Der 1. FC Kaiserslautern sichert sich nach frühem 0:2-Rückstand gegen den 1. FC Magdeburg noch ein Remis, hätte angesichts der Chancenflut in Überzahl aber gewinnen müssen. Unzufrieden muss er dennoch nicht sein.
36 Minuten spielten die Roten Teufel wie erwartet gegen einen hoch aufrückenden, ballbesitzorientierten, intensiv pressenden Gegner - also einen, dessen Spielstärke mit der Herthas, Hamburgs, Paderborns oder Düsseldorfs vergleichbar ist. Teams, gegen die die Elf von Markus Anfang in dieser Saison stets gut ausgesehen, zuletzt sogar zweimal gewonnen hatte. Ab Minute 36 aber sahen sie sich einem tief stehendem Kontrahenten gegenüber, der ihnen den Ball überlässt und auf den Fehler wartet, der den schnellen Konter ermöglicht. Also so einen, wie ihn Jahn Regensburg am 7. Spieltag bot. Und bei diesem 0:0 an der Donau präsentierten sich die Pfälzer unerfreulich einfallslos.
Und diesmal?
Sah das Spiel gegen einen mauernden Gegner viel, viel besser aus. Permanent stellten zwei weit auseinandergezogene Flügelspieler in vorderster Position größtmögliche Breite her, kamen Mitspieler in den Halbräumen dem Ballführenden in der Dreier-Abwehrkette entgegen, um ihm eine Anspielstation zu bieten. Konsequent wurde der freie Mann gesucht, wiederholt kamen Zuspiele zwischen die Linien in den Zehnerraum an, lief das Leder um den Magdeburger Strafraum herum wie bei einem Handballspiel, eroberten sich die Lautrer verlorene Bälle noch in der gegnerischen Hälfte zurück.
Die Zahlen sprechen für sich - nur die Tore nicht
Und sie verzeichneten etliche Toraktionen. 16 Schussversuche innerhalb des Strafraums waren es bis zum Abpfiff, sechsmal wurden diese von Magdeburgern geblockt, dreimal (!) traf alleine Ragnar Ache Aluminium. Nach xGoals stand es am Ende 3,65 : 0:96 für die Roten Teufel nach "Opta"-Daten, die "Wyscout"-Software errechnete sogar ein 4,39 : 1,19. Und das bei 70 Prozent Ballbesitz. Zum Vergleich: Beim 0:0 in Regensburg "gewann" der FCK nach 69 Prozent Ballbesitz nur 1,28 : 0,56.
Hier mal eine eindrucksvolle "Wyscout"-Visualisierung, wie sich die "Angriffe pro Minute" über den Spielverlauf entwickelten.
Aber: Aller Überlegenheit zum Trotz gelang den Betze-Buben ab Minute 36 nur ein Treffer, und der fiel nach einer Ecke. Trotz deutlicher Verbesserungen im spielerischen Bereich ist der Tor-Ertrag also grade mal um Faktor 1 gestiegen. Wer es mit Otto Rehhagels Leitspruch hält, dass der Ball ins Tor muss und alles andere Kokolores ist, darf nach dieser Zahlenhuberei nun müde die Schultern heben. Hoffen wir, dass ihn wenigstens das Betrachten der Partie gut unterhalten hat. Die nämlich war absolut sehenswert.
Natürlich hatten sich die Gäste ihre Rolle in dem rund einstündigen Akt "Kaninchen-gegen-Schlange" nicht freiwillig ausgesucht. Es war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als sich tiefer zu stellen, da sie nach 36 Minuten nur noch zu zehnt waren. Wie weit sie mit zunehmender Spieldauer nach hinten rücken mussten, visualisiert diese Grafik:
FCM-Mittelfeldspieler Falko Michel hatte die Ampelkarte gesehen, nach zwei Attacken gegen Daisuke Yokota innerhalb von vier Minuten. In den Harnisch brachte FCM-Trainer Christian Titz und seine Jungs insbesondere die erste Gelbe Karte. Denn nach der entschied Schiedsrichter Floran Badstübner gleichzeitig auch auf Elfmeter und Boris Tomiak verwandelte zum 1:2-Anschlusstreffer.
Elfer ja oder nein? Das ewig junge Rumgeeier
Bei Michels geahndetem Vergehen handelte es sich um einen leichten Körperkontakt, nach welchem wieder mal ewiglich rumgeeiert werden durfte, ob der denn tatsächlich "genug" war, den enteilenden Yokota zu Fall zu bringen und so den Pfiff zu rechtfertigen. Versuchen wir, es kurz zu machen. Wer im Strafraum so gut erkennbar nach einem Gegenspieler grapscht, wie Michel es tat, setzt sich immer dem Risiko aus, dass die Pfeife schrillt. Egal, ob sein Mann dabei nun tatsächlich das Gleichgewicht verlieren muss oder er nur markiert.
Und überhaupt: Noch beim Stand von 0:0 war ein deutlich klarer sichtbares Strafraum-Ziehen gegen Yokota ungeahndet geblieben. Und in der 84. Minute, als es bereits 2:2 stand, ging Ache nach einem Körperkontakt von Daniel Heber zu Boden, worauf Badstübner erneut befand, dies sei nicht "genug" für einen Elfer. Dabei war Ache gerade dabei, sich frei zum Schuss zu drehen. Und dass ein Vollblutstürmer wie er in einer solchen Situation lieber einen Elfer schinden will statt mit Macht versucht, auf den Beinen zu bleiben und zum Abschluss zu kommen, ist schwer zu glauben.
Mit anderen Worten: Unterm Strich hatte der FCM kaum Anlass, mit dem Schiedsrichter zu hadern. Auch nicht wegen des zweiten Gelb-Rots gegen Mittelstürmer Martijn Kaars kurz vor Schluss. Das unschöne Ende ist lediglich für den Niederländer persönlich ärgerlich. Zuvor nämlich hatte er mit seinen tiefen Läufen nach hinten wie nach vorne schwer Eindruck gemacht.
0:2 nach 15 Minuten - turbulent, aber auch lehrreich
Reden wir lieber wieder über Fußball. Etwa über die erste halbe Stunde, die ebenfalls schon hochinteressant war.
Die Männer in Rot kamen zunächst nicht so recht ins Pressing, weil beim FCM bekanntlich Keeper Dominik Reimann beim Spielaufbau zu seinen Abwehrspielern aufrückt. Wer ihn attackieren will, braucht vorne einen Mann mehr und riskiert so, eine Anspielstation hinter seiner ersten Angriffslinie zu schaffen. Drum warteten die Gastgeber den ersten Pass ab, bevor sie die Balleroberung suchten, und da sie wie auch bei ihren Auftritten schön kompakt standen, sah das erstmal gut aus.
Und das, obwohl Markus Anfang seine Startelf gegenüber dem Dienstagsspiel im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart (1:2) gleich auf fünf Positionen geändert hatte. Dabei hatte er die wenigsten Wechsel aus freien Stücken vollzogen: Jannis Heuer hatte sich unter der Woche einen Muskelfaserriss zugezogen, Jean Zimmer und Marlon Ritter hatten wegen Blessuren am Rücken beziehungsweise in den Adduktoren kurzfristig passen müssen. Für sie kamen Afeez Aremu, der die Sechser-Position übernahm, so dass Tomiak in die Innenverteidigung zurückgezogen werden konnte, Frank Ronstadt für Zimmer und Filip Kaloc für Ritter. Freiwillig ersetzte Anfang lediglich Kenny Redondo durch den wieder topfitten Düsseldorf-Helden Daniel Hanslik und Erik Wekesser durch Florian Kleinhansl.
Doch nutzt die schönste Ordnung im laufenden Spiel nichts, wenn man sich von einem ruhenden Ball übertölpeln lässt. Nach elf Minuten schlug Kaars eine Ecke von rechts nicht etwa hoch vors Lautrer Tor, sondern passte flach in den Rückraum, wo Linksfuß Samual Loric den Ball optimal erwischte und in die Maschen zimmerte. Eine Variante, sich Coach Titz wohl hatte einfallen lassen, weil er sich dachte, dass seine Jungs im Luftkampf gegen die Pfälzer Kopfballriesen nicht viel ausrichten würden. Dass diese Ecke ausgerechnet vom gegnerischen Mittelstürmer geschlagen wurde, hätte die Gastgeber eigentlich warnen müssen. Und sie waren eigentlich auch darauf vorbereitet worden, wie Trainer Anfang im Nachgang mitteilte. Aber sie verteidigten es eben nicht.
Zwei Minuten später dann mal wieder einer von diesen individuellen Fehlern, die eine bis dato gute Mannschaftsleistung schlagartig versauen können. Nach einem langen Ball von FCM-Innenverteidiger Marcus Mathisen steht Tomiak einen Tick zu weit vorne, kommt dadurch zwei, dritte Schritte zu spät hinter dem durchstartenden Ex-Lautrer Philipp Hercher her. Der geht auf und davon markiert das 2:0 für die Seinen.
Lautern reagiert im 11 gegen 11 noch stark
Aber, Respekt, wie die Anfang-Elf auf diesen Doppelschlag reagiert. Sie sammelt sich kurz im Kreis, palavert ein wenig und macht sich dann daran, dieses 0:2 zu korrigieren. Nicht ungestüm oder gar vogelwild, sondern konzentriert und durchdacht. Und zeigt auch schon in der Viertelstunde bis zum ersten Platzverweis ein gut anzuschauendes Offensivspiel. Dabei überragt einmal mehr Yokota, und wie ihn Hanslik vor dem Elfmeter durch die Mitte in die Gasse schickt, nachdem Ache den Ball auf seinen Kapitän zurückgelegt hat, das hat schon Klasse - egal, wie sehr man sich über den anschließenden Pfiff echauffieren will.
Will sagen: Ein Spiel Elf gegen Elf über die vollen Spielzeit hätte den Magdeburger sicher eine größere Chance eröffnet, drei Punkte mit nach Hause zu nehmen, wäre aber mit Sicherheit eine nicht minder spannende und ansprechende Partie geworden.
Der Sturmlauf in Hälfte Zwei: Nur ein paar Impressionen
So wurde es in Hälfte Zwei eine sehr einseitige Angelegenheit, mit so vielen Toraktionen, die komplett aufzuzählen müßig wäre. Festgehalten sei daher nur: Gut, dass sich noch ein weiterer starker Eckballschütze gefunden hat, wenn Wekesser, Ritter oder Philipp Klement nicht auf dem Rasen stehen. Luca Sirch, der zentrale Mann in der Drei-Abwehrkette, schlug die Ecken von links, und die kamen um einiges besser als Kleinhansls von der anderen Seite. In der 68. Minute nickte Ache, der an seinen bis dato zwei Alu-Treffern bereits zu verzweifeln drohte, eine davon zum 2:2 ein.
Von den vielen turbulenten Strafraumszenen sei nur noch eine hervorgehoben, die aus Minute 86. Erst legt der eingewechselte Jannik Mause auf Ache ab, der zum dritten Mal Alu trifft, dann scheitert der ebenfalls eingewechselte Jan Gyamerah an Reimann und zu guter Letzt köpft Yokota den Ball knapp am Gehäuse vorbei. Der 1,71 Meter große Japaner als Kopfballheld und Siegtorschütze - das wäre eine Pointe gewesen, die dem Gros der 45.104 Zuschauer sicher besonders gut gefallen hätte.
Die Flanken könnten besser kommen - aber da gibt's Hoffnung
Außer, dass der Ball am Ende halt doch nicht mehr ins Netz gefallen, gibt's eigentlich nur zu meckern, dass einige der vielen Flanken zu unsauber geschlagen waren, als dass Ache & Co sie hätten erwischen können. Doch auch hier besteht Hoffnung auf weitere Verbesserung. Aaron Opoku wurde nach seinem Kurzauftritt in Stuttgart diesmal schon nach 63 Minuten eingewechselt, spielte als echter Linksaußen stark auf und wird schon bald wieder fit für volle 90 Minuten sein. Ebenso Redondo, der diesmal nur wenige Minuten auf dem Platz stand.
Zum Schluss noch ein Sonderlob für einen, der von den anderen womöglich vergessen wird. Frank Ronstadt bot als kurzfristig in die Startelf gerückter rechter Schienenspieler eine wirklich gute Partie. Was vor allem unter dem Gesichtspunkt erwähnenswert ist, als dass er in dieser Saison bislang kaum Spielzeit bekam.
Zu den Grafiken: Zur xG-Timeline ist bereits alles gesagt.
Die Positions- und Passgrafik des FCK: So muss sie halt aussehen im Überzahl-Spiel. Schön zu sehen, dass Opoku (Nr. 17) nach seiner Einwechslung einen echten Linksaußen gab. Dass Yokotas (41) Spot nicht weiter rechts positioniert ist, liegt daran, dass er immer wieder ins Zentrum wechselt.
Die Passmap der Magdeburger: Nur ein paar dünne Linien, sind aber verständlich nach über einer Stunde in Unterzahl halt.
Und noch die Überkreuzübersicht über die Duelle. Auch die bestätigt unter anderem Ronstadts starken Auftritt.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage