Die einen mochten an ihre Mini-Chance selbst kaum noch glauben, die anderen hatten ihr großes Ziel fest im Blick. So sah das Spiel auch aus. Wie sich die Roten Teufel vom Geißbock auf die Hörner nehmen ließen, tat dann aber doch weh.
Machen wir uns nichts vor. Aus FCK-Sicht war der mediale "Endspiel"-Hype um diese Partie schon von vorneherein zu dick aufgetragen. Angesichts der mehrfachen Schützenhilfe, die parallel von anderen Plätzen hätte geleistet werden müssen, um den 1. FC Kaiserslautern bei einem Sieg gegen den 1. FC Köln noch Platz 3 zu hieven, ließ sich diesem Team kaum noch ein Glaube einpflanzen, der stark genug gewesen wäre, einen Gegner niederzuringen, der sein großes Ziel so deutlich vor Augen wusste.
Der Optimismus, den FCK-Trainer Torsten Lieberknecht bis zum Schluss ausstrahlte, war lediglich seinem professionellen Selbstverständnis geschuldet. Als Chef war er nun einmal seine Pflicht, mit Zuversicht voranzugehen. Die Art und Weise, in der sich sein Team mit zunehmender Spieldauer präsentierte, dürfte aber auch ihn enttäuscht haben.
Spätestens, als Lauterns Hintermannschaft in der 86. Minute Mark Uth Geleitschutz gab, um dem verdienten FC-Stürmer zu seinem Abschied das 4:0 zu ermöglichen, hatten sich die Roten Teufel endgültig zu Aufstiegsgratulanten degradiert. Hatte nicht letzte Woche nach dem Heimsieg gegen Darmstadt irgendjemand getönt, er wolle in Köln den "Party-Crasher" geben? Oje. Die schärfsten Sprints zogen die Betze-Buben an, als es nach dem Abpfiff darum ging, dem Platzsturm der Kölner Fans auszuweichen.
Ja, schon klar: Wenn Ache trifft, läuft alles anders
Natürlich: Es gab da diese Szene in der 6. Minute, mit der nahezu alle Roten hinterher belegen wollten, dass diese Partie ja auch hätte ganz anders laufen können, wenn, Ragnar Ache die Kopfballchance genutzt hätte, die Daniel Hanslik ihm serviert hatte.
Auch Hanslik bot sich eine solche Gelegenheit. Nach 20 Minuten, es stand bereits 0:1, erwischte er eine scharfe Flanke von Jean Zimmer nicht richtig. Diese beiden Szenen deuteten zumindest an, wie die Torsten Lieberknecht sich den Auftritt seiner Jungs vorgestellt hatte. Mit mehr Flanken aus dem Spiel heraus zum Erfolg kommen, an denen nämlich hat es schon die ganze Saison gefehlt. Erik Wekesser und Co. schlugen im Verlauf der ersten Hälfte sogar noch ein paar mehr.
Kein Formationsproblem, sondern Zweikampfschwäche
Neben dem gelbgesperrten Kenny Redondo hatte Lieberknecht auch auf den angeschlagenen Daisuke Yokota verzichten müssen. Als Grundformation hatte er ein etwas "windschiefes" 4-4-2 gewählt. Windschief deswegen, weil die Flügel asymmetrisch agierten. Links beackerten Wekesser und Kleinhansl die Seitenlinie eher klassisch, rechts zog es Marlon Ritter immer wieder in die Mitte, und Jean Zimmer rückte auf.
Mit der Zeit aber wirkte konturlos, was eventuell als taktischer Winkelzug gedacht war. Da war es hinten mal Viererkette, mal Dreierkette, immer aber etwas, was sich leicht überspielen ließ. Nach dem 0:2 stellte sich die Mannschaft im Kreis zu einem kleinen Palaver zusammen, um zu klären, wie es weitergehen sollte. Das gab es diese Saison schon häufiger, oft auch mit Erfolg, dieses Mal wirkte es aber nur ratlos.
Die beiden Tore, die da bereits gefallen waren, zeugen allerdings weniger davon, dass es an der Grundordnung fehlte, sondern von mangelnder Konzentration und Entschlossenheit. Vor dem ersten Treffer serviert Leart Pacarada einen Einwurf vor die Füße von Florian Kainz, ohne dass irgendjemand Druck ausübt. Kainz passt auf Pacarada zurück, der darf das Leder ebenso seelenruhig annehmen und aus dem Fußgelenk in den Strafraum flanken. Am kurzen Eck steigt Eric Martel gegen Jan Elvedi und Jannis Heuer hoch, bekommt den Kopfball, und der senkt sich hinter Julian Krahl ins Netz. Wer da von allen Beteiligten das lascheste Zweikampfverhalten an den Tag legte? Auch das sollte mal Gegenstand eines kleinen Palavers werden.
Toller Spielzug zum 0:2 - weil keiner dazwischenhaut
Ähnlich kollektive Schläfrigkeit verhalf den Kölnern auch zum zweiten Torerfolg. Denis Huseinbasic darf den Ball aus der eigenen Hälfte nach vorne treiben, der erneut an der linken Seitenlinie postierten Pacarada anpassen. Der steckt ihm das Leder zwischen zwei Spalier stehenden Lautrern hindurch wieder zurück. Huseinbasic quetscht sich an Elvedi vorbei, setzt mit einem schönen Diagonalpass den halbrechts in den Strafraum einlaufenden Damion Downs ein. Der legt quer auf Luca Waldschmid - 2:0 für Köln. Schöner Spielzug, keine Frage, und doch wäre er mit ein wenig mehr "körperlicher Akzentuiertheit" (Copyright für diese Wortschöpfung: Julian Nagelsmann) leicht zu unterbinden gewesen.
Die Kölner verhielten sich dann so, wie es sich nach einer 2:0-Führung empfiehlt. Sie stellten sich tiefer, überließen Raum und Ball dem Gast, lauerten auf die Chance zur Balleroberung, bis die Roten Teufel während ihres unproduktiven Ballgeschiebes unaufmerksam wurden. Die zweite Hälfte unter diesem Gesichtspunkt eingehender zu analysieren, würde den FCK-Anhang nur quälen.
Bemerkenswert ist allenfalls noch, dass Julian Krahl einen Elfmeter von Waldschmidt halten durfte - Filip Kaloc hatte die Phrase "den Gegner niederringen" zu wörtlich genommen.
Drei Wechsel - null Impulse
In der 62. Minute versuchte der Trainer, mit einem Dreier-Wechsel ein Zeichen zu setzen: Für Ache, Zimmer und Heuer kamen Faride Alidou, Frank Ronstadt und Philipp Klement. Doch auch das offenbarte nur einmal mehr, was sich bereits durch die gesamte Rückrunde zieht. Mit Einwechslungen neue Impulse setzen, gar eine Wende einleiten, das will dem FCK einfach nicht mehr gelingen.
Ab der 77. Minute kam Grant Ranos zu ihrem fünften Kurzeinsatz im Lautern-Trikot. Die anderen beiden Winter-Leihen wurden gar nicht gebraucht: Tim Breithaupt verbrachte die volle Spielzeit auf der Bank, Maxi Bauer war gar nicht im Kader. Dass sich die FCK-Verantwortlichen ins Zeug legen werden, einen der Genannten über den Sommer hinaus am Betzenberg zu halten, ist praktisch ausgeschlossen.
Der Vollständigkeit halber sei noch das 3:0 erwähnt. Da lässt sich die FCK-Hintermannschaft über die rechte Seite auskontern. Elvedi fälscht die flache Hereingabe ab, Kainz schiebt sich aus Ronstadts Rücken vor diesen und vollstreckt. Der nächste Abwehrfehler nach den vielen anderen, die bereits vorangegangen waren.
Die Defensive ist die größte Baustelle
Wenn dieser Auftritt aus Lautrer Sicht zu etwas taugte, dann, um den Verantwortlichen aufzuzeigen, wo die größte Baustelle in diesem Sommer ist: in der Abwehr. Mit 55 Gegentreffern stellt der FCK gemeinsam mit dem Karlsruher SC die schwächste Defensive in der oberen Tabellenhälfte, nach "xGoals against" könnten es sogar noch drei Gegentore mehr sein. Über alle anderen personellen Lücken, die in den nächsten Tagen noch entstehen, möchten wir an dieser Stelle noch nicht spekulieren - dazu folgt die Tage ein eigener Text auf Der Betze brennt. Wie praktisch jedes Jahr zeichnet sich wieder ein personeller Umbruch beim FCK ab.
65 Prozent Ballbesitz - aber nichts geht nach vorne
Zu den Grafiken. Machen wir es so kurz wie möglich. Phasenweise 65 Prozent Ballbesitz hatte der FCK in der zweiten Halbzeit. Was er daraus gemacht hat? Die xG-Timeline zeigt's: nichts. Und falls sich's tatsächlich jemand noch nicht gedacht hat: Der FCK ist diesmal die blaue Linie.
Die Positions- und Passgrafik deutet an, dass es wohl ein Zwitter zwischen Dreier- und Viererkette sein sollte, was der FCK da spielte. Auffallend die vorgeschobene Postion von Zimmer (Nr. 8), dessen Spot aber von Ronstadt (27) verdeckt wird.
Zum Vergleich die Passmap der Kölner. Bisschen linkslastig, aber wen juckt's - Glückwunsch zum Aufstieg.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage