Fußballthemen, welche den FCK nicht oder nicht direkt betreffen.

Beitragvon Christian » 02.09.2006, 06:49


Markus Merk
„Glücklich, als ich aus dem Camp rauskam“

01. September 2006
Schiedsrichter Markus Merk spricht im F.A.Z.-Interview über die aus seiner Sicht frustrierend verlaufene Fußball-WM und die Gängelung durch die Fifa. „Es fehlte der Respekt“, klagt der Weltschiedsrichter.


Nach der WM hörte man, Sie seien so frustriert, daß Sie daran dächten, Ihre Schiedsrichterkarriere zu beenden. Nun kommen Sie zurück. Was ist passiert?

Ich brauchte einfach Abstand. Erstmals seit vielen Jahren hatte ich zwei Wochen Urlaub mit der Familie. Ich bin auf ein paar Viertausender gestiegen. Nun freue ich mich wieder drauf, Bundesliga und Champions League zu pfeifen. Die Uefa (Europäische Fußball-Union) ist ein phantastischer Verband; es macht Spaß, für sie tätig zu sein.

Für die Fifa (Internationaler Fußball-Verband) machte es keinen Spaß mehr?

Was da passiert ist in den letzten 14 Tagen der WM, zeigte, daß der Respekt fehlt. Nachdem unsere Mannschaft so weit kam, war mir vom Sportpolitischen klar, daß ich nicht mehr eingesetzt würde. Dann wurde ich fürs Achtelfinale Frankreich gegen Spanien angesetzt und kurzfristig wieder abgesetzt. Die klare Absprache war: Bitte, wenn ihr uns nicht mehr braucht, laßt uns nach Hause. Doch es wurde Stein auf Bein von Angesicht zu Angesicht geschworen: Ihr bekommt noch ein Spiel.

Sie bekamen keins mehr, man ließ Sie zappeln. Sehen Sie ein System darin, Schiedsrichter kleinzumachen und vor allem die Stars unter ihnen?

Ich spreche nicht gern von System. Aber wenn man die Namen sieht, die übrigblieben, war ich neben Ljubos Michel der einzige von den turniererfahrenen Schiedsrichtern. Terje Hauge war gar nicht für die WM nominiert. Es war nicht mal sicher, ob ich überhaupt nominiert würde. Das war eher so, daß man es nicht gut hätte kommunizieren können, den „Weltschiedsrichter“ nicht bei der WM zu haben.

Dabei gelten Sie mit Ihrer Fitness als Vorbild.

Selbst daran gab es intern Kritik: Wie kann der noch nebenher Marathons laufen? Obwohl ich das seit dreißig Jahren mache, es ist die Basis meiner Fitness. Also habe ich das in der WM-Saison gelassen. Ich hätte mir das aber alles gar nicht angetan, wäre die WM nicht im eigenen Land gewesen.

WM in Europa, dominiert von europäischen Teams. Die vier Top-Spiele - Eröffnung, Halbfinals, Finale - wurden aber nicht von Europäern gepfiffen.

Ich war darauf gefaßt. Ich wußte, was auf mich und die europäischen Kollegen zukam. Erfahrene Schiedsrichter wurden aussortiert, Handlungsspielräume eingeschränkt, die Regelauslegung vereinheitlicht, auf Kosten der Persönlichkeit des Schiedsrichters. So weit, daß man sich als Schiedsrichter unwohl fühlte.

Sehen Sie die WM-Schiedsrichter als Spielball von Politik und Populismus?

Absolut. Erst wurden uns in der Vorrunde strikte Vorgaben gesetzt, die dann nach der Vorrunde abgeschwächt wurden - auf öffentlichen Druck.

Welche Wirkung hat denn die kurze Leine, an die die Fifa die Schiedsrichter nimmt?

Es führt zu Sanktionierungen, die überhaupt nicht nötig sind, für Sachen, die gar nicht auffallen, wenn man das mit Persönlichkeit behandelt. Wir wollen ja alle das Zeitspiel verhindern. Aber in der WM-Vorrunde passierte das Gegenteil, da wurden Strafen ausgesprochen und Gelbe Karten gezeigt für Dinge, die niemanden stören. Es ist bitter, wenn ein Spieler den Ball ein bißchen zurückschiebt und man ihm eine Gelbe Karte geben muß. Ein guter Schiedsrichter könnte so etwas im Sinn des Spieles anders regeln.

Gegen die strikte Bestrafung des Ellbogeneinsatzes ist aber nichts zu sagen.

Aber das ist ja nichts Neues, den Ellbogeneinsatz wollen wir schon seit Jahren rausbekommen. Und immer dreht es sich um die Frage: War es Absicht? Aber bei der WM wurde der Fokus so groß, daß schon bei jedem Bild, bei jeder Szene nach dem Ellbogen gesucht wurde.

Hat denn die Fifa überhaupt Erfolg mit dem Versuch, eine Art Weltlinie für die Regelauslegung zu schaffen?

In keinem Land wird, so weit ich weiß, nun nach den Kriterien, die in der WM-Vorrunde angelegt wurden, gepfiffen.

Völlig aus dem Ruder lief es im Achtelfinale, beim Spiel Portugal gegen Niederlande.

Jeder denkt, hoffentlich bekomme ich nicht so ein Spiel. So eins, bei dem schon das Pfeifen eine Bestrafung ist für den Schiedsrichter. Und als wär's noch nicht Strafe genug, wird der Kollege Iwanow vom Fifa-Präsidenten auch noch öffentlich an den Pranger gestellt.

Wenigstens das ist Ihnen erspart geblieben.

Was mich drei Jahre lang gequält hat, die Zusatzbelastung Fifa mit all der Politik und den persönlichen Eitelkeiten und dem mangelnden Respekt, das ist nun weg. Der Tag, an dem ich rauskam aus dem WM-Camp, war ein glücklicher Tag.

Die Fragen stellte Christian Eichler


Text: F.A.Z., 01.09.2006, Nr. 203 / Seite 34
Quelle: http://www.faz.net/s/RubBC20E7BC6C204B2 ... ntent.html
Der Betze brennt - www.der-betze-brennt.de



Beitragvon Christian » 02.09.2006, 06:52


Ein, wie ich finde, sehr interessantes Interview von Schiedsrichter Markus Merk über den Weltverband FIFA.
Der Betze brennt - www.der-betze-brennt.de



Beitragvon Bingo » 02.09.2006, 10:12


Es ist wie in der Politik. Einmal gewählt, ersteinmal am Ziel - an der Macht . Da geht jeglicher Bezug zur Basis verloren. Die nun gewonne Macht zu erhalten und abzusichern, hat oberste Priorität vor den eigentlichen Belangen und Problemen derer, die sie in dieses Amt erst gewählt haben.

Ein gewisser Herr Blatter ist ein Musterbeispiel dafür.



Beitragvon Betzegeher » 02.09.2006, 19:33


Fand es total schade, dass Merk kein Spiel in Kaiserslautern pfeifen durft. Das hatte er sich so sehr gewünscht. Das haben die Idioten von der FIFA mit Sicherheit gewusst. Wo wäre das Problem gewesen ihn beim Spiel ITA vs. AUS pfeifen zu lassen?

Der hätte dann auch keinen Elfer für die Italiener gegeben :teufel2:




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