Kein Zweifel mehr: Der 1. FC Kaiserslautern ist das neue "Wetten, dass ...?!". Beim 4:3 über Tabellenführer Fortuna Düsseldorf bot er erneut beste Samstagabendunterhaltung. Doch so viel Freude wie diesmal bereitete er seinen Fans lange nicht.
Selbst Wetteinsätze in dieser Show zu platzieren, hätten wir allerdings niemandem empfehlen können. Erst recht keine sogenannten "Live"-Wetten während dieser Partie, und schon gar nicht auf den zu erwartenden Spielausgang. Auch nicht nach der 67. Minute, nachdem Daniel Hanslik eine Ecke von Florian Kleinhansl zum 4:2 ins Netz geköpft hatte. Denn angesichts der Tapsigkeiten, die sich die Lautrer Hintermannschaft immer wieder leistete, hätte auch da das Spiel noch locker kippen können.
Insgesamt sind sieben Treffer gefallen, für Höhepunkte war also ausreichend gesorgt, ebenso für dramaturgische Wendungen. Dennoch: Den entscheidenden "Plotpoint" markiert Minute 58. Düsseldorfs Sechser Giovanni Haag darf unbedrängt in den rechten Halbraum vor Lauterns Sechzehner ziehen und schießen, trifft aber nur den Innenpfosten. Der Gastgeber führt zu diesem Zeitpunkt 2:1, das wäre womöglich die Vorentscheidung zu seinen Gunsten gewesen.
Nach der Pause verkackt: Das wäre "typisch FCK" gewesen
Acht Minuten zuvor hatte der Niederländer Myron van Brederode den Führungstreffer für Düsseldorf erzielt. Und das Spiel somit gedreht, nachdem Hanslik schon in der 14. Minute zum 1:0 für den FCK getroffen hatte. Und die Roten Teufel hätten wieder mal einen bis dato ordentlichen Auftritt verkackt, und das in der ersten Viertelstunde nach der Pause - kein ungewöhnlicher Handlungsablauf für regelmäßige Kaiserslautern-Gucker.
Diesmal jedoch kommt's anders. Der vom Innenpfosten ins Feld zurückgeprallte Ball landet bei Jean Zimmer, der bei van Brederodes Treffer keine gute Figur gemacht hatte. Jetzt behauptet er den Ball energisch, setzt tief aus der eigenen Hälfte zu einem langen Lauf durchs Zentrum an, passt nach rechts zu Daisuke Yokota. Der zieht in Strafraumhöhe nach innen und zwirbelt das Leder mit seinem starken linken Fuß in den langen Torwinkel. Und noch mal sieben Minuten später steht's 4:2 für Lautern.
Dank Hanslik und Ache lief's diesmal anders
Das 3:2 hatte Ragnar Ache besorgt. Ausgangspunkt war abermals Hanslik, der dem unglücklichen Aluschützen Haag kurz vor der Mittellinie den Ball abluchste und Ache sofort bediente. Der läuft ein paar Schritte und haut die Kugel mit 116 km/h aufs Tor. Unplatziert zwar, doch Fortuna-Keeper Florian Kastenmeier bewegt sich gerade rückwärts, kann daher nicht kontrolliert abwehren, und drin ist das Ding. Ein Flatterball zudem, genau wie ihn Ache laut eigenem Bekunden in den letzten Wochen und Monaten immer mal wieder trainiert hatte.
Damit haben sich Gäste nicht nur eine Zwei-Tore-Vorsprung rausgeschossen und ein vom Gegner bereits gedrehtes Spiel nochmal gedreht, sondern endlich auch mal wieder gezeigt, dass sie in zweiten Hälften eben nicht regelmäßig abbauen.
Und, nicht zu vergessen. Sie haben den aktuellen Tabellenführer geschlagen. Wobei schon die bis dato vorliegenden Spieltagsergebnisse bestätigten, was wohl für die gesamte laufende Runde der zweiten Klasse gelten wird: In dieser Tabelle gibt's kein oben und unten.
Vor allem aber das FCK-Team seinem Coach einen Wunsch erfüllt: Auch mal fußballerisch was zu bieten, nachdem der 3:0-Sieg gegen Paderborn vor Wochenfrist in erster Linie nur erkämpft worden war. Dabei musste er an seiner Startelf gar nicht viel ändern, um die spielerische Qualität zu erhöhen.
Anfang stärkt das Zentrum, Thioune die Flügel
Innenverteidiger Jannis Heuer war nach seinem verletzungsbedingten Ausscheiden gegen Paderborn schnell wieder fit geworden. Und überraschenderweise hatte sich Boris Tomiak in der vergangenen Woche zurückgemeldet, nicht einmal drei Wochen nach seinem Bänderriss im Sprunggelenk. Er rückte für Filip Kaloc in die Startelf, neben Sechser Afeez Aremu, mutierte in Lauterns fluider 5-3-2-Formation aber häufig zum Achter.
Tomiaks Nominierung neben Aremu zeigt, dass Anfang ein zweikampfstarkes Mittelfeldzentrum wollte. Sein Gegenüber Daniel Thioune dagegen forcierte das Flügelspiel seiner Elf. Als linken Verteidiger präsentierte er Tim Rossmann, der bislang den offensiven Part auf diesem Flügel übernommen hatte und entsprechend vorwärtsgerichtet auftrat. Vor ihm durfte der spätere Torschütze van Brederode erstmals von Beginn an ran. Rechtsaußen brachte Thioune mit Jona Niemiec für Felix Klaus den mutmaßlich schnellsten Spieler der Liga.
Und irgendwie lagen beide Trainer auch richtig. Lautern hielt das Zentrum dicht, sieht man mal von Haags Pfostenschuss ab. Und Fortuna bereitete ihrem Gegner über die Flügel die meisten Kopfzerbrechen. Dass am Ende Anfang das bessere Ende für sich hatte, lag an einer insgesamt kompakteren Mannschaftsleistung.
Ihren Gegner erwarteten die zehn Feldspieler meist auf der Fläche zehn Meter vor und zehn Meter hinter der Linie, wo sie auch immer wieder entscheidende Ballgewinne erzielten. Vor Aches 3:2 etwa, aber auch vor Hansliks 1:0, als Jan Elvedi sich einen Ball vor der Mittellinie zurückholte und auf den rechten Flügel zu Yokota passte. Hanslik vollstreckte nach dessen Dribbling und flacher Flanke.
Dazu gelangen den Roten Teufel auch mal Ballstafetten, mit denen sie den Gegner zwar nicht auseinandernahmen - die Kunst lernen sie irgendwann vielleicht ja noch -, mit denen sie ihr Spiel aber zu beruhigen vermochten. In der Partie gegen Paderborn registrierten die "Wyscout"-Analysten gerade mal eine Ballbesitzphase, die 45 Sekunden oder länger dauerte. Diesmal waren es vier.
Für den "Man of the Match" gibt's mehrere Kandidaten
Und aus dieser geschlossenen Formation ragten ein paar Köpfe noch heraus. Welchem davon nun das Etikett "Man of the Match" aufgebabbt werden soll, bleibt dem geneigten Leser überlassen.
Zu nennen wäre da einmal natürlich der gestrige Kapitän Hanslik, für den die nackten Zahlen am nachhaltigsten sprechen: Zwei Treffer selbst erzielt, eines vorgelegt - drei Scorerpunkte in einem Spiel sind dem 28-Jährigen auf Zweitliga-Niveau noch nie geglückt. Dazu die meisten Kilometer gefressen (11,7) und die meisten Zweikämpfe gewonnen (12). Hoffentlich hatte "Hansi" Gelegenheit, im weiteren Verlauf des Abends dem auf der Tribüne sitzenden Anfang-Vorgänger Friedhelm Funkel die Hand zu schütteln - der nämlich hat ihn Ende der vergangene Saison aus der Versenkung zurückgeholt.
Kandidat Nummer zwei: Daisuke Yokota. Kaum zu glauben, aber der Japaner war der letzte Spieler, der im Sommer zum Kader stieß. Doch keiner kapierte so schnell das variable Spiel, das sein Trainer sehen will. Stark auf engem Raum ist er immer. Agiert er aber auf der Zehn im Zentrum, bringt er seine Mitspieler auch mal mit nur einer Ballberührung direkt ins Spiel. Wechselt er auf den rechten Flügel, setzt er meist zum Dribbling an. Ein Treffer, ein Assist, auch das sind Zahlen, die beeindrucken.
Und was wird nun aus Ritter?
Interessant wird sein zu beobachten, ob und wann Marlon Ritter neben Yokota wieder einen Platz in der Startelf findet. Yokota brillierte nun schon zum zweiten Mal als zwischen Zehn und Rechtsaußen switchender Unruhefaktor, während der etatmäßige Kapitän zunächst auf der Bank saß. Ob das was bedeutet? Da bleiben wir natürlich vorsichtig. Realistischer als Grund ist, dass Ritters weiter anhaltende Oberschenkelprobleme keinen Einsatz bei "hundert Prozent", wie es Trainer immer gerne formulieren, zulassen.
Gegen Paderborn war Ritter nach 58 Minuten gekommen und direkt zum belebenden, sogar spielentscheidenden Element geworden. Diesmal musste er 81 Minuten auf seinen Einsatz warten. Er kam für Yokota, gemeinsam mit Leon Robinson, der Tomiak ersetzte.
Spannende Wechsel - und Redondo ist wieder da
Nach 68 Minuten hatte der Trainer zunächst Richmond Tachie und Kenny Redondo ins Spiel gebracht. Interessant übrigens: Für die beiden Offensivspieler musste neben Ache auch Sechser Aremu vom Feld. Und das bei einer 4:2-Führung. Seltsam, nicht? Ein paar Minuten später wurde Anfangs Absicht offensichtlich: Er stellte auf eine 4-5-1-Formation um. Sirch rückte jetzt auf die Sechs, flankiert von Tomiak.
Redondo? Bestritt seinen ersten Einsatz seit seiner Zehenverletzung im August. Fand, wen wundert's, nicht sofort Bindung ans FCK-Spiel, profilierte sich aber direkt wieder als Stressfaktor für ballführende Düsseldorfer Abwehrspieler. In den Schlussminuten, als Hansik für Erik Wekesser vom Platz gegangen war, fungierte Redondo als Mittelstürmer.
Und dann ist da noch Luca Sirch ...
Als "Man of the Match" möchten wir aber noch einen dritten Kandidaten vorschlagen: Luca Sirch, der schon bei seinem Startelf-Debüt im Paderborn-Spiel positiv überraschte. Auch diesmal gab er den Mann im Abwehrzentrum, als wäre er schon jahrelang dabei. Stark, wie er Mitte der ersten Halbzeit, als er spontan Raum nach vorne erblickte, zu einem langen Sprint über den linken Flügel ansetzte, der erst im gegnerischen Strafraum endete.
Noch stärker, wie er kurz vor dem Pausenpfiff in eine flache Flanke von Niemec grätschte. Der für den verletzten Dawid Kownacki eingewechselte Vincent Vermeij stand hinter ihm vollkommen frei. Schon das hätte gut und gerne den 1:2-Rückstand markieren können, und das noch vor der Pause.
Bei aller Freude: Die Abwehr macht weiter Sorge
Also gibt's gar nichts zu meckern diesmal, alles Friede, Freude, Altbier auf der Kö? Na ja, ansprechen muss man es schon: Drei Gegentreffer sprechen auch diesmal für eine nicht gerade überzeugende Abwehrleistung.
Keeper Julian Krahl hat immer wieder starke Szenen, leistet sich aber ebenso gerne mal Tapsigkeiten. Dass er in der 33. Minute die eigentlich korrekte Entscheidung trifft, eine scharfe angeschnittene Rossmann-Flanke wegzufausten, dabei aber den Ball nicht trifft, sondern Kownacki niederschlägt und so den Elfmeter zum 1:1 verursacht, war so eine.
Rechtsverteidiger Zimmer machte es, wie schon erwähnt, van Brederode vor dessen 2:1 zu leicht. Und auf der linken Seite war Florian Kleinhansl fast über die volle Spielzeit ein Risikofaktor. Bevor er dem eingewechselten Klaus in der Nachspielzeit das 3:4 gestattete, hatte er sich kurz zuvor schon von Vermeij den Ball in der letzten Linie abluchsen lassen. Und der verhaut ein Ding, das ein erfahrener Stürmer eigentlich nicht verhauen darf.
Ja, doch, ums Haar hätte auch die zwischenzeitliche 4:2-Führung nicht gereicht. Und bei solchen Abwehrleistungen jedesmal vier Tore zu erzielen, um dreifach zu punkten, wird auf Dauer nicht hinhauen. Wetten, dass ...?!
Topscorer und Kampfsau in Personalunion: Daniel Hanslik
Zu den Statistiken. Die xG-Berechnungen von "Wyscout" weichen diesmal wieder von den unter anderem auf "bundesliga.de" veröffentlichten Opta-Daten ab. Bei denen nämlich siegt Fortuna mit 2,43 : 1,42 nach expected Goals. Erscheint uns ein wenig krass, auch wenn man berücksichtigen muss, dass der Elfmeter einen Sprung um 0,75 Punkte verursacht. Wyscout kommt auf 2,06 : 1,96. Das klingt schon besser. Markus Anfang sagte zu diesen auch von ihm schon öfter thematisierten Werten auf DBB-Nachfrage übrigens: "Statistiken sind für mich nur Tendenzen und nie die klare Wahrheit" - wohlgemerkt bezogen auf alle diese Werte, nicht nur auf die expected Goals.
Die Positions- und Passgrafik des FCK: Wie schon gesagt, den Ball öfter mal hintenrum laufen zu lassen, entfacht zwar keinen Druck auf den Gegner, kann ein Spiel aber beruhigen. Und, sieh an: Elvedi (Nr. 33), der angeblich doch von der rustikalen Sorte ist, erscheint hier als zum Spielaufbau durchaus fähiger Abwehrspieler. Hat bevorzugt Yokota (41) gesucht. Was kein Fehler sein kann, wie bereits festgestellt haben.
Die Passmap der Düsseldorfer: Dass Kownacki (24) früh raus musste, war sicher ein Rückschlag. Zum reflektierten Denken fähige Fortuna-Fans können jetzt vielleicht ermessen, wie es für den FCK war, als Ache vergangene Saison nach einer halben Stunde vom Platz musste. Nachfolger Vermeij (9), der immerhin über eine Stunde auf dem Platz stand, fand kaum Bindung zum Spiel, wie man sieht.
Zum Schluss noch die Überkreuzübersicht über die geführten Duelle: Hammerhart, in wie viele Zweikämpfe mehr als seine Mitspieler Hanslik verwickelt war. Und die Mehrzahl hat er auch noch gewonnen. Ein bisschen seltsam mutet der Wert für Aremu an, gerade für einen Sechser. Immerhin hat er die dürre Bilanz für sich positiv gestaltet.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage