Taktik-Nachlese zum Spiel HSV-FCK

Die DBB-Analyse: Ebbe an der Elbe

Die DBB-Analyse: Ebbe an der Elbe


Viel bringt der FCK beim HSV nicht zustande, verliert verdient 0:3. Ragnar Ache kommt gar nicht ins Spiel, die Gegentreffer fallen allesamt über die linke Abwehrseite. Marlon Ritter will's "intensiver, aggressiver, ekliger". Zurecht.

Wer keine Lust hat, sich als FCK-Anhänger nach einem solchen Kick eine ellenlange Analyse anzutun, dem sei wenigstens dieser eine Satz mitgegeben: Davie Selke hat die Bälle bekommen, die Ragnar Ache gerne bekommen hätte. Das allein erklärt die satte 0:3-Abfuhr zwar nicht, die sich der 1. FC Kaiserslautern beim Hamburger SV abgeholt hat, bringt es aber einigermaßen auf den Punkt.

Und ist womöglich der Grund, weshalb der Lautrer Torjäger so angefressen wirkte, als ihn Markus Anfang nach 66 Minuten vom Feld holte. Kann natürlich auch sein, dass er sich über die Auswechslung an sich ärgerte. Aber wieso hätte er unglücklich sein sollen, dass dieser Arbeitstag für ihn zu Ende ging? Die bescheidenen Versuche seiner Mitspieler, ihn in ihr Treiben einzubinden, waren bis dato allesamt fehlgeschlagen. Das muss ja wohl frustrieren. FCK-Trainer Anfang nahm Aches Frust jedenfalls nicht persönlich, wie er später gegenüber den mitgereisten Journalisten aus Kaiserslautern bekundete: "Natürlich werden wir darüber mit Ragnar nochmal reden. Er hat sich über sich selbst geärgert, da sind wir dann auch nicht so eitel und haben keine Probleme damit. Besser einer ärgert sich als einer, der es einfach so hinnimmt."

Ache vs. Selke: Von nichts kommt nichts

17 Ballberührungen verzeichnet die Statistik für Ache, für HSV-Mittelstürmer Selke, der zehn Minuten länger auf dem Platz stand, stehen 21 zu Buche. Das klingt nach einem gar nicht mal so großen Unterschied. Wie brutal dieser dennoch war, offenbart sich erst beim begleitenden Blick auf beider Heatmaps.

Ache war dieser "Sofascore"-Visualisierung zufolge so auf dem Feld unterwegs:

Heatmap Ragnar Ache

Und so war Selke positioniert:

Heatmap Davie Selke

Selke hatte am Ende zwei Treffer erzielt, Ache HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes kein einziges Mal geprüft. Das ist schon bitter für den Lautrer: Selke mag aktuell in Topform sein, aber was seine individuellen Qualitäten angeht, steht ihm Ache eigentlich in nichts nach.

Da bleibt die Frage: Weshalb brachten die Roten Teufel ihren Topstürmer nicht besser ins Spiel? Und da lässt sich leicht vom Hundertstel ins Tausendstel kommen.

Die Ordnung war da, die aber ist nicht alles

Auf den ersten Blick begann es ja gar nicht mal so schlecht. Schon nach zwei Minuten jagte Luca Sirch aus seiner zentralen Innenverteidiger-Position einen langen Ball auf die rechte Seite. Daisuke Yokota setzte den rechts durchstartenden Marlon Ritter ein, der flankte, und Erik Wekesser durfte sich halblinks im Sechzehner an einer Direktabnahme versuchen. Ja, er hätte den Ball schon traumhaft treffen müssen, damit er einschlägt, und Wekessers Tag sollte es ohnehin nicht werden. Aber gut aus sah das schon.

Ebenso wie die mittlerweile eingespielte Ordnung, in der sich die Pfälzer formierten. Bei HSV-Ballbesitz positionierten sich Ache und Yokota vor der Mittellinie, Ritter und Filip Kaloc auf den Halbpositionen dahinter. Gemeinsam versuchte man, das Spiel des Gegners auf die Seiten zu leiten. Tim Breithaupt sicherte versetzt dahinter die Mitte, die Außenbahnspieler Wekesser und Jan Gyamerah erweiterten bei Bedarf die Dreier- zur Fünferkette oder rückten nach vorne.

Das Übel war früh absehbar

Es dauerte dann zwar 18 Minuten, bis Selke zu seiner ersten Tor-Aktion kam, die Alarmzeichen aber häuften sich schon früh. Der FCK bekam einfach keinen Ballbesitz über zehn Sekunden zustande. Die Versuche, Ache über weite Zuspiele einzusetzen, wirkten unbeholfen. Daher konnte die Hamburger Angriffsmaschine langsam, aber stetig Fahrt aufnehmen. Die Flanken aus dem Halbfeld häuften sich. Ebenfalls bezeichnend: Schon zur Halbzeit hatten sich die Gastgeber ein Eckballverhältnis von 11:2 herausgespielt, auch wenn speziell daraus kein Übel erwuchs.

HSV-Torjäger Selke dagegen gestatteten die Pfälzer in Hälfte eins insgesamt drei Einschussgelegenheiten. Das spätestens die dritte drin sein musste, war im Grunde nur konsequent. Die erste resultierte aus einer Halbfeld-Flanke von Dennis Hadzikadunic - von rechts, der Seite, von der die Elbestädter ihre sämtlichen Treffer einleiten sollte. Selke schob sich vor Gegenspieler Jan Elvedi, köpfte technisch sauber, aber zu mittig, Julian Krahl parierte. Ragnar Ache dürften die Augen feucht geworden sein, als er der Szene zusehen musste: Solche Flanken verwerten zu dürfen, ist eigentlich genau sein Ding.

Bei Selkes zweiter Chance wurde sein Schuss von Maxi Bauer geblockt. Da war er zu egoistisch, drei Meter neben ihm stand Ludovit Reis vollkommen frei.

Aller guten Dinge sind drei - für den HSV

Und beim dritten Mal war's soweit: Hamburgs Rechtsverteidiger William Mikelbrencis schiebt sich auf seinem Flügel an Wekesser vorbei, als simuliere dieser eine Pylone, flankt auf den langen Pfosten. Wie sich Selke dann aus Elvedis Rücken stiehlt, das Leder annimmt und am herausstürzenden Krahl vorbeitrickst - das hat schon Klasse, das können in dieser Liga nur ganz wenige Stürmer. Und einer dieser ganz wenigen wäre ... Okay, lassen wir das jetzt.

Aus Sicht der Roten Teufel war dies insofern schade, als dass ihnen grade mal zwei Minuten zuvor am gegnerischen Sechzehner erstmals ein schnelles Direktspiel über mehrere Stationen geglückt war. Das Schüsschen, mit dem Kaloc abschloss, war zwar nicht der Rede wert, aber es hatte doch ein wenig Hoffnung keimen lassen, der FCK käme nun langsam besser ins Spiel.

Unmittelbar nach dem Führungstreffer ergab sich für die Betze-Buben sogar die klarste Einschussgelegenheit des gesamten Spiels. Yokota setzt sich am rechten Flügel durch, flankt flach in die Box, Ache verpasst, aber am langen Pfosten steht Wekesser vollkommen frei, der aber schießt vorbei. "Verdient" wär der Ausgleich zwar nicht gewesen, aber vielleicht hätte er dem Gastgeber gerade deswegen einen solchen Schlag in die Nieren versetzt, dass er die Balance verloren hätte. Schon klar, zwei "hätte" in einem Satz, das bedeutet: reine Hypothese.

Anfang will nach vorne schieben - vergebens

Bezeichnender für diese erste Hälfte war eine Geste, die am Spielfeldrand zu beobachten war: Markus Anfang hielt die flache rechte Hand abgewinkelt vor der Brust und schob sie permanent nach vorne, Richtung HSV-Tor. Das konnte eigentlich nur heißen: Schiebt nach vorne. Denn so hält man nicht nur den Ball vom eigenen Tor weg, sondern schafft auch kürzere Wege zum gegnerischen. Und ermöglicht ein schnelles Rückerobern des Balles, wenn er verloren geht. Dieses Gegenpressing ist eigentlich eine Stärke des FCK in dieser Saison. Diesmal aber war davon nichts zu sehen. Der Trainer versuchte zwar zu helfen, indem er Mitte der ersten Hälfte Sirch aus der Dreierkette heraus weiter nach vorne beorderte, neben Breithaupt. Positionieren allein genügt aber nicht, so ein Mannschaftsgefüge muss mit Leidenschaft gefüllt werden. Das erkannte hinterher auch Marlon Ritter: "Daran gilt es anzusetzen, dass wir einfach intensiver, aggressiver, ekliger sind."

Denn auch in Hälfte zwei wurde nichts besser. Schon ein paar Minuten nach Wiederanpfiff musste Yokota verletzt raus. Eine Risswunde im Fuß setzte ihn matt, für ihn kam Aaron Opoku. Daran aber festzumachen, dass das Offensivspiel der Roten Teufel nun erst recht krankte wäre zu billig. Es fehlte an allem, vor allem an genauen Zuspielen.

Schlechte Abspiele laden zu Kontern ein

Bezeichnend eine Szene in der 52. Minute. Wekesser will dem in der Mitte der gegnerischen Hälfte einlaufenden Ritter den Ball in den Laufweg legen, passt aber so schlecht, dass Miro Muheim dazwischen gehen und den Konter einleiten kann. Der landet auch im Tor - Selke natürlich -, der VAR erkennt den Treffer wegen einer hauchdünnen Abseitsstellung ab.

Überhaupt bekam der HSV nun öfter Gelegenheit, schnell umzuschalten. Dabei durfte sich zunehmend Linkaußen Jean-Luc Dompé in Szene setzen, dem Gyamerah nach Kräften, aber nicht immer erfolgreich Gegenwehr leistete. Der zweite Treffer wurde dann aber doch wieder über andere Seite eingeleitet.

Zuvor war wieder mal ein Abspiel im Aus gelandet, das eigentlich problemlos an den Mann zu bringen war. Diesmal hatte Ritter vergeblich versucht, ein Zuspiel in den Lauf Wekessers zu legen. Auf den Einwurf folgte ein schönes Zusammenspiel zwischen Startelf-Debütant Adedire Mebude, Adam Karabec und Reis, der, wen wohl, Selke anspielte. Der wiederum schob sich abermals geschickt an Elvedi vorbei und vollstreckte aus halbrechter Position.

Und wenn's dann erstmal schlecht läuft ...

Bei Treffer drei durfte dann auch mal Keeper Krahl schlecht aussehen. Der eingewechselte Fabio Baldé ging über die rechte Seite auf und davon, dribbelte an Bauer vorbei, hielt frech aufs kurze Eck drauf - und traf. Für die Gesamtbetrachtung allerdings spielt der Treffer kaum noch eine Rolle. Ebenso wenig wie der Einschlag, der aufs Konto des ebenfalls eingewechselten Ransford Königsdörffer ging und der erneut vom VAR kassiert wurde. Oder die Riesenchance von Mikelbrencis, der seinerseits mal allein aufs Tor zulaufen durfte, aber an Krahl scheiterte. Und, und, und.

Der FCK hat jetzt zwei Heimspiele vor der Brust, gegen Regensburg und Elversberg. Was für eine tolle Gelegenheit, punktetechnisch wieder in die Spur zu kommen. Wenn er wieder zu der Spielanlage findet, mit der ihm in dieser Saison schon 39 Treffer geglückt sind. In den beiden jüngsten Partien jedoch fiel kein einziger. Und davor, bei Hertha BSC, traf Luca Sirch nur aus der Distanz. Es muss einfach wieder mehr Betrieb im Strafraum gemacht werden. Und das sollte doch möglich sein mit einem Ragnar Ache im Zentrum.

Es braucht mehr vertikale Zuspiele aus dem Zentrum

Zu den Grafiken. Bitte beachten: Die Lautrer sind diesmal mit blauer Farbe markiert. In der xG-Timeline sieht's eigentlich nach Unentschieden aus. Was aber fast ausschließlich dem Sprung geschuldet ist, den Wekessers Großchance kurz vor der Pause verursacht hat.

xG-Timeline HSV-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Es ist nur schlecht zu erkennen, weil ihn der Spot des eingewechselten Robinson (Nr. 37) leicht verdeckt, aber Kaloc (26) war erneut kaum im Spiel. Und Redondo (11) kam besser rein (19) als Hanslik, beide wurden in Minute 67 eingewechselt.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Passmap des HSV: Auch hier ist zu sehen, dass Selke (Nr. 27) sein Bälle deutlich weiter vorne in Empfang nehmen durfte als Ache. Erstaunlich, wie gut Reis (14) direkt wieder im Spiel war. Es war sein erster Startelf-Einsatz seit dem 14. Spieltag.

Passmap HSV

Zur Vertiefung die exakte Übersicht über die Passkombinationen des FCK. Näher betrachtet seien die Zuspiele der zentralen Aufbauspieler Breithaupt und Sirch. Zu den vor ihnen postierten Mitspielern nimmt die Zahl der Pässe deutlich ab. Sirch hat Ache immerhin viermal angespielt, Breithaupt nur einmal.

Passkombinationen HSV-FCK

Und noch ein Überblick über die geführten Duelle. Ein Bild, das wir schon kennen: Auf der rechten Seite wird erfolgreicher gekämpft als auf der linken.

Duelle HSV-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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