Taktik-Nachlese zum Spiel Fürth-FCK

Die DBB-Analyse: Ein Drama, aber keines vom Reißbrett

Die DBB-Analyse: Ein Drama, aber keines vom Reißbrett


Was zeichnet einen guten Psycho-Thriller aus? Dass der Plot stets eine andere Wen­dung nimmt als erwartet. Insofern war man am Freitagabend im Fürther Ronhof besser auf­ge­ho­ben als in jedem Kino. Ein Happy End gab's auch, aber nur für FCK-Fans.

Wer auf eine komplette Aufzeichnung des Spiels zugreifen kann, der sollte sich unbedingt noch einmal die ersten drei Minuten anschauen. Schon nach 40 Sekunden startet eine Ballbesitzphase des 1. FC Kaiserslautern, die über 70 Sekunden andauert. Über schnelles, genaues Passspiel leiten die Roten Teufel drei Angriffe über die rechte Seite ein. Einmal stoppen die Gastgeber gerade noch ein Zuspiel Daisuke Yokotas auf den einschussbereiten Filip Kaloc in den Rückraum. Und am Ende dieser Sequenz zieht Afeez Aremu aus 16 Metern ab. Kleeblatt-Keeper Nahuel Noll lenkt zur Ecke.

Insgesamt dreimal kann die SpVgg Fürth kurz dazwischenfunken, doch jedesmal holen sich die Lautrer das Leder sofort wieder zurück und bauen neu auf. Weil sie kompakt aufgerückt sind und entsprechend eng stehen. Auch die anschließend Ecke bringt zwei Einschussmöglichkeiten, ehe Kaloc übers Tor schlenzt. Das ist der Fußball, den Markus Anfang in der Pfalz implementieren wollte.

Lautern kontrolliert? Fürth trifft zweimal Alu

Ein perfekter Start also, abgesehen davon, dass das Tor nicht fällt. Und was passiert dann? Das Spiel entwickelt sich so, wie sich viele entwickeln, wenn ein sogenanntes Ballbesitzteam auf eine Kontermannschaft trifft. Bis zur 28. Minute steigern die Lautrer ihren Ballbesitz-Anteil auf 81 Prozent, schieben ihre Abwehrreihe bis zu 51 Meter hoch, erreichen eine Passpräzision von 95 Prozent, erlauben dem Gegner im Schnitt nur 5,5 Pässe in der Defensive, ehe sie attackieren. Doch die entscheidenden Zweikämpfe gewinnen die Franken. Und sie gehen in Führung. Und treffen danach gleich zweimal Aluminium.

In der 6. Minute erzielt Fürths zentraler Mittelfeldspieler Philipp Müller das 1:0 für sein Team. Dass Erik Wekesser seinen Schuss unhaltbar für Julian Krahl abfälscht, ist Pech. Dass Müller nach Felix Klaus' Rückpass am Sechzehner dermaßen frei steht, ist allerdings hochgradig fahrig. Wo sind die zentralen Mittelfeldspieler? Aremu spielt in diesem Moment Innenverteidiger gegen Mittelstürmer Dennis Srbeny, Kaloc steht viel zu weit von Müller weg.

Sechs Minuten später schlenzt Roberto Massimo das Leder aus halblinker Position von der Strafraumgrenze an den langen Pfosten. Zuvor hatte Branimir Hrgota Aremu den Ball abgeluchst. In Minute 26 liftet Klaus aus halbrechter Position das Spielgerät ans lange Torkreuz. Diesmal war Wekesser nicht schnell genug hinterher gekommen.

Hinten stimmt's nicht - doch an Robinson lag es nicht

Bei aller Liebe: Auch wenn das instabile Tabellenbild der Zweiten Liga den FCK gegenwärtig als Top-Team ausweist - wer sich solche Fahrlässigkeiten erlaubt, ist noch lange nicht spitze. Das hat auch nichts mit den Personalsorgen in der Innenverteidigung zu tun. Nach Boris Tomiaks Abgang und den Ausfällen Almamy Tourés sowie Jannis Heuers machte Leon Robinson in seinem zweiten Startelf-Einsatz dieser Runde seine Sache gut. Die Position war für den 23-Jährigen, der vergangene Woche noch als Sechser aufgelaufen war, ja auch nicht so ungewohnt, wie manche glaubten: Robinson hat bereits in der vergangenen Saison bei der U21 wesentlich öfter in der Innenverteidigung als im Mittelfeld agiert.

Es ist also schlecht bestellt um den FCK, der zwar das Spiel machen will, aber unentwegt ausgekontert wird. Oder?

Nö. Denn dies ist der ein Abend, an dem es nie so kommt, wie es sich zuvor minutenlang abzeichnet. Und der keiner Dramaturgie folgt, die eine KI sich ausdenken könnte.

Ritter und Yokota kommen über links - und MR7 trifft zum 1:1

Drum kommt der FCK zum Ausgleich. Marlon Ritter trifft. Nach einem schön Doppelpass mit Kaloc, dem er den Ball gefühlvoll in den Strafraum gesteckt hat. Und dessen Return, der, zugegeben, nicht so ganz gewollt aussieht, doch wen interessiert das. Ritter jagt den Ball aus zwölf Metern trocken und präzise neben den rechten Pfosten. Wie schon vor einer Woche gegen Ulm erzielt der Kapitän den so wichtigen Ausgleich nach frühem Rückstand.

An der Einleitung war auch Yokota beteiligt. Ritter und er hatten sich mal gemeinsam auf die linke Seite begeben. In der Regel koordinieren sie ihr Zusammenspiel auf dem anderen Flügel. Solche Wechsel können sie gerne öfter vornehmen.

Danach siehts erstmal so aus, als seien die Gäste am Drücker. Srbeny bekommt kurz vor dem Halbzeitpfiff sechs Meter vorm Tor eine an sich perfekte Flanke nicht einschussklar. Srbeny?

Ja, Fürth-Trainer Jan Siewert hatte den alten Haudegen, der diese Saison erst zweimal getroffen hat, anstelle seines Torjägers Noel Futkeu aufgeboten. Ziemlich überraschend. Ebenso wie die Nominierung Müllers für Sacha Bansé, ebenso wie seine 4-2-3-1-Formation. Die aber auch aus der Not geboren war. Innenverteidiger Maximilian Dietz war kurzfristig ausgefallen, für ihn brachte Siewert Mittelfeldspieler Reno Münz, Marco Meyerhöfer, der zuletzt auf der Sechs ausgeholfen hatte, rückte wieder auf seine angestammte Rechtsverteidiger-Position. Und der wiedergenesene Noll kehrte für Körber in den Kasten zurück. Körber saß auch nicht auf der Bank, sondern der Ex-Lautrer Lennart Grill, den die Spielvereinigung unter der Woche engagiert hatte.

Ritter geht, Ache kommt - gut oder schlecht? Es ist anders

Nach 52 Minuten musste Ritter raus. Er war mit Daniel Hanslik zusammengerauscht, als beide einen Eckball verteidigen wollten. Der Ausfall des Kapitäns, der kurz zuvor den Ausgleich markiert hatte, der muss sich doch nachteilig auf sein Team auswirken. Oder? Nicht in diesem Spiel.

Für Ritter kam Ragnar Ache. Der Stürmer ist natürlich kein Eins-zu-Eins-Ersatz für MR7. Sondern einer, mit dem sich das Spiel seiner Mannschaft neu ordnet. Was sich durchaus auch vorteilhaft auswirken kann. So wie in diesem Fall.

Nur wenige Sekunden später. Fürths Abwehrmann Gideon Jung hat den Ball eigentlich sicher, muss sich aber auf Ache konzentrieren, der ihn zu attackieren versucht. Und hat dabei keine Augen für Yokota. Der schleicht sich von der Seite an, klaut das Leder und netzt. 2:1 für Lautern.

Die Fürther sind verständlicherweise zutiefst verärgert und traurig über Jungs Bock, der das Spiel erneut zu ihren Ungunsten wendet. Andererseits: Die Pfälzer haben sich in dieser Partie auch schon einige Stockfehler geleistet. Denn der Fußball, der hier geboten wird, ist hochspannend, teilweise spektakulär - aber perfekt ist er absolut nicht.

Und weiter geht's: Erst trifft Hrgota, dann Kaloc

Doch siehe da: Die Roten Teufel strahlen von nun an mehr Souveränität aus. Wirken weniger fehleranfällig in der Hintermannschaft und abgeklärter, wenn sie den frühen Attacken der Fürther mit besonnenem Passspiel begegnen. Doch wer die perverse Logik, der die Dramaturgie dieses Spiels folgt, verinnerlicht hat, ahnt es bereits: Den nächsten Treffer erzielt Fürth. Hrgota jagt ein weiteres Mal Aremu den Ball ab - wie oft denn noch? -, spielt Doppelpass mit Massimo und verlegt aus 18 Metern ein Rohr neben rechten Pfosten, das ums Haar das Tornetz zerreißt. 2:2.

Und nun müssten eigentlich doch die Gastgeber zu der mentalen Kraft finden, das Spiel auf ihre Seite zu ziehen. So sehen die Script-Doktoren des Fußballgotts es doch oft genug vor, oder?

Pustekuchen. An jedem anderen Abend vielleicht, aber nicht an diesem.

73. Minute. Weiter Abschlag Krahl, Ache steigt hoch, legt auf Hanslik ab, der bedient den von halblinks in die Mitte einlaufenden Kaloc. Das Kraftpaket sprintet sich in die Schusspostion und jagt Noll das Leder unter die Latte. Uff.

Jetzt kommt Farbe ins Spiel - und Ache setzt den Schlusspunkt

Jetzt sind die Fürther die Ballbesitz-, der FCK die Kontermannschaft. Siewert bringt die Stürmer Futkeu und Nemanja Motika. Für den nächsten Aufreger sorgt jedoch keine Tor-Aktion, sondern ein Foul. Müller tritt den davon eilenden Ache von hinten um, sieht glatt Rot.

Damit könnte der FCK das Spiel nun in Überzahl über die Zeit bringen. Wenn nicht Jan Gyamerah wäre. Er bedrängt Müller, um ihm seine Sünde vorzuhalten, körperlich, nach dem Geschmack von Schiri Felix Prigan ein Tick zu heftig. Gyamerah sieht Gelb-Rot.

Wird es in Gleichzahl statt in Überzahl jetzt nochmal gefährlich für den FCK? Nein. Den Schlusspunkt setzt Ache mit einem Konter. Mit coolem Direktspiel auf die Reise geschickt von einem, der in der 88. Minute kam und auf diese Weise zeigte, dass er noch lange nicht abgeschrieben ist: Jean Zimmer, der nächste Woche nun wohl auch gleich anstelle des gesperrten Gyamerah mal wieder starten dürfte. Der erst am Tag vor dem Spiel an den Betzenberg transferierte Faride Alidou kam ebenfalls noch für ein paar Minuten zum Einsatz, vermochte sich aber nicht mehr in Szene zu setzen.

Erstmals vier Treffer in einem Spiel - Abwehr bleibt Sorgenkind

Es war übrigens das erste Saisonspiel, in dem den Pfälzern vier Tore glückten. Mit nunmehr 36 insgesamt erzielten Treffern dürfen sie sich zurecht zur Liga-Spitze zählen. In der Offensive passt es also. Alidou und der ebenfalls neu verpflichtete Grant Ranos bieten zudem nun weitere Optionen, und wenn Ache endgültig wieder Startelf-bereit ist, wird's vorne richtig eng.

30 Gegentreffer bislang stellen allerdings nur unteres Mittelmaß dar. Das bis zum Ende des Wintertransferfensters noch ein Ersatz für Innenverteidiger Tomiak gesucht wird, ist bekannt. Aber sollte der tatsächlich Priorität haben?

Robinson hat in Fürth gezeigt, dass er bedenkenlos als zusätzlicher Abwehrmann eingeplant werden kann. Heuer wird in Kürze und Almamy Touré hoffentlich demnächst wieder zur Verfügung stehen. Dagegen bereitete die Flügelverteidigung auch in diesem Spiel Probleme, und im defensiven Mittelfeld gingen erneut zu viele Bälle verloren - auch wenn Aremu zwischendurch ein paar gute Szenen hatte.

Lautern siegt nach xGoals klar? Der Schein trügt

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline sieht den FCK weit vorne, doch das trügt. Denn Fürths Alu-Treffer schlagen nur schwach aus, da sie aus schwierigen Einschusspositionen anvisiert wurden. Das weiß so eine Computer-Software einfach nicht zu würdigen.

xG-Timeline Fürth-FCK

Die Positions- und Passgrafik. Na, wer sagt's denn. Über die rechte Seite wird zwar immer noch intensiver gepasst, aber gegenüber dem Ulm-Spiel vor einer Woche hat die linke deutlich aufgeholt. Ritters Spot wird von dem Aches verdeckt, das irritiert ein wenig.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Passmap der Fürther: Auch da ist der Ball gut gelaufen. Und natürlich war für sie in dieser Partie mehr drin. Knackpunkt war halt doch Jungs Abwehrbock.

Passmap Fürth

Die Passkombinationen: Zwischen Yokota und Ritter gab's diesmal schon fünf Interaktionen, und Ritter stand nur 53 Minuten auf dem Platz. Die Tendenz ist also steigend.

Passkombinationen Fürth-FCK

Die Duell-Übersicht: Das sieht's doch wieder so, als ob über rechts einfach mehr als über links. Gut macht sich das fette Rot vor dem Mittelkreis. Wer dort Bälle erobert, kann direkt Angriffe einleiten. Die Fürther waren auf ihrer Seite aber genauso erfolgreich.

Heatmap Duelle Fürth-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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