Der 1. FC Kaiserslautern muss sich zum Jahresausklang einem starken Gegner und den Tücken seiner Spielanlage beugen. Trotz des überragenden Luca Sirch arbeitet er zu wenig Torchancen heraus, um die 0:1-Niederlage gegen den 1. FC Köln abzuwenden.
"Wir hatten die Kontrolle." Ja, da hat Markus Anfang Recht. Und an der "Bereitschaft" hat es ebenfalls nicht gefehlt, wie der linke Außenbahnspieler Erik Wekesser am Ende feststellte. Wirklich schlecht ausgesehen hat das Spiel der Roten Teufel auch nicht. Sie bewahrten trotz des Rückstands, der seit der 33. Minute Bestand hatte, die Ruhe, bauten mit Bedacht auf, erst ganz am Ende durften es auch mal paar ungezielte lange Bälle in den Strafraum sein. Und die beiden Torchancen, die FCK-Trainer Anfang anführte, um zu belegen, dass wenigstens ein Remis verdient gewesen wäre, waren wirklich gut und auch gut herausgespielt.
Andererseits: Damit waren die vielversprechenden Tor-Aktionen des FCK schon aufgezählt. Sieht man mal von ein paar Strafraumwühlereien ab, die sich vor allem gegen Ende nach diversen Ecken zutrugen - da kann so ein Ball natürlich auch mal vor einen einschussbereiten Fuß fallen. Ansonsten aber bewirkten 64 Prozent Ballbesitz und immerhin 85 Prozent Passquote nicht viel. Nach xGoals hätten die Lautrer sogar noch viel höher verlieren können. 0,82 : 2,12 erwartbare Tore errechnete die Opta-Software zugunsten der Gäste, 0,34 : 1,32 das Programm von Wyscout.
Ist "Ballbesitzfußball" doch nicht das Wahre?
Der SV Darmstadt, der den FCK vergangene Woche mit 5:1 abklatschte, verlor übrigens parallel bei Kellerkind Regensburg 1:2. Hatte dabei 56 Prozent Ballbesitz. Es war der zweite Dämpfer in einer seit Wochen währenden Erfolgsserie. Den ersten hatte den Lilien mit Preußen Münster ein anderer Aufsteiger Anfang Dezember verpasst, als sie ihnen am "Bölle" ein 0:0 abtrotzten, und das mit nur 35 Prozent Ballbesitz.
Also belegt das Jahresabschlussspiel am Betze einmal mehr, dass "Ballbesitzfußball" eben doch nicht das Wahre ist, um in der Zweiten Liga zum Erfolg zu kommen?
So einfach ist es dann doch nicht. Es ist nur so, dass bei dieser Spielanlage vielmehr Rädchen ineinander greifen müssen als beim sogenannten "Umschaltspiel", das zwischen Ballgewinn und Abschluss nur drei, vier Stationen vorsieht. Und es braucht nur ein paar Sandkörner, um so ein sensibles Räderwerk ins Ruckeln zu bringen. Ein paar Ungenauigkeiten im Passspiel nach vorne, ein paar Unkonzentriertheiten in der Defensivarbeit, und schon steht hinter viel Aufwand wenig Ertrag.
Offener Schlagabtausch in der ersten halben Stunde
Ebenso klar muss gesagt werden: Aufs Konterspiel aus einer tiefstehenden Abwehr heraus verlegte sich der "Effzeh" erst nach seinem Führungstreffer. Bis zur 33. Minute ging's munter hin und her, war's ein Klassespiel von beiden Seiten. Und in dieser Phase ergab sich auch die erste der beiden Lautrer Topchancen: Ein Flankenwechsel des überragenden Luca Sirch landet bei Daisuke Yokota auf der rechten Seite. Der passt sich mit dem rechten Außenbahnspieler Jan Gyamerah was zurecht, bis er ihn mit einem genialen Chip halbrechts in den Strafraum schickt. Gyamerah liftet das Leder dann an FC-Keeper Marvin Schwäbe, aber auch am Tor vorbei. So geschehen in Minute 15.
Eine Szene, die in zweifacher Hinsicht Symbolcharakter hat. Einmal weist sie auf eines der besagten Zahnrädchen hin, die beim FCK an diesem Sonntag nicht so recht griffen. Es lief zu viel, eigentlich alles, über die rechte Seite. Diese Wyscout-Visualisierung macht es deutlich:
74 Prozent aller Offensiv-Aktionen über rechts, 26 Prozent über links, null durch die Mitte, das ist ganz schöne Unwucht.
Und den Ball halbrechts in den Strafraum auf einen einlaufenden Mitspieler durchstecken - dieses Spielzug wenden auch die Kölner eine knappe Viertelstunde später an. Und das gleich zweimal hintereinander. Beim ersten Mal scheitert FC-Stürmer Damion Downs an FCK-Keeper Julian Krahl, der gedankenschnell mit dem Fuß abwehrt. Beim anderen Mal flankt Linton Maina aufs lange Eck - und Dejan Ljubicic köpft ein.
Der Unterschied zur Gyamerah-Aktion: Beide Male haben sich die Lautrer nach indirekten Freistößen übertölpeln lassen. Schläfrigkeiten, die auch Coach Anfang hinterher monierte. Fast schon tragisch, dass es ausgerechnet Yokota war, der Maina laufen ließ. Denn der Japaner war in dieser Partie nicht nur wie schon so oft Dreh- und Angelpunkt der Pfälzer Offensive, er brillierte auch mehrfach mit Rettungstaten in der Defensive. Nur eben in dieser Szene nicht.
Die Kader-Ressourcen sind eben doch nicht unendlich
Ebenso häuften sich bei seinen Offensiv-Aktionen diesmal die Aussetzer. Die nun anstehende Pause wird ihm gutttun, ebenso einigen anderen FCK-Akteuren. Boris Tomiak, diesmal im zentralen Mittelfeld neben Afeez Aremu aufgeboten, präsentierte sich gegenüber seinem Auftritt beim 1:5 gegen Darmstadt zwar deutlich verbessert, seine gewohnte Dynamik aber erreichte er nicht mehr. Dass Anfang nicht ihn, sondern Aremu nach 63 Minuten auswechselte, um mit Tobias Raschl einen offensiv stärkeren Mittelfeldakteur zu bringen, war vielleicht nicht die beste Entscheidung. Aremu hatte bis dato passsicherer und zweikampfstärker agiert.
Überhaupt: Hatten wir nach dem 3:1 gegen Karlsruher SC vor knapp zwei Wochen noch die Nachrücker im Kader gelobt, die immer wieder ausfallende Stammkräfte ersetzen, offenbarte diese Partie, dass diese Ressourcen halt nicht endlos nachwachsen. Nach Ragnar Ache steht bekanntlich nun auch wieder Kenny Redondo auf der Verletztenliste, der gegen den KSC noch belebendes Element und Torschütze war. Diesmal hatte der Trainer nur Aaron Opoku als Offensiv-Ass im Ärmel. Der kam auch und machte seine Sache gut, fiel etwa mit zwei kernigen Fernschüssen auf - aber in der Schlussphase hätte man sich noch einen zusätzlichen Brecher gewünscht. Marlon Ritter ersetzte in der 78. Minute Jan Gyamerah, vermochte aber keine Akzente mehr zu setzen.
Fazit: Gegen Köln gerät man besser nicht in Rückstand
Der einzige, den zum Jahresausklang die Kräfte in keiner Sekunde zu verlassen schienen, war Luca Sirch. Einmal mehr Lauterns Bester. Zweikampfstarker Abwehrchef, Antreiber, präziser Passgeber. In der 58. Minute sorgte er mit einem klasse Steckpass auf Jannik Mause für die zweite Großchance im Spiel der Roten Teufel. Der Stürmer vermochte sie jedoch nicht zu verwerten.
Ansonsten ließ der FC, für den sein Trainer nun auch hierzulande den österreichischen Begriff "Winterkönig" einführte, nicht viel zu, wie schon gesagt. Auffallend: Von ihren jüngsten sieben Spielen haben die Geißböcke nun fünf 1:0 gewonnen. So dass am Ende dieses Spiel nicht die Diskussion stehen sollte, ob "Ballbesitzfußball" nun gut oder schlecht ist, sondern die eher banale Erkenntnis: Gegen diesen 1. FC Köln sollte man besser nicht in Rückstand geraten.
Zu den Grafiken. Die xG-Timeline bestätigt, was wir oben bereits ausgeführt haben.
Die Postions- und Passgrafik des FCK: Verdeutlicht die Rollen der Dreh- und Angelpunkte Sirch (Nr. 31) und Yokota (41). Der eine überragte, dem anderen gelang nicht alles.
Die Passmap des 1. FC Köln:
Ja, da sind die Linien dünner. Aber wie viele davon laufen allein zur Sturmspitze Maina (37)? Daniel Hanslik und Jannik Mause konnten nur davon träumen, derart ins Spiel einbezogen zu werden.
Und zum Schluss wieder mal die Übersicht über die Passkombinationen. In erster Linie zu Ehren Luca Sirchs, um zu zeigen, welch überragende Rolle er mittlerweile spielt.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage