Dauerkartenbesitzer ist und nach Abschluss der Ermittlungen zweifelsfrei unschuldig ist? Hat der dann ANsprüche auf Schadensersatz?



Beitragvon Mörserknecht » 11.04.2013, 23:38


offhegoes hat geschrieben:Dem muss ich entschieden widersprechen. Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte? Da würde mir eine gekünstelte Konstruktion über Stadt als Gesellschafter der Stadion Gesellschaft besser gefallen. Aber nur weil etwas jedermann eröffnet wird muss man nicht mit den GR oder der Wertentscheidung der Verfassung kommen. Siegel - und ich habe den Aufsatz nicht gelesen - schreibt zumindest in diesem Absatz Käse.


Dann konsequenterweise auch der BGH (Urteil vom 30. 10. 2009 - V ZR 253/08 = NJW 2010, 534, 535):

"Bei Fußballspielen gewährt der Veranstalter in Ausübung der in Artikel 2 Absatz 1 GG garantierten Vertragsfreiheit grundsätzlich jedermann – gegen Bezahlung – den Zutritt zu dem Stadion. Will er bestimmte Personen davon ausschließen, muss er deren mittelbar in das Zivilrecht einwirkende Grundrechte beachten; (...)"

Sicherlich mag auch der BGH mal Käse schreiben, aber der FCK ist gut beraten, das Recht so anzuwenden, wie es der BGH auslegt.

Wo wir aber bei Spezialwissen sind: Wir haben es nicht mit einem Rechtsgeschäft unter Privaten zu tun, sondern (Hausrecht) mit dinglichen Ansprüchen - freilich unter Privaten, was ja noch egal ist.

Aber auf der (Prüfungs-)Ebene der Ausübungskontrolle dieser Ansprüche ist natürlich Treu und Glauben das Einfallstor für die mittelbare Drittwirkung.

Ausnahmsweise wären Ausführungen zu Treu und Glauben (und sogar die Einheitlichkeit der Rechtsordnung, wenn man so will) tatsächlich mal auf der Linie des BGH. Der gute Anwalt wird daher in seinem Schriftsatz wohl oder übel zu diesen auch von mir "heißgeliebten" Formeln greifen.

Kein Grund für Schmähungen also ... :beer:
Gislason, wink emol!



Beitragvon Mörserknecht » 11.04.2013, 23:51


waschbaerbauch hat geschrieben:@Mörserknecht: Danke für den sachlich fundierten Beitrag.

Das Wort "Rat(t)ifizierung" sticht in diesen Tagen natürlich etwas heraus :lol:

Aber zurück zum Ernst der Lage: Wie ist das, wenn nun einer dieser 52 ein Dauerkartenbesitzer ist und nach Abschluss der Ermittlungen zweifelsfrei unschuldig ist? Hat der dann ANsprüche auf Schadensersatz?


Stimmt, eine "Rattifizierung" hatten wir in diesen Tagen ja auch :D

Unter gewissen Voraussetzungen ist das denkbar (allerdings nicht schon zwangsläufig, wenn und weil die strafrechtlichen Ermittlungen ins Leere laufen).

Wo es aber um die Diskussion von etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den FCK geht, meine ich, steht es mir noch gut zu Gesicht, mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhaltend zu sein. Sorry :wink:
Gislason, wink emol!



Beitragvon Scrooge McDuck » 12.04.2013, 00:16


Mörserknecht hat geschrieben:Wo es aber um die Diskussion von etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den FCK geht, meine ich, steht es mir noch gut zu Gesicht, mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhaltend zu sein. Sorry :wink:

Stilvoll bis zuletzt. Man muss nicht nur ob deiner Ausführungen den Hut ziehen. Man muss dies auch ob deines Niveaus tun. So viel Ruhe und Vernunft stünde den von Ratten geplagten auch gut zu Gesicht.
Vigilo confido.



Beitragvon Schlossberg » 12.04.2013, 00:59


Wann stehen eigentlich die nächsten AR-Wahlen an? 2014?
An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen.



Beitragvon BernddasBrot2 » 12.04.2013, 05:16


Ich greife einen Punkt aus der Diskussion heraus,
Ultra geht ins Stadionverbot und kommt als Hool heraus, was auch dem FCK bekannt ist.
Es wäre jetzt ganz böse zu behaupten, das ist gewollt.
Wie einfach ist es dann mit der Keule weiter auf den SV´ler einzuhauen.
Aber das war nur ein Gedankengang, mehr nicht.
... und wenn du glaubst es könnte nicht schlimmer werden, lass mal TH machen, der zeigt DIR wie es noch schlimmer werden wird.



Beitragvon paulgeht » 12.04.2013, 07:09


Dieser Thread mit seinen Informationen und der Diskussion - mal ganz ohne inhaltliche Wertung - ist der Grund, warum ich dbb so schätze und hier meine erste "Anlaufstelle" aus der Ferne ist.
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Ihr findet uns auch bei Facebook und Twitter.



Beitragvon Hans-Peter Brehme » 12.04.2013, 09:21


offhegoes hat geschrieben:... Wo hier der Anhörungsgrundsatz gewahrt werden müsste und aus welcher Rechtssatz kann mir gerne einer erklären...


Hmmm, irgendwie scheine ich zu dumm zu sein, diesen Satz zu verstehen. Mag mir vielleicht bitte der geneigte Verfasser bei Gelegenheit auf die Sprünge helfen?
"Go to where the puck is going to be!" (Wayne Gretzky)



Beitragvon Buggy » 12.04.2013, 09:34


Dass Willkür oder Zufall ausschlaggebend dafür sein kann, dass Stadionverbote ausgesprochen werden, das kann Keiner wollen.
An der Stelle wäre es dann m.E. sinnvoll, sich Gedanken zu machen, wie man dem entgegenwirken kann.

Was also tun, damit mehr Transparenz bei solchen Sanktionen gegeben ist?
Was also dafür tun, dass es mich als „Unschuldiger“ nicht durch den Kollegen Zufall treffen kann?

Was ist zielführend um eine Verbesserung dieses Sachverhaltes herbei zu führen?
Ist es hier zielführend einen Anwalt zu interviewen und die nach mancher Meinung unverhältnismäßigen Mittel zu betonen?
Oder ist es vlt. zielführend weiter den Selbstreinigungsprozess bei Taten, die zu Recht mit einem Stadionverbot oder mehr sanktioniert werden sollten, zu forcieren?

Dass es ausreicht an der falschen Stelle am falschen Ort zu sein, um in das Fangnetz dieses „Sicherheitskonzeptes“ zu geraten, sollte nachdenklich machen!

Was mir persönlich dabei aber nicht schmeckt, ist dass es nun den Anschein erweckt, als würde man sich in seiner Kritik bei diesem Prozedere auf Alle konzentrieren, nur nicht auf die, die dieses tatsächlich zu verantworten haben!

Ist es denn dieses realitätsfremde Konzept schuld daran, dass man sich auch als Unschuldiger vor solchen Stadionverboten nicht sicher fühlen kann, oder ist es der Zeuge im Stadion, dem seine Loyalität seiner Kumpels näher steht, als Alles andere?

Jeder, der sich über, wie in diesem Artikel beschriebenen Zustände zu Recht aufregt, sollte sich überlegen was er persönlich dagegen tun kann!
Hier zählt es nicht nur Stimmung gegen die Leute zu machen, die so einem Konzept zugestimmt haben, oder gegen die, die es entworfen haben, sondern vor allem denjenigen, die diese Leute mit ihrem Krawall, Gewalt und PYRO Verhalten auf den Plan gerufen haben!

Regt euch hier nicht im Netz über dieses Sicherheitskonzept und ihre unverhältnismäßigen Strafen auf, sondern fangt an einen Selbstreinigungsprozess herbeizuführen.

Filmt den Stehnachbarn der eine Fackel im Stadion zündet, filmt den vermummten „Fan“, der randaliert, versucht die Leute zu identifizieren, die meinen in der Gruppe ein legitimes Gewaltventil haben zu dürfen.

Das sind imho die besseren Maßnahmen um eine Verbesserung von Sanktionen rund um ein Fußballspiel herbeizuführen!



Beitragvon daachdieb » 12.04.2013, 09:46


Buggy hat geschrieben:Filmt den Stehnachbarn der eine Fackel im Stadion zündet, filmt den vermummten „Fan“, der randaliert, versucht die Leute zu identifizieren, die meinen in der Gruppe ein legitimes Gewaltventil haben zu dürfen.

Das sind imho die besseren Maßnahmen um eine Verbesserung von Sanktionen rund um ein Fußballspiel herbeizuführen!

Noch mal Stasi? Diesmal als "private" Blockwarte?
Nee danke!
Mir rennen schon viel zu viele "Kameramänner" durch die Gegend.

Die Lösung muß anders aussehen.
Oderint, dum metuant
fck-jetzt.de



Beitragvon Hessischer Aussenposten » 12.04.2013, 10:32


Juristisch kann und will ich den diskutierten Sachverhalt nicht bewerten, steht mir mangels fundierten Wissens nicht zu.

Für mich als regelmäßiger Stadiongänger heisst das aber, dass ich künftig noch mehr aufpassen werde, wer sich so in meiner näheren Umgebung ausserhalb des Stadions und im Block aufhält. Genauso fallen damit für mich künftig gemeinsame Reisen zu Auswärtsspielen flach, stellt ja quasi ein unkalkulierbares Risiko dar, da man sich der Gruppe in Zügen oder Bussen nicht räumlich entziehen kann, selbst wenn man will.

Ob das nun jetzt eine gute oder schlechte Konsequenz auf die Stadionverbotvergabepraxis ist, sei mal dahin gestellt.

Aber das scheinen nunmal künftig die Rahmenbedingungen des "modernen Fussballs" zu sein...
Gruß vom HAP
"... Von dem Angebot (von Preston North End) hätte ich damals halb Vogelbach kaufen können. ... Ich weiß, das versteht heute niemand, dass ich nicht gewechselt habe. Aber ich hätte sogar Geld gezahlt, um in Kaiserslautern spielen zu dürfen." (FCK-Legende Horst Eckel)



Beitragvon wkv » 12.04.2013, 11:24


daachdieb hat geschrieben:Die Lösung muß anders aussehen.


Danke, Daachdieb. Der Fan ist weder Blockwart, noch IM, noch Undercover-Agent.

Die Polizei hat ihre Möglichkeiten, sie soll sie ausschöpfen.

Und jeder hat für sich die Möglichkeit, dem Hype nicht allzu deutlich auf den Leim zu gehen.



Beitragvon jürgen.rische1998 » 12.04.2013, 11:30


Hessischer Aussenposten hat geschrieben:Aber das scheinen nunmal künftig die Rahmenbedingungen des "modernen Fussballs" zu sein...


Im Eishockey in der Schweiz ist es wohl zum Teil
schon so, dass Auswärtsfans von der Polizei
gesagt bekommen wie sie anzureisen haben.
Das selbstverständlich mit personalisierten
Tickets. Im manchen Stadien wird JEDER (!!!) der
den Gästeblock betritt gefilmt (also gezielte
Aufnahmen jedes Einzelnen). Intimkontrollen
gehören selbstverständlich auch dazu, ebenso
wie alkoholfreies Bier.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis wir
zu ähnlichen Verhältnissen kommen. Spässe wie
den "Fanpass" gibts ja in Italien schon...
Omnia vincit amor



Beitragvon wkv » 12.04.2013, 11:33


und ich hätte nix gegen personalisierte Tickets einzuwenden.

Das wäre für mich ein probates Mittel, ein Anfang.
Ich muss mich nicht schämen, meinem Verein hinterher zu fahren, und auch nicht, dass ich Tickets gekauft hab.
Wo ich im Stadion stehe darf jeder wissen, solange es nicht dazu führt, dass ein gezündeter Pyro im Block, wo ich bin dazu führt, in Sippenhaft genommmen zu werden und mit einem Stadionverbot belegt nach Gutdünken.

Straftaten werden in Deutschland noch immer nur als natürliche Person begangen, weder eine juristische Person ist dazu in der Lage, noch eine irgendwie geartete "Gruppierung".



Beitragvon Steini » 12.04.2013, 11:33


Wenn ich Worte wie Selbstreinigungsprozess lese schwillt mir der Kamm.
Ich halte es da eher mit dem Satz:
Der größte Lump im Land ist der Denunziant.

Das ist zu einfach, den "gemeinen" Stadionbesuchern, den Ball zu zuspielen.
Was für ein absurder Gedanke, da wäre der Willkür noch mehr Tür und Tor geöffnet.

PS: Rattifizierung mein neues Lieblingswort.



Beitragvon wkv » 12.04.2013, 11:37


Steini, bei einer wirklichen Straftat wäre ich dem vermutlich nicht mal abgeneigt.

Es gibt Dinge, die darf man nicht tolerieren. Ich bin da aber im Bereich Schusswaffen, Stichwaffen, derlei Dinge. Da wäre mir auch die Vereinsfarbe egal.

Aber 2 Typen, die sich keulen....als ob es das nicht auch beim Eishockey schon gegeben hätte, oder beim Dorfbingo.

Aber doch nicht ein Pyro, oder ein Mob, der sich gegenseitig an den Hut geht. Sollen sie doch...im Stadion passiert doch eh am wenigsten.

Da ist es super logisch, ein Stadionverbot auszusprechen, dann haben sie länger Zeit, sich sonstwo ihrem "Sport" hinzugeben.



Beitragvon Steini » 12.04.2013, 11:42


wkv hat geschrieben:Steini, bei einer wirklichen Straftat wäre ich dem vermutlich nicht mal abgeneigt.

.



Die stehen doch außerhalb der Diskussion.



Beitragvon daachdieb » 12.04.2013, 12:02


wkv hat geschrieben:und ich hätte nix gegen personalisierte Tickets einzuwenden.

Veto.
Das hatte ich nicht gemeint mit "die Lösung muß anders aussehen": Ich will auch weiterhin beim Bäcker Brot kaufen können OHNE mit dem Geld auch meinen Perso (sammeln sie Punkte?) auf die Theke legen zu müssen.

Soziale Probleme müssen mit sozialen und nicht mit technischen Maßnahmen gelöst werden.

Die Befürworter der "technischen Lösungen" haben mit Überwachungskameras, biometrischen Daten in Ausweisdokumenten, Extremisten-Datenbanken u.v.m. die Beweislast schon jetzt umgekehrt. Weil sie den "Daten" statt Tatsachen glauben. Wer mich aber auf mein fratzenbuch-Profil oder meine Einkaufsgewohnheiten bei amazon reduziert macht einen gewaltigen Fehler.

Die bescheidene Konsequenz daraus ist: Schuldig (oder zumindest verdächtig ==> ein "Anfangsverdacht reicht für ein SV aus!) ist immer öfter der, der seine Unschuld nicht beweisen kann.

Meine Idee von einer "anderen Lösung" wäre die an die Wand Gefahrene Debatte noch einmal bei NULL zu beginnen - mit ALLEN Gruppen an EINEM Tisch!
Auch DAFÜR könnte man kämpfen.
Zuletzt geändert von daachdieb am 12.04.2013, 12:11, insgesamt 1-mal geändert.
Oderint, dum metuant
fck-jetzt.de




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