Taktik-Nachlese zum Spiel BTSV-FCK

DBB-Analyse: Soll das "die Realität" sein? Echt jetzt?

DBB-Analyse: Soll das "die Realität" sein? Echt jetzt?


Erste Hälfte hinten stark, vorne schwach, zweite Hälfte genau umgekehrt. Der 1. FC Kai­sers­lau­tern verliert auch das dritte Spiel in Folge. Markus Anfang spricht da­von, man sei "in der Realität" angekommen. Die wäre in der Tat grausam, wenn dies zuträfe.

Der Trainer hatte wahrgemacht, was er in seinem Statement unmittelbar nach der 1:2-Niederlage gegen Nürnberg angedeutet hatte. Er nahm vor dem Gastspiel bei Eintracht Braunschweig gleich mehrere Wechsel in seiner Startformation vor. Wen es traf, überraschte allerdings. Für Jan Elvedi begann Jannis Heuer in der Dreier-Abwehrreihe, für Filip Kaloc und Daniel Hanslik rückten Leon Robinson und Erik Wekesser ins Team.

Elvedi mal eine Pause zu gönnen, erschien am ehesten nachvollziehbar: Er hatte zuletzt gegen Nürnberg und, mehr noch, in der Woche davor, beim 0:2 in Magdeburg, einige Male schlecht ausgesehen. Innenverteidiger-Kollege Maxi Bauer allerdings auch. Und Heuer, in der Hinrunde zuverlässige Stammkraft, scharrt schon seit Wochen mit den Hufen. Warum also nicht.

Weshalb aber musste Kenny Redondo seinen Platz auf der linken Außenbahn räumen und wieder nach vorn rücken? Gegen Nürnberg hatte er die Position besser ausgefüllt als die etatmäßig vorgesehenen Wekesser und Florian Kleinhansl. Doch statt Wekesser saß nun der selten spektakulär auftretende, aber stets dienstbare Geist Hanslik auf der Bank.

Dank Doppelsechs defensiv kompakt

Und Robinson für Kaloc? Die Frage ließ sich leichter beantworten. Robinson ist "mehr Sechser" als der Tscheche, positionierte sich folgerichtig im hinteren Mittelfeld neben Tim Breithaupt. Und in der Tat fand der Gegner diesmal nicht so viele Anspielstationen vor dem Sechzehner wie in den Wochen zuvor. Jedenfalls nicht in der ersten Hälfte.

Überhaupt überzeugte die Abwehrarbeit der Betze-Buben in Halbzeit eins auch im Großen und Ganzen. Die Gastgeber kamen dennoch zu sechs Torabschlüssen im Lautrer Strafraum. Zwei davon ergaben sich allerdings nach Freistoßflanken, bei denen einige Blaugelbe im Abseits standen - eine am Ende verunglückte Direktabnahme Robin Kraußes aus 14 Metern sowie eine Einschusschance der FCK-Leihgabe Richmond Tachie, die Bauer gerade noch abblockte.

Ob die beiden möglichen Treffer aber vom VAR kassiert worden wären? Nach den Erfahrungen der jüngsten Wochen - erinnert sei nur an das 3:5 in Paderborn - hätte man sich darauf kaum verlassen können. Auch wenn diese Partie in dem erst 27-jährigen Richard Hempel einen souveränen Leiter hatte, wie er in den FCK-Spielen dieser Saison bislang selten zu erleben war.

Nanu, Braunschweig mit 57 Prozent Ballbesitz?

Weniger erbaulich war, wie die Braunschweiger zu ihrer ersten Torchance kamen. Marvin Rittmüller überlief auf der rechten Außenbahn Wekesser, nachdem er mit Lino Tempelmann ein banales Doppelpässchen gespielt hatte. Die flache Hereingabe in die Mitte versemmelte Rayan Philippe. Wenigstens präsentierte sich Gyamerah auf der rechten Seite gegenüber der Vorwoche formverbessert. Einen frühen Ballverlust leistete sich allerdings auch er.

Und unterm Strich dürften sich die Gastgeber selbst am meisten gewundert haben, dass sie in der ersten Hälfte sage und schreibe 57 Prozent Ballbesitz hatte. Daniel Schernings Team ist normalerweise auf "Umschaltspiel" abonniert. Im Grunde wär's daher kein schlechter taktischer Zug gewesen, ihm den Ball zu überlassen und es auf diese Weise zu zwingen, etwas zu tun, was es weniger gut kann. Sofern man selbst in der Lage gewesen wäre, Konter zu fahren und diese auch zu nutzen.

Beim FCK ging nach vorne gar nichts

Das aber war das große Problem des FCK. Nach vorne ging gar nichts. Bis zur Pause verzeichneten die Gäste einen xGoals-Wert von null. Nochmal in Zahlen: 0. Das gab's in dieser Saison auch noch nicht. Laut "Kicker" soll es sogar das erste Mal seit 2013 (!) gewesen sein, dass von den Roten Teufeln in 45 Minuten kein einziger Schuss aufs gegnerische Tor ging.

Dabei ergaben sich Ansätze, schnell umzuschalten, zuhauf, doch wurden diese schon mit dem ersten oder zweiten einleitenden Pass vergeigt. Selbst Marlon Ritter, der mit Redondo und Keilspitze Ragnar Ache das Offensivtriangel bildete, brachte keinen Ball zum Mann, der Wirkung nach vorne erzeugte. Dreimal gelangen den Pfälzern sogar frühe Ballgewinne, nach denen ein einziges präzises Zuspiel genügt hätte, eine Einschussmöglichkeit zu schaffen, doch selbst die wurde verdaddelt.

Nach der Pause mutiger - Prompt folgt der Doppelschlag

In der Halbzeitpause jedoch schien intensiv geredet worden zu sein. Nach dem Wiederanpfiff schoben sich die Weiß angetretenen Roten Teufel endlich mal weiter nach vorne, attackierten früh und kehrten das Ballbesitzverhältnis der ersten 45 Minuten glatt um. Das sah wirklich vielversprechend aus. Allerdings nur knapp sieben Minuten lang. Dann traf die Betze-Buben ein Doppelschlag, der sie auch das dritte Spiel in Folge verlieren ließ.

Lag's daran, dass den Gastgebern nun gestattet war, was sie nunmal besser können - kontern nämlich? Gar nicht mal unbedingt.

Dem ersten Treffer geht zwar ein langer Ball über die erste und die zweite Lautrer Pressinglinie voraus - doch Bauer pflückt diesen recht locker ab und köpft ihn auf Tim Breithaupt. Doch was macht der? Spielt einen haarsträubenden Fehlpass auf den vorm Sechzehner lauernden Tachie. Der spielt zu Rittmüller, der wiederum setzt den halblinks einlaufenden Tempelmann ein. Und der schiebt das Leder mehr lasch als lässig ins lange Eck. Ob Keeper Julian Krahl da nicht vielleicht was hätte machen können, sollen die Torwart-Experten entscheiden.

Ausgerechnet Breithaupt ...

Zwei Minuten später ist es wieder Breithaupt, der den Ball beim Spielaufbau verliert. Diesmal landet er anschließend bei Philippe, der halbrechts in den Strafraum eindringt, und das Leder mit dem Vollspann über Krahl hinweg ins Netz drischt.

Ausgerechnet Breithaupt. Der in der Winterpause geholt wurde, weil er mit präzisen Passspiel einen kontrollierten Aufbau des FCK-Spiels aus dem hinteren Mittelfeld heraus ermöglichen kann - und dieser Rolle bislang auch durchaus gerecht geworden war. Und jetzt das.

Danach sind die Gäste durchaus "bemüht" - Kenner bestimmter Unternehmenskulturen wissen, was von dieser Vokabel zu halten ist, wenn sie in Zeugnissen auftaucht.

1:2 wäre möglich gewesen - das 0:3 aber auch

Anfang wirft bereits nach 60 Minuten mit Faride Alidou, Daisuke Yokota und Hanslik für Gyamerah, Breithaupt und Wekesser drei weitere Offensivkräfte in die Schlacht. Redondo links und Alidou rechts postieren sich nun auf den Außenbahnen weit vorne, Yokota und Hanslik unterstützen Ache in der Mitte. Viel mehr Sturmpower geht wirklich kaum - auf dem Papier.

Tatsächlich bieten sich Redondo per Kopf und Robinson auch gute Chancen, auf 1:2 zu stellen. Andererseits bleiben aber auch die Braunschweiger immer wieder mit Gegenstößen gefährlich. Eine Resultatsverbesserung zugunsten des FCK wäre also möglich gewesen, ebenso aber auch, erneut mit zwei Treffern Distanz in Rückstand zu geraten. Insofern war diese Niederlage in Folge keinesfalls unglücklich - und schon gar nicht "unverdient."

Opoku kommt - und hat drei starke Szenen

Wenigstens einer aber darf noch lobend erwähnt haben. Nach 72 Minuten kam Aaron Opoku für Redondo. Und dem gelangen in den knapp 20 Minuten seines Mitwirken gleich drei präzise, linienüberwindende Pässe zwischen eng zusammenstehenden Abwehrbeinen hindurch in die Spitze. Der dritte auf Ache führte in der Nachspielzeit zur größten Torchance des FCK im gesamten Spiel. Exakt solche Zuspiele hatten der Elf schon in den ersten 45 Minuten gefehlt.

Es war erst Opokus zweiter Einsatz in der Rückrunde. Beim 0:3 in Hamburg war er nach knapp 50 Minuten gekommen. In den ersten Spielen der Hinrunde war er noch Leistungsträger. Doch nach einer Verletzungspause und seiner Ankündigung, den Verein im Sommer verlassen zu wollen, ist der Flügelstürmer aufs Abstellgleis geraten. Einerseits nachvollziehbar, andererseits: In dieser Elf stehen noch etliche andere, die das FCK-Trikot kaum über den Sommer hinaus tragen werden. Warum also ausgerechnet Opoku meiden?

Die Sache mit der Realität

Drei Niederlagen in Folge. Fünf Niederlagen in den vergangenen neun Spielen, nur zwei Siege, Tabellenplatz 17 in dieser Formtabelle. Zu welchen Diskussionen solche Wellentäler rund um den Betzenberg traditionell führen, müssen wir hier nicht erörtern. Trainer Anfang spricht davon, dass man "in der Realität" angekommen sei. Soweit, wie es das Tabellenbild glauben machte, sei die Mannschaft tatsächlich nie gewesen. Vergangene Saison habe sie schließlich noch gegen den Abstieg gespielt. Sie müsse sich noch weiterentwickeln.

Sicher, unterm Strich hat der FCK nach wie vor mehr Spiele glücklich gewonnen als unglücklich verloren. Insofern war die Nähe zu den Aufstiegsrängen, in die die Mannschaft geriet, vielleicht in der Tat ein wenig trügerisch. Andererseits aber ist die Schlagdistanz zu Relegationsrang 3 immer noch gegeben, und die Konkurrenz stellt sich auch nicht besser an. Es ginge also noch was. Wenn das Team sich noch einmal auf die Stärken besinnt, die es in dieser Spielzeit durchaus schon gezeigt hat.

Soll das, was es in Braunschweig aufführte, tatsächlich "die Realität" gewesen sein? Dass dieser FCK, wie in Hälfte eins gezeigt, hinten nur um den Preis kompakt stehen kann, dass nach vorne dann gar nichts geht? Und dass er, sobald er, wie in Hälfte zwei gesehen, etwas mutiger agiert, sofort hinten anfällig wird? Dann hätte er sich in dieser Saison noch gar nicht weiterentwickelt. Denn dass es an der "Balance" zwischen Defensive und Offensive fehle, hatte der Trainer schon am 4. Spieltag erklärt, nach der 3:4-Heimniederlage gegen Hertha BSC.

Sirch marschierte nicht wie sonst

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline visualisiert noch einmal das bereits Gesagte. Offensiv ging in Halbzeit eins gar nichts.

xG-Timeline BTSV-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Die grafische Darstellung deutet es an: Bauer (Nr. 5) rückte öfter mal auf die Linksverteidiger-Postion, Gyamerah (32) positionierte sich tiefer als Gegenüber Wekesser, so dass eine leicht schiefe Viererkette entstand. Der Nachteil: Luca Sirch (31) kam nicht zu den belebenden Powerläufen nach vorne.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Passmap der Braunschweiger: Man beachte, um wie vieles tiefer als ihre Vorgänger sich die Einwechselspieler Ermin Bicakcic (6), Fabio Di Michele Sanchez (22) und Fabia Kaufmann (7) positionieren. Die wussten eben, worauf es in der Schlussphase ankam. Kaufmann ist übrigens eigentlich einer für die Offensive.

Passmap BTSV

Die Übersicht über die Passkombinationen. Fleißigster Passspieler aus der Abwehr war diesmal Heuer. Die eigentlich Umschaltzentrale sieht auch in dieser Darstellung nicht gut aus. Er stand allerdings auch nur 60 Minuten auf dem Platz.

Passkombinationen BTSV-FCK

Und zum Schluss wieder mal die Landkarte der Duelle. Und da sieht man: Vorm Lautrer Sechzehner gestaltete er Gegner auch diesmal wieder das Gros der Zweikämpfe für sich. Trotz Doppelsechs. Die es aber auch nur in den ersten 45 Minuten gab.

Duelle BTSV-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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